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6. Kapitel

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In Berlin hatte ich mich mit E. zum Spaziergang verabredet, die ebenfalls einen Hirtenhund hat. Wir trafen uns auf einem KFZ-Parkplatz am Rande Berlins. Ihr Hund heißt Bahia, die ein paar Jahre älter als Tachoti ist. Bei meiner ersten Hündin Tisza hatte sich Bahia sofort unterworfen, weil sie deren Dominanz respektierte. Als ich mit Tachoti aus dem Auto stieg, wollte sich zunächst Bahia ihr unterwerfen, in dem sie sich hinlegte und ihr die Kehle zeigte. Offensichtlich verwechselte sie Tachoti mit Tisza, aber blitzschnell bemerkte sie ihren Fehler, stand auf und unternahm keinerlei Anstalten mehr sich zu unterwerfen. Stattdessen kam es sofort zu einer ausgewachsen Hundebeißerei. E. und ich hatten große Mühe die Hunde voneinander zu trennen.

„Lass uns erst mal angeleint laufen. Wir können später nochmal einen zweiten Versuch veranstalten, schlug E. vor.

O.K., einverstanden!“

Wie besprochen liefen wir angeleint mit den zwei Rivalinnen durch einen kleinen Wald. Als wir uns auf einer Wiese befanden, lösten wir nach Absprache nochmal die Hunde. Die Spannung unter den beiden Hundedamen sahen sogar wir Menschen, da wir gut beobachtende Halter waren. Einige Minuten betrachteten sie sich nur äußerst misstrauisch und hielten noch Abstand voneinander. Plötzlich krachte es allerdings erneut, denn eine wilde Beißerei begann, ohne dass ein Sieger festzustellen war. Nachdem wir die Hunde erneut getrennt hatten, untersuchte E. ihre Hündin. Sie diagnostizierte ein blutendes Loch am Bein und schaute mich betrübt an.

„Kacke mit dem Loch“, sagte E.

„Stimmt, tut mir Leid.“

„Ist schon OK“, entgegnete sie.

„Nichts ist OK.“

„Ich wünsche mir bei den Tieren und Menschen nur Frieden“, meinte sie.

„Ich auch!“

Auch ich untersuchte Tachoti, die wie immer nichts hatte. Die Situation war mir ziemlich peinlich, denn E. war eine gute Freundin von mir. Zu meinem Bedauern war E. danach nie wieder mit uns zusammen spazieren gegangen. Sie war nach dem Vorfall mit ihrem Hund sogar beim Tierarzt, um die Wunde behandeln zu lassen. Warum sich keiner der beiden Hunde unterworfen hatte, konnte ich auch nicht beantworten.

Nach dem Vorfall mit Bahia wurde mir immer mehr klar, dass ich eine Kampfschnecke an meiner Seite hatte. Spaziergänge in der Einsamkeit waren für mich die Folge. Jedoch gab es wie so oft im Leben eine Ausnahme. Problemlos konnte ich Spaziergänge mit Haltern unternehmen, wenn sie Rüden hatten, die noch über ihre männlichen Attribute verfügten.

Mit E. war ich später mal nur mit Tachoti im Görlitzer Park eine Spazierrunde gelaufen. Sie wollte sich ein Bild von Tachoti machen und hatte ihren Hund zu Hause gelassen, weil sich bekanntermaßen die beiden Damen leider nicht so gut verstanden. Unterwegs hatte ich Tachoti an der Leine, denn im Görlitzer Park gibt es eine Menge Menschen, Kinder, Hunde und Rauschgifthändler an jeder Ecke. Für Tachoti war der Spaziergang nicht so schön, weil sie als Herdenschutzhund ständig aufpassen musste. Wegen der vielen Eindrücke fühlte sie sich dem Ganzen nicht mehr gewachsen und zitterte am ganzen Körper. Sie hatte so eine Art Reizüberflutung und war völlig erloschen. Als wir uns nahe an einer Gastwirtschaft auf den Rasen setzten, saß sie zitternd neben mir und ihre sonstige Verteidigungsbereitschaft bei Außeneinsätzen war völlig verschwunden. Vermutlich hatte sie ein große Angst-Attacke, die sie lähmte. E. und ich verließen den Park und liefen auf Nebenstraßen zurück zu meinem bei ihr vor der Haustür geparkten Auto. Dort sprang Tachoti verunsichert ins Gefährt und verzog sich auf ihrer Liegefläche in die letzte Ecke, wo sie sich viel sicherer fühlte.

