Читать книгу Kommissar Lüppi - Band 1 - Markus Schmitz - Страница 6
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Оглавление20. April 1995, Donnerstag, 7.45 Uhr Essen Frohnhausen
Torti und Lüppi waren fertig angezogen, hatten zusammen eine Tasse Kaffee getrunken und sie hatte ihm zwei Schnitten für die Arbeit geschmiert, die er in einer Butterbrotstüte nun in seiner Hand hielt. Er konnte sich nicht mehr daran erinnern, wann er ‚Stullen‘ zum mitnehmen bekommen hatte. Das musste zuletzt in seiner Schulzeit gewesen sein, glaubte er.
„Ich muss jetzt, sonst ist meine Bahn weg und ich komme zu spät“, sagte sie.
Sie fuhr immer mit der Straßenbahnlinie 109 zwei Haltestellen weit zur Arbeit.
„Ich fahr dich das Stück.“
„Dann kommst du doch zu spät?“
„Das komme ich sowieso immer, das kennen meine Kollegen gar nicht anders.“
Auf dem Weg nach unten zum Auto fragte sie ihn: „Kommst du heute Abend wieder zu mir?“
„Ja, ich komm zu dir.“
Sie sah ihn an und er bemerkte, dass sie ihm das nicht glaubte.
„Bestimmt und wenn ich nicht kann, dann rufe ich an, versprochen. Großes Indianer-Ehrenwort.“
Sie lächelte und beide stiegen in den Mercedes ein. Als Lüppi den Wagen vor der Hofeinfahrt der Firma anhielt, sahen sich beide an und sie warf ihm einen Luftkuss zu.
„Ich lieb dich“, sagte er und ergänzte noch: „Bekomme ich einen richtigen Kuss?“
„Ja, bekommst du“, antwortete sie und gab ihm einen.
Als sie ausgestiegen war, schaute er ihr hinterher bis sie winkend in der Toreinfahrt verschwunden war.
„Du blöder Armleuchter, das hättest du schon seit Jahren haben können“, schimpfte er mit sich selbst.
Donnerstag, 8.18 Uhr Polizeipräsidium Essen
Gördi erschrak fast als Lüppi in das Büro trat. Ungläubig schaute er auf die Uhr. Er sah ihn an als wenn ein Geist hereingekommen wäre.
„Was willst du denn schon hier?“, fragte Gördi.
„Guten Morgen, Gördi und ja, ich freue mich auch dich zu sehen“, antwortete Lüppi.
„Was ist los, bist du aus dem Bett gefallen?“
„Nein, ich habe Torti zur Arbeit gefahren.“
„Du hast was?“, fragte Gördi, machte eine Pause, um weiterzufragen: „Was bitte habe ich gestern nach Feierabend verpasst? Haben wir den Fall gelöst?“
„Nein, wieso fragst du?“
„Du bist zwischendurch noch nie bei Uschi und Torti gewesen, wenn wir einen Fall hatten.“
„Das habe ich gestern geändert.“
„Soso, du verwirrst mich.“
„Das tut mir leid. Hast du Antworten auf die Adressen vom Zettel?“
„Nein, du bist zu früh hier.“
„Soll ich wieder gehen?“, fragte Lüppi.
„Nein, du bleibst hier“, sagte Eckerhard Schuster, der in dem Augenblick in das Büro der beiden kam.
Beide sahen ihn an und Lüppi wusste, was ihr Chef von ihm wollte.
„Guten Morgen, ihr zwei“, sagte Eckerhard.
„Geht es immer noch um den Abgeordneten des Landtages?“, fragte Lüppi nach.
„Natürlich. Ich schlage vor, du entschuldigst dich bei ihm.“
Lüppi sah Eckerhard an, zeigte aber keine Reaktion.
„Okay, du sagst nichts, dann bist du damit einverstanden“, sagte Eckerhard und war im Begriff wieder zu gehen.
„Kommt nicht in Frage.“
Eckerhard drehte sich um, sah Lüppi an und machte eine Handbewegung, die ihm sagte, er solle mitkommen. Lüppi zog eine Schublade vom Schreibtisch auf und legte die Butterbrotstüte hinein. Dann stand er auf und folgte ihm, wieso häufig, in dessen Büro, um sich eine Standpauke anzuhören. Wie oft das schon gewesen war, konnte er nicht sagen, es waren zu viele Male gewesen. Dort angekommen sagte Eckerhard: „Mach´ die Tür zu.“
Als Lüppi diese geschlossen hatte, legte er los: „Was ist denn schon wieder los mit dir? Du kennst doch die Spielregeln. Der Polizeipräsident hat mich deswegen gestern zwei Mal angerufen. Der hat keine Lust mehr sich fragen zu lassen, was für ein Prolet für ihn arbeitet. Du bist dieses Mal zu weit gegangen. Bis jetzt konnte ich dich immer schützen. Ich weiß nicht mehr, was ich noch sagen soll. Du bist der kommissarische Stellvertreter von Paul Quandt. Als seine Vertretung als ‚Erster Kriminalhauptkommissar‘ der KK11 bist du kein gutes Vorbild.“
Eckerhard verstummte und sah leicht verzweifelt aus.
„Ob ich da drauf jetzt wohl antworten sollte?“, fragte Lüppi sich selbst.
„Sprichst du wieder mit dir selbst?“
„Mmh. Mein ICH versteht mich wenigstens.“
„Das ist schön. Also, was nun?“
„In Ordnung, ich antworte dir.“
„Ich bitte darum.“
„Nichts.“
„Wie nichts?“
„Du hast mir zu Anfang eine Frage gestellt und meine Antwort darauf ist ‚Nichts‘. Und zu den anderen, ich arbeite nicht für den Polizeipräsidenten, sondern für das Volk.“
„Lüppi, das glaube ich jetzt nicht.“
„Was? Das wir alle hier für das Volk arbeiten und nicht für den Polizeipräsidenten?“
„Du nimmst das nicht ernst.“
„Doch, sehr sogar. Ich meine die Arbeit für das Volk.“
„Mein Gott, Lüppi. Kann nur einmal etwas Gescheites von dir kommen?“
„Na, klar doch.“
Es klopfte an der Bürotür von Eckerhard Schuster.
„Herein!“, rief er.
In den Raum trat Staatsanwalt Marcel Pohlmeier von der Essener Staatsanwaltschaft ein.
„Ein schönen guten Morgen“, grüßte Herr Pohlmeier, wie immer freundlich.
„Guten Morgen, Herr Pohlmeier“, erwiderte Eckerhard etwas genervt, weil er wusste, dass er nun das Gespräch mit Lüppi nicht weiter fortsetzen konnte.
„Guten Morgen, Marcel“, sagte Lüppi mit einem Strahlen im Gesicht.
„Lüppi, was strahlst du denn so?“, fragte Marcel.
„Du kommst gerade richtig. Mein Chef war gerade dabei mir eine Standpauke zu halten.“
„Oh, störe ich? Soll ich später wiederkommen?“, fragte Marcel.
„Nein, Sie können hierbleiben und mir Mal sagen, was Sie zu Lüppi´s Verhalten meinen“, sagte Eckerhard.
„Oh, geht es um die Beschimpfung bei dem Abgeordneten des Landtages?“, fragte Marcel.
„Davon wissen Sie?“, fragte Eckerhard.
„Ja. Das war ja echt Klasse. Ich wusste sofort, dass nur du das gewesen sein konntest als ich das gehört habe“, sagte Marcel.
Eckerhard sah den Staatsanwalt an und schüttelte nur seinen Kopf, was Marcel sah.
„Aber Herr Schuster, jetzt doch einmal ganz im Ernst, das ist aber auch ein ‚nettes Arschloch‘. Das hätte auch von mir kommen können, wenn ich mich so etwas trauen würde.“
„Das war ‚Sie blödes Arschloch‘ und nicht ‚nettes Arschloch‘. Das ist ein Unterschied“, klärte Lüppi auf.
