Читать книгу Wie aus dem Ei gepellt ... - Martina Meier - Страница 44
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Lauras Osterschweinchen
Sie blinzelte, weil die Strahlen der Morgensonne ihr Zimmer so hell erleuchteten, und kuschelte sich tiefer in ihre Kissen, als es ihr urplötzlich einfiel. Ruckartig setzte sie sich in ihrem Bett auf. Wie weggeblasen war der letzte Rest Müdigkeit. Ostern! Es war Ostern!
Schwupp di wupp schlug sie die Bettdecke zur Seite, schob ihre nackten Füße in die grasgrünen Pantoffeln und stürmte aus der Tür.
„Hey, wo willst du hin? Zieh dir was an. Es ist kalt draußen!“ Mamas Worte klangen in Lauras Ohren, aber stehen bleiben mochte sie nicht. Sie musste es wissen. Immer wieder hatte sie gerechnet. Mehr als vier Mal hatte sie es überprüft und sicherheitshalber noch einmal im Buch nachgelesen: Die Trächtigkeit bei Meerschweinchen dauert 65 bis 68 Tage.
Seit dem aufregenden Nachmittag, an dem Lauras Freundin Mia ihr Meerschweinchen Paul mitgebracht hatte, waren 66 Tage vergangen. Lauras Lotte und Mias Paul hatten sich auf Anhieb supergut verstanden. Das konnte man sehen, und hören, an den leisen Gluckslauten, mit denen sie aufeinander zuliefen und sich begrüßten.
„Wenn Lotte echt Meerschweinchenbabys kriegt, gibst du mir eins ab, okay?“, hatte Mia gebettelt und Laura hatte genickt.
Mama hatte sie lieber nichts von dem Treffen der Meerschweinchen erzählt. In ihrem Buch stand, dass gesunde Meerschweinchen keine Probleme mit der Geburt haben und dass die Kleinen ebenfalls keine Hilfe benötigen. Sie haben Fell, offene Augen und können riechen und hören. Schon am zweiten Tag fangen sie an, vom normalen Körnerfutter der Mutter zu knabbern. Was sollte also schief gehen? Besser, wenn Mama nichts wusste und keine Gelegenheit bekam, sich Sorgen zu machen. Denn irgendwie wurde Laura das Gefühl nicht los, dass Mama einen Grund finden würde, sich Sorgen zu machen.
Nun stand sie bibbernd vor dem Meerschweinchengehege. Mama hatte recht. Es war wirklich kalt. Neugierig suchte Laura den Käfig mit den Augen ab. Lotte saß in ihrem Häuschen. Nur die kleine Nase steckte sie neugierig schnuppernd heraus.
„Fröhliche Ostern, Lotte!“ Laura wollte gerade die Stalltür öffnen, um Lotte zum Schmusen auf den Arm zu nehmen, als sie ein kleines, hellbraunes Bällchen neben Lottes rechtem Vorderfuß entdeckte. Ungläubig schaute sie genauer hin. Das Bällchen bewegte sich. Entzückt quietschte Laura auf. Prompt zog Lotte sich erschrocken ein Stückchen tiefer in ihr Häuschen zurück und gab den Blick frei auf ein zweites Bällchen, eines mit weißen und schwarzen Flecken im hellbraunen Fell.
Vor Aufregung und vor Kälte tippelte Laura unaufhörlich von einem Fuß auf den anderen. Es war nicht zu fassen! Sie hatte die beste Osterüberraschung der Welt entdeckt: lebendige, neugeborene Meerschweinchen. „Meine Osterschweinchen“, flüsterte sie zärtlich. Dann flitzte sie über den Rasen zurück ins Haus. Das musste Mama sich angucken. Unbedingt!
