Читать книгу Der magische achte Tag - Marliese Arold - Страница 10
Ausgeliefert!
Оглавление»Ich fasse es immer noch nicht, dass du mit mir so ein Spiel getrieben hast«, sagte Bernd Asshoff zu Valerie Lilienstedt. »Und diese Verkleidung ist einfach nur lächerlich! Bildest du dir im Ernst ein, Teil dieser Märchenwelt zu sein?« Seine Stimme triefte vor Spott.
Als der Leiter von TEMP am Abend zuvor mit seinen Männern und einer seiner Mitarbeiterin das Schloss gestürmt hatte, war er total überrascht gewesen, Valerie in einem der Kellerräume anzutreffen. Die Erkenntnis, dass sie die ganze Zeit über die magische Welt Bescheid gewusst hatte, traf ihn wie ein Schock. Er war verletzt und wütend, dass er auf ihr Schmierentheater hereingefallen war.
Dabei hatte er sie wirklich gemocht. Er hatte sie immer für eine fähige Mitarbeiterin gehalten – und für eine attraktive Frau. Sie war klug und wusste jederzeit, was zu tun war. Und er war bereit gewesen, mit ihr zusammenzuleben, obwohl ihr Sohn, dieser unerträgliche Elias, wirklich nervte. Auch ihre Tochter Laura war anstrengend, sie machte kein Hehl daraus, dass sie ihn hasste.
»Mir war klar, dass du und deine Leute diese Welt erobern wollt, egal um welchen Preis«, erwiderte Valerie mit eisiger Stimme. »Ich habe das alles nur getan, um die Welt des achten Tages zu schützen.«
»Du bist so eine falsche Schlange!« Bernd legte alle Verachtung, zu der er fähig war, in seine Stimme. Er hatte kein Glück mit Frauen. Zuerst seine Ehe mit Alice, die wegen des Unfalls seiner Tochter gescheitert war. Danach hatte es ein paar unbedeutende Affären gegeben. Als er Valerie Lilienstedt kennenlernte, hatte er geglaubt, eine Partnerin zu finden, die ihm ebenbürtig war. Mit ihr hatte er sich sofort eine Zukunft vorstellen können – trotz ihrer beiden Kinder. Seine eigene behinderte Tochter Rebekka, die bei ihrer Mutter Alice lebte, hatte er gegenüber Valerie nicht erwähnt. Irgendwie war nie der richtige Zeitpunkt dafür gewesen. Rebekka saß seit dem schrecklichen Unfall im Rollstuhl. Ein Wunder, dass sie überhaupt überlebt hatte! Das Schlimmste war, dass er am Steuer des Wagens gesessen hatte, als das Unglück passierte. Er fühlte sich schuldig. Und diese Schuld würde er sein ganzes Leben lang nicht loswerden …
Außer er konnte den Unfall rückgängig machen, indem er die Vergangenheit änderte. Dazu brauchte er die letzten Informationen von Magister Horatius, der das Geheimnis der Zeit gelöst und diese Parallelwelt geschaffen hatte. Der Alte war ein Genie, wie es vielleicht nur eines pro Jahrhundert gab. So klug wie Einstein oder noch klüger.
Und jetzt stand Bernd Asshoff ausgerechnet Valerie Lilienstedt im Weg, die sich mit einem Mann namens Korbinian im Computerraum des Schlosses verschanzt hatte und entschlossen war, Horatius’ Wissen mit aller Kraft zu schützen!
»Was hast du mit uns vor?«, fragte Valerie. »Wirst du uns erschießen, wenn wir dir nicht verraten, wo das ist, was du suchst?«
»Vielleicht«, knurrte Bernd und hob seine Waffe. Valerie lächelte ihn nur unerschrocken an. Sie war sich so sicher, dass er ihr nichts antun würde! Wenn sie sich da nicht täuschte! Sein Zorn auf sie war riesig. Er hasste es, wenn man ihn belog und an der Nase herumführte. Das, was sie getan hatte, war unverzeihlich! Warum hatte er nie Verdacht geschöpft, dass sie ihn ausspionierte? Seine einzige Sorge war gewesen, dass ein anderer Mann sie ihm wegschnappen könnte!
Er hatte Valerie unterschätzt, und das ärgerte ihn gewaltig.
»Nimm endlich diese alberne Perücke vom Kopf«, raunzte er sie an.
