Читать книгу Seelenfeuer - Marty Ramone - Страница 7
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ОглавлениеDer Nachmittag neigte sich dem Ende zu. Die Sonne verschwand an diesem späten Frühlingstag hinter den Bergen und hüllte den Wald des Harzes in ein goldenes Licht. Der Fluss schlängelte sich durch das Tal. Das Wasser der Lutter und das Leben darin nahmen die letzten Sonnenstrahlen in sich auf. Weit talaufwärts herrschte dagegen noch emsiges Treiben.
Heinz Sattler, Sprengmeister außer Dienst und ehemals beim letzten Bergbau Betrieb EFBL (Erz Förderbetrieb Bad Lauterberg) beschäftigt, war an diesem Tag nochmal an seine alte Wirkungsstätte zurückgekehrt, um einen letzten erforderlichen Arbeitseinsatz vorzunehmen.
Der Bergbau Förderverein, Feuerwehr, Technisches Hilfswerk, viele Schaulustige und Wanderer waren zugegen und auch das lokale Fernsehen wollte bei der in Kürze stattfindenden Sprengung vor Ort sein.
Die Grube Michael ruhte schon seit vielen Jahren. Arbeitsaufwand und der daraus resultierende Profit machten das Schließen des Bergbaubetriebs unumgänglich. Den LKW-großen Eingang hatte man mit schweren Eichenbohlen verriegelt und den Förderfuhrpark nach und nach abgebaut. Nur ein paar alte Gebäude, die immer mehr verfielen und das besagte Tor deuteten darauf hin, dass dieser Ort dem Harz und dem kleinen Örtchen Bad Lauterberg einst den ersten Wohlstand beschert hatte.
In den letzten Jahren war es in der Grube immer wieder zu Einbrüchen gekommen. Der Eingang war mittlerweile verwittert und viele der stützenden Balken marode. Jugendliche waren seitdem des Öfteren in den Berg eingedrungen und hatten dort Partys gefeiert. Natürlich blieb es nicht bei Aufenthalten im vorderen, relativ ungefährlichen Bereich. So geschah das Unvermeidliche: Vor einem Jahr wagte sich ein alkoholisierter Teenager zu weit in die enger verlaufenden Fördergänge, verlief sich in einen der Stollen und stürzte einige Meter tief in einen Schacht. Er hatte wahnsinniges Glück, dass er sich dabei nur das Bein brach. Zum Glück fanden seine Freunde ihn und holten Hilfe.
So geriet das Ganze folglich an die Öffentlichkeit und der Druck auf den Förderverein, eine Entscheidung zu fällen, die nicht noch spätere zusätzliche Kosten verursachen würde, wuchs.
Da kam dann der mittlerweile 70-jährige Heinz Sattler ins Spiel. Selbst ehrenamtlich im Verein tätig, erklärte er sich spontan auf der Mitgliederversammlung bereit, per Sprengung der Grube Michael den letzten Gnadenstoß zu geben.
Sattler überprüfte die letzten Details. Nicht nur der Eingang, sondern auch der hintere Bereich sollte bei der Sprengung so verschüttet werden, dass die Grube niemals wieder passierbar sein würde.
Er befand sich im hinteren Teil des Stollens und war mit seiner Sprengstoffdosierung zufrieden. Die Wandlampen leuchteten die Gänge gespenstisch aus. Mehrere Pfützen waren durch das durch die Grubendecke tropfende Wasser entstanden. Eine alte Lore stand verlassen auf dem rostigen Schienensystem. Einst hatte man in ihr das kostbare Eisenerz zu Tage gefahren.
Sattler musste grinsen. Der Fernsehsender hatte auch hier im Inneren Kameras aufgestellt, die bei der Detonation das Zeitliche segnen, aber bis dahin Bilder nach draußen liefern würden.
Die Kabel zum TNT waren vorschriftsmäßig verlegt und so arbeitete er sich bis nach draußen vor und befand, dass es nun an der Zeit für seine letzte Amtshandlung war.
Eine Hustenattacke überkam ihn und schreckte eine Fledermaus auf. Ängstlich flatterte sie am Sprengmeister vorbei und verschwand im hinteren Bereich des Stollens. Sattlers Blick verfinsterte sich. Der schwerkranke Mann nahm einen tiefen Stoß Cortison, damit er ohne störende Hustenanfälle weiter machen konnte.
Viele Schaulustige warteten gebannt in gebührendem Abstand. Die Reporterin stand vor ihrem Übertragungswagen und sprach in die Medienübertragung ihres Kollegen. Sie hatte bereits im Vorfeld mit dem Sprengmeister ein Interview vor laufenden Kameras geführt. Nun schien die Frau die Spannung für die sich live am Fernsehbildschirm befindlichen TV- Zuschauer mit ihren Gestiken noch mehr steigern zu wollen.
Walter Sattler erschien am Grubentor, begab sich in Sicherheit des abgesperrten Bereichs und trat vor die Zünder. Bald war es nun soweit…
Kurzzeitige Stille.
Dann aktivierte Heinz Sattler per Knopfdruck alle verlegten Sprengsätze gleichzeitig. Und damit das Inferno!
Eine riesige Druckwelle breitete sich im Schacht aus und pulverisierte das Gestein, als ob es nur Watte wäre. Der Eingang erstrahlte für eine Millisekunde taghell, bevor alles hier von Menschenhand Entstandene in sich zusammenbrach.
Doch war es nur ein Inferno?
Wohl schon, aber mit furchtbar, weitreichenden Folgen: Denn zu diesem Zeitpunkt konnte keiner ahnen, dass sich gerade die Höllenpforten geöffnet hatten.