„Wie auch immer, du hast doch nur das gesagt, was die meisten sowieso schon lange denken“, sagte Marcel.
„Das kann für Lüppi aber Konsequenzen haben oder für die ganze Abteilung“, meinte Eckerhard.
„Ach Quatsch, da wird nichts passieren. Was will der Polizeipräsident denn schon Großes machen? Wie ich hörte, wart ihr zwei doch alleine, nicht wahr, Lüppi?“, fragte Marcel.
„Jo, waren wir. War kein Dritter dabei, sonst hätte ich das ja auch nicht gesagt“, sagte Lüppi.
„Was hast du gerade gesagt? Du hast das gar nicht gesagt?“, fragte Marcel und lachte.
Eckerhard und Lüppi sahen Marcel an. Lüppi fing an zu lächeln und atmete tief durch.
„Dessen Bruder hat inzwischen gestanden?“, fragte Marcel.
Lüppi nickte.
„Die Anklage läuft?“
Lüppi nickte wieder nur.
„Eines der Probleme ist die Immunität der Abgeordneten, daher meinen ein paar von ihnen, sie könnten sich alles erlauben“, meinte Marcel.
„Hinzu kommt noch, wenn man einen Polizeipräsidenten hat, der nicht Polizist gelernt hat, sondern eigentlich einen ganz anderen Beruf. Da ist es dann schwierig, die Ermittlungsarbeit zu vermitteln“, sagte Lüppi.
„Ich sehe schon, ihr zwei seid euch einig“, bemerkte Eckerhard.
„Sind da nicht alle Politiker gleich?“, fragte Lüppi.
Marcel nickte.
„Siehst du, Eckerhard, Marcel gibt mir Recht.“
„Weswegen ich eigentlich hier bin, wie sieht es mit dem ‚Toten im Schellenberger Wald‘ aus?“, fragte Marcel.
„Wenn du gleich mitkommst, kann ich dir unsere mageren Ermittlungsergebnisse mitteilen“, sagte Lüppi und fuhr fort: „Wir sind hier fertig?“ fragte Lüppi in Richtung Eckerhard.
„Ja, ja, sind wir. Lasst mich einfach mit dem Schlamassel alleine, den du angerichtet hast.“
„Wir können ja tauschen. Du ermittelst und ich spreche mit dem Polizeipräsidenten. Was hältst du davon, Eckerhard?“, fragte Lüppi.
„Verschwinde.“
„Jetzt komme ich dir schon entgegen und dann schmeißt du mich einfach raus. Das ist nicht schön, das macht mich sehr traurig“, sagte Lüppi.
„Hau bloß ab“, sagte Eckerhard.
Dann gingen Marcel und Lüppi. Im Büro von Lüppi und Gördi angekommen setzte sich Marcel auf den Besucherstuhl.
„Also, es war einmal ein Toter, der da lag im Walde herum und wenn er nicht tot gewesen wäre, hätten wir jetzt keine Arbeit“, fing Lüppi an zu erzählen.
Marcel sah Gördi an und sagte: „Jetzt geht die Märchenstunde wieder los.“
„Er hat mal wieder seine Minute“, antwortete Gördi.
„Seid ihr zwei fertig?“, erkundigte sich Lüppi.
„Ja, kannst weitermachen“, sagte Marcel.
„Und so trug es sich zu, dass wir den Toten bei den Vermisstenanzeigen fanden. Sein Arbeitgeber und dessen Ehefrau haben ihn als Erik Metzer identifiziert. Der Verstorbene wohnte mit seiner Frau in der Straße ‚Auf´m Keller‘ 5. Die Straße ist übrigens in Haarzopf.“
„Danke schön, hätte ich sonst gefragt“, sprach Marcel dazwischen.
„Das weiß ich doch, drum sage ich es dir ja.“
„Prima.“
„Der Verstorbene arbeitete bei ‚Sanitär und Heizung Birnbaum‘ als Sanitärfachmann. Sein Chef, Wilfried Birnbaum, hatte nur Gutes über ihn zu berichten und seine Aussage war, er wäre sein bester Mann gewesen.“
Lüppi machte eine Pause, um den Spannungsbogen ansteigen zu lassen.
„Und, war es das schon?“, fragte Marcel nach.
„Noch nicht ganz. Also, besonders Erwähnenswert ist die Tatsache, der Verstorbene hat einen Zwillingsbruder.“
„Schön.“
„Mmh, wissen wir noch nicht?“
„Warum?“, fragte Marcel.
„Das könnte unter Umständen das Hauptproblem des Verstorbenen geworden sein.“
„Wieso?“
„Sein Bruder, der Jens Metzer, ist nicht so wie sein Bruder Erik. Sein Hauptarbeitgeber, der Wilfried Birnbaum, hat kein gutes Haar an ihm gelassen.“
„Hauptarbeitgeber?“
„Jo, Hauptarbeitgeber. Es gibt da noch einen, den Herrn Naleppa. Der ist Chef vom...“, weiter kam Lüppi nicht, da Marcel den Satz beendete: „Club ‚Tabledance Universum‘. Denn kenne ich schon länger. Da ist mein besonderer Freund ja wieder.“
„Soso, der Herr Naleppa vom ‚Tabledance Universum‘ ist also dein Freund? Ich weiß ja nicht?“
„Hallo! Was willst du denn damit andeuten, mein lieber Lüppi?“
„Du hast ihn als deinen Freund bezeichnet, nicht ich. Wenn ich jetzt so darüber nachdenke, dann bist du bestimmt Stammkunde von der fünften Etage, nicht wahr?“
„Aber garantiert nicht.“
„Ach, du scheinst aber schon einmal zu wissen, was die fünfte Etage ist. Das gibt mir jetzt aber ganz schwer zu denken, Herr Staatsanwalt“, sagte Lüppi.
„Ja, da muss ich ihm aber Recht geben. Das ist aber jetzt wirklich komisch, Herr Pohlmeier.“
„Jetzt fangen Sie bitte nicht auch noch so an, Herr Schwarz“, sagte Marcel und sah dabei zu Gördi herüber.
„Na gut, wir wollen mal nicht so sein. Woher kennst du den?“, wollte Lüppi wissen.
„Das ist ein alter Kunde von der Sitte. Ich hatte schon ein paar Mal etwas gegen ihn in der Hand“, sagte Marcel.
„Ist der verurteilt worden?“, fragte Lüppi.
„Ja, der hat zwei Mal gesessen“, antwortete Gördi.
„Nein, drei Mal“, korrigierte Marcel.
„Na, wie auch immer. Weswegen?“, fragte Lüppi.
Gördi machte eine Handwegung zu Marcel, die ihm sagte, er solle ruhig erzählen.
„Okay“, sagte Marcel und sagte in Richtung Lüppi: „Einmal wegen Beteiligung zur Prostitution. Einmal wegen Steuerhinterziehung und das letzte Mal wegen Handel mit Drogen. Alle Male aber immer nur kurze Haftstrafen, da er immer geständig war.“
„Was heißt denn Beteiligung zur Prostitution?“
„Der ist als junger Mann auf den Jungenstrich gegangen und ist dann später von dem alten Besitzer des ‚Tabledance Universum‘ unter die Fittiche genommen worden. Der alte Besitzer hatte keine Kinder und konnte nach einer Messerstecherei auch keine mehr bekommen.“
„Aha, dann kennt der sich also so richtig aus mit dem Geschäft.“
„Tja. Was macht denn dieser Jens bei dem Naleppa?“, wollte Marcel wissen.
„Der ist Wächter für gute Sitten im fünften Stock.“
„Ah, daher deine Frage an mich.“
„Jo, daher.“
„Was sagt denn dieser Jens zu dem Tod seines Zwillingsbruders?“
„Keine Ahnung“, sagte Lüppi.
„Ja, habt ihr den denn noch nicht befragt?“
„Nö, der wird auch seit letzter Woche Donnerstag vermisst und übrigens sind das nicht eineiige Zwillinge.“
„Mmh? Was ist eure Theorie?“, fragte Marcel.
