Читать книгу Magic Maila - Marliese Arold - Страница 5

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»Sag das noch mal!« Tante Juna blickte ihre Nichte Maila Espenlaub ungläubig an.

Maila schluckte verzweifelt. Das, was sie zu beichten hatte, war nicht einfach. Sie hatte Mist gebaut. Großen Mist!

»Ich dachte, ich hätte Onkel Justus verhext«, erklärte sie mit tonloser Stimme. »Nach diesem grässlichen Streit letzten Samstag, weißt du.«

Tante Juna nickte langsam. »Den werde ich nie vergessen. Alles ist rausgekommen. Dass ich und du Hexen sind. Und du bist schuld! Ich konnte mein Geheimnis über so lange Zeit bewahren, Justus hat nichts von meinen Zauberkräften gemerkt. Aber kaum bist du zu Besuch, kommt alles ans Licht!« Sie holte tief Luft. »Wenn ich das geahnt hätte, hätte ich nie zugelassen, dass du mich hier in der Menschenwelt besuchst. Du hättest in Großhexenfurt bleiben können – oder noch besser dort, wo der Pfeffer wächst!«

So wütend und gleichzeitig traurig hatte Maila ihre Tante noch nie erlebt. Sie war doch ihre Lieblingstante, und sie hatten sich bisher immer gut verstanden. Aber diese Zeit schien unwiederbringlich vorbei zu sein. Am liebsten wäre Maila im Erdboden versunken. Aber sie musste dieses Gespräch durchstehen. Es war sehr wichtig.

»Bitte hör mir zu«, bat Maila leise. »Ich war überzeugt, dass ich Onkel Justus aus Versehen in die Steinfigur verwandelt hatte, die auf dem roten Bollerwagen vor der Haustür steht. Ich hatte den Zauberstab aus dem Bad benutzt.« Sie konnte nicht weiterreden, weil ihre Stimme versagte. Maila hatte gewusst, dass der Zauberstab viel zu mächtig für sie war. Schließlich besaß ihre Familie in der Hexenwelt einen Zauberladen, und man hatte sie oft genug davor gewarnt, solche gefährlichen Dinge mit bloßen Händen zu berühren. Aber der Zauberstab, der in Tante Junas Badezimmer scheinbar als Stütze in einem Pflanzkübel gesteckt hatte, war eine zu große Versuchung gewesen. Maila hatte ihn herausgezogen, um zu verhindern, dass Onkel Justus im Zorn mit zwei Koffern das Haus verließ. Da hatte es einen gewaltigen Knall gegeben, und Maila war von einer unsichtbaren Macht gegen die Wand geschleudert worden. Als sie kurz darauf

wieder zu sich gekommen war, war Onkel Justus verschwunden gewesen. Stattdessen stand vor der Haustür plötzlich ein roter Bollerwagen mit einer steinernen Buddhafigur und zwei Geranientöpfen. Maila hatte fest geglaubt, dass dies ihr Werk gewesen war. Ihr schlechtes Gewissen war riesengroß.

Aber in Wahrheit verhielt es sich ganz anders. Und das war noch viel, viel schlimmer.

Maila räusperte sich. »Onkel Justus ist gar nicht der, für den wir ihn gehalten haben«, fuhr sie fort. »In Wirklichkeit heißt er Jupiter Siebenhorn und ist kein Mensch, sondern ein Hexer. Ein sehr starker Hexer, Tante Juna. Und«, sie musste Luft holen, denn das, was sie jetzt zu sagen hatte, war besonders schwer, »und er hat es auf dein Baby abgesehen.«

»Auf mein Baby?«, fragte Tante Juna erschrocken. Alles Blut wich aus ihrem Gesicht. Sie tastete nach ihrem Bauch, der sich vielversprechend wölbte. »Auf meine Knutschkugel

Knutschkugel war der Kosename für das ungeborene Baby. Weder Tante Juna noch Maila wusste, ob es ein Junge oder Mädchen war. Tante Juna hätte es leicht mit ihren Zauberkräften herausfinden können, aber sie wollte sich lieber überraschen lassen. Maila verstand das nicht. Sie hätte gerne Bescheid gewusst! Insgeheim tippte sie auf ein Mädchen.

