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KAPITEL 3 ___ „Die Botschaft Jesu Christi ist unüberholbar“ 55 Lernen und lehren – Reinhold Stecher als Seelsorger und Religionspädagoge

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Tatsächlich zeigte das Leben seine wunderbaren Erneuerungskräfte, erinnerte sich Bischof Paulus Rusch in seinem Anfang der 1980er-Jahre verfassten Erfahrungsbericht über diese frühe Nachkriegszeit: „Die jungen Männer, in deren Augen sich immer noch der tausendmal gesehene Tod spiegelte, waren ernst, strebsam. Sie verlangten nach echtem Neuanfang. Alle eingerückten Theologen, soweit sie zurückkamen, meldeten sich wieder im Priesterseminar. Ein großer Hunger nach Orientierung zeigte sich. Die große Erfahrung war vielmehr die, dass mitten in der Zerstörung, Dunkelheit und Nacht gesundes Leben geheimnisvoll neu aufbricht. So wie es in der Natur immer wieder Frühling wird, so bricht auch im seelisch-geistigen Leben immer wieder ein Frühling auf.“56

Auch Reinhold Stecher kehrte ans Canisianum in Innsbruck zurück und nahm alsbald sein Studium der Theologie wieder auf: „Hier hatten Theologiestudenten aus aller Herren Länder gehaust und die alte Bude mit mehr oder weniger intensivem Studium und einem dosierten Heiligkeitsstreben erfüllt.“57 Wie viele seiner Kommilitonen spürte er allerdings die durch den Krieg verlorengegangenen sechs Jahre, in denen alles Denken einzig und allein auf das Überleben und Durchkommen ausgerichtet war, und die daraus entstandenen Defizite: „Dennoch wollten wir studieren. Und das größte Geschenk der Vorsehung waren zweifellos unsere Lehrer an der Fakultät. Es gab unter ihnen überzeugende und prägende Persönlichkeiten. Nicht nur das wissenschaftliche Format war so beeindruckend – es war die Übereinstimmung von Leben und Lehre, die sie repräsentierten. Auch Träger weltberühmter Namen führten ein höchst bescheidenes Leben. Man hatte immer das Gefühl, dass Theologie nie auf Kosten der Spiritualität betrieben wurde. So ging uns bei den Gebrüdern Rahner, bei Dander und Mitzka, Lakner und Gaechter die reine Welt auf.“58

Neben dem Jesuiten Andreas Jungmann, den Reinhold Stecher des Öfteren in seinen Büchern erwähnte, war eine dieser „überzeugenden und prägenden Persönlichkeiten“ der Theologischen Fakultät in Innsbruck ganz ohne Zweifel der damals schon sehr bekannte und später noch durch seinen unverzichtbaren Beitrag als Peritus beim Zweiten Vatikanum berühmt gewordene Karl Rahner. „In seinem Ringen um das Wort lag so viel Redlichkeit des Denkens und der Tiefe der Visionen, dass er die Hörer einfach in den Bann schlug. Man spürte, dass da ein lebendiger Geist immer wieder aus den viel befahrenen Bahnen der scholastischen Theologie ausbrach – hinein in das Abenteuer des Hinterfragens und des Aufspürens ungewohnter Zusammenhänge. Bei ihm waren die modernen Wissenschaften eingebaut, er bewegte sich in der Welt der Ökumene, der Gegenwart und der Vergangenheit. Ich will nicht behaupten, dass ich ihn in allem verstanden hätte. Aber er war so etwas wie ein Fluglehrer der Theologie, es ging ihm im letzten immer um die große Zusammenschau des Heils. Das war ja bei ihm so beeindruckend, dass er geistig aus einer so komplizierten, problemüberfrachteten Welt voller Fragen und Auseinandersetzungen kam und doch zu dieser letzten persönlichen Schlichtheit des Glaubens fand. Ihm war zutiefst bewusst, dass heute viele Menschen auf dem Weg sind, manche näher, manche weitab. Aber er war auch zutiefst davon überzeugt: So vielfältig sich heute die Seitenarme des religiösen Tastens und Suchens verzweigen und verwirren mögen, es gibt doch eine geheimnisvolle Strömung in ihnen, die zum ewigen Meer drängt, eine Strömung, die wir Gnade nennen und die von jedem Ursprung ausgeht, der gleichzeitig das Ziel aller Dinge ist. Die ganze überbordende Gelehrsamkeit kreiste um eine im Hintergrund glühende Mitte, Christusmysterium.“59 /60

