Читать книгу Was für ein Hund! - Martin Danders - Страница 7

4. Kapitel

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In Bremen hatte ich eine Zeitlang beruflich zu tun. Tachoti war immer dabei, da mein dortiger Job eine Hundebegleitung erlaubte. Abends lief ich mit Tachoti eine große Runde über die Felder östlich von Oyten. Wir passierten eine befahrene Landstraße und kamen danach an einem Bauernhof vorbei. Wenig später hatte ich sie von der Leine gelassen, sodass sie loslaufen konnte. Als wir an einer mit Stacheldraht eingezäunte Kuhwiese vorbei gingen, duckte sie sich und passierte unterhalb des Drahtes den Zaun. Ein paar weiße Fellreste blieben am Stacheldraht hängen. Anschließend rannte sie zu meinem Schrecken wie eine Irre zu den Kühen. Dort durchkreuzte sie ungefähr die Mitte der Herde. Die Kühe fanden ihren Besuch überhaupt nicht komisch und rannten dem Hund mit gesenkten Häuptern hinterher. Tachoti nahm zu meinem Entsetzen direkt Kurs auf mich. Im letzten Moment schlüpfte Tachoti durch den Stacheldrahtzaun, verlor noch weitere Haarbüschel und blieb neben mir stehen. Hinter ihr sah ich eine ganze Kuhherde wutentbrannt auf uns zukommen.


„Wird der Stacheldrahtzaun halten?“, fragte ich mich, gleichzeitig hatte ich eine Art Schockstarre.

Im letzten Moment bremsten die Kühe zu meiner Erleichterung vor dem Zaun ihre volle Fahrt herunter. Wenn die Kühe den Zaun durchbrochen hätten, wären Hund und Halter mit hundertprozentiger Wahrscheinlichkeit Tod gewesen.

Als wir ein Stückchen weiter den Weg gegangen waren, sah Tachoti mehrere Rehe auf der Weide. Sofort sprintete sie zu ihnen. Die Rehe hatten keine Probleme bei ihrer Flucht, weil sie schneller als Tachoti waren. Ich pfiff und schrie nach ihr. Sie war ungefähr 500 Meter von mir entfernt, stand mitten auf dem Acker und untersuchte den Boden nach Geruchsspuren ihrer Opfer. Dann lief sie zurück zu unserem Weg, aber viel zu weit hinten, da wo wir vorhin entlang gelaufen waren. Zwar hatte sie scheinbar unsere Fährte gefunden, aber leider lief sie nicht zu mir in die richtige Richtung, sondern in die andere falsche. Entsetzt sah ich wie sie weiter den Weg zurücklief. Vermutlich will sie zurück zum Auto und wird gleich die befahrene Straße passieren, waren in diesem Moment meine Gedanken. Von weitem hörte ich von der Landstraße das Quietschen von Reifen. Vermutlich war das die Vollbremsungen von einem Auto, als mein beknackter Hund die Straße passierte. Sofort rannte ich schnell den Weg zurück mit der Vorstellung, dass mein Hund bereits Tod war. Ich fand sie liegend auf dem Weg vor dem Bauernhof, wo sie auf mich gewartet hatte. Ob sie tatsächlich auf der Straße war, hatte ich leider nicht feststellen können. Jedenfalls leinte ich sie an und lief mit ihr die geplante Runde weiter. Ungefähr drei Kilometer weiter ließ ich sie idiotischerweise erneut von der Leine. Sie sah ihre geliebten Rehe und rannte erneut dorthin. Ein zweites Mal hatte sie danach ihre Orientierung verloren und sich weit hinter mir auf den Weg mit unserer Fährte gelegt, bis ich sie dort wutentbrannt abgeholt hatte. Stinksauer leinte ich sie an und lief mit ihr den gewünschten Weg in die richtige Richtung. An diesem Abend hatte ich sie überhaupt nicht mehr von der Leine gelassen, weil ich die Schnauze gestrichen voll hatte. Außerdem hatte ich mir eine Langleine gekauft. Nach dieser Geschichte war sie mindestens ein halbes Jahr ohne Ausnahme ausschließlich mit der Langleine gelaufen. Meines Erachtens war diese Maßnahme unbedingt notwendig, damit sich ihre Bindung zu mir verbesserte.

