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Vorwort

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Vorwort

Zu untersuchen, was der Ausdauerleistung Grenzen setzt, ist nicht nur ein rein akademisches Unterfangen. Es hat auch Auswirkungen darauf, wie Athleten getestet werden, wie sie trainieren und wie sie sich auf Wettkämpfe vorbereiten. In den ersten 100 Jahren der Trainingswissenschaft ging man davon aus, dass die Ausdauerleistung von der Muskelermüdung abhängt, welche durch entleerte Energiespeicher oder unzureichende Sauerstoffzufuhr und daraus resultierende Übersäuerung des Muskelapparats verursacht wird. Deshalb tragen Athleten Pulsmessgeräte während des Trainings und lassen sich in die Ohren piksen, um ihre Blutlaktatwerte zu ermitteln. Erythropoietin-Missbrauch hat den Radsport und andere Ausdauersportarten unterwandert, und Tonnen von Nudeln und Reis werden vor Wettkämpfen gegessen. Das sind nur ein paar Beispiele dafür, welchen Einfluss die Trainingswissenschaft auf das Leben von Ausdauersportlern hat.

Ende der 1990er-Jahre brachte Professor Tim Noakes das Central Governor Model (CGM) auf. Dieses Modell geht davon aus, dass die Ausdauerleistung von einem unterbewussten Steuerungssystem im Gehirn (dem »Central Governor«) bestimmt wird, welches die Aktivierung des Muskelapparats dahingehend reguliert, dass die im Laufe eines Rennens erbrachte Geschwindigkeit / Kraft niemals die Möglichkeiten des Körpers überschreitet, die Belastung einer Ausdauerleistung auszuhalten. Seine Hypothese: Wenn es dieses Sicherheitssystem nicht gäbe, könnte ein hochmotivierter Ausdauersportler sich über seine körperlichen Fähigkeiten hinaus belasten und sein Leben durch Hitzeschock, Myokardischämie oder Muskelstarre gefährden.

Das CGM war revolutionär, weil es viele Trainingswissenschaftler davon überzeugte, dass das Organ, das die Ausdauerleistung limitiert, das Gehirn ist, nicht das kardiovaskuläre System und ein ermüdeter Muskelapparat. Darauf folgende Untersuchungen, darunter unsere Studie aus dem Jahr 2010, bestätigten diese nicht länger kontroverse Ansicht. Es gibt jedoch ein großes Problem: Wenn die Ausdauerleistung von einem unterbewussten, intelligenten Sicherheitssystem reguliert wird, was kann der Ausdauersportler dann noch beeinflussen? Die Antwort lautete, im Training nichts anderes zu tun als bisher auch, um die Fähigkeit des Körpers, mit Ausdauerbelastungen umzugehen, zu verbessern. Tatsächlich hatte das CGM keine nennenswerten Auswirkungen darauf, wie Ausdauerathleten trainieren und sich auf Wettkämpfe vorbereiten.

Glücklicherweise gibt es keinen Beleg dafür, dass so ein »Central Governor« in unserem Gehirn existiert, und Ausdauerathleten haben ihre Leistung ja ziemlich gut unter Kontrolle. Dieses alternative Modell, wie das Gehirn die Ausdauerleistung reguliert, wird als Psychobiologisches Modell bezeichnet. Sein Kernprinzip besteht in der Annahme, dass Entscheidungen zur Geschwindigkeitseinteilung oder zur Rennaufgabe im »bewussten Gehirn« getroffen werden und dass diese bewussten Entscheidungen hauptsächlich auf der bewussten Wahrnehmung basieren, wie hart, schwer oder anstrengend die Belastung ist, ein Gefühl, das wir Anstrengungswahrnehmung nennen.

Viele meiner Kollegen aus der Trainingswissenschaft können dieses Psychobiologische Modell nur schwer akzeptieren; wie kann etwas, das so vergänglich und subjektiv ist wie Wahrnehmung, einen so großen Einfluss auf die Ausdauerleistung haben? Parameter, die man objektiv messen kann (zum Beispiel Herzgröße und in der Muskulatur gespeicherte Glykogenmenge) müssen doch einen größeren Einfluss haben. Diesen Rückschluss kann man als gerechtfertigt ansehen, wenn man die Ausdauerleistung lediglich als die Arbeitsleistung einer biologischen Maschine betrachtet, die keine Gedanken oder Gefühle hat. Ich jedoch sehe die Ausdauerleistung als ein selbstregulierendes Verhalten, auf das Gedanken und Gefühle beträchtliche Auswirkungen haben können. Die Schmerzen von Folter (einer Wahrnehmung) können Soldaten dazu zwingen, das Land zu verraten, dem sie ihr Leben verschrieben haben. Extremer Hunger (eine Wahrnehmung) kann aus zivilisierten Menschen Kannibalen machen. Gedanken und Gefühle können auch zu einem katastrophalen, endgültigen Ausfall der Homöostase führen: Selbstmord. Deshalb sollte es uns nicht überraschen, dass die Wahrnehmung von Anstrengung (und die damit verbundenen Gedanken) die Ausdauerleistung limitieren können. Wahrnehmungen sind mächtig.

