Читать книгу Reine Nervensache - Martin Arz - Страница 12

Оглавление

07 »Gerda, komm bitte zur Sache«, sagte Pfeffer und wechselte den Telefonhörer vom linken zum rechten Ohr. Das Gespräch mit der Gerichtsmedizinerin hatte bisher keine weiteren Neuigkeiten gebracht, außer dass die Katze der Nachbarin das Vogelnest in der Kastanie vorm Haus ausgeräumt hatte, das heiße Wetter noch für den vorzeitigen Tod von Doktor Gerda Pettenkofer verantwortlich sein würde und die Zigarettenpreise schon wieder gestiegen seien, was selbst Gutverdiener wie sie noch an den Bettelstab bringen würde. Pfeffer hatte sich eine Weile auf den Ratsch eingelassen und dabei im Bericht der Spurensicherung geblättert: Jede Menge Fingerabdrücke von allen möglichen Personen auf der Reisetasche – von den drei Jugendlichen, von Jo Wagenbrenner, von allen Mitgliedern des TV-Teams mit Ausnahme der Produktionsassistentin sowie mehrere unidentifizierte Abdrücke; die Tasche selbst ein älteres Produkt, das zwischen 1992 und 1994 in riesigen Stückzahlen bundesweit bei Woolworth verkauft wurde und das vor seinem Einsatz offenkundig in der Waschmaschine gewaschen wurde, womöglich um Spuren zu beseitigen; bei so einem Massenprodukt eine genaue Herkunft zu erkunden, war laut Bericht ein Ding der Unmöglichkeit; das Haus der alten Frau sowie der Keller und die Büroräume von Veicht-Productions schieden nun nach Spurenlage definitiv als Tatorte aus; die Flüssigkeit, die er auf das Armaturenbrett hatte tropfen lassen, war Kirschsirup, das in einer Kapsel in einem Ärmel einsatzbereit gehalten worden war; an der Kleidung von Jo Wagenbrenner fanden sich keine Spuren vom Toten, weder auf den Leihklamotten des Ausstatters noch auf der Privatkleidung. Doch es wäre natürlich nicht das erste Mal, dass ein Täter in irgendeinem Müllcontainer seine besudelte Kleidung hätte verschwinden lassen. Und dann gab es da noch diese Telefonnummer, auf die sie in allen Adressbüchern von Herbert Veicht gestoßen waren, meist mit rot eingetragen, also musste sie etwas Wichtiges bedeuten. Doch die zwei Mal, die Annabella Scholz die Nummer gewählt hatte, brachte beide Male dieselbe Bandansage: »Diese Rufnummer ist nicht vergeben.«

Doch nun wollte Pfeffer Ergebnisse hören und drängte die Gerichtsmedizinerin zum Punkt zu kommen.

»Ja ja«, antwortete Gerda Pettenkofer pikiert. »Entschuldige, dass ich mit dir ein privates Wort wechsle.«

»So war es nicht gemeint …«

»Schon gut, bist wohl heute Nacht nicht zum Schuss gekommen, was?« Sie hatte keine Ahnung, wie nahe sie damit dem Grund für Pfeffers schlechte Laune kam, doch sie merkte sofort, dass sie bei aller Freundschaft zu weit gegangen und ihr Ton zu giftig gewesen war. »Sorry, geht mich ja nix an und das ist mir nur so rausgerutscht. Grüß deinen Süßen bitte herzlich von mir.«

»Mach ich«, sagte Pfeffer schnell, denn er war kurz davor, Doktor Gerda Pettenkofer sein Herz auszuschütten. Er hatte sonst niemanden mehr. Er wollte jemandem erzählen, dass Tim am Vorabend schon wieder einen unheimlich wichtigen Termin in der Stadt gehabt hatte – wie so oft in den letzten Wochen. Tim de Fries arbeitete erfolgreich als selbständiger Coach für verschiedene Unternehmen, ein Job, der ihn häufig für Tage in andere Städte brachte. In den letzten Jahren hatte Tim es geschafft, sich einen guten Kundenstamm in München und Umgebung aufzubauen, so konnte er meist abends nach den Seminartagen nach Hause fahren. Natürlich kam es dabei auch mal vor, dass Abendveranstaltungen anstanden oder Tim mit einer Kollegin, mit der er sich viele Jobs teilte, abends etwas besprechen musste. Max Pfeffer hätte Gerda Pettenkofer gerne erzählt, dass er so von Neugier und Zweifeln zerfressen gewesen war, dass er seinem Freund gefolgt war. Was für ein Vertrauensbruch – natürlich! Doch leider hatte er Recht behalten mit seiner Vermutung! Er hatte sie gesehen. Wie sie in dem Café saßen und redeten und lachten, und dass der Scheißkerl dann Tim die Hand auf den Oberschenkel gelegt hatte, und Tim nichts dagegen unternommen hatte. Wie sie sich angesehen hatten! All das wollte Max Pfeffer gerne jemandem erzählen, und auch, dass Tim dann nach Hause gekommen war und Max getan hatte, als sei nichts gewesen, denn Tim war schließlich nicht mit dem Scheißkerl intim gewesen – nicht an diesem Abend zumindest. Pfeffer hätte gerne mit seinem Freund geredet, doch die Angst vor dem Satz »Vielleicht sollten wir uns mal eine Zeit lang trennen« hatte ihn davon abgehalten. Denn Pfeffer wollte sich nicht eine Zeit lang trennen, er wollte seine Familie. Und schließlich war er es einst gewesen, der diesen Satz gesagt hatte – damals zu seiner Frau, als er ihr gestanden hatte, dass er sie seit langem betrog. Mit Männern.