Diese fachliche wie menschliche Bewunderung für Karl Rahner war jedoch nicht nur eine Episode in Reinhold Stechers Studentenzeit, sondern wandelte sich nach und nach in eine lebenslange Verbundenheit mit dem Jesuitenpater, die auch über dessen Tod hinaus reichte und sich mitunter darin zeigte, dass der ehemalige Schüler seinen verehrten Lehrer gegenüber seinen Kritikern immer wieder in Schutz nahm, welche der streitbar Gelehrte damals wie heute hat. Auffallend deutlich wird dieser Umstand in einer Stellungnahme, die Reinhold Stecher bereits als Bischof von Innsbruck traf, nachdem er Karl Rahner, während dessen letzter Stunden, im Krankenhaus besucht hatte, und am 4. April 1984, unter Anwesenheit von Kardinal Hermann Volk, Erzbischof Friedrich Wetter sowie der Bischöfe Paulus Rusch, Karl Lehmann, Egon Kapellari und Ernst Tewes dessen Requiem zelebrierte: „Es war, wie wenn ein Menschenleben nach langer Reise einem Ziel zustrebte, so wie ein großer, breiter Strom zur Mündung kommt, der alle Windungen, Katarakte und Staudämme hinter sich gelassen und viele Schiffe und die Last der tausend Fragen getragen hat und der sich nun dem großen Meer nähert, wo alles einfach wird. Man saß am Krankenbett, konnte mit einem sehr gelösten, ja fast heiteren Menschen reden – und dabei musste man an die Bücherstellagen zu Hause mit der langen Reihe der Rahner-Bände denken, an das gewaltige Wissen und das vielfache Ringen mit den vielfältigen Problemen, die nun einmal diese Epoche dem wachen Glaubenden aufgegeben hatte. Und doch hatte man keinen müden Menschen vor sich, keinen problemzerriebenen, sondern einen sehr gefassten, mit einer fast fröhlichen Distanz zu sich und seinem Werk (eine Haltung, die einigen seiner harten Kritiker abzugehen scheint). Vielleicht war es das, was diesen großen Theologen so menschlich und sympathisch machte: Dass er zutiefst um die Schwierigkeit, die Mühsal, die Unsicherheit und die Gefährdung des Glaubens an Christus in unserer Zeit wusste, und zwar mit einem Wissen, das nicht nur aus einer professoralen Betätigung, sondern aus eigenem Erleiden und Erleben stammte, und dass er andererseits doch das Glück eines Menschen ausstrahlte, der mit seinem Glauben immer wieder nach Hause kommt.“61


Primiz von Helmut Stecher, als sein Konzelebrant Reinhold Stecher (links im Bild)

Reinhold Stecher machte nie ein großes Geheimnis daraus, dass seine Berufswahl während des Studiums auch von Zweifel und Unsicherheiten überschattet gewesen war und keineswegs in jener souveränen Klarheit erfolgte, die sich junge Menschen für diesen Schritt manchmal wünschen. Dennoch ging er 1947 aus ganzer Überzeugung, mit wachem Geist und übervollem Herzen für den Glauben an Jesus Christus zur Priesterweihe, die er zusammen mit seinem älteren Bruder Helmut durch Bischof Paulus Rusch in der Franziskanerkirche in Schwaz empfing. „Warum ich Priester geworden bin? Ich finde es sinnvoll, ein wenig mitzuhelfen, dass Menschen in einer Zeit der Verunsicherung und Entwurzelung im unendlichen Gott und seiner Güte eine Heimat finden. Ich finde es sinnvoll, auf dem bewegten Meer der Zeit immer wieder nach den gütigen Wahrheiten Ausschau zu halten, die weiterzusagen und hie und da vielleicht einen Weg zu weisen – so etwas wie eine Signalboje, die auch von den Wellen geschüttelt wird und doch eine verborgene Ankerkette zum Grund hat, der Christus ist. Ich finde es sinnvoll, Kindern mit den Erzählungen der Bibel ein Urvertrauen ins Herz zu säen, mit jungen Menschen zu diskutieren oder in das Schweigen der Meditation zu gehen, Neuvermählten die Wohnungen zu segnen, Kranke zu besuchen, Vorlesungen vorzubereiten oder den letzten Segen über ein Grab zu senden. Ich finde es sinnvoll, das Brevier aufzuschlagen und in das Gebet der Jahrtausende einzutreten, und ich werde es immer für sinnvoll halten, mich über Kelch und Hostie zu beugen und das Geheimnis der Geheimnisse zu feiern.“62


Erinnerungskärtchen zur Priesterweihe der Brüder Stecher

Sein erstes Messopfer feierte Reinhold Stecher am Christtag 1947 in der Pfarrkirche Wilten, einen Tag nach seinem Bruder, der wiederum seine Primiz als Christmette in der Hofkirche von Innsbruck zelebrierte – der eine dem anderen jeweils als Konzelebrant beigestellt.

