Читать книгу Magic Maila - Marliese Arold - Страница 7
ОглавлениеEine halbe Stunde später saßen sie zu siebt um den großen Esstisch in der Küche: Mailas Eltern Alma und Damian Espenlaub, ihre Großeltern Luna und Orpheus Espenlaub, ihr älterer Bruder Robin und natürlich Maila und Tante Juna. Vor ihnen stand ein großer Apfelkuchen, der noch dampfte und einen köstlichen Geruch verbreitete. Damian bugsierte seiner Schwägerin Juna ein besonders großes Kuchenstück auf den Teller. Alma hatte Kaffee und Kakao gekocht und für ihre Schwester Juna einen beruhigenden Kräutertee aufgesetzt.
»Das hört sich alles schrecklich an«, meinte Alma, während sie den Tee für Juna in die Tasse goss. »Ich dachte immer, dass du mit Justus sehr glücklich bist. Anfangs war ich ja nicht gerade begeistert darüber, dass du einen Menschen heiratest, aber gegen die Liebe kann man nichts machen.«
»Wenn es wirklich Liebe gewesen wäre«, erwiderte Juna und seufzte tief. »In Wirklichkeit war ich das Opfer eines gemeinen Liebeszaubers.« Sie wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel. Robin hielt ihr höflich eine Packung Taschentücher hin.
»Danke, Robin«, sagte Juna. »Das ist sehr freundlich von dir.« Sie lächelte mühsam.
Maila wunderte sich, dass Robin tröstend seine Hand auf die seiner Tante legte. So einfühlsam kannte sie ihn gar nicht! Aber besondere Umstände lösten vermutlich auch ungewöhnliche Reaktionen aus.
Schließlich räusperte sich Opa Orpheus. »Liebe Juna, ich bin entsetzt darüber, was dir passiert ist. Es kann doch nicht angehen, dass dich dieser Justus oder Jupiter dermaßen hinters Licht führt. Und dass er es auf dein Kind abgesehen hat, um es für seine dunklen Machenschaften zu benutzen, ist ja wohl die Höhe!« Sein Gesicht war tiefrot geworden. »Ich werde diesen Fall sofort dem Ministerium für Hexensicherheit melden!«
Juna schüttelte traurig den Kopf. »Das hat vermutlich wenig Sinn, Orpheus. Der Magische Kontrolldienst ist bereits hinter ihm her. Du weißt, dass die sehr gute Spione haben. Wenn der Magische Kontrolldienst Justus nicht aufspürt, dann findet ihn das Ministerium für Hexensicherheit erst recht nicht.«
»Du weißt ja, dass das ein ziemlich verschlafener Verein ist«, fügte Oma Luna hinzu. »Damian hat dort doch einmal ein Schülerpraktikum machen müssen. Er war ganz irritiert gewesen, weil die Beamten lieber Schiffe versenken gespielt haben, als ihre Arbeit zu erledigen. Erinnerst du dich?«
»Das war vor mehr als zwanzig Jahren«, sagte Mailas Vater. »Vielleicht hat sich inzwischen etwas geändert.«
Oma Luna runzelte die Stirn. »Wohl kaum. Ihr kennt doch das Sprichwort: Einmal Schlendrian, immer Schlendrian. Ich bin überzeugt, dass die meisten Leute in diesem Ministerium immer noch vor sich hin schnarchen. Nicht umsonst hat es den Spitznamen Ministerium für Schnarchsicherheit.«
»Ich finde, wir müssen diesen Jupiter Siebenhorn auf eigene Faust suchen«, meldete sich Robin zu Wort. »Das, was er Tante Juna angetan hat, schreit nach Rache!«
Maila blickte ihren Bruder überrascht an.
»Ich fürchte nur, wir sind da ziemlich machtlos«, meinte Alma. »Nur Maila und Juna können die Schwelle zur Menschenwelt überwinden, weil sie mit den Ohren wackeln können. Hast du das etwa vergessen, Robin?«
»Es gibt Mittel und Wege«, knurrte dieser.
