Читать книгу Die Krimizimmerei - Martina Meier - Страница 6
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Der bellende Hund im Schulranzen
Svenja schlug die Augen auf. „Juhu, heute ist Sonntag und mein Geburtstag!“, war ihr erster Gedanke. Sie eilte ins Schlafzimmer und landete mit einem Hechtsprung zwischen ihren Eltern. „Guten Morgen, hier ist das Geburtstagskind“, lachte sie laut.
„Oh nein, schon so spät?“, gähnte ihre Mutter. „Komm her, Svenja, lass dich drücken. Alles Gute zum zwölften Geburtstag wünsche ich dir.“ Sie gab ihr einen Kuss auf die Wange.
„Aufstehen, Papa!“, rief Svenja ungeduldig und zog ihm die Decke weg.
Dann verließ sie das Ehebett, um sich anzuziehen. Sie putzte schnell ihre Zähne. Ob sie wohl alles bekommen würde, was sie sich wünschte, fragte sie sich, während sie in ihre Hose schlüpfte. Auf dem Frühstückstisch standen Kerzen und drei Geschenke schmückten ihren Sitzplatz.
„Darf ich vor dem Frühstück auspacken?“, fragte sie ungeduldig.
„Klar, sonst schmeckt dir doch dein Brötchen nicht“, grinste ihr Vater.
„Oh, wie schön Auspacken ist!“, dachte sie und ließ sich Zeit beim Öffnen der Geschenke. Zuerst wickelte sie den Füller aus, den sie sich gewünscht hatte. Dann kam ein Buch zum Vorschein. Nervös nestelte sie das bunte Papier ihres dritten Geschenks ab. Oh ja, es war das Handy, das sie unbedingt wollte. Freudig fiel sie ihren Eltern um den Hals. Es war genau das richtige. Sie zog es aus dem Karton. Silbrig glänzend lag es vor ihr.
„Ich habe den Akku schon geladen. Du kannst es also nachher gleich in Betrieb nehmen“, bemerkte ihr Vater. „Aber zuerst wird gefrühstückt!“
Nach dem Essen verschwand Svenja in ihrem Zimmer. Sie legte ihre Telefonkarte in ihr neues Handy und verbrachte den Vormittag damit, die Klingeltöne auszuprobieren, Fotos zu speichern und Telefonnummern ihrer Freunde und Eltern einzugeben. Dann rief sie Mariella an.
Nachdem ihre Freundin ihr gratuliert hatte, fragte Svenja stolz: „Was denkst du, welches Telefon ich gerade benutze?“
„Hast du wirklich das Superhandy bekommen? Bringst du es morgen mit in die Schule?“
„Ja klar“, versprach Svenja. „Also, bis morgen. Ich hole dich ab.“
Am nächsten Tag fragte ihre Mutter, als sie Svenjas Pausenbrot einpackte: „Willst du wirklich dein neues Handy mitnehmen? Du darfst es doch in der Schule sowieso nicht benutzen.“
„Ach, das kümmert doch niemanden. Außerdem muss ich ja anrufen, wenn wieder was ausfällt.“ Dann schnappte sie ihren Ranzen und ging mit Mariella zum Bus.
Im Klassenzimmer angekommen nutzte sie die Zeit bis zum Schulanfang, um ihr Geburtstagsgeschenk vorzuführen.
„Wow, tolles Teil!“, sagte Ben bewundernd.
„Darf ich mal sehen, was man damit alles machen kann?“, fragte Mariella.
„Klar“, sagte Svenja und lieh ihr das Handy.
In den nächsten Tagen gab es keinen Mitschüler, der es nicht anschauen wollte. Ben wich ihr kaum noch von der Seite, wenn sie es herauszog, um damit zu spielen. Einige Tage war das Geburtstagsgeschenk das Hauptgesprächsthema im Klassenzimmer, doch dann ebbte das Interesse ab.
Eine Woche nach ihrem Geburtstag suchte Svenja ihr Handy in ihrem Schulranzen, denn sie wollte Musik hören. Sie hatten Aufsicht bei Herrn Schnepf, dem es egal war, wie sie die Schulstunde verbringen wollten. Sie legte alle Schulbücher auf den Tisch und räumte ihren Ranzen völlig leer. Ihr Handy war weg! Warum hatte sie es bloß in der Pause im Ranzen gelassen? Das war doch nicht möglich! Zur Sicherheit suchte sie sämtliche Hosen- und Jackentaschen durch.
„Mein Handy ist gestohlen worden!“, zischte sie Mariella zu, die neben ihr saß. „So ein Mist. Wer hat mein Handy geklaut?“
„Bist du sicher?“, flüsterte ihre Freundin.
Svenja nickte. Alles verschwamm hinter dem Schleier ihrer Tränen. Was sollte sie jetzt nur machen?
„Du musst es der Klassenlehrerin nachher sagen“, meinte Mariella.
„Meinst du?“, sagte Svenja und schluckte ihre Tränen hinunter. Ja, das war wohl das Beste.
In der nächsten Pause fragte sie jeden Mitschüler, ob er ihr Handy gesehen hätte. Alle verneinten.