Bald darauf fing der „theologisch ausgebildete, spirituell bemühte, von Eifer erfüllte und sendungsbewusste Neupriester“ Stecher an, in der Kinder- und Jugendseelsorge zu arbeiten, wobei eine der ersten Lektionen, die er selbst währenddessen zu lernen hatte und welche ihm eine tiefe und vor allem bleibende Einsicht für sein weiteres Tun verschaffen sollte, jene war, dass die Verkündigung immer eine Sprache mit Herz braucht, die nicht versucht, das Gegenüber mit rhetorischer Finesse zu überreden, sondern durch die Bereitschaft, zuzuhören und das Gehörte auch in seinem Wesenskern aufzunehmen und zu berücksichtigen, ein starkes Gefühl des Miteinanders schafft: „Eines ist mir damals für immer beigebracht worden: In Zeiten wie diesen muss sich die Kirche den Fragen stellen, die ihre Gläubigen haben. Wenn ich den jungen Menschen gegenüber diese Fragen mit irgendwelchen Sprüchen abgewimmelt hätte, dann wäre ich bei ihnen als Lehrer moralisch ‚ausgestiegen‘. So gut man kann, muss man mit dem Blick auf das Evangelium und die fundamentalen Glaubenswahrheiten die Fragen redlich beantworten. Das haben mir die kritischen jungen Menschen beigebracht: den Grundstil einer dialogischen Kirche. Eine dialogverweigernde Kirche kann ihrer Aufgabe in dieser Welt nicht gerecht werden.“63/64

Im Besonderen prägend für diese Geisteshaltung waren anfänglich die „Lehrjahre“ im Paulinum, wo Reinhold Stecher von 1949 bis 1956 als Präfekt seine erste Anstellung hatte. Hier erprobte er unter anderem den schwierigen Balanceakt zwischen „dem Noten gebenden Prüfer und dem um das Heil besorgten Priester, zwischen der Forderung in Richtung eines Wissensstandes und der viel bedeutsameren Vermittlung von Werten und Grundüberzeugungen“. Mit anderen Worten erkannte Reinhold Stecher im Bemühen um die Schüler des Paulinums den Grundsatz, der für ihn und seine künftige Arbeit so bedeutsam werden sollte, „dass eine lehrende Kirche gleichzeitig eine lernende sein sollte“.65

Auch seine Schüler bemerkten diesen „Stilwechsel“ und waren ihm dankbar dafür: „[Als wir] ins Obergymnasium kamen, hatten wir das besondere Glück, in der siebten und achten Klasse Reinhold Stecher als Präfekten zu bekommen. Die Heimordnung war für uns in diesem Alter eher eng; jedoch war der Präfekt Stecher nicht nur ein Ausgleich, sondern für die Maturajahrgänge ein großer Segen. Sein Weitblick und seine Lebenssicht, seine Lebenserfahrung durch die Nazizeit und die Gestapohaft, seine harten Kriegsdienstjahre und das Theologiestudium formten ihn zu einer Persönlichkeit, die uns beeindruckte und auf dem Lebensweg bereicherte. Der weite Horizont von Reinhold Stecher, sein reiches Wissen, seine vielen Fähigkeiten, die in ihm schlummerten, und seine freie, unverkrampfte, menschliche Umgangsart, seine Bescheidenheit, sein Witz und Humor, seine schelmischen, pointierten Phantasieausbrüche in gelöster Runde waren für die junge Generation in den Maturaklassen prägend und von größtem Gewinn. Am meisten formte Reinhold Stecher unsere christliche Einstellung durch seine persönliche Lebens- und Glaubenseinstellung, durch seinen Umgang mit der heiligen Schrift, durch seine Ansprachen und Lebensgespräche und durch das gute christliche Klima, das er als Person ausstrahlte. Berge und Bergerlebnisse mit Reinhold Stecher blieben für viele unvergesslich. Viele erinnern sich an die Lectio, die am Beginn des Nachmittagsstudiums um fünf Uhr im Studiersaal auf dem Programm stand. Auf diese Viertelstunde hatten wir uns immer gefreut. Reinhold Stecher berichtete vom Tagesgeschehen in der Politik, er griff ‚heiße Eisen‘ als Themen auf, berichtete von gesellschaftlichen Ereignissen. Manchmal kamen auch militärische Erlebnisse aus seiner über vier Jahre [andauernden] harten Kriegszeit im hohen Norden zum Durchbruch. Er half uns, die Hitlerjahre zu verarbeiten. Reinhold Stecher war kein belehrender Mensch, kein Typ des erhobenen Zeigefingers. Er war kein Erzieher, der auf dem Podest stand. Irgendwelche Druckmittel auf die Jugendlichen waren ihm total fremd. Er begleitete uns ein Stück in unseren jungen Jahren. Er hat mitgeholfen, die Weichen in jungen Jahren sinnvoll zu stellen.“66