Vor meiner Unterkunft in Oyten saß auf der Treppe ein fetter Kater, der kein Stück Angst vor Tachoti hatte. Da er wenig beeindruckt von ihr war, musste ich den Bastard regelmäßig von der Treppe verscheuchen. Wenn ich mein Ziel durch laute Zischgeräusche und Füßescharren erreicht hatte, trat er schließlich sehr unwillig und unwirsch zur Seite. Mit großer Wonne schlug er regelmäßig aus einem Busch oder unterhalb der Betontreppe sitzend seine Tatze in Tachotis Nase, die sich öfters schmerzhafte Schmisse einhandelte. Beim Verlassen des Hauses saß dieses dämliche Vieh meistens vor der Haustür, die ich deswegen immer vorsichtig öffnen musste. Auch in diesem Fall war der Kater sehr unwillig, seine Lieblingsposition vor der Tür zu räumen. Bei solchen Katern müssen Hundehalter aufpassen, denn bei diesen Attacken können Hunde schon mal ein Auge verlieren.

In der Männerpension waren meine Mitbewohner über Tachoti wenig begeistert. Aus Kostengründen hatte ich nur ein winziges Dachzimmer, das aber groß genug für uns Beide war. Sie wechselte alle 15 Minuten ihre Liegeposition, um ihre Knochen und Wirbelsäule anders zu lagern. Nach dem Fressen hatte sie, im Gegensatz zu mir, immer sehr tiefen entspannt geschlafen.

In Bremen in einer ATU-Werkstatt musste ich während des Einbaus eines Teils in meinen Kombi in einem Warteraum mit der angeleinten Tachoti warten. Eine andere Kundin sah meine Hündin, hockte sich vor sie und schaute ihr tief in die Augen.

„Du bist so schön, ich liebe dich“, sagte die Dame und schaute sie weiter an.

Tachoti fand diese Aufführung grässlich und ließ ihr sehr lautes Feindabwehrgeräusch vernehmen, sodass alle Leute im ATU-Kundenraum erschrocken zusammenzuckten. Die Frau schaute wie ein begossener Pudel, weil ihre Liebesäußerung bei Tachoti so wenig erfolgreich war.

„Sie kann es nicht leiden, wenn ihr jemand direkt in die Augen schaut und vor ihr hinkniet“, erklärte ich.

„Schade“, sagte die Frau und war offensichtlich ziemlich enttäuscht.

An einem Wochenende war ich in Bremen geblieben und hatte mich mit meinem Kollegen H. zum Hundespaziergang in der Nähe der Blockland-Deponie getroffen. H. hat eine schwarze Retrieverhündin, die ungefähr so alt ist wie Tachoti. Zunächst liefen wir mit den angeleinten Hunden ein Stück durch ein parkähnliches Gelände mit einem See.

„Das Wasser ist so sauber, darin kannst du ohne Bedenken baden“, erklärte H.

„Meinst du wirklich, so nah an der Deponie?“

„Ja, kein Problem“, entgegnete er überzeugt.

Wir setzten uns ans Seeufer und ließen nach Absprache unsere Hunde von der Leine. Tachoti rannte sofort zu der Retrieverhündin, die eindeutig Angst vor ihr hatte. Während Tachoti ihre Dominanz zeigte, wich die andere Hündin ihr aus und rettete sich mit einem Sprung ins Wasser. Tachoti folgte ihr natürlich, aber nur bis zu einer Wassertiefe von maximal 20 Zentimeter, denn tiefer ging sie in der Regel niemals. Somit war die Hündin von H. in Sicherheit, aber nur so lange sie im Wasser blieb. Tachoti wartete noch einen Augenblick, dann verließ sie das Wasser und rannte zu anderen Badegästen, die mit einem kleinen Hündchen ca. 100 Meter entfernt auf einer Decke saßen. Dort bellte sie die Leute an, die ihren kleinen Hund zur Sicherheit hochhielten. Tachotis Verhalten gefiel mir überhaupt nicht. Zum Glück kam sie wenig später zurück zu mir, sodass ich sie anleinen konnte.

„Das war aber eben nicht gut mit den Leuten da hinten“, bemerkte H.

„Da hast du Recht. Ich lasse sie jetzt lieber an der Leine. Dein Hund ist aber wenig dominant.“

„Es ist eben nicht jeder Hund so aggressiv wie deiner“, meinte H..

„Mein Hund ist nicht aggressiv, sie verhält sich nur wie ein richtiger Kuvasz.“

H. war verärgert, weil ich seinen Hund als wenig dominant eingestuft hatte. Scheinbar war er bei diesem Thema etwas empfindlich. Seinen Kommentar über Tachotis Aggressivität fand ich auch nicht so schön. Hundehalter identifizieren sich eben stark mit ihren Vierbeinern, da können Wahrheiten schnell falsch verstanden werden.

„Vielleicht ist es besser, jeweils alleine weiter zulaufen“, schlug ich vor.

„OK, machen wir.“

Somit trennten sich unsere Wege, obwohl wir uns als Arbeitskollegen immer gut verstanden, gerieten wir beim Hundethema aneinander. Allerdings war der Disput nach kurzer Zeit wieder ausgeräumt.