»Hör zu, Maxl«, fuhr die Gerichtsmedizinerin fort, da Pfeffer schwieg. »Euer Kopf wurde am Montag so zwischen achtzehn und zwanzig Uhr gemeuchelt.«

»Der Kopf?«

»Du weißt, was ich meine. Der Mann wurde gemeuchelt. Dann wurde der Kopf mit einer Säge abgetrennt. Als Todesursachen können wir definitiv Gift und einen Kopfschuss ausschließen. Keinerlei Zeichen von Gewalteinwirkung auf den Schädel, na, abgesehen vom postmortalen Sägen. Wie ich dich kenne, möchtest du jetzt keine medizinischen Details über sein Ableben, sondern die Kurzversion.«

»Erraten.«

»Erwürgt.«

»Knapp und präzise, danke Gerda.«

»Mit Bullen wie dir macht mein Job manchmal echt keinen Spaß!« Die Gerichtsmedizinerin spielte die Beleidigte.

»Ich denke, mit dem Todeszeitpunkt und deinen Informationen können wir schon mal was anfangen.«

»Stellt sich natürlich die Frage, warum der Kopf abgetrennt und so spektakulär der Nachwelt präsentiert wurde.«

»Keine Sorge, Pettenkoferin, darüber zerbreche ich mir meinen Kopf.«

»Du scheinst aber noch nicht weiter gekommen zu sein. Erinnerst du dich noch an die Serie von Schädelfunden vor fünf Jahren? Sieben Stück in drei Monaten. Und die restlichen Körper wurden bis heute nicht gefunden. Das war damals die russische Mafia.«

»Ich erinnere mich bestens und habe auch schon daran gedacht. Da ging es um rivalisierende Syndikate aus der Ukraine und der Türkei. Aber die Täter von damals sitzen noch alle ein. Was natürlich nichts zu sagen hat. Wenn ein Kopf so präsentiert wird, muss mehr dahinter stecken als nur ein einfacher Mord. Es soll ein Signal sein. Entweder von einem Wahnsinnigen, der auf sich aufmerksam machen möchte – oder doch Mafia welcher Nationalität auch immer, die eine Warnung ausspricht. Vielleicht Drogen, vielleicht Mädchenhandel. Vielleicht auch nur ein verwirrter Dokusoap-Junkie, dem die Sendungen aus dem Hause Veicht-Productions das letzte Quäntchen Verstand weggepustet haben und der dann Rache nahm.«

»Schön, dass du wieder etwas Humor zeigst, Maxl. Wenn du jetzt ganz lieb bitte bitte sagst, habe ich noch ein paar Zuckerl für dich.«

»Bitte bitte«, säuselte Pfeffer in den Telefonhörer und grinste.

»Brav! Also: Ich habe aus Jux und Dollerei noch ein paar Tests gemacht. To cut a long story short: Der Typ hat zu Lebzeiten gerne mal eine Nase voll Schnee reingezogen. So wie seine Nasenscheidewand aussieht, sogar regelmäßig. Das letzte Mal vermutlich einige Tage vor seinem Tod. Spuren von anderen Drogen wie Hasch oder Extasy habe ich nicht gefunden.«

Pfeffer pfiff durch die Zähne. »Danke, Pettenkoferin, du bist wie üblich die Beste.«

»Mehr, mehr!« Die Gerichtsmedizinerin lachte hustend. »Wenn du so mit Komplimenten um dich schmeißt, könnte ich mich glatt in dich verlieben.«

»Da musst du eine Nummer ziehen und dich an der langen Schlange ganz hinten anstellen.« Pfeffer stimmte in das rasselnde Lachen der Medizinerin ein. »Jedenfalls danke.«

»Halt, nicht so schnell. Jetzt kommt ein Megazuckerl, aus dem ich allerdings nicht ganz schlau werde. Wie ich sagte, gab es keine Gewalteinwirkung auf den Schädel. Ich habe aber auf der Haut am Haaransatz ganz, ganz schwache Spuren entdeckt. Hast du Fotos vom Schädel vor dir liegen? Vergrößerungen?«

Pfeffer bejahte und zog die Bilder hervor.