Tante Juna hatte sich wieder gefangen. »Wer behauptet das?«, fragte sie. »Das sind ungeheuerliche Anschuldigungen, Maila! Ich will wissen, wie du auf so etwas Absurdes kommst!«

»Wir haben seit heute einen neuen Schulleiter, Luzian Morchelstiel«, berichtete Maila. »Er vertritt Onkel Justus. Ich habe ihn schon einmal in Großhexenfurt gesehen, als er in unseren kleinen Zauberladen gekommen ist. Oma Luna kennt Luzian von früher. Jetzt arbeitet er für den Magischen Kontrolldienst. Der Kontrolldienst ist hinter Onkel Justus her. Ihm wurden vor einigen Jahren zur Strafe seine magischen Kräfte entzogen, und er wurde in die Menschenwelt verbannt. Ich weiß nicht, was Onkel Justus Schlimmes angestellt hat, aber inzwischen konnte er seine Hexenkräfte wiedergewinnen. Er will unbedingt in die Hexenwelt zurückkehren! Um den Zauberbann zu überwinden, braucht er jedoch zusätzlich die Kraft durch ein Kind seines magischen Blutes.« Mailas Herz klopfte heftig. »Fiona, seine Tochter aus erster Ehe, hat keine Zauberkräfte. Aber dein Baby …« Sie beendete den Satz nicht, sondern starrte auf Tante Junas Bauch. Sie wünschte sich von Herzen, dass es ihr gelingen würde, das winzige ungeborene Wesen mit all ihren Kräften zu beschützen.

Tante Juna sagte minutenlang gar nichts. Sie saß in sich zusammengesunken da und blickte aus dem Fenster. Maila wagte nicht, ihr ins Gesicht zu schauen. Dann erhob sich Tante Juna schwerfällig aus ihrem Sessel und ächzte: »Ich brauche dringend ein Glas Wasser.« Sie schlurfte in die Küche, drehte den Wasserhahn auf und ließ Wasser in ein Glas laufen. Maila war ihr gefolgt. Sie hatte jetzt alles gesagt. Trotzdem blieb die Erleichterung aus. Was würde Tante Juna tun? Oder besser, was sollten sie beide tun? Maila war ratlos.

Tante Juna trank das Wasserglas in großen Zügen leer. Dann wandte sie sich um. »Wir müssen den Familienrat einberufen«, entschied sie. »Das ist eine Angelegenheit von äußerster Wichtigkeit.«

Maila sah mit Schrecken, dass ihr die Tränen über die Wangen liefen. Sie trat auf ihre Tante zu und umarmte sie vorsichtig, um das Baby nicht zu sehr zu drücken.

»Ach, Maila«, schluchzte Tante Juna. »Ich habe Justus wirklich geliebt. Ich dachte, er ist der Mann, auf den ich immer gewartet habe. Ich war mir ganz sicher …« Sie schniefte.

»Luzian Morchelstiel sagte auch, dass Justus einen Liebeszauber über dich verhängt hat«, murmelte Maila. »Du musstest dich in ihn verlieben, ob du wolltest oder nicht. Du kannst nichts dafür.«

»Ein Liebeszauber?«, wiederholte Tante Juna fassungslos. Sie löste sich von Maila und schob das Mädchen eine Armlänge von sich. »Oh verflixt, das hätte ich wissen müssen! Wie konnte mir das nur passieren? Ich war immer überzeugt, so etwas zu merken … Wie furchtbar! Alles ist so furchtbar!«

Sie griff nach einem Taschentuch und putzte sich die Nase. Dann schien sie sich wieder etwas gefasst zu haben. Maila bewunderte ihre Tante dafür. Schließlich war soeben deren ganzes Leben auf den Kopf gestellt worden.

