Читать книгу Wie aus dem Ei gepellt ... - Martina Meier - Страница 46

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Lilo Löffels Osterfest

Lilo Löffel hoppelte traurig über die Wiese zu ihrem Bau.

„Schneehase, Triefnase“, riefen die anderen Häschen ihr ständig hinterher. Was konnte denn sie dafür, dass ihr Fell weiß war wie frisch gefallener Schnee? All ihre Geschwister und die Nachbarhäschen waren braun, ganz normal hasenbraun. Nur sie nicht!

Lilo rutschte in ihre Schlafhöhle und kuschelte sich in das weiche Heu. Schön warm war es hier unten. So begann die kleine Häsin bald, vor sich hinzuträumen.

Bald, ja, bald würde es Frühling werden. Dann wäre sie schon ein ganzes Jahr alt. Groß genug, um zum Osterhasen in die Lehre zu gehen und ihm zu helfen, die bunten Eier zu verstecken. Oh, wie sie sich darauf freute!

Am nächsten Morgen wurde Lilo früh wach und hüpfte behänd aus ihrem Bau. Neugierig lugten hier und da schon die ersten Gräschen aus der braunen Erde – ein köstliches Frühstück.

Ein Stückchen weiter erblickten Lilos scharfe Augen ein Büschel Schneeglöckchen. Übermütig steckte sie sich eines hinters Ohr. Die Weiße spiegelte sich glücklich im Bach, der die Grenze zur Siedlung der Menschen bildete.

Noch nie war Lilo auf der anderen Seite des Wassers gewesen. Über die schmale Brücke durften die Häschen nur hoppeln, wenn sie mit schweren Kiepen beladen für den Osterhasen unterwegs waren.

Inzwischen waren auch die anderen aus den Nestern gefallen. Schon hatte der dicke Hopserich Lilo erblickt. „Schneehase, Triefnase“, rief er sogleich. „Wir wollen nach dem Frühstück Hochhopsen spielen. Rate mal, wer nicht mitspielt?“

„Schneehase, Doofhase!“, fügte Hasentrine gehässig hinzu. „Du kannst sowieso nicht gut hopsen, weil du nicht einmal eine Farbe hast, ätsch! Und wer nicht hopsen kann, braucht auch keinen Schmuck!“ Damit riss sie Lilo grob das Schneeglöckchen aus dem Fell.

Die weiße Häsin blinzelte die Tränen weg. Wenn ihr doch wenigstens ein einziges Mal eine passende Antwort eingefallen wäre! Aber dazu war sie wohl zu dumm. Mutlos ließ Lilo die Ohren hängen und schlich davon.

Doch welch’ köstlichen Duft trug ihr der Wind da zu? Sie hoppelte weiter und entdeckte bald einen zartlila Krokus. Ein wenig getröstet von der unerwarteten Leckerei kroch die kleine Häsin in den Bau. Bald würde alles besser werden! Bald würde sie dem Osterhasen helfen! Lilo Löffel träumte glücklich davon, wie schön es wäre, die Eier zu färben.

Dabei bemerkte sie etwas Seltsames: Ihr weißer, weicher Pelz war so warm, dass überall, wo sie ein Weilchen gelegen hatte, bald wunderschöne Blumen und saftige Gräser sprossen.

Lilo freute sich über diese Frühlingspracht. So hatte sie gar keine Zeit mehr, an die anderen Häschen und ihre Gemeinheiten zu denken.

Dann kam der große Tag, an dem die einjährigen Hasenkinder ihre Lehre beim Osterhasen begannen. Lilo war vor Aufregung schon ganz früh wach. Sie konnte kein noch so kleines Grashälmchen herunterbringen. Ach, wie schön würde alles werden!

„Hopserich, Hasentrine, Hüpfer, Langohr, Hasenlotte!“, hörte sie da den Oberhasen rufen. „Zeit, dass wir uns auf den Weg zum Osterhasen machen. Vergesst eure Pinsel nicht!“

Die fünf Häschen hüpften wie der Blitz aus ihren Löchern. Auch Lilo sprang aus dem Bau. Langsam hüpfte sie zum Oberhasen.

„Nein, Lilo Löffel, du nicht!“, sagte dieser streng. „Du hast selber keine Farbe, wie solltest du da malen können? Du bleibst hier und putzt die Hasenlöcher.“

Fröhlich sprangen die anderen Häschen davon.

Für Lilo brach eine Welt zusammen: Sie als Einzige sollte nicht mit zum Osterhasen! Und das alles wegen ihres weißen Pelzes. Wie sie den hasste! Wütend wälzte sie sich in einem Maulwurfshügel, um wenigstens einmal schön braun zu sein. Aber von der Erde verklebte und juckte ihr Fell sehr. So wusch sie die Dreckkruste doch rasch mit dem klaren Wasser des Baches ab.

