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19. April 1995, Mittwoch, 9.10 Uhr Polizeipräsidium Essen

Gördi war pünktlich vor acht Uhr angekommen. Lüppi´s Zettel hatte er gefunden. Lüppi selbst war zu spät wach geworden und daher kam er mal wieder „Zeitversetzt“, wie er es nannte, im Büro an.

„Morgen Gördi, haste den Zettel gefunden?“

„Morgen Lüppi, ja, habe ich.“

„Und schon was herausgefunden?“

„Dieser Erik hat mal recht gut Handball gespielt. Hat vor sechs Jahren aufgehört, anscheinend Altersbedingt.“

„Wie alt sind die beiden noch mal?“

„35 Jahre.“

„In Ordnung. Gibt es sonst noch etwas?“

„Nein, nichts. Kein Strafmandat, keine Ordnungswidrigkeit, keinerlei Auffälligkeiten, einfach nichts.“

„Gott, war der langweilig. Ich kann mir noch keinen Reim darauf machen, warum er im Wald entsorgt wurde.“

„Vielleicht sind die beiden verwechselt worden?“

„Daran habe ich auch schon gedacht. Sein Bruder ist da ja aus ganz anderem Holz geschnitzt.“

„Ist aber komisch bei Zwillingen.“

„Anhand der Passbilder sieht man, sie waren keine eineiigen Zwillinge.“

„Das kann man so sagen. Dieser Jens hatte in den letzten Jahren einige Schlägereien, vier Mal Körperverletzungen, mehrfacher Verdacht wegen Betrugs. Man konnte ihm aber nie etwas nachweisen. Hat drei Mal in Untersuchungshaft gesessen. Ich habe die Adresse, sollen wir mal zu dem nach Hause fahren?“

„Da war ich gestern noch. Die Kollegen von der Spurensicherung waren auch noch abends da. Der Bericht müsste heute noch kommen?“

„Spurensicherung? Was hast du denn gefunden?“

„Dreck, Dreck, Dreck und älteres Blut. Wo waren denn die Schlägereien und Körperverletzungen?“

„An bekannten Kneipen und einschlägigen Orten im Rotlichtviertel.“

„In Ordnung, dann fahren wir mal zu Frau Metzer und bringen sie in die Rechtsmedizin. Ruf sie doch mal an und sag ihr, dass wir kommen. Ich verständige Stefanie“, sagte Lüppi.

Mittwoch, 10.20 Uhr Essen

Gördi und Lüppi hatten Frau Metzer von Zuhause abgeholt und waren mit ihr zur Rechtsmedizin gefahren. Stefanie, die Rechtsmedizinerin, hatte schon auf die drei gewartet. Unter Tränen und mit fürsorglicher Hilfe von Lüppi bestätigte sie, dass der Tote ihr Mann sei. Sie befand sich kurz vor einem Zusammenbruch. Als die drei wieder gingen, schaute Stefanie zu Lüppi hinüber, hob dabei die Augenbrauen und machte eine Handbewegung als wenn sie mit einem Gegen-stand schlagen wollte. In ihrer Hand hatte sie nichts. Einen solchen Hinweis kannte er schon von ihr. Die beiden brachten Frau Metzer wieder nach Haarzopf zurück. Danach überlegten noch beide, was Erik noch alles passiert sein könnte. Ihnen fiel aber nichts Gescheites ein. Er hatte ein unauffälliges Leben geführt.

„Ich komme immer mehr darauf, dass Erik nicht gemeint gewesen ist“, sagte Gördi.

„Das glaube ich allmählich auch. Das würde dann auch das Blut in der Wohnung von diesem Jens erklären“, sagte Lüppi.

