Читать книгу Seelenfeuer - Marty Ramone - Страница 11

4.1 Das Höllentor zu Lutterberge

Оглавление

Anno 1352 im Namen des Herrn

Vor vielen hundert Jahren gab es einen Müller, der eine prächtige Mühle unterhalb des Lutterbergs in dessen Tal bewirtschaftete.

Sieben Gesellen unterstützten ihn bei der beschwerlichen Arbeit, tagsüber das kostbare Korn zu mahlen.

Der Müller war reich und großzügig gegenüber seinen Angestellten, die des Nachts mit ihm in einem Schlafsaal nächtigten.

Doch war er schwerkrank und wusste, dass er bald das Zeitliche segnen würde. So beschloss er eines Tages, seinem Schicksal zuvor zu kommen.


An einem schönen Sonntag lief er das Luttertal hinauf um sich in einsamer Abgeschiedenheit von einem Felsen in den Tod zu stürzen.

Er genoss noch einmal das Plätschern des Flusses und den Gesang der Vögel. Grillen zirpten im Gras und Bienen summten durch die Luft auf der Suche nach Blütennektar.

So war er nun etliche Meilen gegangen und befand beim Betrachten der Natur, dass es doch schade war, dem irdischen Leben auf nimmer Wiedersehen zu sagen.

Rechts türmte sich ein steiler Hang auf, den man an anderer Stelle leicht ersteigen konnte und der wie dafür geschaffen war, sich von ihm hinab zu stürzen.

So arbeitete sich der Müller zwischen Bäumen und Sträuchern voran und zuckte plötzlich auf halber Höhe zusammen. Dort hinter der Wurzel eines umgestürzten Baumes führte eine Höhle in den Berg. Er trat ein. Immer tiefer ging es in den Felsen.

Aber das war seltsam. Sollte es nicht tiefer und finsterer werden, umso weiter er den Höhlengang erkundete? Nichts davon geschah. Eine unsichtbare Lichtquelle leuchtete den Weg aus, bis der Müller plötzlich vor einem versiegelten Tor stand. An der Wand standen Sätze.

Er las still die Worte für sich:

„Der Jungbrunnen erschließt sich

dem, der den Fürst der Finsternis ruft.

Seine Macht ist gar herrlich,

drum sprich die Worte laut und deutlich.

Der Beelzebub eilt sodann herbei,

alle Eure Sorgen und Nöte sind alsbald vorbei.“

Neugierig sprach der Müller die Worte laut. Dann ertönte ein Donnergrollen und das Tor verschwand hinter pulsierendem Rauch und Dampf. Als der Qualm verschwunden war, fehlte auch die Versiegelung am Eingang.


Der Mühlenbesitzer öffnete die quietschende Tür und trat in einen Gang, an dessen Wände Feuerzungen leckten. Menschliche Arme traten aus den Wänden hervor, die mit schwarzen Kerzen in den Händen dem Todgeweihten den Weg wiesen. Gespenstisch bewegten sie sich im Lichterschein oder bildete er sich das nur ein?

Dann trat der Müller in eine mächtige Halle, an deren Ende ein schwarzer Thron aus Menschenknochen stand, auf dem eine mächtige Gestalt saß.

Ein furchtbares Lachen erklang in der Halle. Der Teufel sprach: „Willkommen in der Hölle, Menschlein. Bist du zu mir gekommen, damit ich dir dein Leben zurückgebe?“

Woher wusste Satan von seiner Krankheit, dachte der Müller bei sich?

„In der Tat, ich bin dem Tode verfallen“, antwortete er. „Aber was muss ich dafür tun, um weiter zu leben?“

Der Teufel grollte: „Nicht viel. Du musst nur einen Menschen töten und ihn mir als Blutopfer bringen. Wenn du einwilligst, dann seist du sofort genesen und um Jahre verjüngt.“

Da brauchte der Müller nicht lange zu überlegen. „Ich nehme an.“

„Dann sei es hiermit besiegelt. Eines noch: Solltest du von unserem Pakt zurücktreten, wird dein Leiden alsbald zurückkehren. Du wirst sterben und deine Seele ist mein. Dann wird sie bei unermesslichen Qualen in der Hölle brennen.“

Der Teufel lachte abermals und fuhr fort: “Auch ich habe einen Pakt mit dem Allmächtigen. Daher bin ich gezwungen, dir folgende Worte zu sagen: Wenn du die Zauberformel sprichst, öffnet sich jederzeit das Tor zu mir. Wenn man aber das Höllentor für Hunderte von Jahren schließen will, hat man ein Pentagramm mit einem fünfeckigen Stern davor aufzumalen. Dieser muss dann mit geweihtem, christlichem Wasser beträufelt werden. Bedenke aber, dass folglich meine Magie auf dich nicht mehr wirkt und du wärst des Todes.