Beim Pendeln zwischen Berlin und Bremen hatte ich öfters Mitfahrer mitgenommen, um Fahrtkosten zu sparen. Außerdem war es ganz unterhaltsam die Geschichten anderer Leute zu hören. Manche Fahrgäste erzählten nämlich unterwegs unbefangen, ähnlich wie im Taxi, ihre ganze Lebensgeschichte. Der Grund für dieses Phänomen ist, dass ein Wiedersehen in diesem Leben sehr unwahrscheinlich ist. Allerdings mussten die Mitfahrer hundekompatibel sein, denn Tachoti war immer dabei. Nicht jedermann fand diese Aussicht so gut und suchte sich doch lieber einen andere Mitfahrgelegenheit. Die Strecke von Berlin nach Bremen und umgekehrt wird von vielen Mitfahrern gebucht, weil beide Städte für junge Leute äußerst attraktiv sind. Somit gab es eine Menge Leute, die für 15 EURO pro Strecke, mitfahren wollten. Meine Auslastung war auf der 388 Kilometer langen Strecke recht unterschiedlich, manchmal hatte ich gar keine Mitfahrer, manchmal nur einen und manchmal auch mehr. Maximal drei Leute hatte ich mitgenommen, weil es sonst zu voll gewesen wäre.

An einem grauen Novembertag hatte ich nur einen Mitfahrer, einen ca. vierzigjährigen, freundlichen Mann, mit dem ich mich vor dem Eingang zur Hochgarage im Zentrum von Bremen getroffen hatte. Wir fuhren zusammen mit Tachoti hoch in die Etage, wo mein Wagen stand. Am Auto angekommen, legte der Mann seinen kleinen Metallkoffer auf die hintere Ablage, wo normalerweise immer der Hund saß. Bei meinem Kombi waren die hinteren Sitze eingefahren, somit hatte der Vierbeiner eine große Liegefläche. Ein Netz zum Abtrennen von den Vordersitzen hatte ich nicht, aber eine senkrecht stehende Trennwand, die ca. 50 Zentimeter hoch war. Anschließend setzte sich der Mitfahrer auf den Beifahrersitz. Ich ließ Tachoti auf ihre Liegefläche springen und platzierte mich hinterm Steuer. Anschließend fuhr ich die enge Kreisspirale im Parkhaus hinunter, schob die bereits vorher bezahlte Ausfahrtkarte in den Automaten. Nachdem sich die Schranke geöffnet hatte, gab ich Gas und bog rechts ab auf eine kleine Nebenstraße. Da wir noch eine relativ große Wegstrecke vor uns hatten, fuhr ich etwas rasanter als üblich. Normalerweise fuhr ich mit dem Hund immer wie ein Opa, weil der Hund nicht angeschnallt auf der Freifläche lag. Der Koffer von meinem Mitfahrer rutschte mehrfach in jeder Kurve hin und her, für mich war das kein Problem. In einer schärferen Kurve schoss das Gepäckstück allerdings knallend gegen die Innenseite von meinem Auto. Tachoti war so entsetzt und verängstigt, dass sie während der Fahrt nach vorne kommen wollte, um bei mir Schutz zu suchen. Sofort überwand sie die Trennwand und drängte sich bei mir auf meinen Schoss. Da sie kein Schosshund war, war das keine gute Idee.

„Sie hat Angst vor dem Koffer. Ich werde hier gleich anhalten, den Hund wieder nach hinten packen und ihren Koffer sicher verstauen“, sagte ich zu meinem Mitfahrer.

„Nur zu!“

An einer geeigneten Stelle hielt ich und bugsierte Tachoti nach hinten, die eigentlich weiterhin vorne sitzen wollte. Den Metallkoffer verstaute ich sicher hinter meinem Fahrersitz und fuhr dann weiter. Tachoti hatte danach unterwegs mehrfach probiert zu mir nach vorne zu kommen, aber ich hatte sie jedes mal dran erfolgreich gehindert. Sie war durch diesen Vorfall vollkommen verängstigt. Seitdem dürfen wir bei ihr niemals mehr irgendwelche Utensilien hinten auf ihre Freifläche legen, wenn sie im Auto ist. Selbst, wenn sich der Gegenstand nicht bewegt, starrt sie ihn unentwegt an, bis sie sich dann wieder nach vorne zu mir auf den Fahrersitz quetscht. Auch auf Urlaubsfahrten, wo ich gewöhnlich mehr Gepäck dabei habe, darf nichts auf ihrer Freifläche liegen. Der Mitfahrer nach Berlin war ein verständnisvoller Mann mit dem ich auf der Weiterfahrt noch sehr gute Gespräche hatte. Bei einem Stopp auf dem Autohof bei Schwarmstedt begleitete er uns sogar bei der obligatorischen Hunderunde.

Was für ein Hund!

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