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Über das Buch
Obwohl hier kein Backstein in der Hand liegt und das Buch also punkgerecht als Wurfgeschoß völlig ungeeignet ist, bemühte sich der Autor doch, in geraffter Form die komplette Geschichte von Punk und Hardcore bis heute nachzuzeichnen. Trotz zahlreicher Lücken [versteht sich] liegt damit erstmals eine Chronik vor, die Punk und Hardcore in ihrer ganzen, spätestens heute durch die MTV-Vereinnahmung offensichtlich werdenden Widersprüchlichkeit von Anarchie und Teilnahme analysiert. Wer ist dafür verantwortlich, daß sich die wohl radikalste Protestkultur der Nachkriegszeit zum ›common sense‹ gegenwärtiger Popästhetik entwickelt hat und also aller Radikalität beraubt wurde? – Malcolm McLaren? THE EXPLOITED? Billy Idol? NIRVANA? Sony Music? Die immer professioneller gewordenen Fanzines? Die Entpolitisierung der Bewegung durch Bands wie BAD RELIGION? Die TOTEN HOSEN? Das ›Ende des Kommunismus‹? Die ›Krise der Linken‹? Das ›Verschwinden des Subjekts‹?
Wie auch immer: In diesem Buch gibt es weder Schuldzuweisungen noch ›Good times‹-Nostalgie. Andererseits handelt es sich aber auch nicht um einen nüchternen, rein deskriptiven Bericht. Der Autor, der ›seiner‹ Szene über mehr als ein Jahrzehnt angehörte, berichtet mit Anteilnahme, aber inzwischen gewonnener Distanz, wie und warum alles so kommen mußte, wie es nun gekommen ist. »If the kids are united« ist damit Selbstzeugnis, Chronik, Zitatensammlung, wissenschaftliche Analyse, Abgesang und Liebesbeweis zugleich.
Dank
Dank geht an alle, die mir Texte und Ideen beisteuerten oder durch ihre Veröffentlichungen Vorarbeit geleistet haben, insbesondere an Thomas Lau, Michael Arndt, Fredi Laaser / AJZ Bielefeld, Jochen Kleinhenz, Johannes Ullmaier und Michael Fichert, aber auch an alle im Laufe der Jahre interviewten Musikerinnen und Musiker. Nicht näher gekennzeichnete Zitate stammen aus eigenen Interviews. Für dieses Buch habe ich – sofern noch vorhanden – die alten Interviewbänder neu abgehört, da vieles im Rückblick eine ganz andere Note erhält. Diese Methode hat sich als besser erwiesen, da die Zeitschriftentexte je nach gerade herrschender Stimmung gefärbt gewesen sind. Natürlich setzt sich auch dieser Text aus einem Puzzle subjektiver Empfindungen zusammen, doch während des Schreibens stellte sich mehr und mehr heraus, daß sich bei mir schon eine gewisse Distanz zur Sache entwickelt hatte. Das macht vielleicht auch die ›Wissenschaftlichkeit‹ der Sprache aus, für die ich mich entschuldige, denn sie ist, zugegeben, alles andere als Punk. Doch sie hilft vielleicht auch, Außenstehenden begreiflich zu machen, welches Fieber uns im Laufe der Achtziger gepackt und durch die Jahre getrieben hatte.
Außerdem
Dies hier ist ein Buch, kein Fanzine. Das heißt nicht, daß ich mir den Anstrich des Seriösen geben möchte – über Punk kann man nicht rein akademisch schreiben, ohne der Sache zu schaden. Es ist der Versuch, die Phänomene an sich zu fassen und historisch zu bewerten. Es ist an der Zeit.
Zugegeben: Viel ist schon über Punk geschrieben worden, und wahrscheinlich wird auch noch viel darüber geschrieben werden. Eine ganze Menge von Leuten, die mit Punk aufwuchsen, sind inzwischen in ihrer akademischen Laufbahn nach oben gerutscht und nutzen diese Lage kokett, um nun mit der wilden Jugend zu schwadronieren. Ich finde das nicht grundsätzlich verwerflich. Also, wenn etwas Vernünftiges, Sachgerechtes dabei rauskommt. Die komplette Entwicklung der ›Bewegung‹ bis heute ist allerdings noch nicht geschrieben worden. Ich mache – zumindest hierzulande – einen Anfang und bitte zu korrigieren, wo auch immer mir Fehler unterlaufen sein könnten. Sollte es zu weiteren Auflagen kommen, können sie verbessert werden.
Die vorliegende Ausgabe ist bereits gegenüber der ersten, 1995 erschienenen, und auch gegenüber der dritten überarbeiteten Auflage von 1996 stark korrigiert worden. Bei einem solchen Thema ist ein Ende der Korrekturen allerdings nicht abzusehen.
Martin Büsser, Mai 1997