Читать книгу Adel verpflichtet - Martina Winkelhofer - Страница 28
ОглавлениеEine Komtess, die von einem vermeintlichen Verehrer abgewiesen wurde, fand sich beim Mitternachtsdiner eines Balles zufällig als seine Tischdame. Die Schmach und die Peinlichkeit, vor allen hier neben jenem jungen Mann zu sitzen, der sie offen brüskiert hatte, ließen die junge Frau jegliche Contenance verlieren und endeten in Vorwürfen. Sie habe »ihm mit schließlich ausbrechenden Thränen vorlamentiert über die Versetzungen, deren Opfer sie ist. Eine angenehme Situation!«59
Komtessen, die schon mehrere Enttäuschungen hinter sich hatten, neigten mitunter dazu, die erste Gelegenheit zu einer Ehe zu ergreifen, ohne zu überlegen, ob der Mann überhaupt über genügend Mittel verfügte, um ihren bisherigen Lebensstandard garantieren zu können. Eine Prinzessin Fürstenberg, die eine Enttäuschung nach der anderen erlebt hatte, gab dem ersten ernsthaften Bewerber, der ihr einen Antrag machte, eine sofortige Zusage. Ihr überschnelles »Ja« hatte den Bewerber aber eher abgeschreckt als angezogen: »Er hat sehr komisch erzählt, wie sie sogleich unter Thränen ihre Zustimmung gegeben hat u. auf seine schwachen finanziellen Mittheilungen gar nicht gehört hat.«60
Junge Frauen standen aber auch unter einem enormen Druck, die Erwartungen ihrer Familien auf eine exzellente Heirat zu erfüllen. Begann sich langsam aber sicher abzuzeichnen, dass sie keine geeignete Verlobung zustande bringen konnte, wurde sie, oft auf penetrante Weise, bei jeder Gelegenheit daran erinnert – mit dem Erfolg freilich, dass ihr bereits angeschlagenes Selbstbewusstsein noch stärker sank. Fürst Rudolf Liechtenstein über die Enttäuschung seiner Schwester über ausgebliebene Verlobungen ihrer Enkelinnen: »Wenn sie von der Freude über die Heirath des Enkels spricht, setzt sie am Ende jedesmal hinzu: ‚Aber wenn es eine von den Enkelinnen gewesen wäre, hätte es mich noch mehr gefreut.‘ Wenn die Enkelinnen dabei sind, entschuldigen sie sich dann immer!«61
Gelang es einer schwer vermittelbaren Komtess dann doch endlich, einen Heiratskandidaten zu erobern, noch dazu nach eventuellen Enttäuschungen, war es den Müttern immer ein besonderes Anliegen, sofort alle Verwandten und Bekannten davon in Kenntnis zu setzen. Jeder im Freundeskreis sollte sehen, dass die lang wartende Tochter endlich unter die Haube kam. Als ein künftiger Schwiegersohn den Großteil seiner Zeit nicht bei seiner Braut in Wien, sondern jagen war, klagte die zukünftige Schwiegermutter: »Wenn wir nur einmal mit ihm hätten in’s Theater gehen können, damit die Leute doch sehen dass wir einen lebenden Bräutigam haben!«62