Zudem gibt es viele Wege zu mir. Deine Seele wäre jedenfalls mein und ich wandle an anderen Orten weiter.“

Die Hölle dröhnte unter dem irrsinnigen Lachen Satans…


Der Müller trat aus dem Berg. Er fühlte sich wie neugeboren. Kraftvoll und jung. Sein Körper wirkte muskulöser, als er sich betrachtete.

Der Genesene stieg den Berg hinab und trat an die Lutter. In einem ruhigen Ausläufer des Flusses betrachtete der Müller sein Spiegelbild. Die Falten im Gesicht waren fast gänzlich verschwunden. Das Haar wirkte voller und dunkler.

Er war zufrieden und schritt das Tal hinab.


Die Gesellen des Meisters staunten. War der Müller in einen Jungbrunnen gefallen?

Doch nicht nur sein äußeres Erscheinungsbild hatte sich verändert. Der ehemals großherzige Müller war böse geworden und behandelte seine Arbeiter fortan von Tag zu Tag schlechter. Er ließ sie schuften, bis sie erschöpft zusammenbrachen, gab ihnen nur noch wenig zu essen und trank das Bier zum Feierabend von nun an allein. Des Nachts sprach er im Schlaf. Worte wie Tod und Teufel fielen.


Nach einigen Wochen, als der Müller sich im Spiegel betrachtete, erschrak er. Zufällig wurde er dabei von einem seiner Gesellen beobachtet. Der Meister schien sich wieder zurück in den kranken Greis zu verwandeln. Des Teufels Fluch wirkte also und darum erinnerte sich der Müller an die teuflische Abmachung.

So ging er dann, heimlich verfolgt vom Knecht, mit einem langen Dolch in den Wald und legte sich auf die Lauer.

Alsbald kam ein altes Mütterchen des Weges. Er schlich sich feige von hinten heran und stach mit irrem Blick in den Augen der armen Frau heimtückisch in den Rücken. Sie stürzte sterbend zu Boden. Einen Schrei bekam sie nicht mehr zustande, da sämtliche Luft aus ihrer durchbohrten Lunge entwich. Es war ja nicht schade um sie, denn ihre Lebensuhr wäre ohnehin bald abgelaufen gewesen, redete der gemeine Mörder sich ein.

Er versteckte die Alte hinter einer Hecke und holte geschwind das Pferdegespann mit Anhänger, in dem sonst das Korn gefahren wurde. Dann lud er die Tote auf, setzte sich auf den Kutschbock und trieb die Pferde das Luttertal hinauf.

Am Ziel angekommen buckelte er das Mordopfer hinauf in des Teufels Höhle.

Der Knecht war dem Meister indessen unerkannt gefolgt.

Der Müller sprach die Formel und in kurzer Zeit war der Weg frei. Er trat vor in Satans Halle.

„Der Müller ist zurückgekehrt“, brüllte der Teufel lachend durch seinen Thronsaal und seine Folterknechte stimmten mit ein. „Und ich sehe, er hat mir etwas mitgebracht.“

„Ja“, antwortete der Gemeinte, „ich habe meinen Teil der Abmachung erfüllt und nun mach mich wieder jung.“

In diesem Moment berste die Erde. Ein tiefer Riss tat sich zwischen Teufel und Mensch auf. In einiger Tiefe floss ein Lavastrom, in dem unzählige tote Seelen schwammen. Zwei der dämonischen Folterknechte traten hervor, packten die Alte und schmissen sie in die Tiefe…

Der Müllergeselle war im vorderen Teil der Höhle geblieben und hatte Todesangst. Gebannt lauscht er aber den Worten, die bis zu ihm vordrangen. Konnte kaum glauben, was seine Ohren hören mussten.

