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16. April 1995, Ostersonntag, 10.00 Uhr Essen Frohnhausen

Er war am Vorabend mal wieder zu spät ins Bett gekommen, was an dem Besuch in der Eckkneipe lag. Die Besuche in ‚Uschis Eck‘ wurden am Freitag und Samstag immer länger, wenn er nicht in einem Fall steckte. Wie immer, wenn er nach einem solchen langen Abend wieder wach wurde, fragte er sich, wie er hieß.

„Martin Lüpke, in Ordnung“, sagte er sich. „Scheint noch alles beisammen zu sein.“

Er sah sich in seinem Schlafzimmer um und schaute auf den Wecker, 10 Uhr. Irgendetwas hatte er am Samstag noch erledigen wollen, aber was, wollte ihm nicht einfallen. Langsam schob er seine Beine aus dem Doppelbett und richtete sich auf. Sein Geschmack im Mund war fies. Nachdem er sich hingestellt hatte, schlurfte er ins Bad. Der Blick in den Spiegel verhieß nichts Gutes.

„Etwas zerknittert siehst du aus“, sagte er dem Spiegelbild.

Dieser Typ dort nickte zurück. Naja, zumindest stellte er eine Einsicht bei dem Kollegen fest, den er immer morgens im Bad sah. Ihm fiel der Spruch seiner Mutter ein, ‚mit Mineralwasser wäre das nicht passiert‘. Stimmte, schmeckte aber nicht so gut. Nach dem Zähneputzen war der Geschmack im Mund schon besser.

„Soll ich mal ein Bad nehmen?“, fragte er das Spiegelbild. „Ja, mach das Lüppi“, kam die Antwort.

Lüppi war sein Spitzname. Von wem er den bekommen hatte, wusste er nicht mehr, war zu lange her. Zu seiner Schulzeit hatte er den Namen Maddin bekommen. Den benutzten aber nur noch sehr wenige. Mit dem Namen Lüppi wurde er nicht nur in seinem Wohnviertel angesprochen, sondern auch im Präsidium. Selbst sein Chef, der Leiter der Kriminalinspektion 1, sprach ihn so an.

Nachdem er Wasser in die Badewanne einließ, schlurfte Lüppi zurück ins Schlafzimmer, zog sein Schlaf T-Shirt aus und warf es auf das Bett. Er hob das Polohemd vom Vortag vom Boden auf und schlurfte langsam wieder ins Bad. Seine Unterhose und das Polohemd warf er auf den Wäschehaufen, der sich auf der Waschmaschine befand. Beide Teile blieben oben liegen, erstmal. Kaum saß er in der Wanne fing sein Wäschehaufen an sich selbstständig machen zu wollen.

„Ah, nee, das muss doch jetzt nicht sein. Bleibt da oben liegen“, sagte er zu seiner Wäsche.

Machten aber zwei Teile nicht, sie fielen auf den Boden. Kurze Zeit später folgten die nächsten drei.

„Na klasse! Jetzt muss ich waschen.“

Er stellte seine Waschmaschine immer an, wenn die Wäsche von alleine von der Maschine fiel. Das war nun wieder einmal der Fall.

„Heute ist Ostern, was mache ich denn heute? Uschi ist bei ihrer Mutter in Borbeck“, sagte er zu sich.

Uschi war die Wirtsfrau von ‚Uschis Eck‘ und hieß Ursula Kutysch. Bei ihr war er öfters abends und auch ab und zu über Nacht, wenn er nicht in einem Fall steckte.

„Ich könnte auch nach nebenan zu Torti. Ach nee, da kommt heute bestimmt der Sohnemann mit Verlobter. Geht also auch nicht“, sagt er.