„Dann sollten wir jetzt zu den bekannten Kneipen und ins Rotlichtviertel fahren.“

Das taten die beiden auch. Das Lichtbild aus dem Bundeszentralregister zeigten beide in den besagten Kneipen herum. In vier von sechs erkannte man Jens Metzer anhand des Bildes. In zweien war sogar der Name bekannt. Aber keiner hatte ihn seit Mitte der vorherigen Woche mehr gesehen. Bei fünf Kneipen erhielten sie die Aussage, dass es ungewöhnlich sei. Den interessantesten Hinweis erhielten beide in der siebten Kneipe.

„Der Jens arbeitet doch im dem Club ‚Tabledance Universum‘.“

Beide waren überrascht dies zu hören. Gördi bedankte sich und beide fuhren zum Club. Lüppi fragte seinen Kollegen, ob die denn geöffnet hätten. Gördi sagte ja und ahnte schon was passieren würde, wenn er nach über fünf Jahren dort wieder auftauchte. Kaum waren sie bis auf ein paar Schritte herangekommen, da erkannte ihn einer der drei Türsteher.

„Ja, wen haben wir denn da? Der Herr Schwarz.“

„Guten Tag, die Herren“, antwortete Gördi.

Lüppi sagte wie meistens nichts.

„Ja, wo waren Sie denn so lange?“

„Ich bin nicht mehr bei der Sitte, seit ich geheiratet habe. Wir suchen Jens Metzer“, antwortete Gördi.

„Den Jens sucht ihr? Aha.“

„Und wo ist er?“

„Gehen Sie mal zum Chef“, sagte der eine Türsteher und öffnete die Tür für die beiden.

Sie gingen durch das Lokal. Zielsicher steuerte Gördi auf einen Vorhang zu, schob diesen beiseite und eine Tür, die nach innen aufging, wurde sichtbar.

„Du kennst dich hier aber gut aus“, stellte Lüppi fest.

Gördi schaute ihn an und meinte: „Stimmt, war ja mal meine Zuständigkeit.“

„Warum hast du damit aufgehört?“

„Nachher, nicht jetzt.“

Es wurde ein langer Gang sichtbar. Diesem folgten beide. Links waren vier Türen, rechts drei Türen und eine Stahltür. Vor Kopf klopfte Gördi an die Tür.

„Ja, was denn?“, kam es von innen.

Beide traten nacheinander ein. Ein älterer Mann mit grau-weißen Haaren saß an einer Art Schreibtisch. Die Schreibtischplatte lag auf Baumarktbeinen und war ein Kofferdeckel von einem alten Chevrolet Caprice aus dem Jahr 1975. Die großen Scharniere waren entfernt und der Herr saß auf dieser Seite des Deckels. Der Schreibtischstuhl war auch nicht normal. Auf einem handelsüblichen Untergestell war der Fahrersitz des Chevrolet Caprice geschraubt worden. Das Büro war zwar recht groß aber mit vielen Dingen zugestellt. Viele Kartons mit Sekt und Champagner, neben allerlei original verpacktem Sexspielzeug und Reizwäsche. In der hinteren Ecke lehnte eine Lebensgroße Gummipuppe, nackt.

„Das gibt es ja gar nicht. Ich sehe ja schwarz“, rief der ältere Herr überrascht.

„Hallo, Herr Naleppa. Wie geht es Ihnen?“, fragte Gördi.

„Jetzt wo Sie wieder da sind, wieder gut. Der Ersatz für Sie ist ja vielleicht ein Pisser. Wo waren Sie denn so lange?“

„Ich habe die Abteilung gewechselt.“

„Und wo sind Sie jetzt?“

„Nach wie vor bei der Kriminalinspektion 1, aber jetzt in der KK 11.“

„In der Mordabteilung?“

„Kann man so sagen. Wir suchen Jens Metzer.“

Herr Naleppa reagierte nicht.

„Können Sie uns weiterhelfen?“

„Könnte ich. Wer sind Sie denn überhaupt?“, fragte Herr Naleppa und sah dabei Lüppi an.

