Читать книгу Angelo - Martin Renold - Страница 3

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ERSTER TEIL




Er hieß Angelo.

Wer ihm diesen Namen gegeben hatte, und warum er so hieß, wusste er nicht. Aber er kümmerte sich nicht darum, fragte nicht danach. Solange er sich erinnerte, hatten ihn seine Kameraden so genannt, und er war stolz darauf; denn Angelo war der schönste Name, den er sich denken konnte.

Aber es gab noch vieles, das der kleine Angelo nicht wusste, vieles, was andere Kinder in diesem Alter sonst wissen, ausgenommen seine Kameraden, die mit ihm aufwuchsen. So wusste Angelo nicht, wer sein Vater und auch nicht, wer seine Mutter war. Er hatte beide nicht gekannt. Ja nicht genug: Seinem kindlichen Verstand war es lange gar nicht bewusst gewesen, dass Kinder wie er sonst eine Mutter und einen Vater haben. Doch auch später, als er davon wusste, glaubte er, es sei ein besonderes Vorrecht, oder vielleicht auch ein Nachteil, Vater und Mutter zu haben, ein Vorrecht, das manche Kinder besitzen und manche, wie er und seine Kameraden, nicht. Vielleicht aber, und das war gewiss nicht ausgeschlossen, würde auch er einmal einen Vater und eine Mutter bekommen. Seine dunklen Augen konnten strahlen, sie waren voller Liebe, wenn er so dachte. Und sein Mund konnte sich zu einem schelmischen Lächeln verziehen, wenn er so siegesbewusst auf die Erfüllung seiner heimlichen Sehnsucht hoffte.

Ja, Angelo hatte entbehren müssen, was gewöhnlichen Kindern sonst zur nächsten Umgebung gehört, sind doch das liebevoll lächelnde Gesicht der Mutter und das glücklich freundliche Antlitz des Vaters den Augen eines Kindes das Vertrauteste von der Zeit an, da sie als Formen erkennen, was ihnen zuvor ein buntes Gewirr von Licht und Farben war. Angelo wusste nichts davon. Die ganze Vergangenheit seiner kleinen, aber doch so wichtigen Person war gleich schwarz und undurchsichtig wie die dunkle Nacht. Und wer hätte sie ihm erhellen können? Es wusste ja niemand mehr über ihn als er selber. Ist es da verwunderlich, dass ihm der Ort, wo er zur Welt kam, unbekannt war? Wahrscheinlich war dieser Ort irgendwo in einem schmutzigen Haus in der engen, übel riechenden Gasse der sonst so glanzvollen Stadt Rom, die sich die Ewige nennt. Noch weniger verwunderlich ist es unter diesen Umständen, dass er auch darüber keine Auskunft zu geben wusste, wie lange er schon auf dieser Erde weilte, von der er sich gar keinen Begriff machen konnte. Ihm war, als sei er schon immer hier gewesen. Und dass man einmal geboren wird, irgendwo in einem schmutzigen Haus in einer übel riechenden Gasse, war eine Tatsache, die es in seinem Bewusstsein nicht gab. Es interessierte ihn auch nicht im Geringsten, wie alt er in Wirklichkeit war; denn die meisten seiner Kameraden waren über ihr Alter gleich unwissend wie er. Und darum schwieg man darüber. Und wenn ihn doch einmal jemand fragte, so sagte er einfach, er sei gleich alt wie Lorenzo, und der behauptete wenigstens, er sei sieben Jahre alt. Angelo sagte dies, weil er gleich groß war wie Lorenzo. Also musste er doch auch gleich alt sein. Manchmal hatte es Streit gegeben, wenn ein Kamerad ihm nicht hatte glauben wollen. Aber diese Zwiste waren immer bald vergessen. Oft hatte Mario geschlichtet. Aber die Streitfrage hatte auch er nicht lösen können. Die konnte überhaupt niemand lösen.

Dies war nun schon lange her, als Angelo noch nicht sein eigener Herr und Meister war. Jetzt fragte ihn niemand mehr nach seinem Alter und seiner Herkunft. Die spielen keine Rolle mehr, wenn man eine eigene Wohnung hat, und eine solche hatte er jetzt. Allerdings nicht allein, sondern zusammen mit Mario und Lorenzo. Jetzt sorgte er für sein Leben allein. Manchmal schon auch zusammen mit Mario und Lorenzo. Oft aber doch meistens ganz allein.

Aber was war nicht immer so gewesen.

Angelo

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