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Eine kurze Geschichte der Hutterer
ОглавлениеAlle Gläubigen kamen regelmäßig zusammen und teilten alles miteinander, was sie besaßen. Sie verkauften ihren Besitz und teilten den Erlös mit allen, die bedürftig waren.
Apostelgeschichte 2,44-45
Der hutterische Glaube nahm seinen Anfang im sechzehnten Jahrhundert, als Jakob Hutter, ein österreichischer Hutmacher, eine kleine Gruppe von Wiedertäufern zu einer neuen Art christlicher Gemeinschaft zusammenführte. Auf einem staubigen Pfad in Mähren legten im Jahr 1528 eine Handvoll Flüchtlinge aus Deutschland, Italien, Österreich und der Schweiz eine einfache Decke auf den Boden, auf die sie alle ihren Besitz legten, sogar das, was sie in den Taschen hatten. Das war der Beginn unserer Geschichte.
Nach dem Vorbild der Urgemeinde in Jerusalem lebten sie ihren Glauben so, wie es im zweiten Kapitel der Apostelgeschichte in den Versen 44 und 45 beschrieben ist: »Alle Gläubigen kamen regelmäßig zusammen und teilten alles miteinander, was sie besaßen. Sie verkauften ihren Besitz und teilten den Erlös mit allen, die bedürftig waren.« Hutters begeisterte Vision von einer Gesellschaft, in der aller Besitz geteilt wird und die Menschen zum Wohl aller zusammenarbeiten, führte zur Gründung der hutterischen Kirche und der hutterischen Lebensweise. Doch seine Lehre von einem Leben in Gemeinschaft, der Erwachsenentaufe und des Pazifismus rief den Hass und die Intoleranz des Staates und der vorherrschenden Religionen hervor, und die Hutterer mussten fast vierhundert Jahre lang in Europa von einem Land zum anderen fliehen.
1536 wurde Hutter in Innsbruck auf dem Scheiterhaufen verbrannt, weil er sich weigerte, seinem Glauben abzuschwören. Er teilte somit das Schicksal vieler unserer Vorväter. Doch einige überlebten und fanden 1770 Zuflucht in der Ukraine, bis ihre Befreiung von der Wehrpflicht widerrufen wurde und sie beschlossen, in die Vereinigten Staaten auszuwandern.
Am 5. Juli 1874 kamen die Hutterer an Bord der Hammonia aus Russland in New York an. Gebeutelt, aber nicht geschlagen waren sie fest entschlossen, ihre Mittel zusammenzulegen und von Neuem zu beginnen. Mein Urgroßvater Jakob Maendel gehörte zu ihnen. Die erste hutterische Kolonie auf nordamerikanischem Boden wurde 1874 am Ufer des Missouri in der Nähe von Yankton in South Dakota gegründet. Für alle Hutterer hat sie heute noch eine besondere geschichtliche Bedeutung und sie ist immer noch in Betrieb.
Im Verlauf des Ersten Weltkriegs zogen ganze hutterische Gemeinschaften nach Kanada, um der Verfolgung als Kriegsdienstverweigerer zu entgehen. Nach dem Krieg erkannte die amerikanische Regierung ihren Wert als Ackerbauer und Viehzüchter und lud sie zur Rückkehr in die Vereinigten Staaten ein. Ein Drittel von ihnen kam dieser Aufforderung gerne nach, doch der Rest blieb in Kanada und gründete neue Kolonien in ganz Westkanada, einschließlich meiner Heimatkolonien New Rosedale und Fairholme in Manitoba.
Mit ihrem Bekenntnis zur Gütergemeinschaft unterscheiden sich die Hutterer von den Amish und den Mennoniten und zeichnen sich als bestes und erfolgreichstes Beispiel des Gemeinschaftslebens in der Neuzeit aus. Heute gibt es ungefähr 45 000 Hutterer, die in vierhundert Kolonien im Nordwesten der Vereinigten Staaten und in den kanadischen Prärien leben.