Ben versuchte, sie zu trösten. „Vielleicht taucht es ja doch noch irgendwo auf.“ Doch dann meinte er: „Es könnte natürlich auch sein, dass ein Schüler aus der Parallelklasse in der großen Pause ins Zimmer gegangen und es genommen hat.“
Da trat Frau Kaiser ins Zimmer. Sie war ihre Klassenlehrerin. Svenja ging zu ihr und berichtete von dem Diebstahl.
„Weiß jemand etwas über den Verbleib des Handys?“, fragte Frau Kaiser. Alle schüttelten den Kopf. „Tja“, meinte die Lehrerin. „Im Moment können wir nichts machen. Du solltest es noch dem Hausmeister melden. Vielleicht wird es irgendwo gefunden!“
Svenja setzte sich wieder und Frau Kaiser begann mit ihrem Unterricht. Wie sollte sie das nur ihren Eltern beibringen, fragte sie sich. Ihre Eltern reagierten allerdings nicht so verärgert, wie sie befürchtet hatte. Mit einer neuen Handykarte benutzte sie nun wieder ihr altes Handy.
Nach einigen Wochen kam Ben mit einem neuen Handy in die Schule. Es war das gleiche Modell wie Svenjas, doch die Rückseite war nicht silberfarben, sondern schwarz. Ben spielte damit, als sie morgens das Klassenzimmer betrat.
„Cooles Handy“, sagte sie zu ihm.
„Ja, hab ich von meinem Onkel bekommen“, sagte Ben stolz.
„Wie, einfach so?“, fragte Svenja skeptisch.
„Mmh, ja“, stotterte Ben. „Er ist zu Besuch aus Berlin gekommen.
„So, aus Berlin also“, bemerkte sie.
Mariella flüsterte, als sie sich neben sie setzte: „Hast du gesehen? Es sieht fast aus wie deins!“
„Ja, klar. Was meinst du, wie oft es das Modell überall auf der Welt gibt.“ Damit war für Svenja das Thema erledigt.
Am nächsten Morgen wollte Mariella ihrer Freundin unbedingt eine Neuigkeit erzählen. „Ich habe gestern zufällig Bens Mutter beim Metzger getroffen und nach dem Onkel gefragt. Stell dir vor, sie haben gar keinen Besuch und von einem Onkel wusste sie nichts.“
„Du meinst also, Ben lügt? Und er hat mein Handy?“, fragte Svenja ungläubig.
Mariella nickte. „Klar, warum sollte er sonst so eine Geschichte vom Onkel erzählen. Vielleicht hat er eine Folie auf die Rückseite geklebt!“
„Ja, aber wie soll ich jetzt beweisen, dass das mein Handy ist? Ich kann ihn doch nicht einfach beschuldigen“, gab Svenja zu bedenken.
„Nein, ich glaube, du musst das Handy einfach vergessen“, antwortete Mariella. Doch Svenja wollte nicht aufgeben. Als der Unterricht zu Ende war, hatte sie einen Plan.
Am nächsten Tag lieh sich Svenja das Handy ihrer Mutter. Sie gab vor, dass ihr Akku leer sei. In der Schule ließ sie sich noch einmal das Handy von Ben zeigen, der stolz damit angab.
„Lässt du es immer an?“, fragte sie neugierig.
„Ja, klar, sonst muss ich wieder den Code eingeben“, meinte er. „Warum fragst du?“
„Och, einfach so“, gab Svenja zur Auskunft.
In der ersten Stunde hatten sie Deutschunterricht bei Frau Kaiser. Es waren einige Minuten vergangen und sie besprachen gerade den Inhalt eines Gedichtes, da bellte plötzlich ein Hund.
„Hat jemand ein Tier in seinem Ranzen versteckt?“, fragte die Lehrerin witzelnd. Svenja sah zu Ben hinüber, doch dann bemerkte sie, dass das Bellen ganz in ihrer Nähe war. Frau Kaiser ging durch die Reihen und folgte dem Geräusch. Vor Mariella blieb sie stehen. „Mariella, was hast du in deinem Ranzen? Das Bellen kommt von dir!“
„Ich weiß nicht“, stotterte sie.
„Mach bitte mal auf“, bat Frau Kaiser. Dann fischte sie ein bellendes Handy aus der Tasche.
Da stand Svenja auf. „Das ist mein Handy! Man hat es mir gestohlen“, rief sie wütend. „Ich habe in mein Handy die Nummer meiner Mutter eingespeichert. Wenn sie mich anrief, konnte ich es an diesem Klingelton, dem Bellen eines Hundes, erkennen.“ Sie schwenkte das Handy ihrer Mutter. „Du hättest besser meine eingespeicherten Daten löschen sollen, Mariella!“, sagte sie zornig.
„Tja, das Handy behalte ich. Ich glaube, wir sollten nachher mal mit deinen Eltern sprechen, Mariella“, beendete Frau Kaiser den Disput.
Klaudia Gräfin von Rank, wurde 1967 geboren und lebt mit ihrem Mann und drei Kindern im Frankenland. Sie hat bisher einige Kurzgeschichten und Gedichte in Anthologien veröffentlicht.