Beelzebub lachte schallernd: „Sodann soll die Alte baden im Feuer der Unendlichkeit. Du, Müller, wirst gleich wieder deinem Wunschbild entsprechen. Aber denk daran: Beim nächsten Vollmond kehrt deine Verwandlung wieder um. Dann braucht die Hölle wieder eine neue Seele.“

„Aber davon sagtest du nichts. Ich kann doch nicht immer weiter morden“, jammerte der Müller.

Der Teufel lachte abermals: „Nichts ist von Ewigkeit. Nicht einmal meine Magie. Das hätte dir doch klar sein müssen, Mensch. Du willst jung bleiben. Aber die Hölle verlangt nach Menschenopfern. Das ist unser Pakt und nun verschwinde. Ich erwarte dich zum nächsten Monat wiederzusehen und zwar mit Blutzoll. Geh jetzt, ich bin müde.“


Weinend verließ der Müller die Höhle. Er war wieder jung. Aber um welchen Preis? Was hatte er nur getan? Hätte er sich doch nur in den Tod gestürzt…

Im Abendrot erreichte er die Mühle und weinte sich des Nachts in einen alptraumhaften Schlaf.

Zuvor hatte der Knecht den anderen Gesellen alles erzählt.

So kam es dann, dass der Müller wieder im Schlafe sprach: „Wenn man aber das Höllentor… für Hunderte von Jahren… schließen will, hat man ein Pentagramm… mit einem fünfeckigen Stern davor aufzumalen… Dieser muss dann mit… geweihtem, christlichem Wasser… beträufelt werden.“

Die Gesellen hatten die Worte mitgehört. Die kommenden Tage waren wieder wie eine Folter für sie und so beschlossen sie einen Plan.

In den folgenden Wochen alterte der Verzauberte erneut und so war er abermals gezwungen, den teuflischen Vertrag mit einem Mord zu erfüllen.

Der Müller legte sich im Luttertal erneut auf die Lauer. Schon bald erschien ein junges Mägdelein spazierend auf dem Weg. Als er sich auf es stürzen wollte, entpuppte es sich als einer seiner Knechte, der sich gut verkleidet hatte. Auch die anderen Gesellen sprangen hervor und alsbald war der überraschte Müller überwältigt.

Mit der Kutsche und einigen Kelchen geweihtem Wasser erreichten sie in der Abenddämmerung den Aufstieg zur geheimen Höhle und zwangen den Müller mit Waffengewalt vor das Höllentor. Ein Geselle malte das Pentagramm mit dem fünfzackigen Stern vor den Eingang. Dann durfte der Verfluchte ein letztes Mal die Beschwörung aufsagen:

„Der Jungbrunnen erschließt sich

dem, der den Fürst der Finsternis ruft.

Seine Macht ist gar herrlich,

drum sprich die Worte laut und deutlich.

Der Beelzebub eilt sodann herbei,

alle Eure Sorgen und Nöte sind alsbald vorbei.“

Alsbald brach die Hölle auf.

Der Müller fühlte den Stahl des Dolches an seinen Eingeweiden und schleppte den verkleideten Knecht geschultert in die Halle des Satans.

Die Gesellen schütteten derweil das gesegnete Wasser in den Kreis und schon schrie der Teufel schmerzerfüllt auf. Er sprang unter Qualen, als ob er brannte, von seinem Knochenthron und stürzte auf den Müller und sein vermeintliches Mordopfer.

Schnell entwand sich der Knecht und rannte gen Ausgang.

Der Berg erzitterte und der Boden brach auf. Für den Verfluchten gab es kein Entkommen mehr. Er fiel in die glühende Lava und ward auf ewig in der Hölle gebannt.

Erdbebengleich schloss sich langsam das Tor zur Hölle. Der Teufel konnte gegen den Pakt mit Gott nichts mehr unternehmen. Die Knechte hielten ihn mit ihren Forken in Schach, bis das sich der Weg in die Unterwelt für viele Jahrhunderte verschließen sollte.

Genau genommen sollte die Folge des Paktes vom Antichristen mit dem Allmächtigen 666 Jahre anhalten. Aber wer wusste das schon so genau?

Die Mühle des verdammten Müllers erblühte unter der Obhut der sieben Gesellen auch weiterhin. Die Knechte verheirateten sich und bekamen viele Kinder.

Und so entstand das kleine Dorf Lutterberg.

Seltsam… aber so steht es geschrieben.

Seelenfeuer

Подняться наверх