Читать книгу Die Mayerling-Katastrophe: So war es - war es so? - Marlene Gabriel - Страница 6
Kronprinz Rudolfs Geliebte, Freundinnen, Verhältnisse
ОглавлениеDer Kronprinz galt als frühreif. Aufgeklärt wurde er mit etwa 12, in Folge eines Besuches in einer Fischzuchtanstalt, wird berichtet. Bereits mit 14 stieg er Mädchen nach, verwendete sogar sein Taschengeld dafür, berichtet Chris Stadtländer in „Habsburg intim“. Diese jungen Dinger sollen käuflich gewesen sein und er, den Wert des Geldes damals nicht kennend, investierte laut seinen Tagebuchaufzeichnungen recht große Summen. Wie und wo sich das Ganze abgespielt haben soll, ist man schon versucht zu fragen. Auch hier gibt Stadtländer Auskunft. Rudolf soll dafür jeweils die Sommermonate, wenn er in Schönbrunn war, dafür genützt haben. Hier durfte er des öfteren mehr oder weniger allein, seine Erzieher oder Aufpasser waren entweder eingeweiht oder schauten weg, sich den damals für ihn sicher eher spärlichen Freuden der Liebe hingeben.
Auch die Aufenthalte in Schloss Gödöllö nutzte er für erste amouröse Abenteuer. Dabei entwickelte er sehr schnell das richtige Gespür für Mädchen, die es mit der Sexualmoral nicht so genau nahmen und leicht, aber gegen Geld oder Geschenke, zu haben waren.
Vielleicht stammt ja aus dieser Zeit seine eigenartige Art, Frauen zu behandeln. Im Grunde waren sie ihm egal. Er wollte sie haben, bekam sie meistens auch. Aber er hatte weder Achtung vor ihnen, noch den geringsten Respekt. Er schätzte sie als seine Gespielinnen, seine willigen Partnerinnen beim Sex, richtige Gefühle konnte er fast keine aufbauen. Vielleicht zu einer einzigen und die war Hefe aus dem Volk. Der Grazerin Marie, genannt Mitzi Kaspar. Diese langjährige Geliebte, ja Gefährtin dürfte seine große Liebe gewesen sein, entsprach sie doch genau jenem Bild, das ihm von einer Frau vorschwebte. Als seine erste offizielle Freundin galt die Burgschauspielerin Johanna Buska. Seit ihrem ersten Auftreten in der Burg, dem er beiwohnte, ließ der junge Prinz keine Vorstellung aus, bei der sie auftrat. Im Juli 1877 dürften sich beide näher kennengelernt haben, aus dieser Zeit stammt ein Aquarell, gemalt vom Kronprinzen, das die Züge der Buska trägt.
Der damals 19jährige verliebte sich in die 30jährige Schauspielerin, die wiederum dem Kronprinzen sehr zugetan war. Der Hoftratsch wusste zu berichten, dass die Buska als „Einlernerin“ des Kronprinzen galt. Also als hygienische Dame, die den hohen und höchsten jungen Herren die Liebe beibrachte.
Johanna Buska war eine hübsche Frau. Blond, schlank, blaue Augen, eine sehr fesche junge Wienerin, mit Witz und Charme. Allerdings entsprach sie nicht jenem Frauentyp den der Kronprinz in späteren Jahren bevorzugen sollte.
Selbstverständlich war der Kaiser über die erste ernsthafte Liebschaft seines Sohnes informiert, hatte wohl auch gar nichts dagegen. Hatte er doch auch eine „Einlernerin“ und vor seiner Ehe so manche Geliebte.
Erst ein Jahr später wurde vom Kaiser die „Notbremse“ gezogen, die ganze Angelegenheit wurde zu eng. Der Kronprinz wurde nach Prag zum Infanterieregiment Nr. 36 versetzt.
Doch die Buska wusste Rat. Sie ließ einfach beim Burgtheater um Urlaub ansuchen und war dann auf Reisen, oder wie berichtet wurde, hatte sie bewilligte Auslandsgastspiele. In Wahrheit lebten die Buska und der Kronprinz in Prag noch ungenierter ihre junge Liebe aus.Die Sache eskalierte erst im Jahr 1880, als die Buska sich schwanger fühlte. Das war keinesfalls im Sinne des Kaisers. Also rief er General Török zu sich, einen alten Haudegen, aber Ehrenmann, dem Kaiser total ergeben. Er befahl ihm unverzüglich die Burgschauspielerin Johanna Buska zu heiraten. Was Török als kaiserlichen Befehl auffasste und die junge Schauspielerin heiratete. Natürlich war er über die Schwangerschaft der jungen Frau informiert.
Török, um 35 Jahre älter als seine junge Frau, seit seiner ersten glückliche Ehe mit Mathilde Harnoncourt-Unverzagt, die im Kindbett gestorben war, war zum Hagestolz geworden, hatte natürlich seine Eigenheiten und Gewohnheiten. Johanna Buska wiederum war jung, Schauspielerin und erwartete noch einiges vom Leben. Nun war sie die Gemahlin eines alten Militärs, der zwar einen stolzen Namen trug, Török de Szendrö lautete der ganze Namen, aber glücklich war sie in dieser Ehe nicht. Aber das Kind, wahrscheinlich vom Kronprinzen, trug einen stolzen Namen. Am 14. Februar 1881 wurde Alexander Török de Szendrö geboren, war ein hübsches lebhaftes Kind und verlor seinen „Vater“ nach vier Jahren.
Die Buska heiratete mit 40 den Prager Theaterdirektor Angelo Neumann. Trotzdem wurde ihr die Generalspension trotz Wiederverheiratung weiter gewährt. Das war in der Tat sehr ungewöhnlich. Bei einer Wiederverheiratung einer sogenannten „ärarischen“ Witwe musste diese auf alle Pensionsansprüche verzichten.
Sohn Alexander, angeblich dem Kronprinz wie aus dem Gesicht geschnitten, promovierte zum Doktor der Politikwissenschaften, avancierte zum Legationsrat und war Leutnant der Reserve. Die Buska übersiedelte nach Wien. Sohn Alexander heiratete in Budapest eine Bürgerliche. Seine Spuren verloren sich dann. Allerdings erzählte die Larisch-Wallersee, dass sie ihm in Amerika begegnet sei und ihn sofort als Kronprinz Rudolfs illegitimen Sohn erkannt hatte.
Rudolf hatte einen Hang zu Schauspielerinnen. Darin unterschied er sich keineswegs von vielen jungen Erzherzögen, die das Chorps de Ballett als ihr ureigenstes Jagdgebiet ansahen oder den Schauspielelevinnen des Burgtheaters oder der Hofoper fest nachstiegen. Auch Operettensoubretten waren gefragte mögliche Partnerinnen der brünftigen Erzherzöge.
Mina Pick, Schauspielerin am Wiener Grey-Theater, damals in der Wiener Canovagasse, war ebenfalls eine der Geliebten des Kronprinzen. Sie war kokett, viel umschwärmt und konnte zweimal „hinauf“ heiraten. Ihr erster Mann war ein Edler von Böhm. Nach seinem Tod war sie wieder in Wien zugange, kehrte ans Theater zurück und erneuerte die Bekanntschaft mit dem Kronprinzen. Die um drei Jahre ältere nunmehrige Edle von Böhm, war zweifellos erfahren und in Liebesdingen weder kompliziert noch unwillig. Sie war eher überaus routiniert und raffiniert und Rudolf war immer wieder in ihren Fängen. Sie oder doch Mitzi Glaser, ebenfalls Schauspielerin teilen sich die zweifelhafte Ehre mit dem Kronprinzen auf Brautschau in Brüssel gewesen zu sein. Genaueres ist heute nicht mehr herauszubringen, denn alle Unterlagen über diese mehr als peinliche Angelegenheit sind verschwunden oder vernichtet worden.Die Pick war immer hochmodisch, nach dem letzten Schrei , angezogen, war pikant, schlagfertig und führte ein recht aufwendiges Leben. Von ihren Gagen konnte sie sich diesen Aufwand sicher nicht leisten. Es ist daher anzunehmen, dass aus der Schatulle des Kronprinzen einiges für sie abfiel. Was sie nicht hinderte, sich nach einem reichen Mann umzusehen. Doch es blieb nur einer übrig. Der war zwar weder reich, noch hatte er Aussicht einmal ein größeres Erbe zu erhalten, doch er war fesch, war von Adel und ebenso leichtsinnig wie die Pick, zudem um einige Jahre jünger. Graf Christian Leiningen- Westerburg heiratete die Tanz-Soubrette, doch der aufwändige Lebensstil der Leiningen-Westerburgs änderte sich keineswegs. Die zwei Glücksritter ließen sich angeblich zu einer kleinen Erpressung Kronprinz Rudolfs hinreißen, der war inzwischen mit einer als höchst eifersüchtig bekannten Frau verheiratet und Vater einer dreijährigen Tochter. Ob die Erpressung gelang, darüber berichtet die Chronik leider nichts.Zwischenzeitlich ersteigerte Leiningen-Westerburg das Gut und Schloss Mayerling überaus günstig. Kann sein, dass sie damit Rudolf zuvorgekommen sind, der ebenfalls ein Auge auf das kleine Schloss und den Gutsbetrieb geworfen hatte und sogar schon einige Investitionen getätigt hatte. War er doch vom Vorbesitzer Michael Fischer, der sich an der Börse total verspekuliert hatte, darum gebeten worden.
Doch, die raffinierten Leiningens wollten diesen Besitz keineswegs behalten, sondern boten es umgehend dem Kronprinz zum Kauf an. 1887 wurde es dann um 80.000.-- Goldkronen? (Währung war damals Gulden) vom Kronprinzen gekauft.
Sporadisch hielten sich die Leinigens als Gäste des Kronprinzen in Mayerling auf, doch dann reiste man etwas überstürzt nach London. Kann sein, dass die Schulden zu groß wurden, die Gläubiger dem Grafenpaar im Nacken saßen. Das Geld vom Verkauf Mayerlings hielt nicht lange. Der Lebensstil war nach wie vor sehr aufwendig, zudem spielte man gerne. 1893 wurden sie geschieden. Der Graf hatte genug von seiner um 13 Jahre älteren Ehefrau. Mina Leiningen -Böhm- Pick verlebte in London wilde Jahre, verlor in den Londoner Spielcasinos mehr als sie gewann und verelendete immer mehr. Bekannt ist noch, dass sich die Pick nicht scheute nochmals eine Erpressung, diesmal am greisen Kaiser zu wagen. Sein Finanzberater, Bankdirektor Palmer sagte strikt nein.
Die Pick starb 1940 in London. Sie wollte zwar immer als die Grand Mätresse in die Geschichte eingehen, doch das ist ihr nicht gelungen. Heute kann man sie als das bezeichnen, was sie ja war, eine kleine intrigante Dirne mit großen Ambitionen.
Die schöne Anna Kuranda, Gattin des erfolgreichen Hoteliers und Unternehmers Emil Kuranda hatte es dem Kronprinzen angetan. Sie entsprach mit ihrer klaren, etwas dunkleren Haut, den schweren braunen Haaren und Augen, den unregelmäßigen aber harmonischen Gesichtszügen ganz seinem damaligen Frauenbild. Sie war im Aussehen das genaue Gegenteil seiner Ehefrau. Die erste Begegnung der beiden fand im Sommer 1888 laut Stephanie in einemSeparee in Abbazia statt, wohin das Kronprinzenpaar gereist war. Die Kurandas wiederum waren die heimlichen Könige des Urlaubsortes, hatte doch Emil Kuranda hier ein großes Hotel gebaut und wollte weiter investieren.
Die Presse bekam von dieser Affäre Wind und schlachtete sie hämisch und weidlich aus. „Man las von einem „mit lächelndem Zynismus zur Schau gestellten intimen Verhältnis zur üppigen Gattin eines Generaldirektors aus Fiume. Kein Zweifel, damit waren der Kronprinz und Anni Kuranda, geborene Frankfurter, gemeint. Emil Kuranda drückte beide Augen zu, er wollte es sich schließlich mit dem Thronerben nicht verderben. Die Kronprinzessin war nicht so duldsam. Es soll sogar zu Schreiduellen des Paares gekommen sein, wenn Rudolf wiederum nächtelang mit Anni Kuranda zugange war. Einfallsreich, was seine Liebschaften anging, spann der Kronprinz sogar einen Großonkel, Erzherzog Friedrich ein und erklärte, dass er auf ungarischen Wunsch die Beziehungen zu den Kurandas pflege. Der, gutmütig wie er war und mit einem Dragoner von einer Ehefrau geschlagen, nämlich Erzherzogin Isabella, in Hofkreisen auch Busabella genannt, (ihr Busen war nicht zu übersehen) spielte sogar den Postillon d' amour für das Liebespaar. Immerhin sei Herr Kuranda ein bedeutender Investor. Er stellte es also als Geschäftsbeziehung dar. Stephanie wusste es besser und bezeichnete viel später Anni als „kleine Vetsera“. Durch diese Eskapade des Kronprinzen könnte es zum endgültigen Bruch zwischen Rudolf und Stephanie gekommen sein.
