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Die Weimarer und der Gottesname
ОглавлениеGottesnamen gibt es im Alten Testament eine ganze Reihe: Elohim, El und Jahwe fallen mir aus dem Stand ein. Man soll ihn (sie) nicht unnütz verwenden, nicht gedankenlos daherreden also, sagt das 2. Gebot, weil es ein heiliger Namen ist. Jahwe heißt „Ich bin, der ich bin“. Mit diesem Namen offenbart sich Gott, als er den Mose beruft in der Geschichte vom Dornbusch, dem brennenden, die 2 Mose 3 nachzulesen ist. In vielen Kirchen ist der Jahwe-Name zu finden in hebräischen Buchstaben im Hochaltar oder am Schalldeckel der Kanzel. In Weimars Stadtkirche „St. Peter und Paul“ ist er über der Kanzel dargestellt.
Doch hat es eine Zeit gegeben, die noch gar nicht so lange her ist, da hat man versucht, alles Jüdische aus Christentum und Kirche zu eliminieren. Wie das letztendlich gehen sollte, ist mir rätselhaft, wo doch die gesamte Heilige Familie und die Jünger einschließlich Paulus aus dem Volk Israel kommen!? Damals, 1938, wurde von Pfarrer Erich Kittelmann (Pfarrer des Sprengels „Friedrich Horn“ („Herzog Bernhard“, „Johannes“)) zusammen mit dem Jugendwart Paulin im Gemeindekirchenrat der Antrag eingebracht, den Gottesnamen zu entfernen, und der Gemeindekirchenrat hat diesem Antrag zugestimmt. Das ist fünf Jahre nach der „Machtergreifung“ der NSDAP gewesen. Der damalige Superintendent hieß Richard Kade. Er war nicht der Antreiber, aber er hat es auch nicht verhindert. Das genaue Abstimmungsverhalten der Gemeindekirchenräte ist nicht nachzulesen, weil das Protokollbuch jener Jahre auf ungeklärte Weise verschwunden ist. Die Vermutung liegt nahe, dass da Spuren verwischt werden sollten. Ob es auch in einer anderen Kirchgemeinde der Ev.-Luth. Kirche in Thüringen oder im Raum Deutschlands einen solchen Vorfall gegeben hat, ist mir nicht bekannt. Schlimm genug der eine, in dem sich eine Kirchgemeinde vom Namen Gottes trennte! Das ist doch nicht zu fassen! Jedenfalls nicht für uns Nachgeborene. Auch hier schlägt „Weimars dunkle Seite“ voll durch.
Nun darf aber auch berichtet werden, dass dieser grobe Fehler korrigiert worden ist, wenn es auch bis dahin lange gedauert hat. Am 16.11.2000 hat der Gemeindekirchenrat Weimar, in der Zeit von Superintendent Wolfram Lässig beschlossen, den alten Zustand wieder herzustellen: Gottesname Jahwe in hebräischen Buchstaben im Strahlenkranz. Das war abgestimmt mit dem Landesdenkmalsamt Thüringen. Die Kirchlichen Werkstätten für Restaurierung Erfurt (Dipl.-Rest. Christiane Machate) haben die Arbeiten ausgeführt. Und am 11. April 2001, 18 Uhr wurde in einem festlichen Akt unter Anwesenheit der Kirchgemeinde, und einiger Honoratioren aus Stadt und Land der neue Gottesname enthüllt. Die nicht unbeträchtlichen Kosten (11.800 DM) waren aus Sonderspenden der Kirchgemeinde aufgebracht worden.
Bleibt zu berichten, dass Bischof Mitzenheim nach dem Krieg Richard Kade im Amt beließ, während Kittelmann nach Heichelheim versetzt wurde. Was aus Paulin geworden ist, konnte nicht eruiert werden.
In dem Zusammenhang möchte ich aber auch an einen mutigen Pfarrer aus Weimar erinnern: Pfarrer Alexander Wessel (1880-1954). (Nicht zu verwechseln mit Pastor Ludwig Wessel, den Vater von Horst Wessel, der den Text des Horst-Wessel-Liedes geschrieben hat: „Die Fahnen hoch! Die Reihen dicht geschlossen!“) Alexander Wessel war Pfarrer des Luther-Sprengels. Er war ein sozial denkender Mann, der den „Christbaum für alle“ eingeführt hatte, der jährlich in der Adventszeit vor dem Kunstgewerbemuseum (Neues Museum) aufgestellt wurde. Als Fritz Saukel, der Reichsstatthalter, der im Kunstgewerbemuseum seinen Sitz hatte, 1936 das Kreuz auf der Spitze des Baumes verbieten ließ, beendete Pfarrer Wessel diese Tradition. Als der sich schließlich in einem Brief an seine Gemeinde öffentlich gegen den Krieg wandte, wurde Pfarrer Wessel von der Gestapo verhaftet und in Buchenwald interniert. Über die Länge seines Aufenthaltes dort gibt es unterschiedliche Angaben. Auf jeden Fall durfte Wessel bis zum Ende des Krieges nicht auf eine Kanzel. Es heißt, Hitler habe gesagt, ein Mann dieses Namens könne nicht in einem KZ bleiben! Hat der kleine Schnauzbärtige aus Braunau auch einmal etwas auf der Habenseite?
Zuletzt möchte ich noch folgendes bemerken. Es ist leicht, sich als später Geborener auf die Seite der Empörten zu stellen im Sinne von „Wie konnten die nur…!“ Als ich vor Jahren die Vakanz Esperstedt hatte, wo der spätere Bischof der Ev.-Luth. Kirche in Thüringen, Ingo Braecklein, Vikar gewesen war, fand ich dessen Schreiben stets mit „Heil Hitler!“ signiert. Und ebenso soll selbst ein Mann wie Paul Schneider anfangs seine Briefe beendet haben.
Was wissen wir von der Begeisterung und von der „Bewegung“, von den Aufmärschen, Jubel-Inszenierungen und Hoffnungen jener Tage? Noch heute geht von solchen Filmen eine eigenartige Faszination aus. Dennoch muss es gestattet sein, mit Namen und Vornamen von den Verirrungen jener Zeit zu berichten. Das sind wir unseren Kindern und Enkeln schuldig! Das sind wir Gott Jahwe schuldig!
p.s: Im Zusammenhang mit dem 2. Weltkrieg, schreibt mein Freund Olaf, seien ca. 2000 ev. Pfarrer gefallen bzw. gestorben. Etwa 20 ev. Pfarrer seien im Widerstand gegen das 3. Reich umgekommen. Ein Prozent! Das wirft ein eindeutiges Licht auf das Verhältnis der Evangelischen zum 3. Reich und relativiert die Bedeutung der sogenannten „Bekennenden Kirche“ für die Gesamtheit der Ev. Kirche in Deutschland enorm!