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Fuck fashion Zu den Klamotten gleich am Anfang

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Wenn man John Lydon glauben kann, fing alles ganz banal an; hatte überhaupt nicht zur Absicht, Beginn einer ›Bewegung‹ zu sein. Kurz nachdem John, der auch mal lange Haare hatte, bei seinen Eltern rausgeflogen war, lebte er zusammen mit Sid Vicious und einigen Hippies in einer WG und berichtet in No Irish, No Blacks, No Dogs:

»Nicht nur die Nachbarn hassen uns, die anderen Hausbesetzer auch, wegen unseres Aussehens – kurze, hochstehende Haare und alte Anzüge. Zu diesem Zeitpunkt fing Sid an, sich ein wenig mehr wie ich zu kleiden. Ich verpaßte ihm seinen ersten anständigen Haarschnitt, der später Punk-Mode wurde. Du hast dir im wahrsten Sinne Haarklumpen rausgeschnitten. Die Idee dahinter war, keine Form in deiner Frisur zu haben – sondern es schauerlich aussehen zu lassen. Das war der Anfang von der ganzen Sache.«

Die ›ganze Sache‹ endete in aufwendig gestylten Irokesenschnitten und mit Postkarten, wie man sie heute in jedem Londoner Souvenirladen kaufen kann. Noch vor dem Punk wird dort die Queen als Motiv an Attraktivität verlieren – darauf jede Wette!

Irokesenschnitte hatte es zur Zeit der SEX PISTOLS noch nicht gegeben. Die Clique der ersten Punks trat zerschlissen auf: Weil kein Geld für neue Klamotten da war, wurde aus der Not eine Tugend, nämlich ein Stil gemacht. (Den Malcolm McLaren und andere sehr schnell in Geld umzusetzen wußten.) Die Punks, von denen sich Hardcore schließlich Mitte der Achtziger absetzte, hatten dagegen ein ganz anderes Outfit.

Betrachtet man heute Photos von den klassischen Punkbands, also den PISTOLS, THE CLASH, WIRE und den STIFF LITTLE FINGERS, sehen die Beteiligten ziemlich propper und aus heutiger Sicht unspektakulär aus – weder übertriebenes Styling noch übertrieben zerfetzt. 1976 war man mit kurzen, selbstgeschnittenen Haaren schon eine Provokation.

Übrigens: Die erste Punk-Generation war gar nicht, wie die bürgerliche Presse es gerne darstellte, bewußt häßlich und verdreckt, sondern sie hatte ganz schön viel Sex appeal (der Klamottenladen von Malcolm McLaren und Vivienne Westwood hieß nicht von ungefähr »Sex«). Dank ihres kreativen Umgangs mit Kleidung und Körper sahen die Punks oft sogar besser aus als der Rest der Gesellschaft. Das trifft in besonderem Maße auf die frühe New-York-Variante zu, zum Beispiel auf das transsexuelle Auftreten der NEW YORK DOLLS, das allerdings ein Kapitel für sich wäre. Was die Ungezwungenheit des Körperlichen anging, legte Johnny Rotten mehr Sex appeal als John Travolta an den Tag, Poly-Styrene mehr als Olivia Newton-John. Ein Sex appeal, das übrigens verschwand, als Punk mit seinen Nietengürteln und Irokesenfrisuren immer überstylter und phantasieloser wurde.

›Feierabend-Punk‹ ist schließlich, seit Punk sich immer mehr über Äußerlichkeiten präsentierte, Schmähbegriff für jene geworden, die eine Doppelexistenz führten, tagsüber in gewöhnlicher Kleidung eine gegenüber dem System angepaßte Existenz lebten bzw. einer geregelten Arbeit nachgingen, abends die Spraydose ansetzten und für ein paar Stunden den Anarcho spielten. In seiner Extremform jedoch (Iro, gefärbte Haare, Piercing, Tattoos) ist dem Punk eine solche Doppelexistenz fast unmöglich, während Hardcore-Anhänger kaum spezifisch antibürgerliche Merkmale zur Schau tragen. Die bunt bedruckten Band-T-Shirts, mögen sie auch aus Splatter-Motiven bestehen, unterscheiden sich auf den ersten Blick kaum vom farbenfrohen Boutiquen-Flitter. Kapuzenpullis und Militärhosen, letztere meist Bundeswehrbestand wie so manches Core-Accessoire (Schlafsack, Rucksack), dürften bei der Bevölkerung kaum ein Naserümpfen und Wechseln der Straßenseite hervorrufen.