„Vielleicht liegt eine Verwechslung vor und der oder die Täter haben den Falschen erwischt“, sagte Lüppi.
„Und später den Fehler korrigiert“, ergänzte Gördi.
„Gibt es sonst noch etwas?“, fragte Marcel.
„Der Firmenwagen des Verstorbenen, ein VW Caddy, ist verschwunden und es wird danach gesucht.“
„Was bitte ist denn ein VW Caddy?“, wollte Marcel wissen.
„Ein VW Polo als Kastenwagen.“
„Ach, so.“
„Der Verstorbene hat am Donnerstag wohl eine Baustelle abgeschlossen und wollte dann zu der neuen“, sagte Lüppi, sah danach zu Gördi und fragte diesen: „Hast du inzwischen die Adressen von den Baustellen?“
„Nein, ich habe Herrn Birnbaum noch nicht erreicht.“
„Haben dieser Erik Metzer und sein Bruder irgendetwas auf dem Kerbholz?“, fragte Marcel.
„Erik, gar nichts, der reinste Engel. Ganz anders sein Bruder. Der hatte in den letzten Jahren einige Schlägereien, vier Mal Körperverletzungen und mehrfacher Verdacht wegen Betrugs. Man konnte ihm aber nie etwas nachweisen und er hat deshalb drei Mal in Untersuchungshaft gesessen“, sagte Gördi auswendig.
„Haben Sie das auswendig gelernt, Herr Schwarz?“, fragte Marcel in Richtung Gördi.
„Das behält er immer so. Mein wandelnder Computer“, antwortete Lüppi für seinen Kollegen.
„Dieser Jens hat wohl eine Schnittverletzung in der linken Hand. Laut Aussage von Wilfried Birnbaum hat er sich diese bei einem Kunden zugezogen. Aber Herr Naleppa sagt, dass war das Messer eines Freiers, der ein zweites Mal auf dieselbe Dame wollte. Was stimmt, wissen wir noch nicht“, sagte Gördi.
„Okay, dann stehen wir also noch ganz am Anfang“, resümierte Marcel Pohlmeier.
„So sieht es aus“, bestätigte Lüppi.
„Was habt ihr nun vor?“
„Wir werden weiter nach Jens suchen und uns zur Sicherheit einmal die beiden Baustellen von dem Verstorbenen ansehen.“
„Gibt es noch weitere Richtungen in die ihr ermitteln könntet?“
„Darüber haben wir auch schon gesprochen. Wir wollen mit der Ehefrau des Toten sprechen und uns sein Leben in den letzten Monaten schildern lassen.“
„Habt ihr die vollständigen Umkreise der beiden durchleuchtet?“
„Bis jetzt noch nicht ganz, wird aber jetzt notwendig werden.“
„Okay, dann viel Erfolg und bitte...“, fing Marcel den Satz an, den Lüppi weiter fortführte: „wir halten dich auf dem Laufenden. Na, klar doch.“
„Prima.“
Dann stand der Staatsanwalt auf und verließ das Büro.
Gördi versuchte schon den halben Morgen irgendjemanden bei der Firma ‚Sanitär und Heizung Birnbaum‘ ans Telefon zu bekommen. Leider lief immer nur das Band. Nach dem vierzehnten Versuch hörte er auf. Lüppi hatte hingegen Frau Metzer, die Ehefrau von Erik erreicht. Sie war damit einverstanden, dass die beiden sie besuchten.
Donnerstag, 10.40 Uhr Essen Haarzopf
Lüppi lenkte seinen Wagen in die Straße ‚Auf´m Keller‘. Er stellte den Mercedes ab, beide stiegen aus und überquerten die Straße. Auf der anderen Seite, in dem Zugang zu Hausnummer 5, stand ein älterer Mann mit Stock. Gördi grüßte freundlich, Lüppi sagte wie so häufig nichts.
„Sie sind von der Polizei?“, fragte der Mann als beide schon fast an ihm vorbei waren.
Gördi blieb stehen und fragte, während Lüppi weiterging.
„Wieso möchten Sie das wissen?“
„Ihr sucht doch den Mörder vom Erik, nicht wahr?“
„Ja, wir ermitteln in dem Tötungsdelikt“, gab Gördi an.
„Dann habe ich einen Hinweis für Euch“, sagte der ältere Mann.
Auch wenn Lüppi weitergegangen war, hörte er noch, was der ältere Mann gesagt hatte, blieb stehen und drehte sich um. Der Mann drehte sich ebenfalls um und so sahen sich die beiden mit einem Abstand von vier Metern an.
„Ihr Kollege hat es wohl eilig?“ fragte der Mann.
„Was will der denn jetzt?“, fragte Lüppi sich selbst.
„Mit wem spricht Ihr Kollege da?“ fragte der Mann nach.
„Mit sich. Was für einen Hinweis haben Sie denn für uns?“, erkundigte sich Gördi.
„Das sage ich Ihnen nicht hier auf der Straße. Sonst hängt wieder die halbe Nachbarschaft hinter den Gardinen und fragt sich, was der ‚alte Quatschkopf‘ denn jetzt wieder zu erzählen hat.“
„In Ordnung. Wo wohnen Sie denn?“
„Hier im ersten Haus, da bekommt man alles mit, was hier so geschieht oder was nicht.“
„Sollen wir dann zu Ihnen ins Haus gehen?“
„Ja, wenn Ihr Kollege da vorne nicht Wurzeln schlägt.“
„Nein, der kommt schon“, sagte Gördi und winkte Lüppi heran.
Der setzte sich nur zögerlich wieder in Bewegung. Was der ältere Mann sofort zu kommentieren wusste.
„Na, der schnellste ist Ihr Kollege aber auch nicht.“
„Können wir dann?“, fragte Gördi.
Der ältere Mann ging vor zu der Haustür des ersten Hauses. Dieses war ein Reihenhaus. Beide folgten ihm, nachdem er die Haustür aufgeschlossen hatte. Gördi ging vor Lüppi, der immer einen Blick für die Details hatte und sah dabei auf das Klingelschild. Kuntke. Hinter der Haustür im Flur stand ein kleiner Schrank an der Wand. Auf dem Schrank lag Post. Lüppi schaute im vorbeigehen drauf. Paul Kuntke stand dort. Der ältere Mann bot den beiden einen Platz in seiner guten Stube an. Lüppi setzte sich mit den Worten: „Sie sind Paul Kuntke, ist das richtig?“
Der ältere Mann sah Lüppi erstaunt an. Dann antwortete er: „Jetzt überraschen Sie mich aber. Woher wissen Sie das denn?“
Lüppi sah Herrn Kuntke an und antwortete ihm: „Wir sind die Kriminalpolizei.“
Einen ähnlichen Satz hatte Lüppi ein Jahr zuvor bei einem Telefonat von einem jungen Kollegen vom LKA zu hören bekommen. Und da ihm der Satz so gut gefallen hatte, benutzte er ihn gerne, wenn er dann passte.
„Sie scheinen gescheiter zu sein als ich dachte. Bevor ich Ihnen jetzt erzähle, was ich zu berichten weiß, darf ich fragen, wie Sie beide heißen?“, sagte Herr Kuntke.
„Mein Kollege ist Kriminalkommissar Gerhard Schwarz und ich bin Kriminalhauptkommissar Martin Lüpke. Dann erzählen Sie mal.“
„Der Erik hat ja einen Zwillingsbruder, das wissen Sie bestimmt schon?“, fragte Herr Kuntke und sah dabei zu Lüppi. Dieser antwortete: „Natürlich wissen wir das.“
„Der Jens ist ein schlechter Junge. Hat früher schon nur Ärger gemacht. Die Eltern hatten Zeit ihres Lebens nicht viel Freude an ihm. Ganz anders der gute Erik. Immer nett und hilfsbereit.“
„Entschuldigungen Sie, aber das wissen wir auch schon alles“, unterbrach Lüppi.