Reinhold Stecher selbst beschrieb die Jahre des Präfektseins als „sieben schöne Jahre“,67 und man möchte ihm glauben, dass es in der sonst engen Hausordnung durchaus Platz für die eine oder andere Mußestunde und eine gewisse Ausgelassenheit gab – ein Zeugnis dafür mag folgendes Gedicht sein, das Reinhold Stecher für den „Pauliner Fasching 1951“ verfasst hat und das sich im Nachlass seines Bruders Helmut wiederfand:

1. Und an Hofrat miass mr a no haben

A Direkter oder Regens war ins zschlecht

Wegen was is er verschriern?

Ja – des ständige Spaziern!

Aber sunst war ja der Hofrat alleh recht.

2. Und an Eislaufplatz wöllns a no haben

Wofür man die langen Gummischläuche nimmt.

Lieber Subi, tua net reahrn

Denn des Platzl werd scho wearn

Bis zum Sommer friert der Dreck ja ganz bestimmt.

3. Konferenzen miass’ns a no haben

Jeden Freitag von Halb Zwölfe bis um oans

Ja da huckn unsre Mannder

Redn alle durcheinander

Eppes Sichers woass am Ende nacher koans.

4. An Verwalter miaß mr a no haben

Warum schaut denn der heut gar so finster drein?

Ja, die ganze Unterhaltung

Geht auf Kosten der Verwaltung

Und drum spart ers dann beim Plentn wieder ein!

5. Die Schwester Hedwig miass mr a no haben

Denn wer führte sonst in unsrem Hause Buch?

Heute ist ihr nicht geheuer

Denn der Fasching kommt zu teuer

Und ich glaube fast, sie weint ins Taschentuch.

6. Und a Schiwochn wollns a no haben

Denn die andern Mittelschulen habns a

Alles sucht nach Gegengründ’n

Also wird sich oaner find’n

Und so bleib mr auf dr Gampnwies’n da.

7. Und a Kuahschell miaß mr a no haben

Im Gymnasium drübn in der Direktion.

Liaber Rex-i tat sch bitt’n

Mir sein decht koa Almhütt’n

So was ist ja für die Wissenschaft ein Hohn.68

In demselben Jahr, 1951, promovierte Reinhold Stecher mit der Arbeit „Darstellung und Begriff der persönlichen Weisheit in den Proverbien“ zum Doktor der Theologie.69

Die Dissertation sollte streng genommen seine einzige wissenschaftliche Publikation bleiben – Teile daraus erschienen zwei Jahre später in der Zeitschrift für Katholische Theologie (S. 410 – 451) –, sie ist jedoch durch ihre Quintessenz ebenso entscheidend für das weitere Verständnis von Werk und Person Reinhold Stechers wie der oben beschriebene Erfahrungsschatz aus dem Kontakt mit Schülern im Unterricht und dem Zusammenleben im Paulinum: „Als mir mein Professor diesen Forschungsauftrag zuwies, habe ich nicht geahnt, was für Einsichten, Zusammenhänge und Tiefblicke sich für mich auftun würden.

Der Begriff der ‚persönlichen Weisheit‘ ist schon von rein literarischem Interesse, er beschäftigt aber auch den Religionshistoriker und Religionspsychologen, der ähnliche Erscheinungen in anderen Kulturkreisen vor Augen hat. Vor allem aber wendet der Theologe den betreffenden Stellen seine Aufmerksamkeit zu, weil sie im Lichte des Neuen Bundes auf den Logos hinweisen.

Die ‚Weisheit‘ ist ein theologischer Schlüsselbegriff des Alten Testaments. Sie ist Geschenk, das aus der Ewigkeit kommt, und Erhellung des menschlichen Alltags, sie durchmisst den weiten Raum des Alls und die Tiefen des menschlichen Herzens.