»Vielleicht siehst du es auch. Nimm eine Lupe und guck dir mal ganz genau zum Beispiel die Schläfen an.«

Pfeffer tat, wie ihm geheißen und studierte mit der Lupe die Fotos, auf denen Stirn und Haaransatz der Leiche besonders gut getroffen waren. »Tut mir leid«, sagte er nach einer Weile. »Ich erkenne da nichts.« Er stierte weiterhin wie gebannt durch das Vergrößerungsglas.

»Ich habe hier den Kopf vor mir«, sagte Gerda Pettenkofer. »Schau an seiner rechten Schläfe, ganz schwach, … na, vielleicht sieht man auf dem Foto doch nichts …«

Doch Pfeffer sah nun endlich, was sie meinte. Er hatte nach offensichtlichen Spuren gesucht, irgendetwas Auffälliges erwartet. Doch was er nun sah, war nur ein zarter Abdruck auf der Haut, eine kleine runde Rötung, mehr nicht. Er war nicht einmal sicher, ob er sie wirklich sah oder sich durch die Suggestion der Gerichtsmedizinerin nur einbildete.

»Da sind noch mehr, insgesamt drei habe ich gefunden«, fuhr die Pettenkoferin fort. »Das an der Schläfe ist das am besten erkennbare. Keine Ahnung, was das verursacht hat. Es ist so marginal, dass man es leicht übersehen kann. Vielleicht hat das auch nichts zu sagen. Ich habe das Gewebe darunter untersucht und dort sind die Spuren etwas deutlicher. Minihämatome, wie wenn man hauchzarte Knutschflecke hat. Okay, das war jetzt das falsche Bild, denn es sind Druckstellen, keine Saugstellen. Was es auch ist, es muss recht kurz vor seinem Tod passiert sein, denn sonst wären die Druckstellen wieder verschwunden.«

»Vielleicht hat er sich irgendwo dagegen gelehnt?«

»Möglich.«

»Soll ich dir noch mal sagen, dass du die Beste bist? Danke und …«

»Halt, Maxl. Nicht so schnell. Wie viele Zuckerl nimmt die dicke Leichenaufschnipplerin normalerweise in den Kaffee? Sag jetzt nichts Falsches! Genau drei Stück. Also, hier kommt Zuckerl Nummero tres: Wenn du mit der Lupe die Hautpartie hinter seinem rechten Ohr genau untersuchst, was siehst du da?«

»Etwas Verschmiertes. Noch ein größeres Hämatom?« Pfeffer studierte die angegebene Stelle. »Nein, das ist ein verwischter Buchstabe oder so.«

»Heiß, Pfeffer.«

»Okay, ich hab es. Da steht fünfundvierzig in Ziffern.«

»Mit einem handelsüblichen Kugelschreiber der Marke Bic auf die Haut geschrieben«, ergänzte Gerda Pettenkofer. »Da der Schädel durch so viele Hände gegangen ist, ist die Schrift etwas verschmiert. Die Ziffer war zwar versteckt, aber doch so angebracht, dass sie bei einer Autopsie auf jeden Fall gefunden werden muss. Also ein Hinweis.«

»Schlau, Pettenkoferin. Fragt sich nur auf was.«

»Um das herauszufinden, lieber Max, zahlt der Steuerzahler deine üppigen Beamtenbezüge. Den schriftlichen Bericht bekommst du demnächst. Und wann treffen wir uns mal wieder einfach so auf eine Zigarette? Oder sind deine Aufhörversuche letztlich geglückt?«

»Ach, vergiss es«, grunzte Pfeffer ins Telefon. »Irgendwie fehlt mir einfach die Energie. Ist ja angeblich eine reine Kopfsache, aber ich habe den Kopf nie frei genug, um das Rauchen aufzuhören. Tim denkt natürlich, ich hätte es geschafft, weil ich zu Hause nicht mehr rauche. Aber kaum bin ich aus dem Haus … wie ein Junkie!«