„Ja, natürlich wissen Sie das. Sie sind ja die Kriminalpolizei“, erkannte Herr Kuntke und fuhr fort: „Also, der Jens hat sich letzten Mittwoch mit dem Erik direkt vor meinem Haus gestritten. Es ging um Geld, was er von ihm geliehen haben wollte. Der Erik hat aber nein gesagt und hat ihm vorgeworfen, er hätte noch nie etwas zurückgezahlt. Jens hat ihn zunächst bekniet, dann fast schon gebettelt und hinterher ist er richtig böse geworden. So etwas tut man doch nicht. Der arme Erik, der ist aber auch mit seinem Bruder geschlagen.“
„Können Sie uns sagen, wofür Jens das Geld haben wollte?“, fragte Lüppi.
„Ja. Er sagte, er müsse ihr helfen. Es ginge um Leben und Tod.“
„Wissen Sie um welche Frau es ging?“
„Erik hat ihm gesagt, er würde nicht verstehen, dass er sich für eine Fremde so einsetzt. Er solle sich mal lieber um seinen Kram kümmern. Dann hat er noch etwas gesagt, was ich aber nicht verstanden habe.“
„In Ordnung. Sie haben aber nicht bei den beiden nachgefragt, weil Sie den Rest nicht verstanden haben?“
Herr Kuntke schaute ihn mit großen Augen an, bis er einige Augenblicke später darauf reagierte.
„Das geht doch nicht. Machen Sie so etwas?“, fragte Herr Kuntke.
„Mmh, kommt drauf an, manchmal schon.“
„Erik hat zum Schluss nur abgewunken und ist zu Andrea gegangen.“
„Sie meinen sicherlich Frau Metzer?“
„Ja, klar doch.“
„Wir möchten uns recht herzlich bei Ihnen bedanken“, sagte Lüppi und war schon im Begriff gehen zu wollen als ihm noch etwas einfiel.
„Sie sagten zu Anfang, Sie bekommen alles mit, was hier so geschieht oder was nicht. Was meinten Sie mit, was nicht geschieht?“, fragte Lüppi.
„Wer zum Beispiel vergisst Schnee zu schippen. Wer den Motor vor den Garagen zu lange laufen lässt usw.“
„Alles klar. In Ordnung. Dann noch einmal danke schön für die Information und von meinem Kollegen bekommen Sie noch seine Visitenkarte“, sagte Lüppi und ging.
Gerhard schaute verdutzt und übergab Herrn Kuntke seine Karte, dann folgte er ihm. Auf dem Weg zu Haus Nummer 5 fragte er.
„Nach dem was Herr Kuntke gesagt hat sollten wir mal vorsichtig Frau Metzer fragen.“
Lüppi nickte in seine Richtung. Gördi schellte und Frau Metzer betätigte den Türdrücker. Drei Minuten später saßen die beiden bei ihr am Küchentisch.
„Möchten Sie beide einen Kaffee haben?“, fragte Andrea Metzer.
„Ja, da sage ich doch nicht nein“, sagte Gördi, wie aus der Pistole geschossen.
Lüppi sah zu seinem Kollegen und sagte: „Na, dann nehmen wir auch einen.“
Wenig später stellte sie drei Tassen mit Kaffee auf den Tisch. Zucker und Milch holte sie anschließend. Während Lüppi seinen Zucker im schwarzen Kaffee umrührte, Gördi das gleiche mit der Milch tat, fragte sie: „Wie kann ich denn helfen und was möchten Sie gerne wissen?“
„Wir würden gerne mehr von Ihrem Mann erfahren, damit wir uns ein besseres Bild machen können“, sagte Gördi.
„Was soll ich denn erzählen?“, fragte sie.
„Was für ein Mensch war Ihr Mann?“
„Ein ruhiger, besonnener und nachdenklicher Mensch, der sich selten aufregte. Ein ganz liebenswerter Mann. Er ist jemand..., nein, er war jemand... der...“, dann unterbrach sie und musste schluchzen.
„Der immer vorher überlegte, was als nächstes zu tun war. Einer, der alles vorher plante. Der möglichst nichts dem Zufall überlassen wollte.“
Sie machte eine Pause. Beide sahen sie an.
„Daher verstehe ich auch nicht, wie er zu Tode kommen konnte. Es muss etwas völlig Unvorhersehbares passiert sein. Etwas, was niemand ahnen konnte.“
„Ja, verstehen wir“, antwortete Gördi und lächelte sie an.
Lüppi sagte wie zumeist nichts.
„Erik war ein sehr gewissenhafter Mann. Das wird Ihnen auch Herr Birnbaum bestätigen können. Haben Sie schon mit ihm gesprochen?“
„Ja, wir waren bei ihm. Können Sie uns sagen, wo er zuletzt gearbeitet hat?“
„Das war im Stadtteil Stadtwald, in der Straße ‚Sundholz‘ oder so. Ich weiß es nicht mehr ganz genau.“
„Meinen Sie vielleicht die Straße ‚Sundenholz‘?“, fragte Lüppi, der zum ersten Mal etwas sagte.
„Genau. Das war der Name.“
„In Ordnung. Kenne ich“, antwortet Lüppi.
„Ihr Mann hat bis vor einigen Jahren Handball gespielt?“, fragte Gördi.
„Ja, das stimmt. Er musste aufhören, weil es einfach nicht mehr ging.“
„Gesundheitliche Gründe?“
„Genau.“
„Wie hat er sich mit seinem Bruder verstanden?“, fragte Gördi.
„Mal so und mal so. Was aber mehr an Jens lag. Unzuverlässig und hat keine Ordnung in seinem Leben. Ein absoluter Chaot, wie er im Buche steht. Genau das Gegenteil von Erik.“
„Interessant“, sagte Lüppi.
„Haben sich die beiden öfters gestritten?“, fragte Gördi.
„Nein, eher selten. Man konnte sich mit Erik nicht streiten. Und wenn sich die beiden gestritten haben, dann ging es mal wieder ums Geld.“
„Würden Sie Jens einen Mord zutrauen?“, fragte Lüppi.
„Das ist eine schwere Frage. Wer weiß schon, wann ein anderer zu einem Mord fähig ist?“
„Was würden Sie vermuten? Hasste er seinen Bruder?“
„Nein, nicht hassen. Im Grunde genommen wusste Jens immer was er an Erik hatte. Auch wenn mein Mann in den letzten Jahren des Öfteren einiges abgelehnt hat, weil er keine Lust hatte mal wieder für seinen Bruder in die Bresche zu springen.“
„Also sind Sie der Meinung, wenn Jens der Täter war, dann war es nicht geplant, sondern im Affekt“, sagte Gördi.
„Nein, nicht geplant, das wird er nicht getan haben. Jens ist eigentlich ein ganz Lieber, wenn er nicht so ein Schlunz wäre. Er ist eigentlich sehr hilfsbreit. Wenn wir seine Hilfe brauchten, war er immer zur Stelle.“
„Gut, dann können wir Jens als Täter eigentlich ausschließen, nicht wahr?“, fragte Gördi und sah zu Lüppi hinüber.
„Scheint im Augenblick so“, sagte Lüppi und sagte weiter. „Fassen wir mal zusammen. Ihr Mann hat sich fast nie gestritten, war jemand, der sich vorher überlegte, was er tat und absolut zuverlässig. Ein Traum für jeden Chef.“
„Ja, genau so war mein Mann“, sagte Andrea Metzer.
„Dann liegt die Vermutung nahe, dass sein Tod möglicherweise nichts mit ihm zu tun hatte“, resümierte Lüppi.
„Sondern?“, fragte sie.
„Da kommen mehrere Möglichkeiten in Frage. Zum Beispiel eine Verwechslung“, sagte Lüppi und machte eine Pause. Er wartete auf eine Reaktion in ihrem Gesicht. Es kam aber keine, nichts.
Stattdessen fragte sie: „Mit wem soll er denn verwechselt worden sein?“
„Er kann auch ein Kollateralschaden oder die Folge einer Kurzschlusshandlung zum Opfer gefallen sein. Das sind alles nur Überlegungen, Frau Metzer. Sie haben uns aber schon mal sehr geholfen. Das hat uns ein gutes Stück weitergebracht. Dafür erst einmal danke“, sagte Lüppi, stand dabei auf und hielt ihr seine rechte Hand hin.
Sie nahm diese und er sagte noch zu ihr: „Und noch danke für den leckeren Kaffee.“
„Gerne, wenn ich Ihnen helfen konnte. Meinen Sie, Sie finden den Mörder?“
„Davon gehen wir aus.“
„Bis jetzt hat mein Kollege Herr Lüpke, noch alle ermitteln können“, sagte Gördi.
„Das lässt hoffen.“
„Da fällt mir noch etwas ein, kennen Sie die Arbeitskollegen von Ihrem Mann und Jens“, fragte Lüppi.
„Erik arbeitete zumeist alleine. Jens hat aber einen, mit dem er immer zusammen arbeitet.“
„Den Namen wissen Sie nicht?“
„Habe ich schon ein paar Mal gehört, aber wieder vergessen.“
„Gibt es eine Stelle, wo Erik oder Jens mittags was aßen?“
„Mein Mann hatte immer etwas dabei. Ab und zu hat er schon mal mit Jens in der Nähe der Firma was gegessen. Zumeist dann, wenn die beiden was zu besprechen hatten.“
„In Ordnung.“
Beide verabschiedeten sich, verließen das Haus und den Weg. Stiegen in Lüppi´s Wagen, wobei sie sahen, dass Herr Kuntke sie von seinem Haus heraus beobachtete. Lüppi winkte ihm zu als er losfuhr. Herr Kuntke war überrascht gesehen worden zu sein und zog die Gardine zu.
„Sag einmal, der Kaffee hat dir doch nicht geschmeckt, oder?“, fragte Gördi.
„Nicht im mindesten. Die meisten Kaffeebohnen sind am Filter vorbei gelaufen, reingefallen sind die wenigsten“, antwortete Lüppi.
„Und geholfen hat uns das Gespräch auch nicht.“
„Das sehe ich anders. Sie zieht ihren Schwager noch nicht einmal in Betracht. Für sie ist er ein Chaot, aber kein Mörder. Die Aussage von Paul Kuntke war aber gut. Er sagte, das Jens Geld brauchte um eine ‚Ihr‘ helfen zu können, da es um Leben und Tod ginge.“
„Okay. Mmh... das war interessant, stimmt.“
„Wir sollten uns auf jeden Fall die alte und neue Baustelle von Erik einmal ansehen.“
„Den Jens sollten wir zur Fahndung ausschreiben“, sagte Gördi.
„Auf jeden Fall“, bestätigte Lüppi.
„Fahren wir zurück ins Präsidium?“
„Jo, machen wir. Aber vorher gehen wir Currywurst Pommes essen.“
„Ich habe aber Kniften dabei.“
„Die kannst auch noch morgen essen.“
„Warum?“
„Weil die Wurst und Fritten zur Ermittlung gehören.“
„Was hast du denn vor?“, fragte Gördi.
„Er versteht es nicht. Du musst das deinem Kollegen erklären“, sagte Lüppi zu seinem Spiegelbild im Innenspiegel.
„Danke, Herr Kollege“, sagte Gördi.
„Wieso danke? Ich habe doch noch gar nix gesagt.“
„Also?“
„Wir fahren nach Kray.“
„Was willst du denn da?“
„Wir gehen in die Frittenbude, die ganz in der Nähe der Firma Birnbaum ist.“
„Ach, jetzt verstehe ich.“
„Na, das ist aber schön“, sagte Lüppi und sich seinem Spiegelbild zuwendend, ergänzte er.
„Gördi hat eine längere Leitung heute.“
„Blödmann.“
Donnerstag, 13.00 Uhr Essen Kray
Beide waren im besagten Schnell-Imbiss angekommen und Lüppi bestellte.
„Bitte zweima Currywurst mit Fritten rot weiß und einmal etwas nachwürzen und nen paar Zwiebeln druff“, sagte Lüppi im sauberen Ruhrpott-Slang.
„Okay, sollste haben“, antwortete die Bedienung hinter der Theke.
Lüppi gab seinem Kollegen den versteckten Hinweis, er solle nach Jens fragen.
„Ich hab da mal nee Frage“, sagte Gördi.
Die Bedienung drehte sich um.
„Und wat für eine?“
„War mein alter Kumpel Jens heute schon hier oder kommt der noch?“
„Ach, du meinst den zweiten Metzer?“
„Jo.“
„Nee, der war schon seitner Woche nich mehr da. Jetzt wode da so fragen tust, stimmt.“
„Aber er kommt sonst jeden Tag, oder?“
„Mmh... jo, tut er.“
Nach 10 Minuten war die Bestellung fertig.
„Wer bekommt wat fürne Curry?“
„Er ist die Scharfe mit Zwiebeln und ich bin die Normale“, antwortete Lüppi auf Ruhrgebiets-Frittenbudendeutsch.
Es vergingen weitere 5 Minuten als ein Mann den Schnell-Imbiss betrat. Die Bedienung sah ihn an.
„Hey, Matte, willste wie immer?“, fragte sie den Hereingekommenen.
„Jo.“
„Sach ma, wat isse eigentlich mit deinem Jens los?“, fragte sie.
„Öh, der hat privat wat zu erledigen.“
„Dat kannse ma dem da erzählen, dat issen alten Kumpel von ihm“, sagte sie und zeigte mit dem Finger auf Gördi.
Der angesprochene Matte sah zu ihm hin.
„Jens hat mir gesagt, er geht hier oft mittags wat essen“, reagierte Gördi.
„Wer will das denn wissen?“, fragte Matte.
„Ich bin Gördi.“
„Dat ist nich dein richtiger Name?“
„Gerhard Schwarz. Und du?“
„Matthias Dietz.“
„Du arbeitest mit Jens zusammen?“
„Du stellst aber viele Fragen.“
„Wenne mir alles von alleine erzählst, dann muss ich nicht fragen.“
„Hockt euch doch da drübe hin“, kam der Hinweis von der Bedienung, die dabei auf einen Tisch am Fenster zeigte.
Lüppi nahm seinen Teller und tat, was die Dame gesagt hatte. Gördi folgte augenblicklich. Matte wollte zwar eigentlich nicht, fühlte sich aber in dem Augenblick dazu genötigt, da die Bedienung noch eine entsprechende Kopfbewegung in Richtung Tisch zu ihm machte. Matte setzte sich dazu.
„Woher kennste ihn denn?“, wollte er wissen.
„Weißt du dat der Erik tot ist?“, fragte Gördi.
„Jo, hab ich gehört. Hat der Boss gestern erzählt. Wat nee Scheiße.“
„Der Erik war ein Guter“, sagte Gördi.
„Da sagste wat richtiges. Wat eine Scheiße und dann im Wald ermordet. Welcher Arsch mach dat denn?“
„Ja, Mensch und daher dachte ich, ich könnte den Jens hier heute treffen und ihm sagen wie leid mir dat tut. Zuhause habe ich ihn nicht angetroffen.“
„Der muss nem Mädel helfen.“
„Ach, hat Jens nee Perle?“, fragte Gördi.
„Nee, ist nicht richtig seine, ist wohl so wat wie eine Schwester von einer seiner anderen Maloche (Arbeit).“
„Ach du dickes Ei, in wat für ein Schlamassel isser denn da drin?“
„Bo je, dat willste gar nich wissen tun.“
„Hasste nee Ahnung, wo ich ihn finden kann?“, fragte Gördi.
„Nee, nich die Bohne.“
Das Essen was Matte jeden Tag aß, wurde von der Bedienung gebracht.