Torti war der Spitzname für seine Nachbarin. Eigentlich war ihr Name Marianne Beise oder kurz Marie. Den Spitznamen Torti hatte sie vor langer Zeit von ihm bekommen, was nicht zuletzt an dem Kuchen lag, den sie immer mit viel Liebe backte. Er selbst wohnte erst ein halbes Jahr in seiner Wohnung, da zogen Marie mit Mann und ihrem zweijährigen Jungen nebenan ein. Sie beide wohnten nun schon über siebenundzwanzig Jahren nebeneinander. Sie war damals sehr schlank, blond und sah sehr gut aus. Die Liebe zu Kuchen hatte das mit der Zeit geändert und ihre Figur war in alle Richtungen gewachsen. Nun war sie recht propper. Der Sohn war vor neun Jahren ausgezogen, nur zwei Jahre später hatte ihr Mann eine jüngere schlankere Frau gefunden. Torti war nun sieben Jahre alleine. Naja, nicht ganz, er, Lüppi war ja da. Aber nicht regelmäßig, was auch an seinem Beruf lag. Beide unternahmen immer etwas zusammen, das war zumeist an Sonntagen. Da Torti kein Auto besaß, freute sie sich immer, wenn er mit ihr einen Ausflug machte. Dann fuhren beide mit seinem dreizehn Jahre alten Mercedes 230E, des Typs W123, irgendwohin. Machten gemeinsame Spaziergänge und gingen anschließend Mittagessen oder Kaffeetrinken. Torti schien immer sehr glücklich zu sein, wenn sie neben Lüppi auf dem Beifahrersitz Platz nahm. Der Mercedes war in dunkelblau lackiert, hatte aber nur eine Mager-Ausstattung, auch Buchalter-Ausstattung genannt. Kurz um, außer einem Kassettenradio von Blaupunkt hatte der Wagen in Stuttgart keine Extras erhalten. Torti fühlte sich jedes Mal wie eine Königin, wenn sie mitfuhr. Fast immer verbrachten beide anschließend den Abend zusammen und auch oft die Nacht. Torti und Uschi wussten das Lüppi etwas mit der andren hatte. Uschi störte das gar nicht. Sie hatte keine Probleme damit, denn schließlich waren sie kein Paar. Bei Torti sah das schon anders aus. Sie wünschte sich schon lange, dass er sich für sie entscheiden würde. Lüppi hingegen machte keine Anstalten etwas an dieser Dreiecksbeziehung ändern zu wollen. Da ihr das klar war und sie ihn nicht unter Druck setzen wollte hatte sie sich schon länger damit abgefunden, redete sie sich ein. Es war eine Stunde vergangen als er aus der Wanne stieg. Nach dem abtrocknen seines Körpers stopfte er den ganzen Wäschehaufen in die Maschine. Mit Nachdruck ging auch alles hinein. Das Waschpulver wurde in die entsprechende Schublade gefüllt, die Maschine auf 30° eingestellt und der Startknopf gedrückt. Die Waschmaschine fing mit leichtem Rasseln und Sprüngen an zu arbeiten. Das das Springen der Maschine an der dichten Befüllung lag, war ihm klar. Er sagte sich aber, dass es effizient wäre. In seinem Kleiderschrank fand er noch drei frische Polohemden, einige T-Shirts und Pullis. Nach einem Blick nach draußen entschied er sich für ein T-Shirt, da er die Polohemden noch für die kommende Woche zum Dienst benötigen würde. Der nächste Gang war in die Küche. Nach einem Blick in den Kühlschrank wusste er was es gewesen war, was er vergessen hatte.

„Tja, das sieht aber jetzt scheiße aus. Na, das wird wohl nichts mit einem tollen Frühstück heute“, sagte er zu sich.

Im Kühlschrank lagen zwei Scheiben junger Gouda Käse, nur das diese beiden nicht mehr jung waren. Die Scheiben waren inzwischen ziemlich hart geworden und bogen sich nach oben. Im Margarinetopf fand er noch einen Rest. Ein Jogurt stand noch vom letzten Wochenende drin. Außer Ketchup und Mayonnaise war sonst nichts mehr zu sehen. In seinem Vorratsschrank befanden sich Nudeln und drei Zwieback.

„Na ja, ist ja schon ein Anfang.“

Er schaltete seine Kaffeemaschine ein, schüttete Wasser für zwei Tassen hinein und machte die Kaffeedose von seiner Oma auf, die war ein ‚Erbstück‘. Gott sei Dank hatte er noch einen Rest Kaffeepulver vom letzten Wochenende drin, was er sich übrigens mal wieder bei Torti geschnorrt hatte. Mit zweieinhalb Lot wurde der Kaffee nicht sehr stark.

„Da brauche ich keine Dosenmilch und keinen Zucker, die ich sowieso nicht habe“, sagte er zu sich selbst.

Die dauernden Selbstgespräche nahmen nie ab, sie wurden nur im Beisein anderer weniger. Er saß an seinem Esstisch in der Küche, der für zwei Personen war und aß seinen Zwieback mit hartem Gauda. Es klopfte an der Wohnungstür.

„Das kann doch nur Torti sein“, sagte er laut und machte die Tür auf.

Und wie von ihm vermutet stand dort seine Nachbarin und Freundin.

„Frohe Ostern, Lüppi. Geht es dir gut?“, fragte Torti.

„Auch frohe Ostern, Torti. Ja, mir geht es gut“, antwortete er.

Er drehte sich um und ging ein paar Schritte zurück in die Diele, sie folgte ihm. Sie blieb auf der Höhe der Küchentür stehen und sagte zu ihm: „Der Jung und die Kerstin kommen heute nicht zu mir, die sind heute bei ihren Eltern.“

„Dann kommen die morgen zu dir?“

„Ja, genau“, antwortete sie und machte einen Dackelblick.

