Читать книгу planlos!? - Markus Nägele - Страница 5

Ein anderer Blickwinkel.

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In der darauffolgenden Woche besuchte mich der Hauptverantwortliche der Jugendarbeit und stellte mir doch tatsächlich die Frage, ob ich nicht als Streetworker im Team der Jugendarbeit mitmachen wolle. Ich traute meinen Ohren kaum, weil ich ihm in den Tagen zuvor meinen Entschluss, im Bistro nicht mehr mitzuarbeiten, klar und deutlich mitgeteilt hatte. Diese Anfrage empfand ich fast als Witz, denn die Arbeit eines Streetworkers bestand darin, sich mit den Jugendlichen direkt zu befassen – sie zu begrüßen, mit ihnen zu kickern, zu spielen, zu reden und auch für Ordnung zu sorgen. Zum wiederholten Mal machte ich ihm meinen Standpunkt deutlich. Als er dann gegangen war, wollte ich diese Sache endgültig abschließen und aus dem Kopf bekommen.

Ich war wieder „frei“, ging arbeiten und konnte mein Wochenende wieder planen, wie ich wollte – der ganz normale Alltag hatte mich wieder.

Es fällt mir nicht ganz leicht zu beschreiben, was in mir war und mich trotz meiner Entscheidung nicht in Ruhe ließ. Immer wieder hatte ich das Gefühl, eine innere Stimme zu hören, die mir zurief: „Markus, du läufst in die falsche Richtung. Du läufst vor etwas weg, das dir unbequem scheint!“ „Welche falsche Richtung?“, fragte ich immer wieder. „Ich lebe doch ein normales Leben, ich arbeite, ich habe eine Beziehung zu Gott und liebe meine Frau und meine Kinder.“

Diese Selbstrechtfertigung half mir aber nicht lange. Immer wieder meldete sich diese Stimme. Im Verlauf der nächsten Wochen erwischte ich mich immer wieder dabei, wie ich diesem Gedanken Raum zur Verfügung stellte, vielleicht doch noch Streetworker zu werden.

Nach drei Wochen war es dann passiert: Ich saß in einer Teambesprechung für Bistromitarbeiter. Nur mal so zum Zuhören, völlig unverbindlich – bereit zur Flucht, falls mir nicht gefiel, was ich da hören sollte. Es ging darum, jeden Einzelnen der Jugendlichen ernst zu nehmen und wertzuschätzen. Darum, den Jugendlichen Begleiter zu sein, damit ihr Leben gelingen kann. „Beziehungsevangelisation“ war das Zauberwort. Im Moment konnte ich mir darunter nicht viel vorstellen, aber mein Interesse war so weit geweckt, dass die Möglichkeit „Flucht“ keine Anwendung fand.

Nun war ich also Streetworker im Bistro, mitten unter den „schrecklichen“ Jugendlichen, die mir zwei Samstagabende versaut hatten! Wir als Mitarbeiter wurden immer zu zweit für je einen Mittwoch- oder Samstagabend eingeteilt. Die Aufgaben eines Streetworkers bestanden darin, sich unter die Jugendlichen zu mischen, mit ihnen ein Brettspiel zu machen oder eben Billard, Airhockey oder Tischfußball zu spielen, wobei Ersteres für mich eher nicht infrage kam.

Der erste Dienst-Abend ließ auch nicht lange auf sich warten, und so machte ich mich auf den Weg ins Bistro. Jetzt hatte ich mich also, trotz allem Widerstreben, mitten in die Höhle des Wahnsinns gewagt! Da stand ich mit Dominik, meinem Kollegen, am Eingang des Bistros, um alle Jugendlichen per Handschlag willkommen zu heißen. Eigenartig, mit jedem Handschlag und Augenkontakt eines ankommenden Jugendlichen fiel immer mehr von dem ab, was man wohl Schubladendenken nennt. Ich versuchte mir die Namen der Ankömmlinge zu merken – einfacher hätte ich mich mit Nummern getan, die konnte ich mir schon immer besser einprägen.

Das Bistro füllte sich, und Dominik und ich versuchten zum einen, den Überblick und die Ordnung zu behalten, und zum anderen, uns unters Volk zu mischen. Letzteres gelang eher weniger, da vorwiegend der Ordnungshüter gefragt war. Das „Volk“ war inzwischen eine bunt gemischte Ansammlung von Mädels und Jungs deutscher und ausländischer Herkunft im Alter von 13 bis 1 7 Jahren. Es lebte und pulsierte, tobte und war ganz schön laut!

Im Großen und Ganzen, denke ich, haben wir diesen ersten Abend als Streetworker ganz gut gemeistert. Auf dem Nachhauseweg war ich ziemlich müde, und doch empfand ich so etwas wie eine wohltuende Ausgeglichenheit, die dafür sorgte, dass ein zufriedenes Lächeln mein Gesicht erhellte.

Die Wochen vergingen und ich musste mir langsam eingestehen, dass die jetzt regelmäßig gewordenen Bistro-Dienste mir echt guttaten. Ja, ich freute mich darauf und empfand sie als angenehmen Gegenpol zu meinem Alltag.

planlos!?

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