Читать книгу Mord aus vergangenen Tagen - Martin Cordemann - Страница 5
Prolog
ОглавлениеMan konnte nicht gerade sagen, dass das Geschäft gut lief. Man konnte auch nicht gerade sagen, dass das Geschäft miserabel lief. Man konnte lediglich sagen, dass es das Geschäft noch gab. Ich spreche von dem kleinen Laden an der Ecke, nicht von meinem Geschäft! Ich habe zwar hin und wieder einen Fall, aber so dreckig wie meinen großen Vorbildern geht es mir doch noch nicht. Ich schlage mich zwar nie mit Scheidungssachen herum, aber dafür habe ich auch sonst keine Frauenbekanntschaften. Mit anderen Worten: Es ging mir so wie immer!
Ich befand mich gerade zufällig in meiner Wohnung, als das Telefon zu klingeln begann. Ich befinde mich immer rein zufällig in meiner Wohnung, wenn das Telefon zu klingeln beginnt. Es sei denn, ich bin gerade nicht da. In diesem Fall war ich da, genauer gesagt es regnete und ich arbeitete alte Fälle durch. Mit anderen Worten: Ich las einen Kriminalroman.
„Rhode“, meldete ich mich zutreffenderweise.
„Harry Rhode?“
„Ja?!“
„Der Privatdetektiv?“
Das musste sich schon herumgesprochen haben. Aber immerhin arbeitete ich ja auch erst seit einem Jahr in diesem Beruf. „Richtig. Haben Sie meine Nummer aus dem Branchenverzeichnis?“
„Nein.“
Was mich denn auch gewundert hätte, denn obwohl ich schon seit einem Jahr mein Dasein als Privatdetektiv fristete, hatte ich es noch immer nicht geschafft, mich ins Branchenverzeichnis eintragen zu lassen.
„Was kann ich denn für Sie tun?“ Es handelte sich übrigens um eine Frauenstimme!
„Es gibt da... kann ich Sie sehen?“
„Hmmm“, ich blätterte in meinem Buch. Noch etwa 20 Seiten. „Wann schwebt Ihnen da so vor?“
„In einer Stunde?“ Ich sah auf eine Uhr. In einer Stunde war es Zeit, zu Mittag zu essen. Das klang für mich nach einem Geschäftsessen. Ich sagte also zu. Wir verabredeten uns in einem Restaurant, ein sehr gutes Zeichen.
Natürlich war sie hübsch. Es ist ja nicht so, dass ich nur Fälle von hübschen Klientinnen annehme, es ist auch nicht so, dass alle anderen Klientinnen hässlich wären, es erzählt sich nur einfach schöner, wenn man es mit einer attraktiven Kundin zu tun hat. Und eine solche wollte sie ja werden, eine Kundin, attraktiv war sie ja schon. Sie trug ein eng anliegendes schwarzes Kleid, hatte dunkelblonde lange Haare und war nicht geschminkt – also in etwa der Typ Frau, der mir das Herz brechen kann. Aber das tat nichts zur Sache, hier ging es um etwas wichtigeres, hier ging es um ein Mittagessen.
„Herr Rhode?“ Von links sprach mich eine nicht minder hübsche Frau an. Sie hatte schwarze Haare, trug ein passendes rotes Kleid und war leicht geschminkt – also in etwa der Typ Frau, der mir das Herz brechen kann.
„Ja, äh, bitte?“
„Wir haben telefoniert“, erklärte mir die rote Frau und lächelte, während ich noch einen halbherzigen Versuch wagte, mich bei dem Begleiter der Blonden, die offensichtlich nicht meine Klientin werden wollte, aus der Klemme zu ziehen. Sie führte mich zu ihrem Tisch und lud mich ein, einen Blick auf die Speisekarte zu werfen. Ich bedankte mich und dann stellte sie sich vor, ziemlich früh wie ich fand, aber ich hatte ja nicht gefragt.
„Herr Rhode, mein Name ist Agnes Glich. Ich habe Sie angerufen, weil...“ Sie druckste herum.
„Weil mein Name an erster Stelle der Privatdetektive steht und man sich dann nicht die Mühe machen muss, weiterzusuchen?!“
„Nein, ich habe ganz bewusst Sie gewählt.“
Mein Name stand auch an 73. Stelle.