Seufzend machte sie sich daran, den Dreck eines ganzen Winters aus den Löchern zu putzen; eine Arbeit, die keiner der Hasen je freiwillig tat. Davon bekam Lilo schließlich Hunger. Die weiße Häsin hoppelte quer über die Wiese zu ihrem Bau, an dem sie mit ihrer Wärme ein ganzes Gärtchen der köstlichsten Kräuter zum Sprießen gebracht hatte. Sie knabberte ein wenig daran und streckte sich dann müde im Gras aus.

Schläfrig schaute Lilo in die Luft und erschrak: Dicke, graugelbe Wolken hatten sich drohend am Himmel aufgebaut. Rasch verschwand die Häsin in ihrem Bau und spürte noch in ihrem warmen Nest, dass der kalte Winter zurückkam. Mit Schnee und Eis überzog er unbarmherzig das ganze Land und alle zarten Kräutchen froren zu Tode.

Viel später hörte sie eine Stimme von Ferne: „Lilo, Lilo Löffel, wo bist du?“ Wer sie da nur rief?

„Lilo!“, schallte es noch mal.

„Ja, hier“, brüllte die Weiße und richtete sich hoch auf, um besser gesehen zu werden.

Ein alter Hase kam auf sie zu. Sein Fell war ganz grau. In seinem Mund hing ein Pfeifchen. Auf dem Rücken trug er eine große Kiepe. Der Osterhase!

„Lilo Löffel“, sagte der Alte ernst, als er bei ihr ankam. „Ich brauche dringend deine Hilfe. Du siehst ja, der Winter ist zurückgekommen. Alles liegt voll Schnee. Wie sollen da die braunen Hasen die bunten Eier verstecken? Nein, das kann nur ein Schneehase – alle anderen würden die Menschen ja sehen. Nun, Lilo, bist du bereit zu dieser großen Aufgabe? Alle Eier müsstest du alleine verstecken und bis Ostern ist nur noch wenig Zeit!“

Und ob Lilo Löffel bereit war! „Ja!“, rief sie mit heller Stimme. „Ich helfe dir gerne, Osterhase!“

„Das ist gut, Kleine“, lobte der Alte und lud seine schwere Kiepe auf den Rücken der kleinen Häsin. „Nun versteck die Eier gut!“

Langsam hoppelte die kleine Häsin zum Bach und hüpfte vorsichtig auf die spiegelglatt gefrorene Brücke. Hui, wie sie rutschte mit ihrer schweren Last! Da war schon der erste Garten!

Lilo kramte aus der Kiepe eine lange Liste. Dort stand genau vermerkt, wie viele Gaben sie wo lassen sollte. Dabei fiel ihr Blick zum ersten Mal auf die Eier.

Oje! Wie vielfarbig und bunt die alle waren! Wie sollte sie sie nur gut in all dem Schnee verstecken? Das war doch ganz unmöglich! Und überhaupt, diese lange Liste von Gärten. Wie konnte eine kleine Häsin das ganz alleine schaffen?

Entmutigt ließ sich Lilo mitten in den Schnee fallen. „Ach“, seufzte sie tief, „es nützt ja nichts, dass ich jammere. Besser, ich fange einfach an und tue mein Bestes.“

Mühsam stemmte sie die große Kiepe hoch, um gleich darauf einen jubelnden Schrei auszustoßen. Dass sie diese Idee nicht gleich gehabt hatte! An der Stelle, an der sie gelegen hatte, waren durch die Wärme ihres Felles Dutzende von Blumen aus der Erde geschossen. Sie blühten in den prächtigsten Farben.

„So ist es ganz leicht!“, meinte Lilo zufrieden. Die Häsin versteckte vorsichtig eine Handvoll leuchtender Eier zwischen den bunten Blüten.

Spät am Abend erst war die Kiepe leer. Lilo machte sich gähnend auf den Heimweg. Kaum hatte sie die kleine Brücke überquert, da wurde sie so müde, dass sie mitten in einer Schneewehe einfach einschlief.

Laute Stimmen weckten die kleine Häsin am nächsten Morgen. Welch’ ein Jubel tönte aus den Gärten, in denen die Kinder ihre Ostergaben zischen den schönsten Frühlingsboten fanden!

„Gut gemacht, kleine Osterhäsin! Ich bin stolz auf dich!“, tönte auf einmal die Stimme des Osterhasen an ihr Ohr.

„Hurra für Lilo Löffel!“, riefen alle braunen Häschen im Chor.

„Schneehase, Superhase, hab ich doch immer gesagt!“, brüllte Hopserich und zog die weiße Häsin in den Kreis der anderen. „Was wollen wir spielen, Lilo?“

Maria Sassin, 1963 geboren, lebt in Rommerskirchen, freiberufliche Dozentin für Sprachen und Kreativkurse; KurzgeschichtenGedichte in Anthologien und Zeitschriften, mehrere eigene Buchveröffentlichungen, 2009 Ehrengabe ihres Wohnortes für soziales Engagement in Lese- und Schreibförderprojekten.

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