Die sichere Deutung eines literarischen Phänomens beruht zum guten Teil auf der Kenntnis seines Wurzelbodens, der Zeit und des Ortes der Abfassung, des Verfassers und der allgemeinen und speziellen Vorbedingungen des Werkes.

Ich kann ohne die Welt der altorientalischen Sprachen, ohne die Hilfe evangelischer oder jüdischer Gelehrter gar nicht eindringen. Und so ist mir von dieser stillen Reise in die Offenbarung auch ein großer Respekt vor der Ökumene geblieben und die Überzeugung, dass man immer wieder von anderen lernen kann und lernen muss, auch wenn man im katholischen Glauben verankert ist und verankert bleibt.“70

Daneben ist Stechers Einsicht in die Wirkkraft der „didaktischen Poesie“ von nicht zu unterschätzender Bedeutung, ist doch sie das vorrangige Kunstmittel, welches er in seinen Büchern, Predigten etc. fortan verwendet: „Die Sprache ist poetisch und wendet sich an ein bildhaft denkendes Publikum“, sie will vordergründig nicht Wissen, sondern gläubige Lebenserfahrung vermitteln.71 In „Begegnungen auf Mittelwelle“, das 1965 erstmals erscheint – spätere Auflagen tragen den Titel „Liebe ohne Widerruf“ –, wendet Reinhold Stecher diesen Schreibstil schon meisterhaft auf die Passionsgeschichte an, indem er seine Leserschaft unumwunden anspricht und von Beginn an zu verstehen gibt, dass er an dieser Stelle nicht doziert, sondern wie sie vor dem Wunder der Auferstehung staunend steht und um Worte ringt: „Wenn ich könnte, lieber Leser, würde ich versuchen, in Ihnen und um Sie herum Stille zu schaffen. Ich möchte, dass Ihre Gedanken das Tagesprogramm und alle großen und kleinen Sorgen und Aufgaben und Probleme zurücklassen. Bitte verstehen Sie mich recht: ich möchte das alles nicht, weil ich meine Worte für so bedeutungsvoll oder gescheit und einmalig halte. Nein, es geht mir wahrhaftig nicht um meine Worte, sondern um das Geheimnis, dem meine Worte dienen wollen: um Ihre Begegnung mit Gott. Damit ist Er genannt, dessen Namen ein Gläubiger des Alten Bundes nicht aussprechen durfte – und von dem wir so oft und so leichthin daherreden. Gott! Was soll ich von Ihm sagen? Wie soll ich Ihn Ihnen nahebringen? Ihn, den Unendlichen, von dem wir nicht reden, sondern höchstens stammeln können? – Ein aussichtloses Beginnen!“72

Bei der Veröffentlichung seines Erstlings war Reinhold Stecher seit fast zehn Jahren als Religionsprofessor an der Lehrerbildungsanstalt in Innsbruck tätig – 1956 hatte er dafür das Paulinum verlassen – und profilierte sich zudem an verschiedenen anderen Institutionen als Seelsorger.73 Bis zu seiner Ernennung zum Nachfolger von Paulus Rusch im Jahr 1981 lernte er außer den Berufsschulen noch alle weiteren Schultypen kennen und unterrichtete unzählige Schülerinnen und Schüler in ganz Tirol, was mit ein Grund für seine große Popularität gewesen sein dürfte, aber vor allem jenes Vertrauen in seine Person unter den Gläubigen der Diözese begründet hat, das Reinhold Stecher wohl als wichtigste Voraussetzung für die Wahl zum Bischof ansah – sowohl für sich selbst als auch für alle anderen Kandidaten, damals wie heute: „Durch einen Brief mit einer Einladung zum Gespräch mit dem Nuntius [Mario Cagna] in Wien [habe ich von meiner Ernennung zum Bischof von Innsbruck erfahren]. Ich habe dann im Gespräch meine Einwände vorgetragen, etwa, dass ich nie in einer führenden Tätigkeit der Diözese tätig gewesen bin, sondern immer nur in der Jugendseelsorge und in der Lehrerbildung. In diesen Aufgabenbereichen habe ich mich zu Hause gefühlt. Zwei Stunden lang hat der Nuntius versucht, mich zu überzeugen. Als er dann sagte, dass ich gemäß einer Befragung größtes Vertrauen besitze, habe ich schließlich doch Ja gesagt.“74

Bischof Reinhold Stecher

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