Die Spur dieser Liebelei des Kronprinzen verliert sich in den vierziger Jahren des 20. Jahrhunderts.
Durch Zufall bin ich im Internet auf eine Anzeige gestoßen, wo nach Anni Kuranda, geborene Frankfurter gesucht wurde. Ihr Todesdatum ist so wie der Todesort unbekannt. (Anm.d.Verf.). Wahrscheinlich ist auch Sie ein Opfer des Holocaust geworden.
Noch eine Dame, die sich der Gunst des Kronprinzen erfreuen durfte sei hier erwähnt: Es handelt sich um die polnische Agnatentochter Rosa Gräfin Potocka. Unermesslich reich, verwöhnt, aber trotzdem streng erzogen, war ihr bestimmt, ebenfalls standesgemäß und vor allem auch reich zu heiraten. Ihr Vater, Graf Alfred Potocki wurde vom Kaiser zum Statthalter von Galizien ernannt.
Rosa hatte noch eine ebenso hübsche Schwester und einen sehr eleganten Bruder. Die Familie war öfters in Wien, zumal man hier Verpflichtungen hatte, nicht nur den Besuch des jährlichen Polenballes, der immer einer der Höhepunkte des Wiener Faschings war. Auf einem dieser Bälle fiel die schöne Rosa sowohl dem Kronprinzen als auch Erzherzog Johann Salvator ins Auge. Der Kronprinz war da noch nicht 20, mit der Busta verbandelt, doch er hatte schon damals den Kennerblick für ungewöhnliche Mädchen. Natürlich wurde die Flirterei bemerkt. War Rosa doch immerhin nicht irgendwer, sondern die Tochter des galizischen Statthalters.
Im Tagebuch der Mutter Rosas kann man lesen, dass das Mädchen sich wirklich unsterblich in den verführerischen Kronprinzen verliebt hatte. Irgendwann wurde diese Bekanntschaft auch dem Kaiser bekannt. Doch vorerst bekam der Bruder Rosas, der elegante Roman, sein kaiserliches Fett weg. „Er sehe es nicht gerne, wenn junge Herren mit ihrer Zeit nichts besseres anzufangen wüssten als sich in Theatergarderoben und beim Kartenspiel mit hohen Einsätzen im Jockeyklub zu vergnügen.“
Damals war der Jockeyklub das angesagteste Etablissement für die jungen Aristos, die sich hier die Zeit vertrieben. Die Baltazzis, Philipp Coburg, Fürst Ypsilanti, Rudi Liechtenstein, alle schauten irgendwann einmal vorbei und verspielten Vermögen.
Rosa fiel erst viel später in Ungnade, da waren Rudolf und sie schon ein Paar und Rudolf gedachte sie zu heiraten.Doch Franz Joseph war keinesfalls mit der Wahl seines einzigen Sohnes einverstanden. Vater Potocki wiederum sah seine Tochter düpiert, immerhin gehörte er zum polnischen Hochadel und war um einiges reicher als der Kaiser. Wie lange diese Geschichte dauerte ist nicht bekannt. Nur dass bereits im Jahr 1880 die Vorarbeiten zur Heirat mit Stephanie von Belgien im Laufen waren.
Doch Kaiser Franz Joseph wusste sehr genau, dass er mit der Ablehnung seiner Tochter den überaus arroganten und stolzen Potocki schwer beleidigt hatte und traf mit dem polnischen Grafen eine geheime Abmachung. Der Kaiser werde für die Ausrichtung der Hochzeit finanziell sorgen und zudem die Kosten einer verschwenderischen Aussteuer tragen, würdig einer Prinzessin.