„Kriminalhauptkommissar Martin Lüpke.“

„Von Ihnen habe ich schon einiges gehört.“

„Ja?“

„Man sagt, sie sind nicht zimperlich und können öfters mal ein ganz nettes Arschloch sein.“

„Soso.“

„Man hört, man sollte sich mit Ihnen nicht angelegen. Es können sogar zur Not Beweise auftauchen, die vorher nicht da waren.“

„Mein Ruf eilt mir anscheinend voraus.“

„Ich hoffe, Sie nehmen mir meine Offenheit nicht übel.“

„Geht schon“, sagte Lüppi.

„Sie wissen, wer ich bin?“

„Na, klar.“

„Hat der Herr Schwarz Sie aufgeklärt?“

„Nein.“

„Aha.“

„Habe die Akten gelesen.“

„Akten? Mehrzahl?“

„Jo, wir sammeln, was wir kriegen.“

Es trat eine halbminütige Stille ein. Alle drei wussten, wer jetzt zuerst etwas sagen würde, hätte verloren. Daher umging Herr Naleppa eine Frage und sagte: „Der Jens arbeitet oben im fünften Stock, ist aber seit letzten Mittwoch nicht mehr gekommen.“

„Fünfter Stock, ist das noch die Etage der Old Ladies?”, fragte Gördi.

Herr Naleppa nickte.

„Was heißt das?“, fragte Lüppi.

„Das sind die reifen Damen ab fünfzig“, antwortete Gördi.

„So etwas gibt es?“

„Ja, können Sie gerne mal ausprobieren“, bot Herr Naleppa an.

„Nein, danke. Was macht Jens Metzer da oben bei den Damen?“

„Aufpassen, das es keinen Ärger gibt.“

„Und wann hätte er wieder da sein müssen?“, fragte Gördi nach.

„Letzten Donnerstag.“

„Haben Sie ihn als vermisst gemeldet?“, fragte Lüppi und wusste eigentlich, dass dies niemand getan hatte.

„Vermisst gemeldet? Jens? Erstens. Um einen vermisst zu melden, muss man diese Person erstmal vermissen. Tu ich aber nicht. Zweitens. Ich besuche Euch doch nicht freiwillig. So doof sehe ich doch nicht aus.“

„Sie vermissen Ihn also nicht? Wer macht seinen Job?“

„Einer der Türsteher. Für diese Tätigkeit bekommt man immer einen Freiwilligen. Die Männer bekommen Kohle und können ständig den Damen auf die Titten und den Arsch schauen. Ersatz ist also nie ein Problem.“

„Wann war Jens letzte Woche Mittwoch hier?“, fragte Lüppi.

„Von fünf bis Mitternacht.“

„Warum nur bis Mitternacht?“

„Weil sich der fünfte Stock nicht länger lohnt. Die Freier für diese Damen kommen nie nach Mitternacht. Das Ganze geht bei denen ab neun Uhr morgens los bis häufig noch nicht einmal bis elf abends“, sagte Herr Naleppa.

„Als Jens letzten Mittwoch hier war, hatte er da schon seine Handverletzung?“

„Na, klar doch. Die hat er sich am Dienstag eingefangen.“

„Hier bei Ihnen?“, fragte Lüppi.

„Nee, oben bei den Damen. Ein Freier meinte, er dürfe noch ein zweites Mal auf die Gerda, weil die halbe Stunde noch nicht vorbei war.“

„Und?“

„Der Typ hat ein Messer gezogen, es gab eine kleine Rangelei und Jens hat sich an der Hand verletzt. Keine große Sache.“

„Das war doch eine Schnittverletzung“, stellte Lüppi klar.

„Ach, das war doch nur ein Kratzer. Er ist ja hinterher auch von Sigrid getröstet worden.“

„Was heißt getröstet?“, fragte Gördi.

„Na, was wohl? Ist Ihnen das nicht klar? Muss ich das jetzt erklären?“, fragte Herr Naleppa.

„Ist das üblich?“, wollte Lüppi wissen.

„Das machen die Damen unter sich aus.“

„Wir dürfen uns oben mal umhören?“, fragte Lüppi.