Er kannte sie nur mit Kurzhaarschnitt, und jetzt hatte sie diesen albernen Lockenkopf. Auch ihr Stil, sich zu kleiden, war anders als gewohnt. Sie trug ein wallendes Gewand in Patchwork-Optik und wirkte wie eine von diesen Esoterik-Tussis, die in ihrer Freizeit töpferten, Bäume umarmten und auf Klangschalen einschlugen.
Valerie zog an einer Strähne. »Es sind meine eigenen Haare«, teilte sie ihm mit. »Ich brauche keine Perücke mehr. Das liegt an der Magie, die in dieser Welt herrscht.«
Bernd wurde noch zorniger. »Verarschen kann ich mich selbst«, fauchte er. »Es gibt keine Magie.«
»Hier schon.« Dieses süffisante Lächeln. Wie er es an ihr hasste!
Jemand zupfte ihn von hinten am Ärmel. »Entschuldigung …«
Bernd wirbelte herum. Hinter ihm stand Darius Vollenweider, dieser Loser, von dem er für viel zu viel Geld einen rostigen Schlüssel und eines von Magister Horatius’ Notizbüchern gekauft hatte.
»Es … gibt sehr wohl Magie«, stotterte der Dickwanst, der ihm gerade bis zur Schulter reichte. »Zauberei. Und schreckliche Kreaturen.« Er lief rot an, so als würde er sich wegen seiner Worte schämen.
»Was sagst du da?«, fuhr Asshoff ihn an.
Darius knickte ein Stück in den Knien ein und presste die Hände auf die Ohren. Er machte ein gequältes Gesicht.
»Keine Fragen, bitte!«, wimmerte er. »Ich vertrage das nicht!«
Bernd sah ihn verächtlich an. Was für ein jämmerlicher Wurm! Wenn er zwei oder drei Fragen hintereinander stellte, würde Darius sich auf dem Boden krümmen!
Aber jetzt war nicht die Zeit für solche Spielchen.
»Erzähle mir mehr über diese Magie!«, forderte Bernd ihn auf. Er musste den Satz zweimal wiederholen. Endlich nahm Darius die Hände von den Ohren.
»Es gibt hier Feen«, erklärte er. »Und Schuhe mit einer Art GPS, die unseren Schülern helfen, den Unterrichtsraum zu finden. Wir geben beispielsweise Flugunterricht und unterstützen die Jugendlichen darin, ihr Talent zu entdecken. Fast alle, die hier sind, haben eine außergewöhnliche Begabung.«
Bernd runzelte die Stirn. »Bildet ihr hier etwa Spezialeinheiten aus?«, wollte er wissen.
Darius stöhnte wieder und brach halb zusammen. Bernd zog ihn hoch und schickte ihn vor die Tür. Der Typ war wirklich keine Hilfe! Dann wandte sich Bernd wieder Valerie zu. »Was ist das für ein Unterricht?«
Valerie hob die Schultern. »Auf jeden Fall sind es keine gewöhnlichen Schulfächer.«
»Geht es auch genauer? Unterrichtest du auch?«
»Bei mir testen die Mädchen, ob sie Talent haben zum Schweben und zum Fliegen.«
»Fliegen womit?«
»Aus eigener Kraft.«
Bernd stieß die Luft aus. Er fühlte sich veralbert. Kein Mensch konnte aus eigener Kraft fliegen, er war ja kein Vogel. Der menschliche Körperbau war denkbar ungeeignet. Es hatten sich schon genügend Leute bei Flugversuchen die Knochen gebrochen.
»Und was lernen die Schüler hier noch?«
»Heilen mit Gedankenkraft«, antwortete Valerie zögernd. »Unter Wasser atmen und so weiter.«
Bernd schnitt eine Grimasse. Das alles klang reichlich fantastisch. »Und was ist deine besondere Fähigkeit?«, fragte er spöttisch. »Oder hast du keine?«
Valerie legte ihre Hände so zusammen, dass ihre Fingerspitzen eine Art Dach bildeten. Sie schien sich zu konzentrieren. Plötzlich entstand unter ihren Fingern eine Leuchtkugel. Sie sah aus wie eine große Seifenblase, die mit bläulichem Licht gefüllt war. Valerie ließ die Kugel los. Diese schwebte in der Luft, begann langsam aufzusteigen und bewegte sich dann gemächlich durch den Raum.