Eduard Graf Raczynski wurde der Ehemann des „gefallenen“ Mädchens. Auch er gehörte zum Magnatenkreis Polens, Kann sein, dass er nicht ganz so viel Besitz hatte, wie die Potockis.
Das Paar lebte lebenslang auf Schloss Rogalin bei Posen. Sie starb elf Jahre nach dem Tod ihres Mannes im Jahr 1937. Als man den Nachlass sichtete, fand man nicht nur einen verstaubten Makartstrauss sondern auch ein dickes Bündel vergilbter Briefe, mit dem charakteristischen „R“ für Rudolf. Zudem erkannte einer der Nachlassverwalter die Schrift des Kronprinzen.
Was dann mit den Briefen wirklich geschehen ist, ist ungeklärt. Die Familie Potocki berichtet, dass sich die damals noch lebende Stephanie Lonyay, ehemalige Kronprinzessin die Briefe erbat und durch Boten abholen ließ. Sie sollen dann bei ihr verblieben sein. Angeblich nahm sie diese Briefe sogar auf ihrer Flucht vor den Russen nach Pannonhalma mit. Eine andere Lesart will davon wissen, dass diese Briefe von Stephanie vor der Flucht mit vielen anderen Papieren verbrannt wurden, also nicht mehr existieren.Leider, wie schon mehrmals erwähnt, ist der gesamte Nachlass der Fürstin Lonyay in Pannonhalma und kann nicht eingesehen werden, obwohl es von Historikern immer wieder versucht wird, wenigstens Teile des Nachlasses sichten zu dürfen. Es könnte sein, dass alle diese Geschichten nicht stimmen und die Rudolf-Briefe an Rosa Potocka noch existieren und im im Nachlass gefunden werden könnten.
Mitzi Kaspar, die intimste Vertraute und langjährige Geliebte des Kronprinzen kam aus der Halbwelt. Sie wurde 1864 in Graz geboren und verstarb 1907 an Syphillis.
Dazwischen lag ein Leben mit vielen verschiedenen Männern, bevor der Kronprinz kam. Während der Beziehung mit ihm und auch nachher, lebte sie allein und es ist von keiner einzigen neuen Beziehung zu einem Mann etwas bekanntgeworden. Auch nach dem Tod Rudolfs wurde sie nach wie vor überwacht. Galt sie doch als allererste Geheimnisträgerin. Noch in der Nacht vor der fatalen Abfahrt nach Mayerling soll er sie ja besucht haben.
Kennengelernt haben sich Rudolf und Mitzi wahrscheinlich über die Kupplerin Wolff, einer stadtbekannten „!Dame“. Mitzi war nicht nur äußerlich genau der Typ, den Rudolf bevorzugte. Selbst sein Cousin, der spätere Thronfolger Franz Ferdinand, war von ihr so schwer begeistert, dass er Rudolf mit seiner Schwärmerei für Mitzi auf die Nerven zu gehen begann.
Sie war der Typ der frischen, koketten, das Herz aber am rechten Fleck tragenden Wienerin, obwohl sie aus Graz kam. Sie war schlank, mittelgroß, dunkle Haare und Augen, kecke ein wenig nach oben strebende Nase. Sieht man sich heute ihre Fotos an, sieht man keineswegs eine außerordentliche, überragende Schönheit, sondern eine eher unauffällige junge Frau, deren Gesichtszüge etwas aufgedunsen wirkten, eher rundlich waren. Allerdings hat sich das Schönheitsideal seit damals sehr gewandelt. Die Affäre mit Mitzi Kaspar ging über Jahre. Rudolf war überaus großzügig, kaufte ihr ein dreistöckiges Zinshaus im 4. Bezirk, Heumühlgasse 10. Nun war sie Hausbesitzerin, damit ehrbar. Allerdings wusste wohl die ganze Nachbarschaft, dass die einstige Nobelhure nun die Freundin des Kronprinzen war. Oft genug wurde ja der Hofwagen vor dem Haus gesehen. Der Kronprinz ging dort ungeniert ein und aus.
