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I. Kommunale Satzungen als Rechtsnormen
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Kommunale Satzungen stellen originäre Rechtsquellen dar. Sie sind für das jeweilige Zuständigkeitsgebiet geltende generelle Regelungen, die nicht – wie Rechtsverordnungen – der besonderen gesetzlichen Ermächtigung bedürfen[2], sondern deren Legitimität eben unmittelbar auf der verfassungsrechtlichen Ausgestaltung der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie gründet. Auch wenn die Rangordnung der Rechtsquellen Respektierung der jeweils vorrangigen verlangt, so verbleibt dem „Ortsgesetzgeber“ im Rahmen der verfassungsrechtlichen und einfachgesetzlichen[3] Vorgaben noch ein beträchtlicher Gestaltungsspielraum, den er in Eigenverantwortung nutzen kann[4]. Nichtsdestoweniger lehnen sich in der Praxis kommunale Satzungen weitgehend allein schon aus Gründen der Rechtssicherheit an entsprechende Mustersatzungen an, die von den kommunalen Spitzenverbänden[5] formuliert und jeweils der neuesten Rechtsprechung angepasst werden.
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Für kommunale Satzungen ist die Grundrechtssphäre in Ansehung der Formulierung mancher Grundrechtsschranke, namentlich in Art. 2 I, 12 und 14 GG, keineswegs tabu. So können etwa die Berufsfreiheit beschränkende Regelungen auf hinreichend konkreter gesetzlicher Grundlage auch im Satzungswege erfolgen. Neben der Einhaltung von Grundrechtsstandards muss der kommunale Satzungsgeber aber auch die Grenzen der Zumutbarkeit im Blick behalten[6]. In erster Linie hat aber der Gesetzgeber darüber zu entscheiden, welche Gemeinschaftsinteressen so gewichtig sind, dass das Freiheitsrecht des Einzelnen zurücktreten muss.
Dazu grundlegend der sog. Facharzt-Beschluss (BVerfGE 33, 125 [157 ff]) im Hinblick auf Satzungen von Ärztekammern: Die sog. statusbildenden Bestimmungen muss der Gesetzgeber erlassen, Einzelheiten können im Satzungswege geregelt werden. Das Bundesverwaltungsgericht sah so denn auch eine kommunale Entsorgungssatzung, durch die dem Einzelhandel ohne entsprechende gesetzliche Absicherung ein Verbot von Einwegerzeugnissen und eine Verpflichtung zur Rücknahme von Abfällen aufgegeben worden waren, als dem Regelungsgehalt des Art. 12 I 2 GG nicht genügenden Eingriff in die Berufsfreiheit an[7].
Angesichts der grundrechtlichen Gewährleistung in Art. 13 GG kann etwa durch kommunale Satzung auch kein Recht zum Betreten von Wohnungen begründet werden[8].
Die Sozialpflichtigkeit von Grundstückseigentümern kann so angesichts deutlicher gesetzlicher Vorgaben – etwa für einen Anschluss- und Benutzungszwang (dazu näher unten Rn 272 ff) – durchaus auch durch kommunale Satzung konturiert werden. Stets gilt, dass die Selbstverwaltungskörperschaften die von den Grundrechten in materieller Hinsicht gezogenen Grenzen mit gleicher Sorgfalt einzuhalten haben wie der Gesetzgeber[9].
Teil I Kommunalrecht › § 6 Kommunales Satzungsrecht › II. Formelle Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen