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Alte und neue Mayerling-Versionen

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Am 30. Jänner 1889, vor genau 126 Jahren beendeten offiziell zwei gezielte Schüsse nicht nur das Leben des Kronprinzen der k.& k. Monarchie, Kronprinz Rudolf, sondern bis heute verschwiegen und weitestgehend ungeklärt, das Leben einer blutjungen Frau, Mary Vetsera, einer Baronesse, die gerade einmal 17 Jahre alt war. Diese Schüsse in einem kleinen Jagdschlösschen namens Mayerling abgegeben, etwa 30 Kilometer von Wien entfernt, sollten den langsamen Untergang der bis dahin so stolzen und auch erfolgreichen Habsburger-Monarchie einleiten. Der Name des Kronprinzen wurde auf kaiserlichen Befehl zumindest in seiner Umgebung und in der Hofburg nie mehr genannt. Mary Vetsera gab es überhaupt nicht. Sie war niemals vorhanden gewesen.

Nach dem mit allem Prunk und Pomp abgehaltenen Begräbnis des verstorbenen Kronprinzen in der Kapuzinergruft in Wien ging man in der Hofburg wieder zur Tagesordnung über. Kaiser Franz Josef erledigte seine Akten, genau wie immer. Kaiserin Elisabeth wurde noch eigenartiger und war fast nur mehr auf Reisen. Ab dem 31. Jänner 1889 trug die Kaiserin schwarz. Wenn sie einmal in Wien war, wurden ihre öffentlichen Auftritte trotzdem immer spärlicher. Ihre Aufgaben als erste Dame des Reiches wurden von der ranghöchsten Erzherzogin übernommen. Meistens von Erzherzogin Maria Theresia, der Frau des Kaiserbruders Karl Ludwig. Auch bei „Kaisers privat“ vermied man tunlichst alles, was an den einst zu so großen Erwartungen erzogenen Kronprinzen erinnern hätte können. Es störte im Grunde eine Person: seine Witwe, Kronprinzessin Stephanie, die ja nach wie vor mit Elisabeth, der gemeinsamen Tochter mit Rudolf, in der Hofburg lebte. Zu Familiendiners wurde sie selbstverständlich hinzu gebeten, doch, ihr banales Geplauder über alle möglichen Themen, auch schon kurz nach der Tragödie, wurden besonders von der Kaiserin und deren Tochter Erzherzogin Marie Valerie als unerträglich empfunden. Einzig Kaiser Franz Josef war gütig und höflich. „Doch wir atmeten alle auf“, als sie wieder in ihre Gemächer zurückging“....., liest man in Marie Valeries Tagebuch mehrmals.Kronprinz Rudolfs engste Vertraute und Freunde, auch jene, die unmittelbar von der Mayerling-Tragödie betroffen waren oder sie als entfernte Zeugen miterlebt hatten, waren vom Hof weiter entfernt, denn je. Sein Diener Loschek suchte selbst um Pensionierung an, da er nach der Tragödie in der Hofburg fast wie ein Leprakranker gemieden wurde.und sein Leibfiaker Bratfisch war entlassen worden. Graf Josef Hoyos, einer seiner Jagdfreunde, der in Mayerling einer seiner letzten Jagdgäste war, wurde veranlasst ein Protokoll jener schauerlichen Nacht zu verfassen und zog sich dann auf seine Güter zurück. Er starb 1899. Prinz Philipp von Coburg, (Rudolfs Schwager, verheiratet mit der Schwester von Kronprinzessin Stephanie, Luise) der ebenfalls als „Zeuge“ galt und auch zur letzten Jagd eingeladen war, starb 1921. Auch er hatte angeblich ein Protokoll über die Unglücksnacht verfasst, das sich heute angeblich in Ungarn befinden soll und nie veröffentlicht wurde. Leider war es unmöglich über dieses Protokoll irgendeine Auskunft zu bekommen. Leibfiaker Josef Bratfisch wiederum, verstarb im Jahr 1892 an einem Kehlkopfkrebs. Er galt und gilt als erster Geheimnisträger, ja Mitwisser um das Geschehene. Laut einer Aussage seiner Stieftochter Antonia Konhäuser, war Bratfisch nach Mayerling total verändert. Er trat nie mehr als Sänger auf, vernachlässigte auch sein Fiakergeschäft, trank und schwieg. Wenn jemand es wagte, ihn nach Mayerling zu fragen – es gab unzähligeAnfragen von Zeitungen, die alle sehr lukrativ gewesen sein sollen – konnte er saugrob werden. Bratfisch nahm das Mayerling-Geheimnis mit ins Grab.Wiewohl man sagen muss, dass alle Beteiligten, seien es die Ärzte, die Jagdfreunde, die Bediensteten des Kronprinzen, die Hofbediensteten eisern schwiegen. Was bis heute den Schluss zulässt, dass sie dem Kaiser gegenüber einen Eid geschworen hatten, nie etwas über Mayerling verlauten zu lassen.

Spricht man heute, 126 Jahre danach einen der Habsburg-Nachkommen auf Mayerling an, erntet man entweder eisernes Schweigen, oder bekommt ein Mail, dass es über Mayerling nichts zu sagen gibt oder man wird mit mehr oder weniger abenteuerlichen, an den Haaren herbeigezogenen Geschichten konfrontiert, die nach heutigen Erkenntnissen jeder Grundlage entbehren. Laut diesen Geschichten ( Peter Graf Stolberg zu Stolberg, direkter Nachkomme von Kaisertochter Marie Valerie, Schwester von Kronprinz Rudolf)) wurde Rudolf ermordet. „Es war eine schreckliche Metzelei. Der Kronprinz wurde von gedungenen Mördern überfallen. Er hat sich natürlich gewehrt, zog seinen Säbel, bekam selber etliche fürchterliche Wunden und wurde schließlich erschlagen. Daher das viele Blut. Das Mädel wiederum bekam einen Querschläger ab, an dem sie gestorben ist. Daher auch die etwas eigenartige öffentliche Aufbahrung des Kronprinzen. Wäre er wirklich nur an einer Schusswunde am Kopf gestorben hätte man ihn nicht mit einer Decke einhüllen müssen. Auch seine Hände, wo angeblich ein paar Finger fehlten, waren nicht sichtbar“. Diese Aussage über die öffentliche Aufbahrung allerdings stimmt, wenn man sich die Fotos betrachtet. Hier sieht man auf einem Foto den Kronprinzen aufgebahrt, mit einem Kopfverband. Schaut man genau hin, kann man überschminkte Wunden sehen. Das andere Foto,welches überall bekannt ist, zeigt den Kronprinzen mit Kopfverband, doch die Gesichtswunden sind nicht zu bemerken. Beweise für diese These, die auch schon von Exkaiserin Zita ins Spiel gebracht wurde, konnte er leider keine angeben. Auch keinen Anhaltspunkt, wer die gedungen Mörder waren und ganz entscheidend, warum diese angeblichen Kronprinzenmörder dann nicht sofort mit aller Härte gejagt wurden. Der Kaiser hätte sicher anders reagiert, sollte sein einziger Sohn und Erbe Opfer eines Mordanschlags geworden sein. Die ganze Vertuschungs- und Verschleierungstaktik, die auf Befehl des Kaisers in Gang gesetzt wurde, wäre dann ja völlig überflüssig gewesen. Daraus kann man nur schließen, dass in Mayerling noch etwas anderes, entscheidendes geschehen war, das so skandalös oder grauenvoll gewesen sein muss, dass man von Seiten des Hofes sich auf „Stammeleien“ von zuerst Herzschlag, Vergiftung und dann schließlich Selbstmord durchrang.In hocharistokratischen Kreisen hält sich bis heute hingegen eine der bösesten Mordtheorien. Angeblich soll der Mordauftrag von ganz oben gekommen sein. Als Grund wird die angebliche hochverräterische Tätigkeit des Kronprinzen angegeben. Er wollte sich noch zu Lebzeiten des Kaisers als König von Ungarn ausrufen lassen und den Thron der österreichischen Monarchie, also ohne k. & k., sollte sein Cousin Johann Salvator Toscana übernehmen. Hätte dies der Wahrheit entsprochen, wäre dem Kaiser nichts anderes übriggeblieben, als seinen Sohn vor Gericht stellen zu lassen. Das Urteil hätte wohl auf Tod durch Erschießen gelautet. Damals stand auf Hochverrat die Todesstrafe, das galt selbst für den Thronfolger. Also wenn diese Hochverrats-Story wahr gewesen sein sollte, wäre das ein noch größerer Skandal gewesen. Erst ausländische Zeitungen brachten dann zum ersten Mal die Selbstmordversion aber auch, dass zum selben Zeitpunkt im Jagdschloss Mayerling eine Dame der Gesellschaft tot aufgefunden wurde. Trotz Beschlagnahmung der vielen Druckerzeugnisse, konnte der Hof dann nicht mehr verhindern, dass nach und nach das ganze Ausmaß der Geschehnisse dieser Nacht an die Öffentlichkeit drangen.