»Das Wichtigste ist jetzt, dass meiner Knutschkugel nichts passiert«, sagte Tante Juna entschlossen. »Justus darf mein Baby nicht in die Finger bekommen. Niemals!«

Maila nickte. Damit war sie völlig einverstanden. Sie hatte Onkel Justus noch nie leiden können – lange, bevor sich diese schlimme Geschichte mit dem Zauberstab und der vermeintlichen Verwandlung ereignet hatte. Gut, manchmal hatte sich Onkel Justus bemüht, nett zu Maila zu sein, und ein- oder zweimal war es ihm sogar gelungen, sie mit schönen Worten einzulullen. Aber die meiste Zeit war er ein unerträgliches Ekel gewesen, und Maila hatte sich oft gefragt, warum Tante Juna ihn geheiratet hatte.

Jetzt war es sonnenklar: Er hatte Tante Juna verhext! Maila ballte ihre Hände zu Fäusten. In diesem Moment wünschte sie sich, Onkel Justus säße wirklich als Steinfigur im Bollerwagen. Da hätten sie und Tante Juna ihn wenigstens unter Kontrolle. Aber so, wie die Dinge lagen, war Onkel Justus irgendwohin verschwunden, und das bedeutete Gefahr. Er konnte jederzeit mit seinen Zauberkräften zuschlagen. Maila und Tante Juna mussten höllisch auf der Hut sein.

Als hätte Tante Juna Mailas Gedanken gelesen, sagte sie: »Wir müssen unbedingt einen Schutzzauber um dieses Haus ziehen. Außerdem brauchen wir beide ein starkes Amulett, damit Justus uns nicht verhexen kann.«

Ohne weitere Erklärung marschierte sie aus der Küche. Maila blieb nichts anderes übrig, als ihr in den ersten Stock hinaufzufolgen. Nach ein paar Treppenstufen musste Tante Juna innehalten. Sie schnaufte schwer. Maila wusste nicht, ob es an Tante Junas Schwangerschaft oder an dem eben erlittenen Schock lag. Plötzlich hatte Maila Angst um ihre Tante. Wäre jetzt doch Oma Luna hier! Oder wenigstens Mama oder Papa! Was sollte Maila tun, wenn ihre Tante vor ihren Augen zusammenklappte?

»Es geht schon wieder«, sagte Tante Juna und nahm die nächsten Stufen in Angriff, diesmal so langsam wie eine alte Frau. Endlich waren sie oben. Tante Juna steuerte auf eines der Zimmer zu, in denen sich all die Sachen befanden, die sie von ihren weiten Reisen mitgebracht hatte.

Das Zimmer war dunkel. Tante Juna musste erst die Fensterläden öffnen, damit das Tageslicht hereinfiel. Sonnenstrahlen tanzten auf den verstaubten Möbeln und Souvenirs. Maila sah sich um und fühlte sich von den vielen Dingen ringsum wie erschlagen.

»Du wunderst dich vielleicht, warum ich all den Krempel aufgehoben habe«, meinte Tante Juna. »Aber es sind viele Maglings dabei. Du wirst ihre Kraft spüren können, wenn du dich länger im Zimmer aufhältst.« Sie seufzte tief. »Die Tapeten, die Fenster und auch die Tür besitzen eine spezielle antimagische Beschichtung, damit nichts von der Zauberkraft nach draußen dringt. Niemand sollte mich hier in der Menschenwelt als Hexe erkennen, schon gar nicht Justus. Tja, alles umsonst.« Sie seufzte noch einmal.

Maila stand still und konzentrierte sich. Sie nahm nichts von der Magie wahr, nicht einmal das leiseste Kitzeln oder Vibrieren.

»Ich kann keine Zauberkräfte fühlen«, sagte sie enttäuscht.