„Hier isse dein Schaschlik mit Fritten weiß und dein Bierchen“, sagte sie und stellte beides vor ihm ab.
Matte fing an zu essen. Lüppi war inzwischen fertig und Gördi piekste die letzten Pommes auf seinem Teller auf.
„Da fällt mich ein, der Jens hat noch zu mich gesacht, er würde ein paar Tage Urlaub machen mit dem Mädel. Er hoffte, dat der Typ sich wieder abreagieren würde“, sagte Matte.
„Wat für ein Typ?“
„Kenne Ahnung.“
Auch weitere Fragen konnte Matte nicht beantworten.
„Arbeitest du mit Jens zusammen?“, fragte Gördi nun erneut.
„Ja, wir liefern die großen Dinger an die Baustellen. Dafür musse ein ganzer Kerl sein, weil die Scheiße verdammt schwer ist. Dat kann nich jeder tun.“
„Ach nee und nun musste dat alleine machen?“
„Ja, dat issen Mist. Mir hilft zwar der eine oder andere, aber die machen dat nicht so richtig wie der Jens dat tut.“
Lüppi und Gördi warteten noch bis Matte aufgegessen hatte und sie verabschiedeten sich von ihm vor dem Schnell-Imbiss.
Als beide im Auto saßen, bemerkte Gördi.
„Also, das ist ja gar nicht meine Art zu reden. Da muss ich mich richtig darauf konzentrieren, was ich so sage.“
„Es ist aber immer von Vorteil, wenn dein Gesprächspartner merkt, du bist einer von ihnen. Die Auskunftsfreudigkeit steigt dann.“
„Ja, ich weiß. Ist aber trotzdem nicht meins.“
Während der Fahrt zum Präsidium fragte Lüppi: „Was hast du noch für Kontakte ins Milieu?“
„Du meinst, ob ich irgendwelche Leute anrufen kann?“
„Ja, zum Beispiel oder was ist mit den Kollegen von der Sitte?“
„Ich schau mal und höre mich um.“
Donnerstag, 14.50 Uhr Polizeipräsidium Essen
Lüppi und Gördi waren gerade im Büro angekommen als Kollege Peter Kordes hinter ihnen das Büro betrat.
„Da seid ihr zwei ja. Der Caddy von Erik Metzer ist gefunden worden.“
„Und?“, fragte Gördi.
„Wie und? Der ist wieder da.“
„Wo?“
„Ja, Mensch dann sag das doch, was du meinst, das kann ja niemand riechen.“
„Mitdenken Kollege, also wo?“
„In der KTU.“
„Und wo war er?“, fragte Lüppi nun sichtlich gereizt.
„In Mülheim an der Ruhr. Auf einem Parkplatz am ‚Rhein-Ruhr-Zentrum‘.“
„Danke, für die Antwort.“
Der Kollege Kordes wollte gerade gehen als Lüppi noch etwas einfiel.
„Ist der Obduktionsbericht von Frau Dr. Schneider gekommen?“
„Liegt auf deinem Schreibtisch.“
„Danke.“
Er setzte sich und sah sich den Bericht an.
„Schon wieder so ein langer Bericht“, sagte Lüppi zu sich selbst.
„Wieviele sind es denn?“, fragte Gördi.
„6 Seiten.“
„Und was steht am Ende?“
Lüppi schlug die letzte Seite auf.
„Todesursache. Die Todesursache ist ein akutes Schädel-Hirn-Trauma infolge der Schädelverletzung“, las Lüppi vor.
Dann blätterte er zurück zum Anfang. Er las im Stillen.
OBDUKTIONSBERICHT (6 Seiten)
Die Obduktion wurde vom 18.04.1995 bis 20.04.1995 in der Rechtsmedizin des Universitätsklinikum Essen durchgeführt. Anwesend sind die Studenten Lars Krause und Björn Thiele. Die Obduktion leitet Rechtsmedizinerin Dr. med. Stefanie Schneider. Das Obduktionsobjekt ist der als Erik Metzer identifizierte Leichenfund im Schellenberger Wald am 18.04.1995. Die Identifizierung erfolgte unabhängig von dem Arbeitgeber, Wilfried Birnbaum und der Ehefrau, Andrea Metzer.
- Äußere Besichtigung Das Obduktionsobjekt war beim Auffinden vollständig bekleidet. Die Größe wird mit 1,78 Meter und 73 kg ermittelt. Eine normale Ernährung zu Lebzeiten ist festzustellen. Die Haut weißt Leichenflecken von etwa fünf Kalendertagen auf. Die Totenstarre...
Lüppi las auch alle weiteren Punkte komplett durch, die da waren.
- Innere Besichtigung, geöffnete Schädelhöhle, Brusthöhle und Bauchhöhle. - Der Y-Schnitt, von beiden Schlüsselbeinen schräg bis zum Brustbein und von dort zum Schambein. - Notiz zur Nachsorge. - Ergebnis der gewonnenen Proben, mikroskopisch und mikrobiologisch untersucht auf Drogen, Giftstoffe, Medikamentenspiegel toxikologisch bestimmt. - Die Spezialuntersuchungen, in Form von DNA-Analyse, die Insektenkundliche entomologische und radiologische Untersuchung wurden nicht erstellt.
Nach dem deskriptiven Teil, der keine Interpretationen zuließ, folgte noch die Auflistung der möglichen Todesursachen und der pathologisch-anatomischen Einzeldiagnosen. Auch diese las Lüppi komplett. Aus Erfahrung wusste er, es war immer wichtig alles zu lesen. Sonst konnte es vorkommen, dass entscheidende Kleinigkeiten übersehen wurden. Den Schluss las er ein zweites Mal am Ende.
- Todesursache. Die Todesursache ist ein akutes Schädel-Hirn-Trauma infolge der Schädelverletzung.
„Tja, zusammenfassend, er hat etwas mit einem schweren Gegenstand auf den Schädel bekommen“, sagte Lüppi zu sich selbst.
Danach nahm er den Hörer vom Telefon und wählte die Rufnummer von Stefanie. Es klingelte.
„Rechtsmedizin, Sie sprechen mit Frau Dr. Schneider.“
„Hallo Stefanie, ich bin es.“
„Hallo Lüppi, was hast du für Fragen?“
„Kann ich morgen Vormittag zu dir kommen und zwei oder drei Fotos von der Verletzung haben?“
„Aber klar doch. Komm, wann du möchtest.“
„In Ordnung, dann bis morgen.“
Dann war das Gespräch beendet. Lüppi sah hoch und stellte fest, Gördi war nicht am Platz.
„Wann ist der denn gegangen?“, fragte er sich.
„Wann ist wer gegangen?“, fragte Eckerhard, der gerade rein kam.
Lüppi sah zur Bürotür, wo sein Chef stand. Über dem Eingang hing eine alte Bauhausuhr. Diese zeigte 16.20 Uhr. Eckerhard wiederholte seine Frage.
„Wann ist wer gegangen?“
„Gördi.“
„Der ist im KK12, bei den Kollegen.“
„Ach ja, stimmt. Ich wollte, dass er sich bei der Sitte mal umhört.“
„Worüber soll er sich umhören?“, fragte Eckerhard.
„Wir haben heute von zwei Leuten einen Hinweis bekommen, dass dieser Jens eine Frau vor einem anderen schützen will oder wollte und mit ihr in Urlaub gefahren sein soll. Er hofft anscheinend, wenn er mit ihr zurückkommt, dass sich dann alles erledigt hat.“
„Bitte? Was ist das denn für einer? Das glaubt der doch nicht im Ernst?“
„Doch, soll wohl so sein. Aber wir wissen nicht, worum es geht oder wohin er ist.“
„Du ermittelst jetzt in Richtung Jens Metzer?“
„Es gibt meines Erachtens drei Ansätze. Erstens. Es sollte Jens beseitigt werden. Stattdessen haben sie Erik erwischt. Beide arbeiten bzw. arbeiteten ja bei der gleichen Firma. Zweite Möglichkeit. Jens hat sich in den letzten Jahren soviel bei gewissen Herrschaften geleistet, dass sie ihm einen Denkzettel erteilen wollten. Das ist aus dem Ruder gelaufen oder sie haben gemerkt, dass es nicht Jens war und entsorgten den Bruder.“
Lüppi sah ihn an und schaute, was er dazu sagen würde.