Doch sind sich nach wie vor namhafte Historiker, wie Brigitte Hamann sicher, dass der Kronprinz Selbstmord durch einen Kopfschuss beging, Stunden vorher jedoch seine Geliebte Mary Vetsera, auf deren Verlangen durch Kopfschuss tötete. Das Wie ist für seriöse Mayerling-Forscher klar, das Warum? liegt nach wie vor im Dunkel.

Das Volk hingegen reagierte zuerst auf die Todesnachricht panisch, glaubte die offizielle Todesversion, es gab deren drei, Herzschlag, Jagdunfall, dann schließlich die bis heute allein gültige Selbstmordversion keineswegs. Es machte sich seinen eigenen Reim über den Tod des beliebten Kronprinzen.

Die Abschiedsbriefe Rudolfs, die man gefunden hatte, geben keine Auskünfte über die Gründe aus dem Leben zu scheiden. Im übrigen ist nur ein Abschiedsbrief in Faksimile bekannt geworden.

Jener an seine Gattin Stephanie, die ihn in ihren Memoiren abdrucken ließ. Egon, Cäsar Conte Corti, ein Schriftsteller, der die erste umfassende Elisabeth Biografie geschrieben hat, war der einzige Historiker, der noch die wahrscheinlich höchst aufschlussreichen Tagebücher der Kaisertochter Marie Valerie einsehen konnte und hier auch eine Abschrift des Abschiedsbriefes Rudolfs an sie gefunden hat und jenen in Auszügen in seinem Elisabeth-Buch veröffentlichte.Leider sind die Tagebücher heute nicht mehr zugänglich. Jede Nachfrage nach Einsicht wurde mit Ablehnung und einem strikten nein beantwortet. Zwei neuere Bücher befassen sich eingehend mit der Mordtheorie und verwerfen die offizielle Version als gänzlich verleumderisch und nicht länger haltbar.

Clemens M. Gruber schrieb zum 100. Jahrestag der Tragödie ein Buch „Die Schicksalstage von Mayerling“. Hier stellt der Autor umfassende Nachforschungen nach Zeugen an und wird fündig.Besonders in und um Mayerling halten sich in Kreisen der Nachfahren der damaligen Einheimischen hartnäckig ja jene Gerüchte, die entweder von einer Orgie wissen wollen, die so ausgeartet sein soll, dass sie schließlich in einem fürchterlichen blutigen Streit mündete, dessen Ende dann auch das Ende von Rudolf und Mary war. Die zweite Version dieses Buches ist, dass zwei Onkel von Mary Vetsera, ein Baltazzi und Graf Stockau nach Mayerling fuhren, um das Mädchen herauszuholen. Es begann ein Streit in dessen Verlauf dann Rudolf erschossen worden sein soll, Mary hätte sich dazwischengeworfen und wäre tödlich verletzt worden. Einer der Onkel sei selber mit einer Schusswunde, der er dann erlegen sein soll, noch eine Woche in Mayerling gelegen, gepflegt von einem Schlossbediensteten.

Nur diese Version ist absolut widerlegt. Alle Onkel von Mary Vetsera starben erst nach 1900. Dazu kommt noch das Gerücht, dass am Friedhof in Heiligenkreuz in jener stürmischen Nacht des 31. Jänner 1889 nicht nur Marys Leiche verscharrt wurde, sondern noch eine zweite männliche Leiche, ebenfalls mit einer Schusswunde, erzählt man sich heute noch. Ingrid Haslinger wiederum befasst sich mit den privaten Briefen Rudolfs beginnend mit den Kinderbriefen bis zu den Erwachsenenbriefen des Kronprinzen und kommt ebenfalls zu dem Schluss, dass Rudolf keineswegs ein Selbstmordkandidat gewesen sein könne, bemüht sogar einen Graphologen, der Rudolf fast nur hervorragende Eigenschaften zuschreibt und keinerlei Neigung zu Selbstmord feststellen kann. Diesem Graphologen wurden Originalschriftstücke des Kronprinzen vorgelegt. Er wusste nicht, wer der Verfasser der Briefe war. Allerdings meint er in seinem Gutachten, dass der Schreiber aufpassen müsse, er werde durch Mörderhand sterben. Ob man so etwas wirklich durch die Graphologie feststellen kann, ist fraglich. Außer vielleicht, dass Rudolf, Morddrohungen bekommen hat und sich vor diesen fürchtete, was sich wiederum in seinem Schriftbild ausdrückte. Der Kronprinz war ja nicht als sonderlich mutig bekannt. (Ingrid Haslinger:„Rudolf war immer ein guter Sohn – Mayerling war ganz anders“)Gerd Holler, Gemeindearzt in Baden und Vertrauensarzt von Heinrich Baltazzi-Scharschmied, dem Sohn von Heinrich Baltazzi, einem der Onkel von Mary Vetsera, zudem Historiker, war überzeugt, dass die Mayerling- Tragödie durch eine missglückte Abtreibung an Mary, an der sie in Mayerling verblutete, ausgelöst wurde. In seinem Buch „Mayerling- die Lösung des Rätsels“ , versucht er anhand medizinischer Erkenntnisse und den Aufzeichnungen der Hofapotheke das Mayerling -Geheimnis zu lösen.