„Okay, ich sehe schon, wir machen heute einen normalen Sonntag?“, erkundigte er sich.

„Ach, du bist der Beste. Ich wusste doch, du bist für mich da.“

„Na, klar, Torti“, sagte er und nahm sie in den Arm.

Beide drückten sich, dabei sah sie in die Küche.

„Was ist das denn da?“

„Mein Frühstück.“

„Was soll das sein? Das ist doch nicht dein Ernst?“

„Ich hatte nichts anderes.“

„Warum kommst du nicht zu mir?“

„Ich wollte nicht stören, weil...“, weiter sprach er nicht.

Er sah ihre Blicke. Sie sah ihn an, ging in die Küche, nahm sein Frühstück und schmiss es in den Mülleimer. Als nächstes sah sie sich den Kaffee an, schüttelte ihren Kopf und goss diesen in den Ausguss.

„Mitkommen“, befahl sie.

Er folgte ihr. Da es Zeit für ein zweites Frühstück war, aß sie noch einmal eine Kleinigkeit mit ihm zusammen.

Ostersonntag, 14.00 Uhr Essen Grugapark

Der Grugapark liegt zwischen der Innenstadt und den Stadtteilen Rüttenscheid und Margarethenhöhe. Beide gingen meist die gleichen Wege in der gleichen Reihenfolge. So auch an diesem Tag. Da sie in unregelmäßigen Abständen dort waren, bemerkten sie, wie sich die Pflanzen veränderten und größer wurden. Sie gingen immer auf den gleichen Seiten. Lüppi links und Torti rechts. Wer es nicht wusste, hätte die beiden für ein Paar halten können. Was sie auf eine Art auch waren, für einen Zeitraum. Zur Mitte des Rundgangs nahm sie Lüppi´s rechte Hand. Er lächelte sie an und beide gingen Händchenhaltend ihren gewohnten Rundgang zu Ende. Zuhause wieder angekommen aßen beide den selbstgebackenen Kuchen bei ihr. Nach dem Kaffeetrinken erzählte sie ihm von der Betriebsfeier am Freitag der übernächsten Woche in der Firma, in der sie arbeitete. Sie bat ihn, sich eine Auswahl von Kleidern anzusehen und ihr zu sagen was sie anziehen sollte. Dazu zog sie sich im Schlafzimmer um. Bevor sie wieder heraus kam, rief sie ihm zu, er solle die Augen zu machen. Was er tat.

„Du kannst die Augen aufmachen“, sagte sie.

Vor ihm stand Torti in einem blassen roten Kleid mit weißen Puffärmelchen.

„Und, was sagst du?“

„Zieh mal das nächste an“, antwortete er.

„Gefällt es dir nicht?“

„Doch, nett.“

„Nur nett? Sehe ich darin zu fett aus?“

„Nein, das Kleid passt dir, es steht dir aber nicht.“

Torti drehte sich um und ging ins Schlafszimmer zurück. Als sie wieder heraus kam sollte er seine Augen wieder schließen. Dann wieder öffnen. Nun stand sie in einem blauen, etwas taillierten, Kleid vor ihm.

„Schon besser als das rote.“

Sie ging wieder ins Schlafzimmer. Noch weitere vier Mal kam sie mit einem anderen Kleid zu ihm. Beim letzten Mal sagte sie: „Bevor du die Augen aufmachst, welches Kleid war bis jetzt das schönste?“

„Das Blaue, was du als Zweites anhattest.“

„In Ordnung. Was sagst du dazu?“, fragte sie.

„Kann ich nicht sagen, ich soll ja die Augen noch zulassen“, kam die Antwort.

„Dann mache sie bitte auf.“

Was er tat. Sie stand in Unterwäsche vor ihm, sah ihn an und machte einen Kussmund. Er stand auf, küsste sie und beide gingen in ihr Schlafzimmer.

17. April 1995, Ostermontag, 16.00 Uhr Essen Frohnhausen

Lüppi war seit zwei Stunden wieder in seiner Wohnung. Nach Zeitung lesen und Fernsehen gucken, fragte er sich: „Na, prima und nun? Was ist mit Manni? Mmh... der ist bestimmt drüben bei Uschi.“

Manni war sein Nachbar, der unter ihm wohnte. Eigentlich hieß er Manfred Dittmar. Er stellte sich allen aber immer nur als Manni vor. Lüppi entschloss sich zu Uschi zu gehen. Unten vor der Haustür schaute er die Straße auf und ab, in der er wohnte. Die Kölner Straße war an diesem Montag sehr ruhig. An Feiertagen konnte man nur die nahe gelegene Hauptstraße hören. Er überquerte die Straße und ging fünfzig Meter bis zu ‚Uschis Eck‘. Wie erwartet sah er Manni am Tresen sitzen. Es waren acht Männer dort, alle drehten sich um als er hereinkam.