Bernd lachte. »Ein schöner Taschenspielertrick. Ist das alles?«
Valerie antwortete nicht. Unter ihren Händen entstand eine weitere Kugel, diesmal gefüllt mit weißem Nebel. Die Kugel stieg auf, zerplatzte und ätzender Dunst breitete sich aus. Bernd musste husten, der Nebel brannte in seinen Augen und kratzte unangenehm in seiner Kehle.
»Bindet ihr die Hände auf den Rücken!«, stieß er aus.
Einer seiner Männer sprang zu Valerie und riss ihr die Arme nach hinten. Er verschnürte ihre Handgelenke mit einem Kabelbinder.
»Wenn du glaubst, dass du uns mit einem Trick reinlegen kannst, dann hast du dich getäuscht!«, knurrte Bernd wütend.
Wieder spielte ein kleines Lächeln um Valeries Mundwinkel. Bernd hatte den Verdacht, dass Valerie nicht unbedingt ihre Hände brauchte, um diese ätzenden Rauchkugeln zu erzeugen. Der Mann, der Valerie gefesselt hatte, hatte wohl ähnliche Gedanken. Ein Blick von Bernd genügte.
Mit einem leisen Aufstöhnen sank Valerie bewusstlos zusammen, nachdem der Gewehrkolben sie am Kopf getroffen hatte.
»Ich muss aufs Klo«, klagte Elias.
Er und sein Vater, Peter Lilienstedt, hatten die ganze Nacht im Raum der Ewigkeit verbracht. Peter hatte die Tür von innen mit ein paar Metallstreben, die er gefunden hatte, verrammelt. Das war zwar nur ein provisorischer Schutz, aber zumindest würde man sie nicht so einfach überraschen. Was sie brauchten, war ein guter Plan. Peter machte sich große Sorgen um seine Frau. Wie ging es Valerie? Würde sie sich gegen Asshoff und sein Team zur Wehr setzen können?
»Wie lange müssen wir denn noch in diesem Raum bleiben?«, fragte Elias zum ungefähr hundertsten Mal.
»Bis die Luft rein ist«, hatte Peter immer geantwortet. Doch jetzt antwortete er gar nichts, weil er eingenickt war. Leicht schnarchend hockte er auf dem Boden, mit dem Rücken gegen die Wand gelehnt. Gegen Morgen hatte ihn die Müdigkeit übermannt. Elias hatte während der Nacht ein paar Stunden auf seinen Knien geschlafen. Inzwischen war er hellwach und voller Tatendrang. Er hatte begriffen, dass sie sich in einer äußerst gefährlichen Situation befanden. Seine Schwester Laura war irgendwo im Dschungel – und er fand es witzig, dass er sich am Abend zuvor in Gedanken mit ihr unterhalten hatte, fast so wie per Handy mit ganz schlechter Verbindung. Meistens nörgelte jemand an ihm herum – entweder die Lehrer in der Schule oder die Eltern seiner wenigen Freunde. Auch seine Schwester war ständig genervt von ihm, dabei konnte Elias doch gar nichts dafür, dass er durch seine ADHS-Erkrankung ständig zappelig war und sich oft schlecht konzentrieren konnte. Dinge, die ihn nicht interessierten, langweilten ihn sehr schnell.
Doch dieser Raum mit seinen Zahnrädern gefiel ihm. Er hatte eine Weile gebraucht, bis er durchschaut hatte, nach welchem Prinzip die vielen Zahnräder ineinandergriffen und welches Rad durch andere angetrieben wurde. Es war faszinierend, die Bewegungen zu beobachten. Elias nahm sich vor, das Gebilde zu Hause mit seinem Modellbaukasten nachzubauen, vorausgesetzt, sie überlebten dieses Abenteuer. Doch daran hatte er keinen Zweifel.
Während der Wachphasen in der Nacht hatte ihm sein Vater viele Dinge über die Welt des achten Tages erzählt. Anfangs hatte sich Elias gewundert, aber dann war er zunehmend fasziniert. Das war viel besser als die virtuellen Welten, die er aus seinen Computerspielen kannte!
»Kann man hier auch sein Leben verlieren?«, hatte er seinen Vater gefragt.