Laut Holler wurde in Wien in den Appartments Rudolfs durch eine Hebamme in Marys Unterleib eine Bougie (Dehnsonde) gelegt, mit dieser im Körper fuhr sie dann nach Mayerling, wo unstillbare Blutungen einsetzten, die man zur damaligen Zeit nicht stoppen konnte. Mary verblutete langsam. Zwar wurde laut Holler sogar noch Prof. Billroth mitten in der Nacht herbeigeholt, der aber nichts mehr ausrichten konnte und empfahl einen Geistlichen zu holen. Auch dieser kam und gab Mary die Sterbesakramente. Marys Tod erfolgte dann am 30. 1. 1889, so gegen zwei Uhr früh. Der Kronprinz erschoss sich gegen 6.30 Uhr früh, nachdem er Stunden neben der Leiche seiner Geliebten verbracht hatte. Einwände besonders von Mitgliedern des Adels, dass eine Abtreibung, auch mit tödlichem Ausgang absolut kein Grund für einen Selbstmord gewesen sei, konterte der Arzt Holler damit, dass es selbst für einen sehr abgebrühten Menschen schrecklich mitanzusehen sei, wenn ein Mensch neben ihm langsam stirbt und man machtlos ist. Zudem gebot es Rudolf die Offiziersehre, Hand an sich zu legen. Er hatte getötet. Er war der Verursacher des Todes von Mary Vetsera. Abtreibungen waren außerdem im streng katholischen Österreich zu diesem Zeitpunkt strafbar.Sowohl für die werdende Mutter, als auch alle ihre Helfer und Mitwisser. Eine gefährliche Situation also für den Kronprinz, Marie, Gräfin Larisch, der Vertrauten und Eingeweihten des Verhältnisses, Kronprinz Rudolf und Mary Vetsera, Cousine von Rudolf, Lieblingsnichte von Kaiserin Elisabeth und nicht zuletzt Kupplerin für viel Geld, die viele Treffen zwischen dem Kronprinzen und der kleinen Vetsera erst ermöglichte. Auch Bratfisch und Loschek könnten, müssten sogar eingeweiht gewesen sein. Wäre etwas herausgekommen, wären alle ein Fall für den Staatsanwalt gewesen. Der perfekte Skandal. Für die Larisch doppelt gefährlich. Sie soll ja die Hebamme aufgetrieben haben, die die Manipulationen an Mary durchgeführt haben soll.

Die Nachkommen von Prof. Billroth wiederum bestätigten zwar, dass der berühmte Professor mitten in der Nacht des 30. Jänner von einer Fahrt nach Mayerling wieder zurückgekommen ist. Sehr erschüttert und sehr in sich gekehrt. Er hat aber nie auch nur ein Wort von den Geschehnissen dieser Nacht gesprochen, auch nichts schriftliches hinterlassen. Auch ihm gegenüber durfte Mayerling mit keinem Wort jemals mehr erwähnt werden.Historiker, die sich mit Mayerling befasst haben, kamen zu dem Schluss, dass ein Vorfall, schon in der Hofburg oder dann in Mayerling, erst der entscheidende Auslöser für die Tragödie war. Rudolf hatte wahrscheinlich keinesfalls die Absicht, nach Mayerling zu fahren, um sich dort zu töten und zuerst Mary auf ihr Verlangen hin, zu erschießen (Judtmann, Wandruszka, Hamann).

Aufschluss und damit ein Ende aller Spekulationen könnte nur eine Obduktion und forensische genaue Untersuchung der beiden Toten von Mayerling geben. Aber, so wie es aussieht, wird das nie geschehen. Die Familie Habsburg im Verein mit dem Stift Heiligenkreuz und nicht zuletzt mit den Kapuzinern, legen sich quer und sind strikt dagegen. Das wäre Störung der Totenruhe. Also werden die Vermutungen, halben Wahrheiten und alte und neue Versionen auch wohl noch den 250. Jahrestag von Mayerling überdauern. Auch wenn das den Nachkommen der Habsburger gar nicht in den Kram passt.


Die Mayerling-Katastrophe: So war es - war es so?

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