»So, und welche?« Alma hob neugierig die Brauen. »Du weißt, was schon alles versucht wird. Nutzlose Ohren-Operationen, bei denen nur Betrüger reich werden. Oder diese lächerliche Ohrenbeflügler-Salbe. Der Hersteller sitzt inzwischen hinter Schloss und Riegel und rollt Kaugummis zu kleinen Kugeln.«
Robin presste die Lippen zusammen und schaute finster vor sich hin. Maila hatte das ungute Gefühl, dass er etwas vor ihnen verbarg.
»Ich kann ebenfalls mit den Ohren wackeln«, meldete sich Oma Luna nun zu Wort. »Leider habe ich immer noch Reiseverbot wegen dieser dummen alten Geschichte. Aber niemand kann mir einen Vorwurf machen, wenn ich mich nicht mehr daran halte. Junas Sicherheit und die ihres Babys gehen vor.«
Damian schüttelte den Kopf. »Diese Idee gefällt mir gar nicht. Jupiters Verfolgung solltet ihr wirklich Fachleuten überlassen! So ein gefährliches Detektivspiel kann gewaltig nach hinten losgehen!«
»Das Beste ist, Juna bleibt vorerst bei uns«, schlug Alma vor. »Hier ist sie mit ihrem Baby in Sicherheit.«
Tante Juna nickte nachdenklich. »Das wäre vielleicht wirklich am vernünftigsten. Tausend Dank für diesen Vorschlag, Schwesterherz!«
Eine Zeit lang schwiegen alle. Nur das Geräusch von Kuchengabeln war zu hören.
Plötzlich sagte Oma Luna: »Und was ist mit den ausgebüxten Maglings? Maila und Juna haben ja nur den Phönix und einen fliegenden Teppich zurückgebracht. Es fehlen noch etliche Gegenstände und auch ein paar Tiere. Ich brauche euch wohl nicht daran zu erinnern, dass Maglings in den Händen von Menschen großen Schaden anrichten können.«
»Das sagt die Richtige«, meinte Robin. »Schließlich bist du daran schuld, dass sie ausgerissen sind, Oma Luna!«
»Ja, und deswegen werde ich mit Maila in die Menschenwelt reisen und in Junas Haus wohnen, bis wir alle Maglings gefunden haben«, sagte Oma Luna entschlossen.
»NEIN!«, riefen Damian und Opa Orpheus wie aus einem Mund.
»Es ist besser, wir erzählen dem Magischen Kontrolldienst, was passiert ist«, meinte Damian. »Schließlich war es ein Unfall. Luna hat den Kessel ja nicht absichtlich explodieren lassen.«
»Sie werden mich bestrafen und mir meine Hexenkräfte nehmen«, murmelte Oma Luna düster. »Oder ich komme sogar ins Gefängnis.«
»Wir beauftragen einen guten Anwalt«, sagte Opa Orpheus. »Ich kenne da jemanden. Und selbst wenn du deine Hexenkräfte verlieren solltest, wäre das keine Katastrophe. Du könntest trotzdem weiter im Laden mithelfen, das ist kein Problem.«
Oma Luna blies entrüstet die Backen auf. »Keine Katastrophe? Ich glaube, du spinnst! Hast du eine Ahnung, wie schlimm das für mich wäre, nicht mehr zaubern zu können? Nein, lieber verwandle ich mich freiwillig für immer in einen Zimmerspringbrunnen, als meine Hexenkräfte abzugeben!«
Sie sprang von ihrem Stuhl auf und lief aus der Küche. Die Tür fiel krachend hinter ihr zu.
»Hm«, brummte Opa Orpheus, »da habe ich wohl was Falsches gesagt.«
»Sie ist in der letzten Zeit immer so empfindlich.« Alma seufzte.
