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Sauer macht lustig

Mit Äpfeln habe ich bislang nie positive Erfahrungen sammeln können.

Ich erinnere mich daran, wie ich eines Tages – ich war zehn Jahre alt – auf dem Schulhof stand und zur Mittagspause genüsslich in meinen Elstar biss. Plötzlich kamen aus dem Gebüsch meine Mitschüler Kalle und Max und zeigten mit ihren Fingern auf mich.

„Ha, da isst die dicke Kuh ja das Richtige“, sagte Kalle.

Max, der bei jedem Kommentar Kalles nichts anderes tat, als zuzustimmen, lachte verächtlich. „Ja, das stimmt. Sie sieht ja auch wirklich aus wie ein kugelrunder Apfel.“ Dann waren sie verschwunden. Und mir war der Appetit auf Äpfel vergangen – bis heute.

Mein Sohn Finn allerdings liebte dieses Obst. Jeden Tag sollte ich ihm in seine Pausenbrotdose Apfelschnitten legen. Am liebsten ganz grüne, saure.

Und wenn der Apfel an einem Tag nicht mehr so knackig und sauer war, dann bekam ihn Finns bester Kumpel Freddy. Freddy war ein Pony und ein ganz besonderer Apfelliebhaber. Woher ich das wusste? Gunter, Freddys Besitzer, hatte es mir erzählt. Gunter war ein alter Mann mit grauem langem Bart. Jeden Tag saß er am Fenster und guckte auf die Straße – oder besser gesagt auf die gegenüberliegende Weide.

So kam es, dass er eines Tages meinen kleinen Sohn beobachtete, wie er seine Brotdose aus dem Schulranzen kramte und das Pony mit Apfelstücken fütterte. Am darauffolgenden Tag wiederholte sich das Schauspiel. Sicherlich hatte ich dem Jungen die Äpfel von Tante Marta mitgegeben. Die mochte er nämlich gar nicht ... also die Äpfel. Und da Tante Marta einen ganzen Korb vorbeigebracht hatte, kam Finn täglich bei Freddy vorbei.

An einem Tag saß ich am Kaffeetisch und starrte auf die Uhr. Es war bereits vier Uhr nachmittags und Finn war noch immer nicht da. Ich machte mir Sorgen, denn der Junge hatte schon um zwei Uhr Schulschluss gehabt. Er hätte schon längst zu Hause sein müssen. Gegen halb fünf rief ich in der Schule an. Von Finn keine Spur. Panisch schnappte ich mein Rad und fuhr Finns Schulweg ab. Ich klingelte bei Familie Rudolf, wo Finns Freund Georg wohnte. Aber Finn war nicht da. Schnell fuhr ich weiter. Mittlerweile prustete ich ziemlich laut vor Anstrengung.

Da guckte plötzlich Gunter aus dem Fenster und lachte: „Na, Sie prusten ja lauter als mein Pferd.“

Ich wusste nicht, ob ich über diese Bemerkung lachen oder weinen sollte. Deshalb ließ ich das Gesagte kommentarlos und trat weiter in die Pedale. Gunter musste erkannt haben, dass ich nach etwas suchte. Es fuhr wohl nicht jeden Tag eine Frau mit Kopfhaube – kurz bevor ich den Kaffeetisch gerichtet hatte, hatte ich meine Haare gefärbt – an seinem Fenster vorbei.

Auf den Kern gebracht

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