»Ach … Dann sind die Maglings wohl im Tiefschlaf«, erklärte Tante Juna. »Aber keine Sorge, wir werden sie schon aufwecken.«

Maila nagte an ihrer Lippe. »Meinst du nicht, es ist besser, wenn wir so schnell wie möglich nach Großhexenfurt reisen und uns mit den anderen beraten?« Jetzt, da sie wusste, wie gefährlich Onkel Justus oder vielmehr Jupiter Siebenhorn war, würde sie bestimmt keine Nacht mehr ruhig schlafen. Und wer weiß, wie lange es dauerte, bis Tante Juna einen Schutzzauber für das Haus gewirkt hatte und bis jeder sein eigenes Amulett besaß. Angeblich war Tante Juna ja eine starke Hexe, aber die Schwangerschaft schien ihre magischen Kräfte zu beeinträchtigen.

Tante Juna drehte gerade eine hölzerne Schale in den Händen. Sie blickte auf und sah Maila an. »Vielleicht hast du recht. Wir sollten lieber keine Zeit verlieren. Pack deine Sachen zusammen. Wir nehmen auch den Phönix und den fliegenden Teppich mit. Zwar gefällt es mir nicht, dass wir noch längst nicht alle Maglings gefunden haben, die aus dem Laden deiner Eltern ausgebüxt sind. Aber dies ist ein Notfall.«

Maila dachte an die Explosion im Keller des Zauberladens. Vor ein paar Wochen war Oma Luna bei der Herstellung eines neuen magischen Likörs ein Fehler unterlaufen. Der Kupferkessel war ihr und Maila um die Ohren geflogen. Zum Glück war ihnen nichts passiert, aber etliche magische Gegenstände – sogenannte Maglings – waren aus dem Laden und den anliegenden Gebäuden in die Menschenwelt geschleudert worden. Dort hatten sie nichts verloren und konnten sogar großen Schaden anrichten, wenn sie in falsche Hände gelangten. Deswegen war Maila in die Menschenwelt gereist, um die Maglings mithilfe ihrer Tante einzufangen und zurückzubringen. Maila erinnerte sich mit Schaudern an die

Reise in einem Regenfass. Das Gerüttel und Geschüttel während der magischen Fahrt war alles andere als angenehm gewesen. Und jetzt sollte es zurück in die Hexenwelt gehen … Maila hatte ihre Zweifel, ob sie und Tante Juna zusammen in das Fass passen würden. Und mit dem Gepäck, dem gefundenen Teppich und dem Vogelkäfig mit dem eingefangenen Phönix würde es enger werden als in einer Sardinenbüchse!

Tante Juna, die Mailas fragenden Gesichtsausdruck bemerkt hatte, lachte. »Nein, Maila, wir brauchen keinen Schrumpfzauber! Und wir müssen auch nicht in dem rostigen Fass reisen. Ich weiß da etwas Besseres!«

Maila riss neugierig die Augen auf, als Tante Juna zu dem wuchtigen Schrank im Zimmer trat und an die Türen klopfte.

»Der Schrank ist aus Ebenholz und sehr wertvoll«, sagte die Tante. »Aber nicht nur das Holz ist etwas Besonderes. Es handelt sich nämlich um einen Reiseschrank.« Sie öffnete eine Tür, aber Maila sah nichts außer Kleider und Mäntel, die dicht an dicht im Innern hingen. Tante Juna griff mit beiden Händen zu und beförderte die Klamotten auf einen Schaukelstuhl und ein altes Harmonium. Es waren sonderbare Kleider dabei. Sie schienen aus längst vergangenen Zeiten zu stammen. Maila musste niesen, als ihr der Geruch von Mottenpulver in die Nase stieg. Oder war es nur Staub? Wozu in aller Welt hob Tante Juna all diese Kleider auf? Wollte sie damit ein Kostümfest veranstalten?

Endlich hatte die Tante den Schrank leer geräumt. »Bitte sehr«, verkündete sie und klappte links und rechts ein gepolstertes Brett herunter. »Wir können ganz bequem im Sitzen reisen. Und weil wir unterwegs vielleicht ein bisschen durchgeschüttelt werden, gibt es sogar Sicherheitsgurte.«

Magic Maila

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