Maila konnte Oma Luna gut verstehen. Oma Luna konnte ja wirklich nichts dafür, dass der Kessel explodiert war. Sie hatte es bestimmt nicht mit Absicht getan, ganz im Gegenteil. Die neue Sorte Kräuterlikör hatte den kleinen Zauberladen retten sollen. Das Geschäft hatte nämlich große Konkurrenz von dem Filialisten MacMagic bekommen. Dort gab es billigere Maglings und außerdem mehr Auswahl. Der Zauberladen Wünsch dir was, den Familie Espenlaub führte, musste in den letzten Monaten hart ums Überleben kämpfen.
Maila stand auf und ging ihrer Großmutter nach. Sie fand sie im Laden, den die Eltern und Großeltern nach der Explosion mit vereinten Kräften renoviert hatten. Es roch immer noch schwach nach Farbe.
Oma Luna stand vor einem Regal und stapelte bunte Würfel übereinander. Diese Würfel waren vor allem bei jungen Mädchen sehr beliebt, denn man konnte mit ihnen einen Liebeszauber wirken. Sie ließen sich öffnen, und man konnte ein Bild des Liebsten im Innern verbergen. Dann musste man so lange würfeln, bis man dreimal eine Sechs geworfen hatte. Während des Würfelns musste man den Namen des Liebsten vor sich hin murmeln und immer den Satz hinzufügen: »Erkenne, dass du mich liebst.« Natürlich konnten auch Jungs oder Erwachsene so einen Würfel benutzen. Diese Würfel waren im letzten Jahr der absolute Verkaufsschlager gewesen. Selbst in Mailas Klasse waren sie aufgetaucht. Oma Luna hatte sich lange geweigert, dass der Laden Wünsch dir was die Würfel verkaufte.
»Solche Beziehungen halten nicht lange«, hatte sie gemeint. Aber schließlich war sie doch eingeknickt und hatte beim Großhändler einige Kisten bestellt.
Maila half Oma Luna, die Würfel aufzuschichten und die schönsten nach vorne zu rücken, damit der Blick der Kundschaft gleich auf sie fiel.
»Willst du wirklich in die Menschenwelt reisen, Oma Luna?«, fragte sie und bemühte sich, ihre Stimme beiläufig klingen zu lassen.
»Willst du es mir etwa auch ausreden?«, antwortete Oma Luna ruppig und funkelte Maila durch die runden Brillengläser an.
Maila schüttelte den Kopf. »Im Gegenteil. Ich würde mich freuen.« Sie stellte sich vor, wie es wäre, mit Oma Luna in Tante Junas Haus zu wohnen. Ein Grinsen breitete sich auf ihrem Gesicht aus. Das würde bestimmt viel lustiger sein als mit Tante Juna! Diese war anfangs sehr streng mit Maila gewesen, aber das hatte an der Angst vor Onkel Justus gelegen. Um kein Misstrauen bei Justus und anderen Menschen zu erregen, hatte Tante Juna sich selbst ein strenges Zauberverbot auferlegt und darum auch um jeden Preis verhindern wollen, dass Maila hexte – dabei war Hexen so praktisch! Maila war allerdings inzwischen überzeugt, dass Tante Juna ihr eigenes Verbot öfter übertreten hatte, als sie vor Maila zugeben wollte.
Plötzlich trat Oma Luna einen Schritt auf Maila zu und zog sie in ihre Arme. »Ach Schätzchen, ich habe das Gefühl, dass du die Einzige bist, die mich wirklich versteht. Es wäre schrecklich, wenn ich meine Zauberkräfte verlieren würde. Wenn ich hexe, ist das etwas völlig anderes, als hier im Laden zu stehen und den Kunden Maglings aufzuschwatzen.«
Maila nickte stumm und drückte ihrerseits Oma Luna fest an sich. Die Großmutter war eine tolle Hexe. Sie hatte sehr viel Verständnis für Maila. Wenn Maila Probleme hatte, dann war nicht ihre Mutter, sondern ihre Oma die erste Anlaufstelle. Sie war gütig, tröstete Maila und überlegte zusammen mit ihr, wie sie wieder aus dem Schlamassel herauskam. Doch in diesem Augenblick schienen sich die Seiten umgekehrt zu haben. Die Angelegenheit mit dem explodierten Kessel machte Oma Luna schwer zu schaffen, weil sie sich die Schuld daran gab. Dabei konnte es doch jedem einmal passieren, dass man einen falschen Zauberspruch aufsagte!