„Und drittens?“, fragte Eckerhard.
„Es ging in Wirklichkeit nur um Erik.“
„Ja und was könnte der Grund gewesen sein?“
„Weiß ich nicht. Es gibt anscheinend keinen. Das war der Engel auf Erden. Der liebste Mensch, den möchte jeder zum Nachbarn haben.“
„Also bleibt es dabei in Richtung Jens Metzer zu ermitteln?“
„Ja, wir schauen uns aber auch noch die beiden Baustellen an, aber...“, sagte Lüppi und brach im Satz ab.
„Aber du glaubst nicht, dass da was bei herauskommt.“
„Mmh.“
„Ich habe übrigens den Polizeipräsidenten angerufen“, sagte Eckerhard.
„Und ab morgen fahr ich Streife“, nahm Lüppi das Ende des Gespräches vorweg.
„Ich habe über das nachgedacht, was du und Staatsanwalt Pohlmeier gesagt habt.“
„Äh, was haben wir denn gesagt?“, fragte Lüppi.
„Im Gespräch habe ich ihn gefragt, wie weit er dem Abgeordneten des Landtages vertrauen würde und für wie ehrlich er ihn halten würde.“
„Und?“
„Er wusste im ersten Augenblick nicht, was er sagen sollte. Da fiel mir ein, was du in solchen Fällen immer machst und habe direkt gefragt, ob sein Zögern ihm nicht zu denken geben würde. Er hat daraufhin gesagt, ich solle nicht unverschämt werden. Darauf habe ich ihm geantwortet, unverschämt wäre das hinterhältige Verhalten des Abgeordneten und das ich heute Morgen schon mit dem Staatsanwalt über den Vorfall gesprochen hätte.“
„Und?“
„Nichts, es kam nichts mehr. Totenstille. Er hat nach einer Weile gefragt, ob ich wirklich mit dem Staatsanwalt gesprochen hätte. Ich habe ja gesagt und das du bei dem Gespräch natürlich dabei warst. Stimmt ja auch, wir haben darüber gesprochen. Dann habe ich ihm gesagt, dass für mich die Sache erlegt ist und ich mir wünschen würde, dass er nächstes Mal zu seinen Leuten stehen würde und nicht jeder Scheißhausparole sofort Glauben schenkt.“
„Hoppla, so kenne ich dich gar nicht.“
„Ich mich auch nicht.“
„Aber Scheißhausparole hast du doch nicht gesagt?“
„Doch habe ich. Er hat sich anschließend leise entschuldigt und das Thema gewechselt.“
„Nicht schlecht, Chef.“
„Nächstes Mal bitte unauffälliger, ja?“
„Mmh.“
„Erzähl mir doch mal bitte, was du bis jetzt ermittelt hast.“
Lüppi sah Eckerhard etwas erstaunt an, hatte auch eine Idee, woher das Interesse rührte und fing an zu berichten. Dazu nahm er seinen karierten Block zu Hilfe. Es war 17 Uhr geworden als Eckerhard Schuster das Büro wieder verließ. Zwei Minuten später kam Gördi zurück. Ging zu seinem Schreibtisch, packte die neu angelegte Ermittlungsmappe zur Seite, schob seinen Schreibtischstuhl ran und sah Lüppi an.
„Die Kollegen vom KK12 haben bei der Geschichte mit dem Mädel von Jens Metzer den Slavko Marković unter Verdacht. So und ich bin jetzt weg“, sagte Gördi.
„Slavko Marković? Den Namen habe ich schon gehört. Warte auf mich, ich komm mit“, kam die Antwort.
„Okay. Aber ich komm nicht mit, wo immer du jetzt auch hin willst.“
„Musst du auch nicht oder besser gesagt, möchte ich auch nicht“, antwortete Lüppi.
Während sie beide den Gang entlang gingen, am Büro von Eckerhard Schuster vorbei, sah ihr Chef die beiden.
– Ach, der Gerhard macht Feierabend und Lüppi fährt noch raus zum weiterermitteln – waren seine Überlegungen.
Im Treppenhaus fragte Gördi seinen Kollegen: „Wohin fährst du jetzt?“
„Nach Frohnhausen.“
„Was ist denn da?“
Lüppi sah seinen Kollegen an, antwortete aber nicht.
„Okay, ich sollte jetzt wahrscheinlich eine Ahnung haben, mmh?“
„Dann überleg mal schön und bis Morgen“, sagte Lüppi und ging zu seinem Mercedes.
Auf der Fahrt sah er in den Innenspiegel und sagte zu seinem Spiegelbild: „Du hast dich aber ganz schön in sie verknallt.“
„Ja, stimmt“, kam die Antwort.
„Aber wieso erst nach so langer Zeit? Kannst du mir das mal sagen?“
Das Spiegelbild antwortete nicht mehr. Lüppi sah noch mal in den Spiegel und winkte ab.
„Immer dasselbe mir dir.“
Donnerstag, 17.22 Uhr Essen Frohnhausen
An der Wohnungstür von Torti schellte es. Sie selbst war erst seit 2 Minuten Zuhause.
– Wer ist das denn um diese Uhrzeit? – fragte sie sich.
Sie öffnete die Tür und glaubte einen Geist zu sehen.
„Lüppi! Was machst du denn schon hier?“
„Ich habe doch versprochen früh bei dir zu sein, meine liebe Torti. Da bin ich.“
Sie sah auf ihre Damenarmbanduhr. 17.22 Uhr. Sie glaubte noch immer nicht, dass er vor der Tür stand.
„Lässt du mich rein?“, fragte er.
„Aber natürlich.“
Sie trat beiseite und er ging ins Wohnzimmer. Dort blieb er stehen. Sie folgte ihm und nahm ihn in den Arm. Beide küssten sich länger. Sie sah ihn danach an und lächelte. Ihn freute es, dass sie so einen Spass hatte, ihn zu sehen. Ein richtiges Glücksgefühl stieg in ihm auf. Es wurde ihm warm ums Herz. Beide standen umschlungen da und sahen einander nur an. Nach einer Weile.
„Ich lieb dich“, sagte er leise.
Sie sah ihn an und es kamen ihr wieder die Tränen, wie am Vortag. Er wischte sie beiseite und küsste sie erneut.
„Ich lieb dich auch“, sagte sie.
„Das hätten wir schon viel länger haben können“, sagte er weiter in einem leisen Ton.
„Das stimmt. Ich habe mich nicht getraut es dir zu sagen. Ich hatte Angst, du würdest nichts mehr von mir wissen wollen“, sagte sie und sah ihn weiter nur an.
„Wieso?“
„Weil du doch schon lange mit Uschi zusammen bist.“
„Wir sind nicht zusammen“, sagte er in dem ruhigsten Ton, den er hatte.
„Nicht?“
„Nein und auch nie gewesen.“
Sie sah ihn sehr erstaunt an.
„Was möchtest du sagen?“, fragte er.
„Aber ihr habt doch... ich meine, du hast doch immer... also ich will sagen... na, du weißt schon“, versuchte sie zu sagen, was sie sich nicht traute.
„Du meinst, weil ich seit mehr als 15 Jahren mit ihr ins Bett gehe?“
„Natürlich, das meine ich.“
„Nein, das ist nur Sex. Ich lieb sie nicht.“
„Du liebst sie nicht? Und trotzdem schläfst du mit ihr?“
„Ja.“
„Und was ist dann mit uns? Schläfst du auch nur mit mir?“
„Nein, ganz und gar nicht. Ich liebe dich und es ist mir klar geworden, es wird immer mehr.“
„Und das soll ich glauben?“
„Ich hoffe es sehr.“
„Mmh, also ich weiß nicht“, sagte sie.
