Читать книгу Immer noch Träume - Martin Steiger - Страница 12
Das Taschentuch meines Vaters
ОглавлениеUnser Vater war im Grunde seines Herzens ein Landwirt und Gärtner. Das hing nicht nur damit zusammen, dass er auf einem Bauernhof aufgewachsen war. Sondern auch damit, dass er nach dem Krieg sich und seine Familie aus dem Garten ernähren musste, weil er im Osten geblieben war, und sein Gehalt lange unter dem eines Arbeiters lag. Vater arbeitet gerne in seinem Garten und machte lange Ausflüge durch die Felder, um zu sehen, wie es mit Wachstum oder Ernte stand? Er liebte die alten Obstsorten des Pfarrgartens, verstand sich auch aufs Veredeln und war sehr stolz darauf, dass eines Tages drei Sorten von Birnen auf einem Baum Frucht trugen. Wenn er nach einer Taufe oder Trauung durch den Garten ging, konnte es geschehen, dass er im Anzug und mit guten Schuhen gleich einmal ein paar Reihen umgrub, bevor unsere Mutter ihn zur Ordnung rief und darauf bestand, dass er die Sachen wechselte.
Wenn Vater mir als Kleinkind einmal die Nase putzte, fiel mir der besondere Geruch seines Taschentuches auf, der mir in Erinnerung blieb, und den ich mir nicht erklären konnte.
Auch ich hatte als Pfarrer große Gärten zu bewältigen, was mir recht und schlecht gelang. Und Vater sagte zu mir, wenn er einmal zu Besuch war mit leichter Geringschätzung in der Stimme: „Du mit deinem Öko-Garten…“
Viele Jahre später war es. Ich hatte eine meiner Gartenhosen zwei Jahre nicht benutzt und wollte sie ausmustern. Ich griff in die Taschen, um mögliche Inhalte heraus zu nehmen, fand auch ein Taschentuch und führte es prüfend an meine Nase. Da war er wieder, der Geruch meiner Kindheit. Es roch so wie einst das Taschentuch meines Vaters! War ich ihm also doch noch auf die Schliche gekommen…!