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Mein Weg zur Astronomie

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Wer bin ich? Ja, zugegeben, doofe Frage – ich bin der Martin, als die Entscheidung zum Spiegelschleifen reifte, 52 Jahre alt – aber wie bin ich dahin gekommen?

Aufgewachsen auf einem Bauernhof in der nordöstlichen Ecke von Baden-Württemberg, nicht mehr Schwaben, noch nicht Franken: im schönen Hohenlohe; ein kleiner Ort mit damals 23 Einwohnern. Viel Platz, viel Ruhe, wahnsinnig viele Freiheiten als Kind. Die gute alte Zeit, Haustüren waren nicht abgeschlossen, kein Gedanke, dass Kinder nicht alleine durch die Umgebung streifen dürfen.

Als Kind hatte ich oft Hustenanfälle, Bronchitis, keine Ahnung ob das dem ähnelten, was dann bei der folgenden Kindergeneration als Krupphusten bekannt geworden ist, auch egal. Meine Kinderärztin wollte mich zur Kur an die Ostsee schicken (oder war es die Nordsee? Schon sooo lange her, da verwischt manches) – ich habe mich damals nicht getraut, so weit alleine weg zu gehen, bin lieber bei Mama geblieben. Und was blieb meiner Mutter, wenn die nächtlichen Hustenanfälle zu schlimm wurden? Sie hat mich in den Anorak gepackt und auf den Hof „gestellt“ - dort konnte sich die Lunge beruhigen und mir blieb der Blick nach „oben“. Dunkle Nächte, keine Straßenbeleuchtung, wahnsinnig viele Sterne – das war mein erster Kontakt zur Astronomie – zumindest bilde ich mir das im Nachhinein ein. Es gab Tage (besser Nächte) an denen konnte man Polarlichter sehen, Polarlichter in unseren Breiten, heute ein Ding der Unmöglichkeit, viel zu viel Schmutz in der Atmosphäre.

Viele Sternbilder kannte ich als Kind nicht, grade Mal den großen und den kleinen Wagen. Das war mir aber egal, in der Schulbibliothek habe ich irgendwann mal ein Sternebuch gefunden – aber Orientierung am Himmel? Fällt mir auch heute noch schwer. Zum Beobachten blieben damals „nur“ die Augen, diese waren noch deutlich besser als heute, ich habe von den Plejaden noch alle sieben Großen Sterne gezählt, heute schaffe ich das nicht mehr – und Papas Feldstecher, kleines „Wanderteil“ 8x30 hatte er vom „Müllers Otto“ bekommen. Ein befreundeter Optiker aus Schwäbisch Gmünd. Dieser war leidenschaftlicher Segelflieger und hatte mal eine Außenlandung auf einer unserer Wiesen. Mein Vater hat ihn dann mit seinem VW-Käfer aus der Wiese gezogen, daraus ist dann eine sehr gute, langanhaltende Freundschaft entstanden – einmal hat Otto Müller einen kleinen Fallschirm mit Luftbildern unseres Ortes aus seinem Flugzeug geworfen, und wir haben ihn gefunden, war eine tolle Zeit.

Mit dem kleinen Feldstecher war schon etwas mehr vom Sternenhimmel zu erkennen, es entstand der Wunsch nach einem „richtigen“ Teleskop. Leider waren diese damals kaum zu finden und wenn dann richtig teuer. Geld war immer knappes Gut, also blieb das ein Traum.

Dieser Traum hat mich nie so richtig losgelassen. Nach Schule, Ausbildung, nochmal Schule, Wehrdienst und Studium (Elektronikingenieur), erste eigene Wohnung einrichten, da war endlich etwas Spielraum für die alten Träumereien: ein Teleskop sollte her. Nach etlichen Beratungen beim örtlichen Optiker, ausgiebigen Studium der Astronomiezeitschriften (Internet war noch nicht wirklich aktuell), habe ich mich auch kurz mit dem Gedanke zum Selbstbau beschäftigt („dem Ingeniör ist nichts zu schwör“) - als absoluter Laie hab ich dann aber auf den Rat von Herrn Baader (Baader Planetarium) gehört und mich für eine günstige, fertige Variante entschieden: das gute Siberia 1200 – Newton-Teleskop 150mm Öffnung, 1200mm Brennweite auf parallaktischer Montierung mit Nachführmotor für ca. 1600 DM – war damals auch viel Geld, aber bezahlbar. Diese russischen Teleskope waren etwas „grob“ gefertigt, wahnsinnig schwere Montierung, keine Feineinstellung von Polhöhe und Azimut, der Okularauszug aus meiner heutigen Sicht eine Zumutung, aber gute, feine Optik, reichlich Zubehör und nicht Tod zu kriegen. Die Montierung habe ich auch heute noch im Einsatz – versuche gerade den periodischen Schneckenfehler elektronisch in den Griff zu bekommen, damit die Astrobilder endlich besser werden…

Aber stopp, so weit war ich damals noch lange nicht. Dachte ja, Sternegucken geht mit dem Teleskop vom Balkon (war in Südrichtung), leider waren zu viele Bäume im Garten des Mietshauses und zu viel Straßenbeleuchtung drum herum. Also musste das schwere russische Teil (ca. 45kg mit Montierung und Transportkisten) jedes Mal aus dem Keller, ins Auto, nach Außerhalb, auf die grüne Wiese. Dann aufbauen, ausrichten – war nicht einfach, die russische Variante verfügte über keinen Polsucher. Dann etwas Sternegucken und dann wieder alles zurück in den Keller. War ein riesen Aufwand und machte nicht wirklich Laune, leider habe ich das dann auch viel zu selten gemacht. Nun hatte ich Teleskop, aber scheute den Aufwand zum Durchschauen.