»Ich fürchte ja«, hatte Peter geantwortet. »Und wenn das passiert, hast du kein zweites Leben mehr.«
Also höchstes Risiko. Eine richtig spannende Sache. Das war nach Elias’ Geschmack. Blöd war nur, dass sein Vater ihm nicht sagen konnte, wie man Kraftpunkte oder Reichtümer sammeln konnte. Aber immerhin besaß Elias schon mal eine Superfähigkeit – den Gedankenaustausch mit seiner Schwester. Der funktionierte leider nicht unterbrechungsfrei. Seit gestern Abend hatte es nicht mehr geklappt …
Elias warf einen prüfenden Blick auf seinen Vater und beschloss, ihn schlafen zu lassen. Lautlos stand der Junge auf und ging zur Tür, wo er die Sperre so leise wie möglich entfernte. Vorsichtig öffnete er die Tür einen Spalt und spähte hinaus. Im Gang brannte ein bläuliches Licht, sonst war niemand zu sehen. Von irgendwoher hörte Elias Stimmen.
Geschmeidig schob er sich durch den schmalen Spalt und huschte auf den Gang. Er brannte darauf, mehr von dieser fantastischen Welt zu sehen. Außerdem musste er wirklich aufs Klo – was seinem Avatar in den Computerspielen nie passierte.
Elias schlich den Gang entlang. Lauter gleich aussehende Türen mit merkwürdigen Symbolen, aber leider nicht mit der Aufschrift WC. Eine Tür stand halb offen. Geduckt huschte Elias daran vorbei. Aus den Augenwinkeln sah er zwei bewaffnete Männer, die einen dritten Mann in die Mangel genommen hatten. Dieser trug ein langes Gewand, das aussah wie ein Nachthemd. Einer der Männer schlug ihm gerade die Brille von der Nase.
»Rede endlich, wenn dir dein Leben lieb ist!«, dröhnte ein Befehl durch den Raum.
Elias zuckte zusammen. Diese Stimme kannte er!
Er blieb stehen, während ihm das Herz bis zum Hals schlug. Ängstlich lugte er in den Raum und entdeckte Bernd Asshoff, den Freund und Chef seiner Mutter, der ihm vor Kurzem das fabelhafte Moskito-Spiel geschenkt hatte. Inzwischen wusste Elias von seinem Vater, dass Asshoff der größte Feind dieser magischen Welt war und dass seine Mutter den Job bei TEMP damals nur angenommen hatte, um ihn zu bespitzeln.
Im ersten Moment war Elias völlig empört gewesen, dass seine Eltern ihn so an der Nase herumgeführt hatten. Genau wie seine Schwester war er auf ihr falsches Spiel hereingefallen und hatte nie auch nur den geringsten Verdacht geschöpft. Nach längerem Überlegen fand Elias die Sache jedoch ziemlich cool. Endlich ereignete sich einmal etwas wirklich Spannendes in seinem Leben! Und vielleicht hatte er jetzt die Chance, ein richtiger Held zu werden!
Elias hatte recht: Die Stimme gehörte Asshoff. Dieser stand an der Wand, stemmte die Hände in die Hüften und blickte finster auf den Mann mit dem Nachthemd.
Elias stellte sich kurz vor, wie es wäre, ein Laserschwert zu haben. Damit würde er den Raum stürmen und den armen Mann, der jetzt kurzsichtig blinzelte, befreien. Aber leider hatte Elias nur seine Fäuste – und ihm war klar, dass er keine Chance hatte, sich mit Asshoff anzulegen. Obwohl Elias Waffen bisher nur aus seinen Computerspielen kannte, verstand er sofort, dass die Leute von TEMP keine Spielzeuggewehre mit sich herumschleppten.
Seine Blase drückte, die Angst machte es nicht gerade besser. Elias huschte weiter und nahm eine Abzweigung, in der Hoffnung, endlich eine Toilette zu finden. Der Gang verzweigte sich gleich danach wieder. Der Weg, den Elias wählte, endete prompt in einer Sackgasse.
»Mist!«, zischte Elias und machte kehrt. Nach einigen Irrwegen – es wurde immer dunkler – kam er an einen unterirdischen Fluss. Noch immer keine Toilette weit und breit! Elias wusste sich nicht mehr zu helfen, blickte nach rechts und links, und weil niemand zu sehen war, öffnete er seine Hose und pinkelte in seiner Not ins Wasser.
Danach konnte er endlich wieder klar denken. Was jetzt? Zurück in den blau beleuchteten Gang? Elias war sich nicht sicher, aus welcher Richtung er gekommen war. Ein Anflug von Panik erfasste ihn. Er wusste, dass er gleich anfangen würde zu schreien und zu toben.