Matt Fitzgerald war einer der ersten Sportjournalisten, die die möglichen Auswirkungen dieses Psychobiologischen Modells für Ausdauerathleten erkannt haben. Ich erinnere mich an unser erstes Gespräch im Jahr 2009, über eine wackelige Mobilfunkverbindung, nachdem wir unsere wegweisenden Studien über den Effekt von mentaler Ermüdung auf die Wahrnehmung von Anstrengung und auf die Ausdauerleistung veröffentlicht hatten. Ich war bei einem Leichtathletikwettkampf in Italien, und Matt war zu Hause in den Vereinigten Staaten. Wir telefonierten über eine Stunde lang, befeuert von meiner Leidenschaft für interdisziplinäre Forschung (und der natürlichen Neigung eines Italieners, viel zu reden!) und Matts Durst nach den neuesten wissenschaftlichen Entwicklungen, die positive Auswirkungen für seine Leser haben könnten. Unsere »Fernbeziehung« hat Jahre überdauert, in denen ich weiter im Bereich der Psychobiologie der Ausdauerleistung forschte und Matt alles für die breite Masse verständlich in seinen Artikeln und Büchern übersetzte.

In diesem Buch hat Matt eine eindrucksvolle Sammlung von realen Beispielen dafür zusammengetragen, wie sehr die Anstrengungswahrnehmung und andere psychologische Faktoren die Ausdauerleistung beeinflussen. Diese Beispiele aus dem Leben von Eliteathleten aus verschiedenen Ausdauersportbereichen sind gekonnt vermischt mit Zusammenfassungen der wichtigsten wissenschaftlichen Erkenntnisse. Das Ergebnis ist ziemlich eindrucksvoll: ein Buch, das sowohl als Sportbiografie, aber auch als Ratgeber dafür gelesen werden kann, wie man seine Ausdauerleistung verbessert, indem man sein eigener »Sportpsychologe« wird. Ich hoffe, dies wird zu dazu führen, dass immer mehr Ausdauerathleten und ihre Trainer psychologische Prinzipien und Techniken anwenden. Die Macht der Psychologie ist noch nicht ganz ausgeschöpft im Ausdauersport und sie bewusst und systematisch zu nutzen ist eines der maßgeblichen Ansinnen des Psychobiologischen Modells.

Dennoch, wie Matt auch betont, ist es keine reine »Willenssache«, Wettkämpfe in Ausdauerdisziplinen zu gewinnen. Bewusste Selbstregulierung von Gedanken, Gefühlen und Verhalten kann einen beträchtlichen Einfluss auf die Ausdauerleistung haben, wie in diesem Buch anhand von aus dem Leben gegriffenen Beispielen gezeigt wird. Aber die genetischen Voraussetzungen, das körperliche Training und die Ernährung (zum Beispiel Kohlenhydrate und Koffein) spielen auch eine wesentliche Rolle, denn sie haben großen Einfluss darauf, wie Anstrengung wahrgenommen wird. Das unterbewusste Gehirn kann die Anstrengungswahrnehmung ebenfalls beeinflussen, wie wir kürzlich anhand unterschwelliger visueller Botschaften belegten. Wie man die negativen Auswirkungen einiger unterbewusster Stimuli vermeidet und die Macht des Unterbewusstseins dafür nutzt, seine Ausdauerleistung zu verbessern, wird eines der künftigen Entwicklungen der Psychologie im Bereich Ausdauersport sein.

Wir arbeiten außerdem an einem neuartigen Trainingskonzept, das sich Brain Endurance Training nennt und körperliches Training mit mental fordernden Aufgaben verbindet, um die Gehirnareale zu stimulieren, die an der Selbstregulierung beteiligt sind, und die geistige Ermüdung hinauszuzögern. Es sind aufregende Zeiten, denn das Psychobiologische Modell inspiriert innovative, leistungssteigernde Strategien, die über diejenigen hinausgehen, die sich auf Grundlage des traditionellen kardiovaskulären / Muskelermüdungs-Modells entwickelt haben.

Behalten Sie Matt also im Auge. Ich bin sicher, dieses Buch ist nur das erste einer ganzen Reihe erfolgreicher Bücher auf diesem für Ausdauerathleten sehr vielversprechenden Gebiet.

Dr. Samuele Marcora,

Trainingswissenschaftler

Siegen ist Kopfsache

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