„Mensch Lüppi, da bisste jo wieda“, sagte ein älterer Mann, dessen Namen er immer wieder vergaß. Er ging um den Tresen herum, um Uschi in den Arm zu nehmen. Sie kam auf ihn zu.

„Schön, dass du kommst, die Vögel hier gehen mir wieder auf den Zeiger“, sagte sie zu ihm und beide nahmen sich in den Arm. Nach einem langen Kuss fragte Uschi: „Möchtest du einen Kaffee?“

„Das fragst du uns nie“, sagte einer der anderen Gäste.

„Klappe da drüben, sonst bekommst du nur noch Kraneberger.“

Solche Drohungen hatten bei den Männern am Tresen immer die gewünschte Wirkung, da alle wussten, sie würde es wahr machen. Überhaupt war Uschi eine ganz andere Frau als Torti. Genau das Gegenteil. Sehr schlank, im Gesicht fast hager und kurze blonde Haare. Lüppi war der einzige, dem sie es nicht übelnahm, wenn er „Schneewittchen“ zu ihr sagte. Wie das gemeint war wussten alle Besucher der Kneipe. Frei nach dem Motto „schön wie Schneewittchen, aber kein Arsch und kein Tittchen“.

„Ich nehme eine Cola“, antwortete er ihr auf die Frage nach dem Kaffee.

Während Lüppi auf dem Weg nach vorne an den Tresen war, nahm Uschi das Bierglas von einem Gast weg, der nicht so häufig da war. Dieser schaute erstaunt als sein Bierglas von ihr am Ende des Tresens abgestellt wurde.

„Du sitzt aufm Platz vonem Lüppi“, erfuhr der Betreffende von seinem Nachbarn zur linken.

„Ich hab dir doch gesacht, dat ist nicht jut date dich da hinsetzten tust“, sagte der andere Nachbar zur rechten.

Der Betreffende stand auf und wechselte den Platz, nachdem Uschi mit dem Finger auf die Theke geklopfte hatte und zwei andere Männer meinten: „Geh doch lieber darüber, Helmut.“ Was Helmut nicht wusste sah er als er aufgestanden war. Auf dem Hocker war der Name Lüppi im Holz eingefräst. Dieser stand in der Mitte des Tresens. Lüppi setzte sich auf seinen Stammplatz und trank seine Cola. Die Stunden mit den anderen Männern vergingen wie im Flug. Am Abend sagte er zu Uschi: „Uschi, ich hätte Hunger.“

„Was möchtest du denn?“, fragte sie ihn.

„Was steht denn heute auf der Speisekarte“, fragte er zurück als wenn er es nicht wusste.

Sie lächelte ihn an und fragte in den Raum: „Tja, was habe ich denn heute alles?“

Machte eine Pause, nahm einen DIN A5 Zettel und schaute drauf.

„Da wäre als erstes, Bockwurst mit Kartoffelsalat. Das zweite ist Gulaschsuppe. An dritter Stelle steht Serbische Bohnensuppe und als letztes lese ich Erbsensuppe.“

„Das klingt ja richtig toll. Was hast du denn davon selbstgemacht, liebe Uschi?“, fragte Lüppi.

„Ja, natürlich nichts“, gab sie zur Antwort, mit dem Wissen, dass alle Männer das wussten.

„Nach gründlicher Überlegung entscheide ich mich für die leckere Erbsensuppe“, sagte er zu ihr.

„Schläfst du heute Nacht bei mir?“, fragte sie.

„Wenn du möchtest.“

„Dann such dir was anderes aus.“

„Mmh, Serbische Bohnensuppe brauche ich dann wohl auch nicht sagen?“, fragte er in ihre Richtung.

Sie schüttelte ihren Kopf.

„Ja, Mensch, dann nehme ich doch die Gulaschsuppe.“

„Die letzte hat der Michi bekommen.“

Lüppi sah zu Michael hinüber. Der hingegen meinte, er könne nichts dafür.

„Okay, dann bleibt ja nur noch Bockwurst mit Kartoffelsalat“, sagte er.

„Bockwurst ist aus. Den Kartoffelsalat bekommst du“, sagte sie und warf ihm einen Luftkuss über die Theke zu. Gegen 21 Uhr bat Uschi die Männer zu gehen. Sie sagte, sie sei müde. Alle wussten, dass es immer so war, wenn Lüppi bei ihr über Nacht blieb.

Kommissar Lüppi - Band 1

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