„Ja, aber schön die Hose zulassen und nicht die Freier von den Muttis schubsen.“

Gördi ging voran, wobei er die Hand zum Gruß hob und Lüppi folgte ihm wortlos. Mit dem Aufzug ging es in den fünften Stock. Als beide aus dem Aufzug stiegen wurden Sie von vier reifen Damen umringt. Alle recht propper, fand Lüppi. Er sah sie sich an, alle hatten die gleiche Figur wie Torti.

„Wen von uns möchtet Ihr schicken Männer denn?“, fragte eine der Damen in einem etwas leisen erotischen Ton.

„Wer ist Gerda und Sigrid?“, fragte Lüppi.

„Oh, du möchtest direkt zwei von uns“, sagte die gleiche Dame, nahm Lüppi in den Arm und sagte weiter: „Ich bin Gerda, mein Süßer.“

„Ich bin Kriminalhauptkommissar Martin Lüpke und möchte mit Ihnen sprechen.“

„Nur sprechen? Nix anderes, das ist aber schade“, antwortete Gerda.

„Ich bin offiziell hier und nicht aus Spaß. Ist das klar?“, sagte Lüppi und schlug dabei einen deutlichen Ton an.

Schlagartig war es mit dem Liebreiz der vier Damen vorbei und Gerda ließ ihn wieder los.

„Was wollen Sie von mir?“, fragte sie, nun in einem normalen Ton.

„Wir suchen den vermissten Jens Metzer. Kann uns jemand von Ihnen sagen, wo er sein könnte?“

Keine Antwort.

„Soll ich unten vier Streifenwagen rufen?“, fragte Gördi zum Schein.

„Ja, wir sollten die Damen alle mal mit auf die Wache nehmen“, kam die Antwort.

„Schon gut. Was ist denn mit Jens?“, fragte Gerda.

„Wie ich schon sagte, er wird vermisst.“

„Wir dachten, der hätte sich ein paar Tage freigenommen.“

„Nein, hat er nicht. Also, kann uns eine von Ihnen weiterhelfen?“, fragte Lüppi nun wieder im netten Ton.

„Letzte Woche Dienstag war er das letzte Mal da“, sagte Gerda.

„Er hat noch ‚Bis Morgen‘ gesagt als er ging“, sagte eine andere.

„Wie heißen Sie?“, fragte Lüppi.

„Ich bin die Barbara.“

„Es hatte also den Anschein, dass er am Mittwoch wiederkommen wollte?“

„Ja, genau. Ich habe mich noch gewundert, dass er nicht kam“, antwortete Barbara.

„Wo ist denn der, der Jens vertritt?“, fragte Gördi.

„Der ist unten eine rauchen.“

„Dürfen wir fragen wie Sie heißen?“, fragte Gerda in Richtung Gördi.

„Ich bin Kriminalkommissar Gerhard Schwarz.“

„Kann die Sigrid vielleicht etwas wissen?“, fragte Gördi.

„Da müsst Ihr sie selbst fragen. Sie hat gerade jemanden bei sich.“

Lüppi ließ sich von den vier Damen den Vorfall mit dem Freier und dem Messerangriff schildern. Es waren zehn Minuten vergangen, eine der acht Türen im Gang ging auf und es kam ein Mann aus dem Zimmer. Nur wenige Augenblicke später folgte eine Dame. Diese war Sigrid. Lüppi ließ sich von ihr schildern, in welcher Verfassung Jens war, als sie ihn getröstet hat.