Ein anderer Grund war auch, dass die Familie größer wurde, kleine Jungs kennen morgens keine Gnade, egal wann der Papa nachts (oder früh morgens) ins Bett kommt, morgens ist Tohuwabohu.

Also keine Zeit zum Ausschlafen. Wenig Gelegenheiten für das Teleskop. Das Hobby war dann etwas im Hintergrund.

Beim Hausbau wurde es dann wieder aktuell: Bauplatz in Randlage, einmalige Gelegenheit für eine eigene Sternwarte direkt im Haus: nie mehr Teleskop schleppen und lange aufbauen, nur hochsteigen und Klappe aufmachen, Sternegucken ohne Aufwand – das war das Ziel.

Es war dann etwas schwierig, die ersten Architekten haben abgewunken: angeblich schwierig zu genehmigen. Ich bin dann zu Alexander Beck aus Blaufelden gekommen (Nachfolger des Architekten meines Vaters – bin da etwas geprägt und gehen gerne zu bekannten Firmen, Handwerkern…). Dieser Architekt war sehr fasziniert von meiner Idee: „So was hat er noch nie geplant, und Genehmigung? Sollte problemlos sein: jeder Erkergröße und jede Dachfenstergröße, Dachneigung und Firstrichtung ist vorgeschrieben, aber von einer runden Kugel auf dem Dach, da steht nix im Bebauungsplan“.

Also gesagt, geplant, genehmigt und losgebaut. Hausbau in Eigenregie – die Kosteneinsparung durch Muskelhypothek machten die Sternwarte möglich. Leider war ich zu vorsichtig und habe die eigentliche Kuppel viel zu spät bestellt: im Sonnenfinsternisjahr 1999. Damals habe ich das Teleskop auf der Baustelle aufgebaut, und neben dem Mauern immer wieder mal beobachtet und auch ein gutes Foto hinbekommen. Das war auch prägendes Erlebnis, in unseren Breiten war damals die Sonne nicht komplett abgedunkelt, da fehlten ein paar Kilometer in Südrichtung. Habe damals überlegt etwas weiter weg zu fahren, aber das Wetter war wolkig, also dann lieber am Haus weiterarbeiten. Zur Sonnenfinsterniszeit sind dann die Wolken aufgerissen und es war super zu beobachten, war ganz besondere Stimmung, ganz schnell fast dunkel und merklich kälter geworden.

In diesem Jahr haben anscheinend die Sternwartekuppeln geboomt, die versprochenen sechs Wochen Lieferzeit konnte die Firma Baader leider nicht einhalten, und meine offene Sternwarte musste ohne Kuppel durch die Herbststürme – immer wieder hat es die schützende Plane losgerissen und Regen ist in die Isolierung gelaufen – war zum Verzweifeln.

Aber irgendwann war das Teil dann drauf und hat seither jedem Sturm standgehalten.

Nun hatte ich die fast perfekte Möglichkeit (ja das Streulicht in Randlage habe ich unterschätzt) um meinem Hobby nachzugehen. Na ja, Kinder sollten nachts schlafen und ich dann keinen unnötigen Lärm im Haus machen – das Quietschen der Kuppel gehörte zu den unnötigen Lärmquellen – zudem habe ich dann das Laufen für mich entdeckt – die langen Läufe waren für Sonntagmorgen geplant – da schlief die Familie in der Regel noch und ich wurde nicht vermisst. Und wer morgens lange Laufen will, muss abends zeitig ins Bett – also wieder nix mit Astronomie.

Die Kinder (mittlerweile fünf) wurden größer, die Möglichkeiten zum nächtlichen Gucken wurden wieder mehr. War immer etwas zyklisch, mal Zeit mit regelmäßigem Schauen, dann wieder ganz selten.

Durch kleinere Undichtigkeiten in der Sternwarte (beim Selberbauen können auch Fehler gemacht werden - vielleicht sollte man ab und zu jemand fragen der sich auskennt?) wurden einige Holzteile marode und mussten ersetzt werden. Bei der Renovierung im Sommer 2019 wurde ich wieder „Feuer und Flamme“ für die Astronomie – mein altes Hobby stand wieder im Mittelpunkt – wurde wieder intensiviert.

