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Lesen und sterben lassen

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Wie unterscheiden sich eigentlich James Bond Bücher und Filme?

Man weiß, es gibt Unterschiede zwischen den James Bond Büchern und den James Bond Filmen. Genau genommen geben die Filme die Bücher sehr wenig treffend wieder – wie man besonders am Beispiel von „Live and let die“ sehen kann. Denn wer denkt, bei Bond gehe es vor allem um Sex und Gewalt, Frauen und Killen, angeheizt durch ein bisschen Spionage, der ist auf dem Holzweg. In Ian Flemings zweitem Bond-Roman spielt nämlich eine völlig andere Sache eine große Rolle – was in den Filmen meist schmählich vernachlässigt wird. Nein, ich meine nicht den Rassismus (ich habe noch nie so oft das Wort „negroe“ gelesen wie in diesem Buch – und dass Schwarze und Voodoo zusammengehören wie Pech und Schwefel, äh, Laurel und Hardy, das ist ja wohl nicht rassistisch sondern einfach 50er Jahre Denken). Etwas anderes zieht sich durch dieses Buch, so wie Blofelds Katze durch eine sonnendurchflutete Villa: Essen.

Ja, meine Lieben, bei Bond geht es ums Essen. Kein Scherz. Während sich der Agent seiner Majestät im Film eher in den Armen einer bikinigewandeten Schönheit vergnügt, unterbricht er seine Agententätigkeit in diesem Buch nicht für die Mahlzeiten… vielmehr unterbricht er seine Mahlzeiten nur, um hin und wieder mal ein bisschen in Sachen Spionage zu unternehmen. Wahrscheinlich nimmt die Wichtigkeit des Essens im Laufe der Reihe ab, in „Goldfinger“ zum Beispiel braucht es vier Kapitel, bevor die erste Mahlzeit erwähnt wird. Doch wichtig bleibt es schon, wenn man beispielsweise einen Blick auf „Feuerball“ wirft. Bond beklagt sich über Kopfschmerzen von zuviel Rauchen und Saufen und schlechter Ernährung und stellt sich um auf gesunde Ernährung. Und es wirkt, es geht ihm besser… doch dann stellt er fest, dass er so gesund keine Leute umbringen kann und damit seiner Aufgabe nicht gerecht wird, also kehrt er zu seiner „ungezügelten Lebensweise“ („Sag niemals nie“) zurück. In „Leben und sterben lassen“ ist und bleibt das Essen allerdings die Hauptrolle.

Nur zwei Beispiele:

- Solitaire, Bonds Geliebte, wird entführt, mit ungewissem Schicksal und der Option auf Tod – nächste Szene, Bond isst.

- Felix Leiter, Bonds langjähriger (seit dem letzten Buch) Freund wird (im wahrsten Sinne des Wortes) den Haien zum Fraß vorgeworfen. Man bringt ihn ins Krankenhaus, Arm ab, Bein ab, Gesicht zerfetzt, Körper in schlechtem Zustand mit der Option auf Tod – nächste Szene, Bond frühstückt. Kein Scherz!

Und so hangelt sich der Agent von Mahlzeit zu Mahlzeit, wobei Fleming natürlich auch seinem Missfallen gegenüber der Amerikanischen Küche Ausdruck verleiht. Oh, ein schlechtes Frühstück mit Eiern von der Stange ist fast schlimmer als der grausame Tod des Schlafwagenschaffners.

Wie heißt es so schön: Morden geht durch den Magen. Und hier trifft das besonders zu. Kaum ein Kapitel kommt ohne eine angemessene Mahlzeit aus:

In Kapitel 1 gibt es halbdurche Hamburger, in Kapitel 3 Frühstück (Orangensaft, 3 Eier, Speck, Espresso), in 4 ebenso, aber ohne es näher zu spezifizieren. 5 bietet Hühnchen mit Speck, doch dann muss man sich bis zum Frühstück in 9 gedulden (Toast, Marmelade, Cornflakes, doppelter Espresso). Man hungert ein weiteres Kapitel nach einer Mahlzeit, bekommt aber erst im 11. Rührei mit Speck und Würstchen sowie einen der lokalen Camemberts vorgesetzt. Ein Kapitel später dann macht Bond seine schlechten Erfahrungen mit billigem Amerikanischen Frühstück (Orangensaft, Kaffe, Rührei), die ihm fast den Spaß an dem ganzen Agentenabenteuer und seiner schnuckeligen Begleitung vermiest. In Kapitel 13 wird Essen zwar erwähnt, aber nur, wie andere das tun. Dafür bietet Kapitel 14 gleich zwei Mahlzeiten: Abendbrot (Fisch in weißer Soße, ein Streifen Truthahn) und ein paar Sandwiches (nachdem Leiter seine Begegnung mit den Haien hatte). Eine kleine Änderung im Speiseplan gibt es dann im 15. Kapitel, wo einer der Bösewichte dann selbst vom Hai verspeist wird (eine Auflistung von Beilagen o.ä. bleibt leider aus). Kapitel 16 beginnt kulinarisch mit einem trippeldecker Sandwich und erwähnt noch ein frühes Abendessen vor dem Abflug nach Nassau (Flugzeugbewirtung wird Bond – und dem Leser – erspart). Nach einem nicht näher spezifizierten Frühstück in Kapitel 17 bereitet Quarrel in 18 etwas auf einem kleinen Kocher zu, doch unser Hunger nach mehr wird erst wieder am Ende von 22 gestillt – ebenso wie der der Haie, die Mr. Big verspeisen. Im letzten Kapitel wird dann noch erwähnt, dass Quarrel den besten Koch im Dorf organisiert hat, es wird schwarze Krebse, Ferkel und einen Avocado Salat geben… aber das soll eine Überraschung sein!

Wir sehen, einzig das Nennen von Rezepten fehlt, um dem ganzen den richtigen Schliff zu geben. Sätze wie „Bond kochte… vor Wut“ würden in einem solchen Fall in einem völlig neuen Zusammenhang gesehen. (Das mit den Rezepten hat Manfred Taut in seiner Satire „James Bomb jagt die Zombies“ (Moewig) dann nachgeholt – wobei das Standardwerk in diesem Bereich zweifelsohne „Es muß nicht immer Kaviar sein“ von Johannes Mario Simmel ist.)

Unterm Strich kann man also sagen, angemessener wäre der Titel „Live and let diet“… wobei dann aus „Goldfinger“ möglicherweise „Fishfinger“ geworden wäre, was eine ganze Industrie vorweggenommen hätte. Tja, damals war Bond eben oft seiner Zeit voraus.

Sie sind durchschaut, Mr. Bond!

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