Eine Erinnerung blitzte in Maila auf. Kurz bevor der Kessel in die Luft geflogen war, hatte ein seltsamer Kunde den Laden betreten: Luzian Morchelstiel. Maila hatte damals eine Gänsehaut bekommen, der Typ war ihr auf Anhieb unsympathisch gewesen. Von ihm war eine unnatürliche Kälte ausgegangen. Auch Oma Luna war nicht sonderlich gut auf ihn zu sprechen gewesen, sie kannte ihn von früher. Und genau dieser Mann arbeitete jetzt angeblich für den Magischen Kontrolldienst und hatte in der Menschenwelt an Mailas Schule anstelle von Onkel Justus die Leitung übernommen. Dort nannte sich der geheimnisvolle Mann allerdings Lukas Blätterpilz und behauptete, dass er früher mit Onkel Justus befreundet gewesen war. Konnte es sein, dass Luzian damals im Laden Oma Luna verhext hatte, damit sie den falschen Zauberspruch aufsagte? Sollte etwa der Kessel in die Luft fliegen und Unglück über die Familie Espenlaub bringen? Maila erschauderte. Wahrscheinlich ging ihre Fantasie mit ihr durch! Oder gab es wirklich Personen, die durch und durch böse waren?
Personen wie Onkel Justus …
Maila sog tief die Luft ein. Sie musste jetzt stark sein und durfte sich nicht von ihren eigenen Ängsten durcheinanderbringen lassen. Tante Juna und ihr Baby waren in Gefahr, außerdem drohte der kleine Zauberladen pleitezugehen. Maila musste alles, was in ihrer Macht stand, tun, um ihre Familie zu schützen. Sie war eine talentierte junge Hexe, auch wenn das die Lehrer an ihrer Hexenschule nicht immer bemerkt hatten. Sie hatte schon eine Reihe eigener, höchst wirksamer Zaubersprüche erfunden. Ihr würde auch etwas einfallen, wie sie Onkel Justus finden und dem Hexengericht übergeben konnte, sodass Tante Juna und ihr Baby für immer außer Gefahr waren. Und Maila würde es auch nicht zulassen, dass der Laden Wünsch dir was schließen musste. Es wäre doch gelacht, wenn sie das nicht hinkriegen würde. Schließlich war sie Maila Espenlaub, dreizehn Jahre alt, und die Enkelin der großartigen Hexe Luna Espenlaub, hatte rote Locken und konnte mit den Ohren wackeln – die besten Voraussetzungen für große magische Kraft. Sie würde ihre Verwandten und den Laden retten! Sie musste!
Oma Luna drückte ihr die Hand und blickte ihr in die Augen. »Meinst du, wir beide schaffen das?«
»Ganz bestimmt!«, antwortete Maila überzeugt und fühlte, wie eine ermutigende Wärme sie durchlief. »Du und ich. Zusammen sind wir stark!«
Oma Luna lächelte. »Dann lass uns wieder nach oben gehen, Maila.«
Maila war in ihrem alten Zimmer, lag auf dem Bett und überlegte, was sie unbedingt in die Menschenwelt mitnehmen sollte. Eine Reihe von Zauberbüchern, so viel stand schon einmal fest. Und auch ein paar Schulbücher, damit sie im Hexen Fortschritte machte. In der Menschenwelt bekam sie ja keinen Zauberunterricht mehr, jedenfalls nicht in der Schule. Oma Luna würde sie bestimmt unterrichten, damit Maila im Stoff nicht hinterherhinkte, wenn sie eines Tages in ihre alte Klasse zurückkehrte.
Mitten in ihren Überlegungen platzte Robin ins Zimmer. Ohne anzuklopfen, wie üblich.