»Kenne ich.« Gerda Pettenkofer seufzte. »Das ist dann das Schlimmste, das heimlich Rauchen. Höre meinen Rat, Pfeffer, und drück die Zigarette aus, die du gerade rauchst und schmeiß die Packung weg. Endgültig. Nur so schaffst du es. Auf die harte Tour. Denn es ist wirklich nur im Kopf. Reine Nervensache.«

»Sagte die Kettenraucherin kurz vor dem Lungenkrebs.«

Es gab Kollegen, die hatten ihre Schwierigkeiten mit Max Pfeffers Veranlagung. Er hatte nie ein Geheimnis daraus gemacht, nachdem er sich von der Mutter seiner Kinder getrennt hatte. Sein Vorbild hatte letztlich sogar dazu geführt, dass sich damals zwei weitere Kollegen und fünf Kolleginnen aus unterschiedlichen Dezernaten geoutet hatten. Das nahm den Witzereißern ein wenig den Wind aus den Segeln. Doch ihre Schwierigkeiten hatten einige Kollegen nach wie vor. Für sie war ein Bulle eben ein Bulle und keine Tunte. Ein echter Kerl eben und echte Kerle berühren andere Kerle nur, um sich zu prügeln oder im sportlichen Wettkampf zu messen. So sahen sie es jedenfalls. Zwar konnte sich keiner erinnern, dass sich Pfeffer je auch nur ansatzweise tuntig benommen hätte, und die recht beträchtliche Zahl derer, die sich anfänglich geweigert hatten, nach dem Sport mit Pfeffer zu duschen, war drastisch auf zwei zusammengeschrumpft, doch es gab nach wie vor einen harten Kern von Kollegen, die immer noch ihre abgeschmackten Witze rissen. Meist hinter seinem Rücken. Nur einmal hatte es einen kleinen Eklat gegeben, als ein Kommissar der Drogenfahndung in der Kantine vor versammelter Mannschaft Pfeffer, der damals auch noch den Dienstgrad eines Hauptkommissars im Drogendezernat bekleidete, laut und vernehmlich »Schwanzlutscher« genannt hatte. Pfeffer hatte nach außen hin gelassen reagiert, sein Tablett seelenruhig mit einer Portion Schupfnudeln mit Kraut beladen und »Stimmt. Bin ich. Und was machst du so?« geantwortet. Das hatte ihm von vielen Kollegen, vor allem von den meisten Kolleginnen, kurzen Applaus und dauerhaften Respekt eingebracht.

Auch Paul Freudensprung ließ nichts auf seinen Chef kommen und reagierte kühl, als er dem Leiter einer Sonderkommission der Drogenfahndung die Hand schüttelte. Ausgerechnet Josef Kurt, der Kollege, der einst für den Eklat gesorgt hatte, war nun sein Ansprechpartner.

»Hör zu, Kurt, ich will es kurz machen«, sagte Freudensprung. »Sagt dir der Name Herbert Veicht etwas? Fernsehproduzent, Veicht-Productions.«

»Veicht, Veicht, Veicht.« Der Kollege wiederholte den Namen und tat so, als würde er darüber sinnieren. »Hmmm, wieso seid ihr an dem interessiert? Ach, das war der Tote, richtig? Stand ja in allen Zeitungen. Riesenschlagzeilen! Da hat dein Chef mal wieder alle Chancen sich mit einem spannenden Fall zu profilieren als Leiter der Soko Veicht. Schick!« Es war kein Geheimnis, dass Kollege Josef Kurt neidisch war auf die schnelle Karriere, die Pfeffer gemacht hatte. Kurt wäre liebend gerne Rat geworden, doch seine Leistungen und Fähigkeiten hatten seine Vorgesetzten bislang nicht wirklich überzeugt.

»Stimmt«, antwortete Freudensprung sarkastisch. »Genau das will er, sich profilieren. Jetzt mal im Ernst, Kurt. Ist Veicht irgendwie aufgefallen?«

»Ich glaube, wir haben eine Akte über ihn. Da gab es mal eine Razzia, bei der er festgenommen wurde. Koks, nicht wahr? Sag deinem Chef, dass ich die Akte irgendwann suchen lassen werde.«

»Wie wäre es mit jetzt?«

»Nicht doch, Paul, lass mir ein wenig Freude und deinen Chef zappeln.«

»Ach, Kurt.« Freudensprung setzte sich bequem hin und schlug die Beine übereinander. »Ich habe die Anweisung, im Zweifelsfall nicht ohne Akten oder so zurück zu kommen. Wir können es jetzt wie Kollegen lösen oder ich werde mich mal mit dem Oberstaatsanwalt unterhalten.«