„Tachoti ist für so einen Trubel nicht gemacht“, sagte ich zu E.

„Sie zittert wegen ihrer Angst. Sie ist ein sehr verunsicherter Hund.“

„In Zukunft werde ich solche Plätze mit viel Trubel meiden“, beschloss ich.

„Ist vielleicht besser.“

Ich verabschiedete mich von E. und fuhr nach Hause in meine Wohnung.

Nach einer Heimfahrt von Bremen nach Berlin stellte ich spät Abends mein Wagen in Alt-Tempelhof ab und wollte noch mit Tachoti eine Pinkelrunde laufen. Wir überquerten die Werderstraße und betraten den gegenüber liegenden Bürgersteig. In ungefähr 100 Meter Entfernung sah ich eine mir bekannte Hundehalterin mit ihrer Dobermannhündin um die Ecke kommen. Die nicht angeleinte Hündin sah Tachoti und begann auf dem Bürgersteig ihren Sprint direkt auf uns zu. Tachoti erwartete ihre Rivalin angespannt, die zähnefletschend auf uns zu kam. Ungebremst raste sie mit voller Geschwindigkeit an Tachoti vorbei, die ihrer Konkurrentin dabei einen gekonnten Biss verpasste. Die Dobermannhündin flog jaulend in die Büsche und blieb verletzt liegen. Ich zitterte am ganzen Körper, denn mit so etwas hatte ich nicht gerechnet.

„So geht das aber nicht, sie müssen ihren Hund anleinen“, sagte ich geschockt zu der Frau, als sie ihren Hund holte. Sie antworte mir nicht und ging leichenblass mit ihrem jetzt angeleinten Hund von dannen.

Übrigens hatte ich die Frau nie wieder gesehen, vermutlich war sie wegen dem Vorfall vor Scham aus dem Kiez weggezogen. Vielleicht gab es auch andere Gründe für ihr Verschwinden. Nachdem ich oben in der Wohnung war, hatte ich Tachoti untersucht. Wieder einmal hatte sie keine Verletzung.

Bei einem Spaziergang mit der angeleinten Tachoti über den Kreuzberg war ich kurz unaufmerksam. Meine Fehler bei der Hundehaltung werden stets immer gleich bestraft. Auf einem der asphaltierten Wege, joggte eine hübsche Frau ihre Runden. Als die Sportlerin mit Leggins relativ dicht links an uns vorbeikam, sprang Tachoti blitzschnell an den hübschen Hintern der Frau und setzte dort einen ihrer berüchtigten Nasenschnapper. Diese Spezialität von Tachoti ist kein richtiger Biss, sondern ein Zuschnappen des Mauls wie bei einem Krokodil.

„Aua“, sagte die Frau und blieb stehen. Sie fasste sich an die betreffende Stelle und schaute gebeugt nach hinten. Dabei zog sie etwas ihre Leggins herunter. Natürlich schaute ich taktvoll wie ein Gentleman nicht hin.

„Können sie mal die Stelle am Hintern anschauen?“ fragte sie mich.

„OK, mach ich“, antwortete ich etwas zögernd, denn die Situation war schon etwas delikat.

„Sieht aus wie ein Knutschfleck“, erklärte ich und lachte über meinen eigenen Witz.

„Es tut immer noch weh“, jammerte sie.

Ich pustete den Fleck an und sagte danach: „Jetzt ist es bestimmt besser.“

„Ja, jetzt ist es besser! Tschüss“, antwortete sie und joggte lächelnd weiter.

„Tschüss“, rief ich ihr hinterher.

Was für ein Hund!

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