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4. Tenorierung

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Die Unsicherheiten hinsichtlich der Rechtsnatur des kommunalen Organstreits schlagen auf die Diskussionen um die richtige Tenorierung eines der Klage stattgebenden Urteils durch. Während OVG NRW durchweg in der Form der Feststellung tenoriert[158], hält der BayVGH[159] auch ein kassatorisches Urteil für möglich[160].

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Lösungshinweis zu Fall 4 (Rn 116):

Im Ausgangsfall („Die Mini-Fraktion“) sind im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit der Klage folgende Punkte zu erörtern:

1. Rechtsweg: Es wird um Rechte und Pflichten aus der Gemeindeordnung gestritten und handelt sich somit um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art – trotz verbreiteter, eher missverständlicher Benennung als Kommunalverfassungsstreit – iSd § 40 VwGO. Dass es um Organrechte geht, ist für den Rechtsweg unerheblich; § 40 VwGO setzt für die Rechtswegeröffnung eine solche Außenrechtsstreitigkeit nicht voraus.
2. Statthafte Klageart: Als Klageart kommt eine Feststellungsklage in Betracht. Denkbar wäre ein Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der betreffenden Vorschrift der Geschäftsordnung. Darin könnte aber eine Umgehung der Normenkontrolle gem. § 47 VwGO gesehen werden[161]. Näher liegt deshalb der Antrag festzustellen, dass A und B eine Fraktion des Gemeinderates bilden. Diesbezüglich steht auch ein konkretes Rechtsverhältnis zur Diskussion; streitig ist nämlich die Reichweite von Mitgliedschaftsrechten der Ratsherren A und B gegenüber dem Gemeinderat als dem für Verfahrensabläufe maßgeblichen und auch die Geschäftsordnung beschließenden Organ. Das erforderliche Feststellungsinteresse ergibt sich daraus, dass den Ratsherren A und B das Recht, sich zu einer Fraktion zusammenzuschließen, verwehrt wird. Schließlich wird die Ausübung bestimmter weiterer Mitgliedschaftsrechte häufig gerade an den Fraktionsstatus geknüpft.
3. Klagebefugnis: Nach verbreiteter Auffassung ist auch bei der Feststellungsklage in analoger Anwendung von § 42 II VwGO eine Klagebefugnis erforderlich[162]. Ein Bedürfnis zur analogen Anwendung besteht, weil es nicht um subjektive Rechte, sondern um organschaftliche Rechte geht. Diese können daher grundsätzlich nur von dem Organ selbst geltend gemacht werden. Hier besteht die Möglichkeit einer Verletzung des A und B zustehenden Rechts zum Fraktionszusammenschluss.
4. Klagegegner: Die Klage ist zu richten gegen den Gemeinderat als dem für die Verabschiedung der Geschäftsordnung verantwortlichen Organ, vertreten durch seinen Vorsitzenden.
5. Beteiligtenfähigkeit: Der Rat ist beteiligtenfähig nach § 61 Nr 2 VwGO, da es insoweit um das eigene Recht, eine Geschäftsordnung zu erlassen, geht. Auch A und B sind nach § 61 Nr 2 VwGO beteiligtenfähig, da ihnen als Organteilen eigene Mitgliedschaftsrechte zustehen.
6. Prozessfähigkeit: Die Prozessfähigkeit ergibt sich aus § 62 III VwGO. Vertreter des Rates ist der Ratsvorsitzende. Auch A und B sind entsprechend § 62 III VwGO prozessfähig, da sie hier nicht als natürliche Personen, sondern als Teile des Organs Gemeinderat klagen und sich deshalb in ihrer Rolle als Organteile selbst vertreten[163].
7. Zuständiges Gericht: Zuständiges Gericht ist hier, da der Fall im Landkreis Wesermarsch spielt, das Verwaltungsgericht Oldenburg, §§ 45, 52 Nr 5 VwGO, § 73 II Nr 5 lit. a NJG.

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Übersicht 5: Prüfungsschema für den kommunalen Organstreit (Kommunalverfassungsstreit)

I. Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs, § 40 I 1 VwGO Auch Streitigkeit im Innenverhältnis ist als „öffentlich-rechtliche Streitigkeit“ justitiabel
II. Zulässigkeit 1. Statthafte Klageart – Differenzierung: Interorganstreit/Intraorganstreit (Rn 182) – wegen fehlender Außenwirkung der organschaftlichen Maßnahmen keine Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage (Rn 183) – Klageart „sui generis“ abzulehnen, weil Rückgriff auf Klagearten der VwGO möglich – Bei Handeln/Dulden/Unterlassen idR Leistungs-/Unterlassungsklage, bei begehrter Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Maßnahme: Feststellungsklage § 43 I VwGO, bei Überprüfung einer Satzung oder Geschäftsordnung: Normenkontrolle § 47 I Nr 2 VwGO (Rn 183) 2. Klagebefugnis – Verletzung eines organschaftlichen Rechts, wehrrechtsfähigen Innenrechtsposition (Rn 184 f) 3. Klagegegner – Str ob gegen Gemeinde (Rechtsträger) oder – vorzugswürdig – direkt gegen das handelnde Organ, das die angegriffene Handlung vorgenommen hat (Rn 189) 4. Beteiligten- und Prozessfähigkeit – Organteile nach § 61 Nr 2 VwGO direkt; Einzelne Personen/Organe nach § 61 Nr 2 VwGO analog (Rn 187) – Prozessfähigkeit richtet sich nach § 62 III VwGO (Rn 188) 5. Rechtsschutzbedürfnis (sofern Anlass besteht)
III. Begründetheit Prüfung der Verletzung organschaftlicher Rechte, Begründung analog der gewählten Klageart

Wiederholungs- und Verständnisfragen

1. Welchem Grundtyp einer Kommunalverfassung kommt heute eine Leitfunktion zu? Rn 118 ff, 123
2. Ist eine Einschränkung der Mitwirkungsrechte eines Ratsmitglieds möglich? Rn 137 f
3. Welche Bedeutung hat die Sitzungsöffentlichkeit bei Ratssitzungen? Rn 143
4. Handelt es sich bei der Geschäftsordnung des Rates um eine Satzung? Rn 144
5. Welche Arten von Ratsausschüssen gibt es? Rn 153
6. Was sind sachkundige Bürger und sachkundige Einwohner? Rn 155
7. Wie lassen sich die wesentlichen Aufgaben des Bürgermeisters zusammenfassen? Rn 157
8. Was fällt unter die „Geschäfte der laufenden Verwaltung“? Rn 166 ff
9. Welche Organe gibt es auf der Kreisebene? Rn 175
10. Was bedeutet die Doppelfunktion der Landkreise für die Stellung des Landrats? Rn 178
11. Welche zwei Formen des kommunalen Organstreits lassen sich unterscheiden? Rn 182
12. Welche Zulässigkeitsaspekte sind im Rahmen kommunaler Organstreitigkeiten besonders zu beachten? Rn 184 ff
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