„Mama!“ Noch im Laufen schrie Laura ihre Aufregung und Freude durch den Garten. Dann plötzlich blieb sie wie angewurzelt stehen. Was, wenn Mama sich gar nicht freute? Womöglich hatte sie etwas gegen lebendige Osterüberraschungen. Aber nun war es zu spät. Mama hatte ihr Rufen gehört und stand bereits in der Terrassentür. „Was gibt es denn?“
Laura holte tief Luft, nahm allen Mut zusammen und fragte: „Magst du Osterschweinchen?“
„Osterschweinchen?“ Mama sah Laura verständnislos an. „Was soll das sein? Ich kenne Osterhasen und Osterküken und auch Osterlämmer, aber Osterschweinchen? Nie gehört. Warum fragst du?“
„Weil wir welche im Garten haben“, wollte Laura gerade erklären, als Mama fortfuhr: „Und ich kenne Glücksschweinchen. Meinst du die vielleicht?“
Laura nickte begeistert. Na klar, Glücksschweinchen. Das war es. Ihre Meerschweinchenbabys waren allesamt Glücksschweinchen. Osterglücksschweinchen genau genommen. Was für ein Glück, dass Mama selbst darauf gekommen war. Freudestrahlend lief sie auf Mama zu, schlang ihre Arme fest um Mamas Bauch, drückte ihre Nase in den so vertraut und gut nach Mama riechenden Pullover und flüsterte: „Ich wusste, du würdest dich freuen. Du bist die beste Mama der Welt.“
„Moment mal!“ Sanft, aber bestimmt schob Mama Laura ein wenig von sich weg, hockte sich hin und blickte ihr forschend in die Augen. „Worüber soll ich mich freuen?“
„Na ja“, begann Laura zögerlich – und dann erzählte sie Mama alles: von dem Nachmittag mit Mia und ihrem Meerschweinchen Paul und davon, wie gut Lotte und Paul sich vertragen hatten, von der Vorfreude auf kleine Meerschweinchenbabys und von der Geburt. Am Ostersonntag! Das musste man sich vorstellen! So ein Glück!
Mama schwieg. Unsicher biss Laura auf ihre Unterlippe und zeichnete mit dem rechten Fuß kleine runde Kreise auf den Boden.
„Zeig mir mal deine Osterschweinchen.“ Mama erhob sich seufzend.
„Echt?“ Nun gab es kein Halten mehr. Die Erleichterung ließ Laura lossprudeln: „Ich hab ein hellbraunes und ein geflecktes gesehen. In meinem Buch steht alles über Meerschweinchengeburten und ich hab alles gelesen. Ich kenn mich aus mit Trächtigkeit, Aufzucht und Entwicklung.“ Stolz präsentierte sie diese Fachwörter. „Du wirst sehen, es ist alles ganz einfach.“
Erwartungsvoll und nur noch ein ganz kleines bisschen besorgt beobachtete sie Mama, die lange stumm und bewegungslos vor dem Gehege stand.
„Tatsächlich, zwei kleine Osterschweinchen“, murmelte Mama schließlich kopfschüttelnd. „Sehen aus wie richtige Meerschweinchen“, staunte sie. „Nur kleiner, viel kleiner.“ Schmunzelnd zwinkerte sie Laura zu: „Und viel niedlicher.“ Dann lachte sie und Laura wusste, dass alles gut war.
Christiane Amendt ist 55 Jahre alt und lebt mit ihrer Familie in Minden/NRW. Sie ist Autorin des Buches „Babsi, Tobi und Co. Geschichten aus dem Leben eben“, das 2006 zusammen mit wortgleichen CDs als Lesetrainingsmaterial erschien. Außerdem gehört sie zu den Preisträgern des Mindener Schreibwettbewerbes 2009 und hat Gedichte und Geschichten in verschiedenen Anthologien veröffentlicht. Neben dem Lesen und Schreiben gehört die Beschäftigung mit ihren Hunden Lolle und Leopold und seit dem vergangenen Sommer auch mit den beiden Katern Gustav und Knud zu ihren liebsten Freizeitaktivitäten.