»Wow. Du hörst dich schon an wie dein Chef. Hat er dich jetzt auch zu einem Hinterlader gemacht, oder was?« Kollege Kurt schnaubte verächtlich. »Ach nein, was man so hört, bist du ja mit einer liebreizenden ausländischen Mitbürgerin zusammen.« Freudensprung reagierte nicht. Kurt grunzte. »Aische Demir, was? Ist doch die Schwester von diesem türkischen Filmstar Levent Demir, oder? Und wie ist die so?« Er machte eine eindeutige Handbewegung. Freudensprung starrte ihn an, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. »Dann kennst du sicher den großen Star Levent Demir persönlich, oder? Soll jetzt ja bald Schluss sein mit der Serie, in der er den Bullen spielt. Mörderischer Einsatz. Mann, schon der Titel ist scheiße. Dann ist es vorbei mit dem türkischen Star und er kann wieder in Anatolien Ziegen hüten.«

»Richtig, Mörderischer Einsatz wird eingestellt«, sagte Freudensprung und starrte sein Gegenüber weiterhin kalt an. Normalerweise genoss er es, wenn er nach der berühmten Verwandtschaft seiner Lebensgefährtin befragt wurde und normalerweise erzählte er gerne kleine Anekdötchen über seinen Schwager in spe Levent, den er wirklich gerne mochte, doch bei Josef Kurt schien ihm fast jedes weitere Wort Verschwendung. »Aber falls es dich interessiert, Levent Demir wird der erste türkischstämmige Tatort-Kommissar. Wenn du mehr wissen willst, solltest du seinem Fanclub beitreten. Ich bin jedenfalls nicht mit ihm, sondern mit seiner Schwester zusammen.«

Kurt lachte blöde und griff zum Telefonhörer. »Cool, Mann. Lass dir den Blick patentieren«, sagte er übertrieben kumpelhaft, während er eine Nummer wählte. In den Apparat rief er nur: »Die Akte Veicht. Herbert Veicht. Was? Okay, bring die auch gleich mit.«

Während sie warteten, schwiegen sich die beiden Männer an. Als eine Kollegin schließlich die Akten brachte, war Freudensprung überrascht, dass nicht nur für Herbert Veicht, sondern auch für Bambi Veicht eine Aktennummer vergeben wurde.

»Gut, wo es gerade so lauschig ist, Kurt«, sagte Paul Freudensprung. »Gibt es bei euch auch was über einen Dieter Koziol? Oder Jonas Wagenbrenner? Nein? Auch gut, hätte ja sein können.« Er stand auf und verabschiedete sich. »Ich bringe dir die Akten so schnell als möglich wieder zurück.«

»Ach übrigens«, rief ihm der Drogenfahnder hinterher. »Wir haben einen V-Mann im Umfeld von Bambi Veicht. Wärt ihr Trampel so lieb, den ausnahmsweise mal nicht zu enttarnen?!«

»Haben wir das je? Ist Bambi so eine große Nummer?«

»Wir wissen es noch nicht. Könnte aber sein. Jedenfalls ein scharfer Zahn, die will ich selbst verhören, wenn es so weit ist. Und richte deinem Chef aus, dass ich nicht vergessen habe, dass sein Betthäschen auch bei uns aktenkundig ist.«

»Das hat er gesagt?«, schmunzelte Pfeffer, als ihm Freudensprung die Nachricht überbracht hatte. »Dein Freund scheint die Akten nicht gründlich zu lesen, sonst wüsste er, wer damals vor ziemlich genau acht Jahren mein Betthäschen Tim de Fries verhaftet hat wegen fünf Gramm Haschisch.«

Freudensprung zog fragend die Augenbrauen hoch und Annabella sagte: »Jetzt machs nicht so spannend, Chef.«

»Ich.«

»Ist nicht wahr«, rief Freudensprung. »Ich dachte immer, ihr habt euch auf einem Konzert von Laurie Anderson kennengelernt.«

»Stimmt auch. Ich war dort als Zivilfahnder. Ich habe ihn nach dem Konzert verhaftet, als er mir einen Zug an seinem Joint angeboten hat. Na, ein Kollege hat uns beobachtet, da musste ich handeln. Pflicht ist Pflicht und Schnaps ist Schnaps. Keine Stunde später war er natürlich wieder draußen, die Anklage wurde wegen Geringfügigkeit fallen gelassen und wir sind erst mal Essen gegangen. Mehr braucht ihr darüber nicht wissen.«

»Irgendwie total romantisch«, kommentierte Annabella Scholz mit glänzenden Augen.

Reine Nervensache

Подняться наверх