»Was willst du?«, fragte Maila genervt.
»Hast du einen Moment Zeit?«, wollte Robin wissen. »Ich will dir etwas zeigen.«
Maila seufzte und schwang ihre Beine über die Bettkante. Sie folgte ihrem Bruder in dessen Zimmer. Ein übler Geruch nach alten Socken, vergammelten Joghurtbechern und alten Pizzastücken empfing sie. Unter ihren Füßen knirschten verstreute Paprikachips.
Maila wedelte mit der Hand und kämpfte mit dem Impuls, sich die Nase zuzuhalten. »Wann hast du das letzte Mal gelüftet?«
»Keine Ahnung«, knurrte Robin.
Auf seinem Schreibtisch herrschte das Chaos. Zauberbücher waren achtlos zur Seite geschoben. In der Mitte häufte sich allerlei Bastelmaterial: Drähte, Spulen, Kleber und vieles mehr. Auf dem Fußboden lagen Werkzeuge wie mehrere Zangen und Schraubenzieher in unterschiedlicher Größe. Nägel und Schrauben waren verstreut. Es war fast unmöglich, nicht irgendwo draufzutreten. Ein halb fertiger kleiner Roboter stand in der Ecke und funkelte Maila aus grünen Katzenaugen an.
»Mann, Robin!«, stöhnte Maila. »Wie kannst du in diesem Durcheinander schlafen?«
Robin antwortete nicht darauf, sondern bahnte sich einen Weg zu seinem Schreibtisch. Dort ergriff er einen Gegenstand, den Maila auf den ersten Blick für einen Kopfhörer hielt.
»Diese Erfindung wird die Welt verändern«, verkündete er triumphierend.
Maila fragte sich insgeheim, ob ihr Bruder noch alle Tassen im Schrank hatte. »Und was soll das sein?«, fragte sie.
»Das ist ein Ohrenschwinger«, sagte Robin voller Stolz. »Mit diesem genialen Apparat kann ab sofort jeder, der will, in die Menschenwelt reisen.«
»Ein Ohrenschwinger?« Maila runzelte die Stirn.
»Pass auf!« Ehe sie sich wehren konnte, hatte Robin ihr das Ding auf den Kopf gestülpt. Gleich darauf spürte Maila an ihrem linken Ohr einen leichten Schmerz.
»Autsch! Was machst du da, Robin?«, rief sie empört.
»Ich befestige eine Wäscheklammer an deinem Ohr«, erklärte Robin ruhig. Dann zwickte es an Mailas rechtem Ohr – eine zweite Wäscheklammer!
»Achtung, jetzt schalte ich das Gerät ein«, warnte Robin Maila vor.
Auf Mailas Kopf begann es zu brummen, als würde dort eine Riesenhummel sitzen. Gleichzeitig fingen die Wäscheklammern an, zu vibrieren. Es tat zwar nicht richtig weh, war aber ziemlich unangenehm. Maila riss sich das Gerät vom Kopf.
»Vorsicht, du machst es kaputt!«, schrie Robin und nahm ihr den Ohrenschwinger ab.
Maila betastete ihre Ohren. Beide waren noch dran. Zum Glück!
Robin dagegen prüfte, ob das Gerät beschädigt war. Er warf Maila einen finsteren Blick zu. »Um ein Haar hättest du meine Erfindung zerstört«, klagte er.
»Es hat wehgetan«, beschwerte sich Maila.
»Ach, das bisschen! Sei nicht so empfindlich! Daran gewöhnt man sich«, behauptete Robin. »Mit dieser Erfindung kann man nicht nur in die Menschenwelt reisen, sondern es verstärkt auch die Zauberkräfte bei denen, die normalerweise nicht mit den Ohren wackeln können.«
Maila seufzte. »Ich bin heilfroh, dass ich so ein Ding nicht brauche!« Insgeheim zweifelte sie daran, ob sich Magie mit zwei Wäscheklammern und einem kleinen Hilfsmotor verstärken ließ. Das wäre zu einfach!