Er sah ihr an, dass sie es tat.
„Es stimmt, ich hätte mir viel früher über meine Gefühle zu dir im Klaren werden sollen.“
„Zu Anfang war es mit mir auch nur eine Bettgeschichte, richtig?“
Er sah sie an und wusste, die Antwort könnte jetzt nach hinten losgehen. Lügen war aber für ihn keine Option. Er überlegte, was ihm nun noch blieb.
„Du traust dich jetzt nicht JA zu sagen“, stellte sie kurzer Hand fest.
Er sah sie an und küsste sie aus Verzweiflung.
„Du kannst es ruhig zugeben. Das wusste ich die ganze Zeit schon.“
„Bitte?“
Sie drückte sich an ihn. Er genoss es. Beide sahen sich an.
„Ja?“, fragte sie.
„Es hat bei mir vor einigen Monaten angefangen. Äh... so um Neujahr herum.“
„Das habe ich mir schon gedacht.“
„Wieso das denn?“
„Du bist seitdem viel zärtlicher zu mir. Du hast nur drei Sonntage ausgelassen. Wir haben seitdem zusammen mehr unternommen als im ganzen Jahr zuvor. Ich habe es seit Anfang des Jahres gespürt und zum lieben Gott gebetet, dass es jetzt endlich mit uns klappt.“
„Es klappt, deine Gebete sind erhört worden.“
„Tja, nur nicht alle.“
„Welche denn nicht?“
„Ich wünsche mir, dass du bei mir bist und ich dich nicht teilen muss.“
„Aber ich bin doch bei dir.“
„Ja, gestern, heute, vielleicht morgen und wenn ich ganz viel Glück habe auch übermorgen und dann...?“
„Und was dann?“
„Dann gehst du wieder zu Uschi in die Kneipe, die macht dir schöne Augen, kocht dir was Leckeres und schwups bist du mit ihr wieder in der Kiste.“
Er nahm sie in den Arm und drückte sie fest.
„Tja, wie soll ich dir das jetzt sagen?“, fing er den Satz an.
Sie sah ihn an und ihr kamen die Tränen, nur diesmal nicht vor Freude.
„Sie kocht nicht für mich.“
„Na gut, dann für euch halt.“
„Nö, die kann gar nicht kochen. Sie kann so einiges, aber kochen und Haushalt gehören auf keinen Fall dazu.“
„Und warum gehst du dann immer zu ihr?“
„Weil ich da die anderen treffe.“
„Ach so.“
„Ich sage dir hier und jetzt etwas...“
Sie sah ihn mit großen Augen an und war sichtlich gespannt, was nun kam.
„Ich werde nicht mehr mit Uschi ins Bett gehen, keinen Sex mehr mit ihr haben oder auch nicht mit irgendeiner anderen Frau. Ich möchte nur noch mit dir zusammen sein.“
Sie sah ihn und fragte leise: „Ist das dein Ernst?“
„Ich verspreche es dir sogar.“
„Auf deine Versprechen konnte ich mich immer verlassen. Ich glaube dir und ich liebe dich über alles, Lüppi.“
Er strahlte.
„Was macht denn eigentlich dein Toter aus dem Schellenberger Wald?“
„Das ist immer noch ein Fall.“
„Ich frage jetzt nicht warum du dann trotzdem bei mir bist“, sagte sie und lächelte.
„Das musst du auch nicht, da du es weißt. Du kennst den Grund.“
Sie zeigte mit ihrem rechten Zeigefinger auf sich selbst. Er nickte ihr zu. Daraufhin bekam er wieder einen Kuss.
„Soll ich uns eine Tasse Kaffee machen? Ich hätte auch noch ein paar Plätzchen.“
„Du kannst uns auch jedem eine Tasse Kaffee machen.“
„Blödmann“, sagte sie zu ihm.
„Das habe ich erst heute Mittag gehört.“
Sie gingen beide in die Küche und Torti fing an Kaffeepulver in den Filter zu schütten.
„Wie haben dir eigentlich die Butterbrote geschmeckt?“, fragte sie ihn.
„Ach, du Scheiße“, kam es bei ihm heraus.
„Ach, du Scheiße, die haben nicht geschmeckt oder du hast sie vergessen zu essen?“
„Vergessen. Ich habe die Butterbrotstüte in meinen Schreibtisch gelegt. Scheiße. Das tut mir leid, Entschuldigung.“
„Möchtest morgen trotzdem Butterbrote haben?“
„Ja und ich esse sie auch, versprochen.“
„Das ist jetzt schon das zweite Versprechen heute.“
„Da kannst du mal sehen, was du für einen Einfluss auf mich hast.“
Sie lächelte zurück.
„Ich kann dir ja mal von dem Fall erzählen.“
Nun sah sie ihn erschrocken an als wenn er ihr gerade gesagt hätte, er heiratet am nächsten Tag eine andere Frau. Sie sagte nichts dazu, da sie es nicht glauben konnte. Als der Kaffee fertig war schüttete sie zwei Tassen ein und beide gingen ins Wohnzimmer. Er rührte den Zucker im Kaffee um und sie ihre Dosenmilch und Zucker.
„Der Tote heißt Erick Metzer und hat einen Zwillingsbruder, der Jens heißt. Erik war der liebste Mensch überhaupt, sagen alle. Sein Bruder ist genau das Gegenteil. Beide sind bzw. waren bei Firma ‚Sanitär und Heizung Birnbaum‘ beschäftigt.“
Während sie ihren Kaffee trank erzählte er. Nach einer ganzen Weile, ihre war Tasse war bereits leer, fragte sie ihn.
„Darf ich dich mal unterbrechen?“
„Ja, klar.“
„Dein Kaffee wird kalt.“
Während er seine Tasse nahm und anfing zu trinken, sah sie ihn an und sagte.
„Ich erkenne dich gar nicht mehr wieder. Du kommst in der Woche zu mir. Erzählst mir von dem Fall, was du sonst bei niemanden tust, wie du selbst sagst. Sitzt um 18.15 Uhr mit mir hier auf der Couch und das, obwohl der Täter nicht gefasst ist. Kannst du mir sagen, was mit dir los ist?“
Lüppi nahm noch einen großen Schluck Kaffee, dann war die Tasse leer.
„Ja, kann ich.“
„Und?“
„Ich habe mich in dich verliebt und zwar so, wie es mir noch nie in meinem Leben passiert ist. Ich möchte ab jetzt mit dir zusammen sein und das soviel wie möglich.“
Ihr kamen die Tränen, diesmal aber wieder vor Freude.
„Und warum möchtest du mir von dem Fall erzählen?“, fragte sie mit feuchten Augen.
„Weil mir danach ist und weil du und ich doch jetzt ein Paar sind, oder nicht?“
„Ja, gerne. Sehr gerne, mein lieber Lüppi. Schläfst du ab jetzt jede Nacht bei mir?“
„Ja, das möchte.“
Sie strahlte ihn an.
„Oder soll ich nicht von dem Fall erzählen?“, fragte er zaghaft.
„Doch, natürlich. Wenn du willst, kannst du ab jetzt alles von deinen Fällen erzählen.“
Er nahm sie in den Arm und erzählte weiter bis er ihr alle Ermittlungsergebnisse mitgeteilt hatte. Den restlichen Abend verbrachten beide mit Abendessen, Rotwein trinken, Zärtlichkeiten austauschen und lange Gespräche über alles Mögliche. Wenn man es nicht gewusst hätte, wie lange sich beide schon kannten, man wäre auf die Idee gekommen, da lernen sich zwei Menschen gerade erst so richtig kennen. Vor dem Einschlafen sagt er zu ihr: „Torti, ich habe dich lieb.“
„Ich habe dich auch lieb, Lüppi.“
Dann schliefen beide Arm in Arm ein.