Kronprinzessin Stephanie wusste sehr wohl, welche Bedeutung die Kaspar für ihren Gatten hatte und war gerade auf sie, dem Mädel aus dem Volk, rasend eifersüchtig.
Ein Vorfall mit der Kaspar sollte nicht unerwähnt bleiben, obwohl es auch hier keine schriftlichen Aufzeichnungen mehr gibt. Es kann sein, dass auch diese nach Mayerling entfernt wurden oder beim Brand des Justizpalastes 1927, ein Raub der Flammen wurde. Allerdings wurde in Polizeikreisen heftigst darüber gesprochen. Im Sommer 1888 wurde Mitzi im Polizeipräsidium vorstellig und gab sehr aufgeregt zu Protokoll, dass ihr der Kronprinz bei einem Spaziergang in Mödling, nahe des Husarentempels, den Vorschlag unterbreitet hatte, gemeinsam mit ihm in den Tod zu gehen. Dieser Vorschlag sei durchaus ernst gemeint. Sie sei gekommen, um ein etwaiges Unglück zu verhindern. Die Aussage wurde zu Protokoll genommen, aber nichts weiter veranlasst. Außer dass angeblich die Überwachung des Kronprinzen verstärkt wurde. Mitzi, die wahrscheinlich am meisten erzählen hätte können, schwieg bis zu ihrem Tod eisern, trotz der überaus üppigen Angebote, besonders von ausländischen Medien.
Trotzdem sickerte nach Rudolfs Tod einiges über seine Manneskraft durch. Laut Mitzi Kaspar konnte er den Geschlechtsakt nur dann vollziehen, wenn er Champagner, gemischt mit Cognac getrunken hatte. Wahrscheinlich hatte sie dieses Detail ihrer einstigen Madame, der Wolff erzählt, diese gab es prompt weiter.
Nach dem Tod Rudolfs wurden der Kaspar 30.000 Gulden ausgehändigt, so wie es der Kronprinz verfügt hatte. Eine diesbezügliche Mitteilung samt dem Geld wurde nach seinem Tod in seinem Schreibtisch vorgefunden.
Mitzi bekam als Einzige der Mitwisser Mayerlings nach dem Tod des Kronprinzen keine wie immer geartete Unterstützung vom Kaiserhaus. Auch wurde an sie kein Schweigegeld gezahlt.
Nach Rudolfs Tod zog sie sich gänzlich zurück, verkaufte sogar ihr Haus in der Heumühlgasse, verzichtete damit doch auf einige Zinseinnahmen und kaufte sich ein kleines Haus, wo kein Hausmeister benötigt wurde. Gerade ihr Hausmeister war besonders von den Scheinen angetan, die ihm findige Reporter zusteckten, damit er ihnen etwas über Rudolf und Mitzi erzählte. Sie wollte keinesfalls mit Anfragen über den Kronprinzen oder gar Mayerling behelligt werden. Sie ging praktisch in der Anonymität der Großstadt unter. Nur wenige wussten, dass die Privatiere, als solche stand sie im Lehmann-Adressbuch, die Geliebte des Kronprinzen war. Auch nach dem Tod von Rudolf konnte sie sehr gut leben. Sie hatte ihr schuldenfreies Haus, mit sehr wenigen Mietern, besaß Schmuck und lebte sehr zurückgezogen. Sie verstarb an den Folgen einer Syphilis im Jahr 1907. Zuvor musste sie wohl an sehr großen Schmerzen gelitten haben, war aber total vereinsamt, da sie anderen Menschen gegenüber als überaus misstrauisch geworden galt und niemand an sich heranließ. Sie hat weder mündliche noch schriftliche Aufzeichnungen hinterlassen.
Es darf aber angenommen werden, dass nicht nur das Aussehen Mitzis den Kronprinzen beeindruckte, sondern auch ihr Wesen und ihr Charakter. Sie war lustig, charmant, voller Einfälle, konnte gut zuhören und trösten und stellte keinerlei Ansprüche an ihn. Bei ihr konnte er sich geben wie er wollte, ohne dass er Angst haben musste, dass seine Ansichten und seine Gespräche sofort irgendwo in einer ausländischen Zeitung standen. Mitzi war wirklich verschwiegen. Eventuelle Geheimnisse nahm sie mit ins Grab.