„Ich habe ihm die Hand verbunden und ihn anschließend noch glücklich gemacht. Der war in keiner Verfassung, oder so.“

„Also nichts Besonderes?“

„Nein, alles normal.“

Beide verabschiedeten sich und fuhren mit dem Aufzug wieder runter. Als sie an Lüppi´s Mercedes angekommen waren, fragte Lüppi: „Erzähl mir Mal was zu dem Naleppa.“

Gördi stutzte und sagte: „Du hast doch die Akte gelesen?“

„Wie lange kennen wir uns jetzt?“

„Seit fünf Jahren. Jetzt sag nicht, du hast gar nicht die Akte gelesen.“

„Mann, Gördi, ich wusste bis vorhin gar nicht, dass dieser Typ überhaupt existiert. Und seit wann lese ich Akten freiwillig?“

„Daher deine Aussage es wären mehrere Akten.“

„Lass uns zum Präsidium fahren“, sagte Lüppi.

Auf der Fahrt erzählte Gördi warum er bei der Sitte aufgehört hatte. Dass das seine Frau gewollt habe und sie es besser fand, dass er nicht ständig mit anderen Frauen zu tun hatte. Er sagte seinem Kollegen, dass er das schon ab und zu vermissen würde, denn er habe in der Abteilung eigentlich gerne gearbeitet.

Mittwoch, 15.30 Uhr Polizeipräsidium Essen

Gördi und Lüppi waren wieder im Büro angekommen. Sie hatten sich noch nicht gesetzt als ihr Kollege Peter Kordes hereinkam. Peter war im Innendienst tätig und zu seinen Aufgaben gehörte die Verwaltungsarbeit in Form von Aktenpflege, Telefondienst, Recherchearbeiten und weitere Tätigkeiten, wozu Lüppi keine Lust hatte, wie zum Beispiel Berichte schreiben. Bei einer Mordkommission wurde er als Aktenführer bestimmt, fast immer.

„Da hat ein gewisser Herr Birnbaum angerufen, nach dem ihr gerade weg wart. Ich soll euch sagen, er vermisst den Firmenwagen von dem toten Erik Metzer“, sagte Peter.

„Hast du den Wagen zur Fahndung ausgeschrieben?“, fragte Gördi.

„Ja, habe ich, Gördi.“

„Ich führe wieder die Akten?“, fragte Peter.

„Aber natürlich. Du bist doch unser Aktenführer, der wichtigste Mann in jeder Mordkommission“, sagte Lüppi.

„Das sagst du jedes Mal“, sagte Peter.

„Du fragst ja auch jedes Mal“, antwortete Lüppi.

„War sonst noch etwas?“, fragte Gördi.

„Die Rechtsmedizin ist mit der Obduktion fertig. Den Bericht dazu bekommen wir morgen.“

„Peter, schau mal, was du alles über Jens Metzer findest“, sagte Lüppi.

„Du meinst über das hinaus was wir in der Akte haben?“, fragte Peter.

„Genau.“

Peter drehte sich um und verließ das Büro wieder. Während Gördi die Akte von Jens Metzer noch einmal durchging, rief Lüppi Herrn Birnbaum an.

Ihn fragte er: „Was ist das für ein Wagen, den der Erik Metzer benutzt hat?“

„Das habe ich doch schon alles Ihrem Kollegen Kordes durchgegeben.“

„Prima. Was ist das für ein Wagen?“, fragte Lüppi.

„Ja, sagen Sie mal, läuft das bei Ihnen immer so ab? Weiß der eine nicht was der andere macht?“

Ruhe. Lüppi sagte nichts.

„Herr Lüpke?“, fragte Herr Birnbaum.

„Und wenn Sie das schon zehn Mal einem Kollegen gesagt haben, dann sagen Sie es mir auch noch einmal, also was ist das für ein Wagen?“, fragte Lüppi in einem ziemlich gereizten Ton.

„Das ist ein weißer VW Caddy mit blauer Aufschrift ‚Sanitär und Heizung Birnbaum‘ an den Seiten.“

„Ein Caddy ist doch dieser VW Polo als Kastenwagen?“

„Ja, genau.“

„Der hat vorne zwei Türen und hinten Flügeltüren, richtig?“

„Ja, genau.“

„In Ordnung, dann weiß ich, wie der aussieht. Warum fuhr der Erik diesen Wagen und keinen VW Bus zum Beispiel?“

„Erik hat meistens alleine gearbeitet, da reichte ihm der Wagen.“

„Große Dinge wie Badewannen, Duschtassen und Heizkörper konnte er damit aber nicht transportieren?“

„Nein, das brauchte er auch nicht. Dafür gibt es zwei Hilfskräfte, die solche Arbeiten erledigen.“

„In Ordnung. Seit wann ist der Wagen weg?“

„Das habe ich doch schon...“, fing Herr Birnbaum den Satz an, wurde aber von Lüppi unterbrochen.