Moses Arndt erinnert sich in ZAP #19 an die Anfangszeit 1984: »Hannover bringt jedoch auch eine Neuigkeit. Zwischen den zugesoffenen Nietenpunks bewegt sich eine kleine Gruppe Italiener, die völlig aus der Reihe fallen. Das beginnt bei ihrem Äußeren: Sie tragen keine Lederjacken und Spikes, sondern geschorene Schädel und bunte Stirntücher [kannte man von der SUICIDAL TENDENCIES-Platte], Armeejacken, Turnschuhe und normale Jeans. […]

Das Outfit spielt plötzlich wieder eine große Rolle, allerdings auf eine andere Art und Weise als bei Punkrock. Man will nicht die Bürger erschrecken oder möglichst cool aussehen. Es dient lediglich dem Erkennen der eigenen Gruppe.«

Man kann fast schon von einer Tarnung sprechen, von subversivem Auftreten, das sich auf Erkennungsmerkmale beschränkt, die so wenig von alltäglicher Kleidung abweichen, daß ihr Spezifisches nur noch Eingeweihten erkennbar wird. Und doch können der Kapuzenpulli (gibt’s in jedem Sportgeschäft) und das Halstuch (Stangenware) im Handumdrehen – etwa auf Demos – zur tatsächlichen Tarnung eingesetzt werden. Insofern folgt das scheinbürgerliche Auftreten dem Prinzip des Straßenkampfes, dem unerkannten »Brüllen, zertrümmern und weg« (SLIME), während Punk ein »Für immer Punk« (GOLDENE ZITRONEN) bedeutet, schillerndes Auftreten, durch das sich das Andere sofort als Anderes zu erkennen gibt. Und sich dadurch selbst ›findet‹ bzw. definiert.

Bequeme Straßenkleidung, die den Handlungsspielraum nicht einschränkt, ersetzt das aufwendige Styling der Punks. Man stellt nichts mehr zur Schau und glaubt damit wiederum, Punk als extreme Form von Modebewußtsein entlarvt zu haben. Gegen die Scheinaffirmation des Hardcore erscheint Punk als das, was auch weltweit daraus gemacht wurde: Exotismus, ideales Objekt für Modeplakate und Postkarten.

Gegenüber Punk (der dem Spiegel bereits 1978 eine Titelstory wert war) hatte Hardcore dadurch lange Zeit eine absolut geringe Medienattraktivität. Jugendliche, die eine extrem aggressive Musik hören und eine politische Einstellung haben, welche aus der Sicht bürgerlicher Medien ebenfalls als extrem eingestuft wird, sind durch ihre optische Neutralität als printwürdige Subkultur disqualifiziert. Lediglich bei Eskalationen, etwa im Rahmen des Häuserkampfes, zerrt die Kamera Personen an die Öffentlichkeit, die teilweise aus der Hardcore-Bewegung stammen, aber von der Presse nicht als solche eingeordnet werden.

Hardcore als subversiv-rebellische Bewegung blieb damit in der Öffentlichkeit lange Zeit ähnlich unerkannt und nicht aufgearbeitet wie die Gruppe der Situationisten in den Fünfzigern. Greil Marcus widmete dem von ihm konstruierten historischen Dreigespann Dada-Situationismus-Punk mit Lipstick Traces einen fünfhundert Seiten umfassenden Essay. Obwohl sich Malcolm McLaren beim Gründen der SEX PISTOLS auf die Situationistische Internationale beruft, entspricht weniger das kaputte, medienwirksame Auftreten der Punks, sondern später erst das codierte Auftreten von Hardcore dem verborgenen situationistischen Spiel.

Im Spiegel schließlich erscheint Hardcore erst 1993 ganz am Rande als musikalische Stilbezeichnung für Henry Rollins, nachdem das Wort – seiner komplexen geschichtlichen Bedeutung beraubt – längst schon von MTV inflationär für fast jede Form der härteren Musik gebraucht wird.