„Sie haben Schlagzeilen gemacht.“
„Man konnte mir damals nichts beweisen.“
„Als Sie noch Polizist waren, meine ich. Deswegen bin ich auf Sie gekommen.“
Deswegen kamen alle auf mich. Das Gedächtnis der Leute ist teilweise wirklich bemerkenswert. Zum Beispiel habe ich einen Freund, dem ich seit 15 Jahren 25 Mark schulde und jedes mal wenn wir uns sehen spricht er mich darauf an. Und das, obwohl es die Mark gar nicht mehr gibt!
„Okay, nachdem wir das geklärt haben und nachdem ich Sie darauf aufmerksam gemacht habe, dass ich nicht billig bin...“ Die Kellnerin kam. „Und nachdem wir bestellt haben... was kann ich für Sie tun?“
„Mein Mann... es ist eine lange Geschichte. Herr Rhode, mein Mann ist vor sieben Jahren plötzlich verschwunden.“ Dann hatte er einen guten Vorsprung, wenn ich ihn jetzt suchen sollte. In dieser Zeit konnte er Diktator in einem lateinamerikanischen Land geworden sein – oder Präsident der Vereinigten Staaten. „Natürlich habe ich ihn damals vermisst gemeldet, aber die Polizei hat ihn nicht gefunden. Bis vor kurzem.“ Langsam wurde es interessant – unser Essen kam. „Vor einer Woche hat man seine Leiche gefunden.“ Sie trank einen Schluck, um den Kloß in ihrem Hals zu bekämpfen. „Ich hatte auch nicht mehr damit gerechnet, ihn jemals wieder zu sehen. Sie können sich vielleicht vorstellen, was es für ein Schock für mich war...“ Ich legte meine Hand auf die ihre. Ich konnte es mir zwar nicht vorstellen, aber ich wollte wenigstens den Eindruck erwecken. „In einem See.“ Ich erinnerte mich düster, etwas darüber gelesen zu haben. Jemand hatte seine Leiche in einem Baggersee verschwinden lassen, den man jetzt für Bauarbeiten leer gepumpt hatte. Dabei hatte man die Leiche gefunden. Sie erzählte mir, was ihr die Polizei erzählt hatte, nämlich, dass ihr Mann erschlagen worden war und man seine Leiche dann auf dem Grund in der Mitte des Sees deponiert hatte. Und das ganze vor etwa sieben Jahren, also zu der Zeit, als er verschwunden war. Das erschwerte es ein bisschen, den Tatort auf Spuren zu untersuchen.
„Ich möchte, dass Sie herausfinden, wer meinen Mann ermordet hat“, bat sie mich. „Ich weiß, es liegt lange zurück und deswegen glaube ich nicht, dass es die Polizei besonders interessieren wird.“ Für die war der Fall neu, weil sie erst jetzt davon Wind bekommen hatte, aber das sagte ich ihr nicht, weil ich ja auch irgendwie meine Brötchen verdienen musste, und wenn es ging auch etwas Mett dazu. „Natürlich weiß ich, dass es viel verlangt ist und ich weiß nicht, ob Sie nach so langer Zeit noch eine Spur finden können.“ Das wusste ich allerdings auch nicht.
„Es ist wirklich eine heikle Angelegenheit, Frau Glich. Im Moment wären Sie mein erster Ansatzpunkt. Ich müsste mich eingehend mit Ihnen unterhalten, versuchen, etwas über Ihren Mann herauszufinden, was er gemacht hat, etwas über seine Persönlichkeit erfahren, mir ein Bild von ihm machen und mich dann in die Archive begeben. Und... das wird eine große Belastung für Sie sein.“
„Das ist es ohnehin.“ Sie ließ sich die Rechnung kommen und bezahlte. „Danke, dass Sie den Fall übernehmen.“ Sie lächelte mir zu. Ich hasse es, wenn Frauen das tun, zumindest, wenn sie es so tun und wir beide ganz genau wissen, dass zwischen uns nie etwas passieren wird.
Ich lächelte zurück und erhob mich. Vom anderen Tisch lächelte mich die Blonde in der gleichen Weise an wie meine Klientin. Als ihr Begleiter das bemerkte, lächelte auch er mich an, etwa in der Art eines hungrigen Wolfes. Freundlich lächelte ich zurück und verließ auf den Spuren meiner Klientin das Restaurant. Ich verabredete mich mit ihr für den frühen Abend. Erstmal wollte ich zum Baggersee fahren und versuchen, dort ein bisschen herauszubekommen. Ich war wieder im Geschäft!