Leider ist man als Hobby-Astronom meist „Einzelkämpfer“, um da etwas Erfahrungsaustausch zu ermöglichen versuche ich seither in Volkshochschulkursen Andere von meinem Hobby zu begeistern – hatte das Jahre vorher mal per Zeitungsinserat versucht: „Hobbyastronom sucht Gleichgesinnte zum Erfahrungsaustausch ...“ - hat sich nur ein Mädel gemeldet und hielt das für eine Kontaktanzeige für Partnersuche ;-).

In meinem Kurs „Abenteuer Astronomie“ versuche ich die Vielfalt des Hobbys darzustellen, dazu gehört auch das Basteln – die Möglichkeit den Spiegel selber zu schleifen wurde da immer belächelt.

Da ich mein gutes altes 6“er nicht aus der Sternwarte ab und aufbauen wollte und noch nach einer Möglichkeit zum „Public Viewing“ suchte habe ich dann nach einem kleinen mobilen „immer dabei“ Teleskop gesucht. Wollte auch sehen ob ein 100mm Teleskop am „dunklen Ort“ mehr Details zeigt, als mein 6“ in der Sternwarte mit viel Streulicht. So ist mein „Minniskop“ entstanden: Russentonne + gebrauchte Montierung + viel Bastelarbeit + ein Satz Okulare (die Russischen meines 6“ers passten leider nicht in Standard 1¼ Zoll Anbauteile. So hatte ich die Möglichkeit für Mond-Watching + Starhopping an abgelegenen Orten.

Es zeigte sich schnell, dass bei Deep-Sky-Objekten der 6“er mit Streulicht immer noch bessere Ergebnisse lieferte als der 4“er am dunklen Ort. Also musste andere, größere Lösung her.

Dann kam Corona: Frühling 2020, erster Lockdown, endlich nachts leere Straßen und viel weniger Streulicht – und Homeschooling für meine beiden jüngsten Töchter. Ich hatte die Idee in der vielen freien Zeit Mund-Nasen-Masken zu nähen: Töchterchen sollten nähen, ich bei EBAY verkaufen. Leider konnte ich die lieben Kleinen nicht überzeugen und habe dann alleine angefangen – als die Stückzahlen größer wurden hat mich zum Glück meine Leichtathletiktochter (bin nebenher Kindertrainer im Sportverein, und Tochter Lisa meine Testathletin, mit der ich immer wieder neue Disziplinen einführe) unterstützt. Zwischenzeitlich war das richtig Stress die Bestellungen abzuarbeiten – dieses Hobby hat dann für einen Laptop für die Tochter und für mich größeres Teleskop gereicht. Hab lange überlegt, welche Größe ich der alten Russen-Montierung zumuten kann (bin ja etwas geizig und wollte nicht alles neu) – den Ausschlag hat dann ein Angebot bei Ebay-Kleinanzeigen gemacht, ein Skywatcher 8“er fast neu und genau zu dem Preis meiner letzter Unterlegscheiben-Skulptur die ich im Zuge der Maskenaktion verkauft habe – noch so ein Hobby: Frauen-Torsos aus Unterlegscheiben schweißen – aber andere Geschichte. Leider war das gebrauchte Teleskop schon weg, ich habe das „Zeichen“ aber befolgt und mir das Selbe dann neu gegönnt.

Der erste Blick durch das 8“-Teil hat mich „geflasht“ - wo bisher nur „milchige Flecken“ zu sehen waren habe ich endlich die lange gesuchten Andeutungen von Galaxien gesehen. Das hat Lust auf mehr gemacht – jetzt sollte ein richtig großes Rohr her – endlich sehen, was bisher nur die Kamera schafft. Da die großen Rohre nur als Dobson zu realisieren sind, habe ich erst mal eine solche Montierung für mein frei gewordenes 6“er gebastelt – wollte erst mal sehen und fühlen wie das funktioniert. Das Ergebnis war sehr praktikabel – Perfektionist bin ich da noch nicht, aber meiner „schnell und schlampig Zeit“ zum Glück entwachsen. So ein Dobson-Teleskop erschien mir als gute Lösung und da war sie dann wieder, die Idee zum Spiegelschleifen – kaufen ist langweilig, wollte mir und meinen VHS-Kurs-Teilnehmern zeigen, dass es wirklich geht. Sollte ein Test werden, nicht der perfekte Spiegel, nicht das perfekt Teleskop, einfach mal testen was geht und was eben nicht geht.

Da war der Urlaub im Corona-Sommer gerade passend, drei Wochen Garten, Zeit zum Schleifen.

Inzwischen ist das „Teil“ ziemlich fertig, der Spiegel gerade auf dem Weg zu OrionUK zum verspiegeln (der blöde Brexit hat das ziemlich in die Länge gezogen, aber die üblichen deutschen Verspiegler wollten utopische Preise) und ich habe in der Wartezeit begonnen meine Spiegelgeschichte aufzuschreiben. Ein Buch wollte ich schon immer mal schreiben, als Kind Sciencefiction, später meine Diplomarbeit zum Leistungselektronikbuch erweitern, jetzt mach ich zum ersten Mal ernst und versuche halt meine Spiegelgeschichte – muss ja alles mal ausprobieren….

Mein Spiegel, mein Guru und Ich

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