„Vater, ich bin frei…freiiiiiii“, zischte es unheilvoll tief aus der Unterwelt. „Ich kann nach oben steigen, Vater“, ertönte es schrill durch die verschachtelten Gänge aus längst vergangener Zeit.
Der fluoreszierende Astralkörper flog in überschwänglicher Freude immer höher. Dieses Wesen war keiner der herkömmlichen gefallenen Engel und Dämonen aus der Hölle, die dort in Fleisch und Blut die geschundenen Körper der Menschen fortwährend quälten. Es war Damian, der Sohn Luzifers, auserkoren unermessliches Grauen auf die Erde zu bringen.
„Freiiiiiiiiiiii!!!“
Satans Stimme grollte donnernd durch das Höllenlabyrinth: „Sohn, endlich kannst du dich beweisen. Mach der Hölle alle Ehre und bring uns viele Menschenseelen. Nur so werden wir stark genug sein, die Ketten zu sprengen und die Hölle aufzutun, damit ich meine Kreaturen über den gesamten Erdball schicken kann.“
Des Teufels irres Lachen ertönte grausig hallend zu Damian empor, der immer höher stieg und bald das von der Explosion eingestürzte Geröll erreichte. Für feste Körper wäre es unmöglich gewesen, zu passieren. Nicht so für ihn. Geschwind glitt sein Astralkörper durch abertausende Ritzen des Gesteins bis hinaus in die Freiheit.
„Ich bin freiiiiii, Vater.“
Sein durchschimmernder Leib hatte nun das Luttertal erreicht, dass in völliger Dunkelheit vor ihm lag. Es war finsterer als in der Unterwelt, wo überall Höllenfeuer schmorten und dort das grausige Szenario ausleuchteten.
Aber Damian war kein Mensch. Dämonen wie er konnten sich auch in der Dunkelheit zurechtfinden. Vater hatte ihn jedoch vor dem anderen Tagesabschnitt gewarnt. Für Wesen der Finsternis war das Sonnenlicht gefährlich. An seinen Strahlen würde man im Gegensatz zur Höllenglut verbrennen, da man auf der Erdoberfläche nicht gegen Licht und Feuer immun war.
So flog sein fluoreszierender Körper, der jetzt die Form einer bläulichen Kugel angenommen hatte, beschwingt durch die Baumreihen. Nadelhölzer und Laubbäume wechselten sich ab. Wann würde Damian auf die ersten Menschen treffen, von denen ihm seit Vater erzählt hatte? Für einen Sterblichen musste dem Mischwald in seinem derzeitigen Tagesabschnitt etwas Gespenstisches anhaften. Der Dämon hingegen fühlte sich in seinem Element.
Doch etwas war anders als vorher. Zu der unbändigen Freude, die neue Welt erkunden zu können, kam noch etwas anderes hinzu: Ein unstillbarer Hunger überkam Satans Sohn. Ein Hunger auf Etwas, dass ihn stark machen würde. Damian dürstete nach Blut.
Seine Instinkte ließen ihn auf die Jagd gehen…
Ein Hirschrudel bewegte sich durch das Unterholz, dessen Witterung Damian schon aufgenommen hatte. Die Instinkte der Paarhufer ließen die Waldtiere nervös werden, als sie plötzlich den leuchtenden Lichtball erblickten. Einige Tiere konnten flüchten, da der Dämon nicht alles Rotwild auf einmal angreifen konnte. Für eine Hirschkuh und ihr Junges war es jedoch zu spät.
Die Ausgeburt der Hölle umschwirrte forschend die Tiere und drang schließlich in das Maul der Mutter ein. Was für ein erhabenes Gefühl! Der Astralkörper glitt die Speiseröhre hinab in Richtung der Gedärme. Nun konnte er sich endlich ausbreiten. Manifestierte sich zu einem schrecklichen Geschöpf, dass jetzt riesige Krallen ausfuhr, die durch die Innereien der Kuh schabten. Unter den spitzen Klauennägeln sammelte sich das Blut der Gedärme.
Wie im Wahn zerriss der Dämon den Tierleib von innen heraus und labte sich an dessen Lebenssaft. Ein grausiger Kopf bildete sich, der sich mit seinen messerscharfen Zähnen unaufhörlich nach unten fraß, nachdem er zuvor das Herz verschlungen und dem Leid der Hirschkuh endlich ein Ende bereitet hatte. Schließlich erreichte das Haupt des Monsters die Gebärmutter, in dem sich ein schon weit entwickelter Embryo befand.
Im Blutrausch schnappten die grässlichen Zahnreihen immer wieder zu und ließen die zarten Knöchelchen splittern. Das fühlte sich wunderbar für die Höllenkreatur an.
Der Dämon wuchs weiter. Dabei platzte das Tier auf wie eine überreife Frucht, die man gegen eine Wand schleuderte.
Darmschlingen, Eingeweide und Fleischbrocken wurden über den Waldboden verteilt. Das warme Blut nährte das Gehölz und die Erde.
Damian hatte sich währenddessen zurück in die Lichtkugel verwandelt. Er wusste nun, dass er einen Wirtskörper brauchte, um sich zu einer festen Gestalt zu manifestieren.
Durch seine grausige Tat lernte er schnell. Um seinen teuflischen Plan besser auszuführen zu können, brauchte er jedoch einen anderen Körper. Einen, mit dem er Menschen noch gefährlicher werden konnte.
Das Kälbchen kauerte ängstlich bei der Leiche seiner bestialisch zugerichteten Mutter. Doch der Blutdurst des Dämons war noch nicht gestillt.