»Man kann sicher einige Details noch verbessern«, räumte Robin ein. Er war von seiner Erfindung überzeugt. »Ich habe normale Wäscheklammern verwendet, aber man kann die Klammern bestimmt mit Stoff und Watte polstern, damit sie nicht mehr so zwicken. Hauptsache, die Ohren geraten in Schwingung.« Er grinste breit. »Ich werde ein Vermögen damit verdienen!«
Maila verdrehte die Augen. »Ich glaube nicht, dass dein Ohrenschwinger so funktioniert, wie du es dir vorstellst«, sagte sie. »Ohrenwackeln beweist nur, dass man über starke Magie verfügt. Das ist ein Talent, das angeboren ist. Ich denke nicht, dass du mit deiner Erfindung wirklich in die Menschenwelt reisen kannst.«
Robin zog die Brauen hoch. »Es kommt auf einen Versuch an. Ich werde Oma Luna und dich in die Menschenwelt begleiten.«
»Hast du schon mit Mama und Papa darüber gesprochen?«, fragte Maila.
Robin lief leicht rot an. »Noch nicht«, musste er zugeben.
Sicher würden die Eltern Einwände haben. Robin war nicht besonders gut in der Schule. Wenn er jetzt ein paar Tage schwänzte, würde er noch mehr Unterrichtsstunden versäumen, als er es ohnehin schon tat. Maila wusste, dass er manchmal mit seinen Freunden herumhing, anstatt in die Schule zu gehen. Sie trafen sich in einem Wäldchen hinter Großhexenfurt und übten dort schwarze Magie. Maila hatte einmal zufällig mitbekommen, wie Robin mit seinem Freund Ny darüber redete. Die Jungs hatten nicht gemerkt, dass Maila zuhörte. Bisher hatte Maila ihren Bruder nicht verpetzt, aber sie machte sich ernsthaft Sorgen. Schwarze Magie war sehr gefährlich. Es konnte passieren, dass man ihr verfiel und nicht mehr davon loskam. Robin und seine Freunde betrachteten die Beschäftigung mit schwarzer Magie als Mutprobe. Maila hoffte sehr, dass es nur eine Phase war und Robin wieder zur Vernunft kommen würde, bevor Schlimmeres passierte.
»Was versprichst du dir von der Menschenwelt?« Maila verschränkte die Arme. »So spannend ist es dort nämlich nicht. Wir müssen genauso viel lernen wie hier. Und langweiligere Dinge, das sag ich dir! Bei Tante Juna durfte ich außerdem nicht hexen. Menschen verstehen nämlich nicht, wie Magie funktioniert.«
»Gerade deswegen.« Robin grinste wieder. »Sie sind hilflos gegen Magie. Das macht mich mächtig.«
Maila schüttelte den Kopf. »Wer magisches Talent besitzt, der hat auch Verantwortung. Du weißt, dass es Tausende von Hexenregeln gibt, an die wir uns halten müssen.«
»In der Menschenwelt gelten andere Regeln«, meinte Robin. »Da gibt es niemanden, der einen bestraft, wenn man mit sechzehn Jahren schon Magie anwendet, die erst ab achtzehn erlaubt ist.«
Maila witterte etwas. »Denkst du, du kannst in der Menschenwelt nach Herzenslust deine schwarze Magie ausüben?«
Robin wurde blass. »Was weißt du darüber?«
»Ich weiß, dass du Dinge tust, die du nicht tun solltest«, sagte Maila vorsichtig.
Robin trat einen Schritt auf sie zu und fasste sie hart an der Schulter. »Wenn du ein Wort verrätst, dann verwandele ich dich in eine Wasserschildkröte!«, drohte er. »Und dann halte ich dich in einem kleinen Terrarium und füttere dich jeden Tag mit Lakritze.«
Maila lächelte gezwungen. »So was würdest du nie tun! Und außerdem hasse ich Lakritze!«
»Das weiß ich«, meinte Robin. »Also – hilfst du mir, den Ohrenschwinger zu testen?«