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Endlich in Freiheit

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So wie sich die Vögel ihr Nest zusammentragen, so hatten Mario, Lorenzo und der kleine Angelo all das herbeigeschafft, was sie für ihre Bequemlichkeit brauchten: ein Häufchen Stroh, Säcke und Lumpen, eine alte zerrissene Decke. Alles, was sich finden ließ, hatten sie in den heimlichen Schlupfwinkel getragen.

Der Schlupfwinkel: Lorenzo hatte ihn am dritten Tag entdeckt. Die ersten beiden Nächte hatten sie sozusagen unter freiem Himmel geschlafen. Das ganze Forum Romanum, den Circus Maximus, diese alte römische Arena, den Palatin hatten sie abgesucht. Am Abend waren sie in einer feuchten Grotte eingeschlafen. Am Morgen hatte sie die Sonne geweckt. Sie waren aufgestanden, hatten sich umgesehen, und da sie Hunger verspürten, waren sie aufgebrochen, etwas Essbares zu suchen. In der zweiten Nacht hatten sie am gleichen Ort geschlafen, und am Morgen des dritten Tages, als sie aufwachten, hatte Lorenzo den Schlupfwinkel entdeckt. Das war so zugegangen:

Lorenzo hatte am Tag zuvor von einem amerikanischen Soldaten ein kleines, rundes Brot erhalten. Er hatte es neben sich gelegt, bevor er eingeschlafen war, damit er am Morgen gleich das Essen bereit habe. Als er sich erwachend drehte und reckte, stieß er mit dem Arm an das Brot; das Brot fiel von dem Stein, auf dem es lag, herunter und rollte gegen die Wand der Grotte, wo ein dorniger Strauch aus dem felsigen Boden herauswucherte, und verschwand. Ja, es verschwand. Lorenzo hatte, noch halb im Schlaf, dem davonrollenden Brot nachgeschaut. Eben hatte er es noch gesehen, mit verschleierten Augen zwar, nicht klar, aber doch so deutlich, dass er wusste, dass es dort unter dem Strauch hindurchgerollt war. Aber jetzt war es fort. Lorenzo war plötzlich hellwach geworden. Er sprang auf, eilte dem Brot nach und suchte unter dem Strauch. Das Brot blieb verschwunden. Lorenzo griff zwischen den dornigen Ästen hindurch und – griff ins Leere. Ja, er griff ins Leere, als ob er die Hülle der Erde durchstieße und ins Weltall hinaus, in die Ewigkeit hinauslange. Sein ganzer Arm versank, und seine Hand griff – nichts, kein Wasser, keine Erde, nichts Fassbares. Lorenzo zog seinen Arm erschauernd zurück und ging seine beiden Kameraden zu wecken.

„Es muss eine Höhle sein“, erklärte Lorenzo ganz aufgeregt und berichtete, wie sein Brot hinter dem Strauch verschwunden war, und wie er das Loch entdeckt hatte.

Mario und Angelo traten herbei, und Lorenzo streckte den Arm wieder zwischen den Zweigen hindurch, aber nicht mehr so weit. Man kann ja nie wissen. Vielleicht wohnt ein wildes Tier in einer solchen Höhle, das einem den ganzen Arm abfressen könnte.

Mario drängte Lorenzo auf die Seite, und auch er streckte den Arm in das Loch, ein wenig beherzter als Lorenzo.

„Wir müssen den Strauch ausreißen“, sagte Angelo und griff nach den Ästen, aber er fuhr gleich wieder zurück; denn er hatte mitten in die Dornen gegriffen.

„Lass es nur!“, sagte Mario, „vielleicht können wir uns in dem Loch verbergen; dann sind wir froh, wenn uns der Strauch verdeckt.“

Sie drückten nun sorgfältig die Äste auseinander, und Mario kroch in das Loch. Die Öffnung war gerade so groß, dass er noch gut durchschlüpfen konnte, wenn er sich ganz flach auf den Boden drückte.

„Es ist ganz finster“, sagte er und kroch weiter. Schon war nichts mehr von ihm zu sehen.

„Es ist eine richtige Höhle“, rief er, und seine Stimme klang dumpf und hohl.

„Ist sie groß?“, fragte Angelo.

„Ich weiß es nicht“, rief Mario zurück, „ich sehe nichts, es ist ganz dunkel.

Angelo kroch in das Loch. Sein Herz klopfte heftig.

„Aufpassen!“, warnte Mario. „Es geht ein paar Tritte hinunter.“

Angelo rutschte auf dem Bauch vorwärts, hinter ihm Lorenzo. Es ging wirklich ein paar Stufen hinunter, wie bei einer Treppe.

„Mario stand aufrecht in der Höhle. Er hatte sich schon ein wenig an die Dunkelheit gewöhnt. Und durch das Schlupfloch kam ein wenig Helle herein. Er sah, wie die beiden Schatten, langsam vor sich hertastend, ihm entgegenkrochen.

„Steht doch auf!“, sagte er, die Höhle ist hoch genug.

„Wo bist du denn?“, fragte Lorenzo und stand auf.

„Hier, gerade vor euch“, antwortete Mario und griff nach den beiden. Lorenzo fühlte plötzlich eine Hand an seinem nackten Arm, Angelo eine kalte, feuchte an seinem Hals.

„Uh, bist du’s?“, fragten beide zugleich mit ängstlicher Stimme und wichen einen Schritt zurück.

„Natürlich“, sagte Mario, „nur keine Angst!“

„Jetzt seh ich dich auch!“, rief Angelo auf einmal freudig, und Lorenzo sagte: „Ich sehe euch beide.“

Die drei standen zusammen in der Mitte der Höhle und spähten umher. Weil draußen der Morgen immer heller wurde, drang durch das Loch im Felsen auch etwas mehr Licht herein. Langsam konnten sie die Wände der Höhle erkennen. Der Boden war, nachdem er hinter dem Eingang einen halben Meter stufenförmig abfiel, ziemlich flach. Die ganze Höhle hatte ungefähr die Größe eines kleinen Zimmers.

Plötzlich fasste Lorenzo seinen älteren Kameraden am Arm.

„Mario, schau dort! Was ist das?“, fragte er ängstlich.

Am Rande jenes Lichtstreifens, der durch die Öffnung fiel, war etwas Kleines, Rundes. Es bewegte sich nicht. War es ein Tier? Ein Igel oder eine schlafende Ratte?

„Mario lachte. „Hab doch keine Angst! Das ist doch nur ein Stein.“

„Lorenzo lachte auf einmal mit. „Ich weiß, was es ist!“, rief er und bückte sich. „Mein Brot! Kommt, wir essen es miteinander!“

„Dieses Brot ist schuld, dass wir die Höhle gefunden haben“, sagte Lorenzo und brach es in drei Teile, die wider seinen Willen ungleich groß wurden. Er betrachtete sie eine Weile, dann legte er den größten für sich beiseite und reichte die beiden anderen Mario. Der nahm das kleiner Stück und ließ Angelo das größere.

Lorenzo griff nun nach seinem Stück. Es war nicht viel, und sein Magen knurrte. Er besah es lange und von allen Seiten. Dann schaute er auf Marios Hand, die das kleinste Stück hielt, das bereits um einen Bissen noch verkleinert worden war. Als es Mario wieder zum Mund führte, nahm es ihm Lorenzo rasch aus der Hand, ehe er davon abbeißen konnte und gab ihm das seine.

Wenn das nicht echte Kameradschaft ist!

Angelo

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