„Herr Birnbaum! Erzählen Sie mir nicht, was Sie meinem Kollegen schon gesagt haben, sondern beantworten Sie meine Frage. Also, seit wann?“

„Zuletzt gesehen habe ich ihn am Donnerstagmorgen, da hat er noch etwas für die Baustelle geholt, die er an dem Tag auch abgeschlossen hat. Er hat aber auch Dinge mitgenommen, die er für die neue Baustelle benötigte.“

„Was für Dinge hat er mitgenommen und was für Dinge wird von den Hilfskräften transportiert?“

„Große, schwere Dinge werden vorher an die Baustelle gebracht. Kleinkram hat Erik immer in ausreichender Anzahl dabei, ich meinte, hatte er immer dabei.“

„Also er hat nichts Besonderes in seinen Wagen geladen, was sonst nicht auch drin ist?“

„Ja, genau.“

„Den Wagen hat er immer mit nach Hause genommen?“

„Ja, genau.“

„In Ordnung. Wenn mir noch Fragen einfallen, melde ich mich wieder.“

„Okay.“

Dann war das Gespräch beendet. Lüppi machte sich wieder Notizen in seinem karierten Block mit einem Bleistift. Kurz nach siebzehn Uhr stand Gördi auf und verabschiedet sich für diesen Tag. Um halb sechs fiel Lüppi ein, dass er gar nicht die Adressen der beiden Baustellen von Erik hatte. Er rief in der Firma Birnbaum erneut an. Dort meldete sich niemand mehr. Er fing an über Uschi, Torti und sich nachzudenken. Die vier propperen Damen im Club hatten ihn zum Nachdenken gebracht als er sie gesehen hatte. Und nun fing er an, etwas in Frage zu stellen, was seit fünfzehn Jahren schon lief.

„Warum schläfst du eigentlich mit Uschi?“, fragte er sich laut. So richtig wollte ihm keine vernünftige Antwort einfallen, außer was der ursprüngliche Auslöser gewesen war. Es war Heiligabend 1980 als Uschi und er alleine in ihrer Kneipe saßen und sich gegenseitig trösteten, dass sie niemanden hatten über die Feiertage. Sie hatte seiner Zeit den Vorschlag gemacht die Kneipe zu schließen und er sollte mit zu ihr nach oben kommen. Was er auch tat. Die drei Tage verbrachten dann beide zusammen. Auch jetzt schlief er immer mal wieder bei ihr, aber warum eigentlich? – Wegen ihrer Figur ist es auf keinen Fall, die gefällt mir eigentlich überhaupt nicht – dachte er. Er entschloss sich etwas zu tun, was er schon lange vor hatte. Dachte noch einmal darüber nach und machte auch früh Feierabend. Bevor er ging legte er noch einen Zettel auf den Schreibtisch von Gördi.

Mittwoch, 18.15 Uhr Essen Frohnhausen

Auf der Fahrt nach Hause war er sich immer unsicherer geworden. Er wollte sein Vorhaben doch lieber lassen, hatte er sich gesagt. Er war in seiner Wohnung angekommen und stand vor seinem Kühlschrank, den Torti am Vortag aufgefüllt hatte.

„Na, was gibt es denn heute?“, fragte er in den offenen Kühlschrank hinein.

Von dort kam mal wieder keine Antwort. Das war immer so. Er schloss die Kühlschranktür wieder und überlegte. Er sah auf die geschlossene Wohnungstür.