»Nicht gut, nicht gut!«, murmelte er und versuchte, die Panik zu unterdrücken. Da hörte er hinter sich ein Geräusch. Er wirbelte herum.
Vor ihm hockte ein Frosch in der Größe eines Schäferhunds und sah ihn mit großen, funkelnden Augen an. Seine dunkle Haut glänzte.
»Cool!«, rutschte es Elias heraus. Er liebte Reptilien und Amphibien. Bei einem Zoobesuch stand er immer am längsten vor den Terrarien mit den Schlangen und Echsen. Aber einen so großen Frosch hatte er noch nie gesehen!
»Göck!«, machte der Frosch, und Elias begann zu lachen.
»Ist das dein Name?«, fragte er. »Bist du mein Freund?«
»Göck!«
War das ein Ja?
»Ich bin Elias«, stellte Elias sich vor. »Kannst du mir vielleicht zeigen, wie man hier rauskommt?«
»Göck!«, gluckste der Frosch wieder und setzte sich in Bewegung. Mit langen Sprüngen bewegte er sich am Ufer entlang. Elias lief hinterher und jauchzte innerlich. Wow, seine Klassenkameraden würden ihm niemals glauben, wenn er ihnen erzählte, dass er einen Riesenfrosch getroffen hatte!
Platsch! Der Frosch war ins Wasser gesprungen und tauchte kurz unter. Dann kam sein Kopf wieder zum Vorschein. Auffordernd sah er Elias an.
»Wie?«, fragte Elias. »Willst du, dass ich ins Wasser komme?« Er schüttelte heftig den Kopf. »Ich kann nicht schwimmen!«
Seine Mutter hatte ihn einmal zu einem Schwimmkurs angemeldet, aber nach der ersten Stunde hatte sich Elias geweigert, den Kurs weiter zu besuchen. Es hatte ihn verrückt gemacht, im Wasser keine Kontrolle über seinen Körper zu haben. Außerdem hasste er den Chlorgeruch. Jetzt fand er es schade, dass er den Kurs nicht zu Ende gemacht hatte. Vielleicht würde der Frosch fortgehen, wenn Elias ihm nicht ins Wasser folgen konnte.
»Göck!« Das Tier schwamm ein Stück am Ufer entlang. Elias rannte hinterher. Das Wasser sah wirklich unheimlich aus – eine Schwärze, die nicht nur vom fehlenden Tageslicht herrührte.
»Komm wieder raus«, bettelte Elias. »Ich kann doch nicht ins Wasser!«
»Göck!« Es war, als hätte der Frosch seine Bitte verstanden. Er hopste wieder an Land und blieb vor Elias sitzen.
»Fein gemacht!«, lobte ihn Elias.
Aus den Augenwinkeln sah er, wie sich das Wasser bewegte. Es gurgelte und gluckte, dann tauchte ein weiterer Froschschädel auf – so groß wie ein Männerkopf. Elias schluckte und starrte auf das Biest, das sich aufs Ufer zubewegte: ein noch größerer Frosch, so riesig wie ein erwachsener Mensch.
Das war selbst für einen Frosch-Fan wie Elias zu viel.
»Tut mi-mi-mir leid, Göck«, stotterte er. »Ich glaube, ich hab noch was zu tun!« So schnell er konnte, rannte er in die entgegengesetzte Richtung und kam zu einer schmalen, steinernen Treppe, die nach oben führte. Sollte er da hinauf?
Elias warf einen Blick über die Schulter. Der große und der kleine Frosch folgten ihm. Sie hinterließen eine nasse Spur. Das nackte Grauen packte Elias. Er zögerte nicht länger, sondern stürmte die Treppe hinauf. Hoffentlich kamen die Biester nicht hinterher! Und hoffentlich begegnete er keinen Männern von TEMP!
Laura, wo bist du?, rief Elias in Gedanken. Er sehnte sich plötzlich mächtig nach seiner Schwester.
Elias? Wo steckst du?, kam fast sofort die Antwort. Die Stimme war klar und laut in seinem Kopf.
Laura!
Sie musste ganz in der Nähe sein!
Voller Hoffnung rannte Elias weiter die Treppe hinauf. Endlich wurde es heller. Er musste blinzeln. Wieder blickte er sich um. Von den Fröschen war nichts mehr zu sehen.
Als Elias um die Kurve bog, stieß er gegen eine Gestalt, die ihn sofort am Hemdkragen packte und festhielt.
»Hallo, wen haben wir denn hier?«