Die Kritik an einem solchen Outfit, das gegen destruktives Punk-Abgewracktsein positiven Kämpfergeist zu vermitteln versucht, liegt auf der Hand. In der Tat ist Hardcore-Outfit (und damit gleichzeitig Outfit der autonomen Linken) oft mit dem der Neonazis bis auf kleine, nur noch für Insider erkennbare Abweichungen deckungsgleich (z. B. kurzgeschorene Haare, Bomberjacke, Militärhose, DocMartens). Gegenüber Punk dominiert hier männlich geprägtes Partisanentum. Schon die ersten Oi!-Bands wußten, daß Punk-Outfit möglicherweise schockt, aber nicht unbedingt aggressiv rüberkommt: Gegenüber dem Bandphoto von RED ALERT auf ihrer 83er We’ve Got The Power-LP möchte man Sid Vicious geradezu streicheln. Zahlreiche Oi!-Bands traten wie RED ALERT paramilitärisch-martialisch, mit kurzgeschorenen Haaren auf und ließen die Punks mit ihren strubbeligen Haaren demgegenüber süß und harmlos aussehen. Abgesehen von bunten Halstüchern, Armbändern u.ä., ist die optische Abgrenzung, die Hardcore später gegenüber Punk vorgenommen hat, aus diesem Grund nicht eigentlich originell gewesen, denn sie kopiert weitgehend das Outfit der im Zuge von Punk schon Ende der Siebziger populären Oi/Skinhead-Bewegung, nun zugunsten eines linken Militarismus der Uniformität abgewandelt. Ohrringe, Armbänder, Kopftücher und ähnlicher Flitter sind allerdings längst auch unter Neonazis salonfähiges, nicht ungewöhnliches Accessoire – die Verwirrung sozusagen komplett.

Während der Demonstration gegen das Naziehepaar Müller und die Versammlung auf deren Gärtnereigelände in Mainz-Gonsenheim, an der 1993 etwa 1000 AntifaschistInnen teilnahmen, fragte eine ältere Passantin verwirrt: »Seid ihr jetzt für oder gegen die Müllers?«

Auch dies gehört zur angesprochenen, Mißverständnisse in Kauf nehmenden Subversion: für Außenstehende nicht unbedingt als solcher decodierbarer linker Militarismus, der sich sowohl von Punk als demonstrativem Kaputtsein wie auch von der soften Hippie-Schiene abgrenzt.

Daß die Übergänge natürlich fließend sind, daß auf Hardcore-Konzerten wie auf antifaschistischen Aktionen Kurzgeschorene neben Langhaarigen, Bomberjacken neben Batikhemden, Irokesenschnitte neben Baseballkappen zu sehen sind, ist dagegen eher ein Zeichen dafür, wie wenig die Linke sich de facto einer optischen Uniformität unterwerfen läßt.

Neben dieser optischen Transparenz rechter und linker Gruppen stellt sich ein weiteres Problem: Nicht jeder Skater ist Hardcore; nicht alle, die eine Baseballkappe tragen, sind Hardcore; weil einige Hardcore-Accessoires wie Skateboard, Converse-Turnschuhe und Baseballkappen nicht spezifisch sind, sondern Standards der Jugendkultur, fällt es – was mit Punk einst so kaum möglich war – auch solchen Jugendlichen nicht schwer, sich in die Hardcore-Szene einzuklinken, sich mit Hardcore als Stil zu identifizieren, die politisch eher zum gemäßigten Spektrum gehören bzw. sich über Themen wie Antifaschismus und Sexismus noch keinerlei Gedanken gemacht haben. Jugendliche also, die tatsächlich (noch) eine mehr oder weniger verdeckte Doppelexistenz führen.

Aber auch hierin sehen Hardcore-AktivistInnen eine ernstzunehmende Chance: Indem keine extrem von der Norm abweichende Kleiderordnung existiert, wird es einem im politischen Bewußtsein noch nicht gefestigten Jugendlichen leicht gemacht, an Hardcore-Konzerten teilzunehmen und damit schrittweise zu erfahren, welche politische Tragweite hinter dem Ganzen steht.