„Mach das, Lüppi“, sagte er zu sich und ging zu Tortis Wohnungstür. Er schellte an. Wenige Augenblicke später öffnete sie die Tür. Sie stand erstaunt vor ihm.

„Lüppi? Mit dir habe ich jetzt nicht gerecht. Was ist passiert?“

„Nichts, ich wollte dich sehen.“

„Echt? Oh, ist das aber schön. Ist dein aktueller Fall schon abgeschlossen?“

„Nein, das wird dauern.“

„Der Tote aus dem Schellenberger Wald ist dein Fall?“

„Ja, woher weißt du davon?“

„Steht heute in der Zeitung.“

„Störe ich dich?“

„Du störst mich nie und das weißt du auch. Ganz im Gegenteil. Mach bei dir die Tür zu und komm rein“, sagte Torti.

Das tat er. Als beide in ihrem Wohnzimmer standen fragte sie: „Dein Fall ist nicht abgeschlossen und du kommst trotzdem zu mir?“

„Ja, ich wollte dich sehen.“

„Warum möchtest du mich denn sehen?“

Er legte seine rechte Hand auf ihre linke Wange und fing an sie zu streicheln. Sie hielt still und sah ihn nur an. Dann küsste er sie und nahm sie in den Arm. Das war es, was sie sich schon so lange von ihm gewünscht hatte. Das er einfach nur zu ihr kam, weil er zu ihr wollte. Es vergingen zehn Minuten bis beide aufhörten sich zu küssen und er sie ansah.

„Ja?“, fragte sie.

Er atmete etwas tiefer.

„Du kannst mir alles sagen“, ergänzte sie.

Er sah sie an.

„Traust du dich nicht?“

„Mmh.“

„Komm schon, sag es. Wir können über alles reden.“

„Ich habe dich lieb“, sagte Lüppi.

Sie sah ihn an und ihr kamen die Tränen. Lüppi stutzte, – war das falsch, hätte ich das nicht sagen sollen – fragte er sich.

„Was überlegst du jetzt?“

„Hätte ich das nicht sagen...“, weiter kam er nicht, da Torti ihre Hand auf seinen Mund legte.

„Doch, natürlich sollst du mir das sagen. Weißt du wie lange ich darauf warte, dass du mir das sagst?“

„Schon lange?“

„Sehr lange.“

„Seit dein Ex ausgezogen ist?“

„Ja... nein... doch... äh, ich, nein... eigentlich ja.“

„Bitte was?“

Ein Moment der Ruhe trat ein. Er sah sie an, sie schaute an ihm hoch bis sich die Blicke trafen.

„Ich habe mich schon vor langer, langer Zeit ich dich verliebt“, sagte sie ganz leise zu ihm, damit es auch niemand anderes hören konnte, die nicht da waren.

„Du hast dich in mich verliebt als du noch mit deinem Mann zusammen warst?“

„Ja“, sagte sie leise weiter und wurde verlegen.

Er küsste sie erneut. Sie drückte sich an ihn.

„Das wusste ich nicht“, antwortete er.

„Ich habe immer gehofft, du würdest es merken.“

„Habe ich nicht.“

„Das habe ich bemerkt.“

Beide sahen einander an, küssten sich und er streichelte sie erneut.

„Du hast mir schon gefallen als du hier eingezogen bist“, sagte er.

„Das war bei mir auch so.“

Beide sahen einander nur an.

„Du hast noch nichts gegessen, oder?“, fragte sie.

„Nein.“

„Das ist gut, ich wollte gerade anfangen zu kochen.“

Während des Kochens und auch beim Essen sprachen beide über ihre Zeit nebeneinander in den beiden Wohnungen. Den restlichen Abend verbrachte er sehr gerne bei ihr. Vor dem Einschlafen sagte er ihr: „Ich habe dich lieb, Torti.“

„Ich habe dich auch lieb, Lüppi.“

Dann schliefen beide ein.

Kommissar Lüppi - Band 1

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