Dirk [SLIME]: »Es ist verdammt wichtig, mal raus zu kommen aus dieser Antifa-Gemeinde, weg von einem Publikum, das sich von der Bühne eh nur seine Bestätigung holt – weg von diesem Heimspiel. […] Sind wir doch mal realistisch: Den Fünfzehnjährigen, der in seinem Plattenregal die ONKELZ neben SLIME stehen hat, gibt es mit Sicherheit, da brauchst du gar nicht groß suchen. Auch wir hatten mit Fünfzehn noch kein ausgeprägtes politisches Bewußtsein. Und doch kann ich nicht sagen, daß dieser Typ verloren sei. Da ist noch alles möglich. Und es ist wichtig, die bessere Möglichkeit zu geben.«

Damit es nicht nach Verschwörungstheorie klingt: Die hier aufgezeichnete subversive Chance ist Folge der Abgrenzung von den Punks gewesen, aber keineswegs von Anfang an durchdacht oder gar geplant. Hier wurde eine Entscheidung getroffen, die dem Müll-Outfit etwas Positives entgegensetzte, dem rein extrovertierten ein auf Inhalte bezogenes Anderssein vorzog. Hardcore war anfangs, wie Andreas, Ex-Sänger der Stuttgarter Band SHARON TATE’S CHILDREN es beschreibt, »Punk ohne Müll und Syph«. Eine neue Ästhetik, die den Punks zu erkennen gab, daß eine auf Äußerlichkeiten aufgebaute Gegenkultur nur der Widerschein dessen ist, was abzulehnen sie vorgibt, Negativprojektion der auf Schein aufbauenden Gesellschaft.

Ian MacKaye [MINOR THREAT/FUGAZI]: »Ich bin mir darüber bewußt, daß ich mit meinem Äußeren nicht viel, zumindest keine Inhalte demonstrieren kann. Und weil es mir um Inhalte geht, verschwende ich kaum Zeit für meine Kleidung und mein Aussehen.«

Georg Simmel ging davon aus, daß Moden immer Klassenmoden sind, »daß die Moden der höheren Schicht sich von der der tieferen unterscheiden und in dem Augenblick verlassen werden, in dem diese letztere sich anzueignen beginnt«.1 Eine These, die so im Spätkapitalismus nicht mehr stimmt, wo die Jeans als ursprüngliche Arbeiterhose ohne Klassenunterschiede getragen wird und gewisse Punk-Bestandteile, wie zum Beispiel zerrissene Hosen, in die Mode Einzug hielten.

Dennoch wollte Punk (und noch viel stärker die Oi/Skinhead-Bewegung) Klassenzugehörigkeit zeigen, sei es diejenige der arbeitslosen Outlaws oder eines stolz zur Schau getragenen Proletariats. Damit wurden auch solche regressiven Stereotypen des Proletariats übernommen und ins Extrem überzogen, die stets ganz im Sinne der herrschenden Klasse gewesen sind: Abneigung gegenüber Bildung und Intellekt, Alkoholismus, Bandenkämpfe und sexistisches Vokabular.

Mit dem Song »We know how to live« hat die britische Oi-Band COCK SPARRER noch 1993 sämtliche Platitüden scheinbarer proletarischer Selbstbestimmung aufgelistet – vom schnellen Sex bis zum Komasaufen. Hier löscht der Stolz auf ein von Unterdrückung geprägtes Verhalten auch den entferntesten Gedanken an Klassenkampf aus.

Obwohl Punk im Gegensatz zur Oi-Bewegung »grundsätzlich links« (Campino/DIE TOTEN HOSEN) geprägt war, empfanden viele Nachwachsende die Bewegung Mitte der Achtziger als theoriefeindlich, die Gesellschaft nicht analysierend, sondern sich hauptsächlich durch Äußerlichkeit abgrenzend, was weder zur eigenen Entwicklung noch zu einer Veränderung der Gesellschaft beitragen konnte.

Grob gesehen begann so der nie völlig unüberquerbar gewesene Graben zwischen Hardcore und Punk, der heute an vielen Stellen wieder zugeschüttet ist. Bis am Ende auch Hardcore, der einmal als Abgrenzung gegenüber Modepunks entstand, für viele eine absolut modische Erscheinung geworden ist.

Harley Flanagan, Sänger der CRO-MAGS, äußerte sich diesbezüglich bereits 1990 im britischen Fanzine Sold Out ziemlich resigniert:

»Wenn die Leute älter werden, bleiben sie in einem bestimmten Trott hängen, aber während wir jünger sind, haben wir die Möglichkeit, unsere Gehirne für etwas Produktiveres zu nutzen, als nur modebewußt zu sein, und das ist die Richtung, in die ich Hardcore sich entwickeln sehe. Es ist mehr eine Modenschau als irgendetwas anderes.«

Wird hier eine am Punk kritisierte Tendenz wiederholt? Hieß es nicht schon bei EXPLOITED, als ewige Vorzeige-Punks und Mode-Clowns verrufen: »Fuck fashion«? – Ironie der Geschichte.

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