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Es braucht militantes Unternehmertum
ОглавлениеVON DOMINIK FEUSI
Unternehmertum braucht die Freiheit, etwas zu unternehmen. Die Wirtschaftsfreiheit in Artikel 27 der Bundesverfassung ist die Freiheit der Unternehmen, das zu tun, was sie für richtig erachten – und die Freiheit aller anderen, Unternehmer zu werden. Das gilt für den internationalen Grosskonzern wie für das Familien-KMU, für das Hightech-Start-up wie für den Sanitärinstallateur in vierter Generation.
Woher droht dieser Wirtschaftsfreiheit und damit dem Unternehmertum Gefahr? Wer lange in Bundesbern unterwegs ist, diesem eigentümlichen Klüngel aus Politik, Verwaltung, Medien und dem Speckgürtel aus Verbänden, Beratern und Staatsbetrieben darum herum, der erkennt unweigerlich zwei Gefahren: Einerseits verschlingt dieses Bundesbern immer mehr Geld, andererseits erlässt es immer mehr Regeln. Die Bundesgasse, diese breite Strasse, welche das Bundeshaus vom Rest der Stadt Bern trennt, ist so etwas wie der ordnungspolitische Schützengraben der Schweiz: Auf der einen Seite des Grabens werden täglich Gesetze, Verordnungen und Rundschreiben entworfen, auf der anderen Seite muss man sich an sie halten; auf der einen Seite werden Steuern bezahlt, auf der anderen Seite Steuern verdient und ausgegeben. Es sind die Staatsfinanzen und staatliche Regulierung, welche das Unternehmertum bedrohen.
1990 haben Bund, Kantone und Gemeinden gut 105 Milliarden Franken ausgegeben. 2017 waren es knapp 216 Milliarden Franken. Die Welt sei halt komplexer geworden, heisst es dazu entschuldigend. Das ist doppelt falsch: Erstens ist die Welt seit 1990 nicht mehr als doppelt so komplex geworden, zweitens hat es der technologische Fortschritt möglich gemacht, mit Komplexität umzugehen. Kein Unternehmen kann sich erlauben, seine Stückkosten in 25 Jahren zu verdoppeln, im Gegenteil, Kosten werden reduziert, um noch konkurrenzfähiger zu werden. Die technologische, digitale Revolution ist nur am Staat weitgehend spurlos vorübergegangen. Der Haupttreiber der Kosten sind auf allen drei Ebenen unseres Gemeinwesens der Sozialstaat, der ungedeckte Cheque, den sich jene Generation ausgestellt hat, die jetzt in Rente geht. Schon heute liefert ein Durchschnittsschweizer die Hälfte seines Einkommens an den Staat ab (berechnet 2015 durch Avenir Suisse für die Basler Zeitung, nach einer Methode von Thomas Piketty, Daten 2013). Hohe Steuern hemmen Unternehmertum in zweifacher Weise: Erstens ist das Geld gar nicht da, etwas zu unternehmen, zweitens zerstört die Steuerbelastung jeden Antrieb, das Aussergewöhnliche zu leisten, das es für Unternehmertum braucht.
Die Regulierungsdichte hat enorm zugenommen, genauso wie die Klage darüber. 2013 veröffentlichte der Bundesrat einen Bericht über die Regulierungskosten. Insgesamt schätzte er die Summe, die jedes Jahr unproduktiv für die Bürokratie vernichtet wird, auf 10 Milliarden Franken. Die höchsten Kosten – mehr als eine Milliarde Franken pro Jahr – fallen in Bereichen an, von denen alle oder sehr viele Unternehmen betroffen sind, namentlich Mehrwertsteuer, Rechnungslegung, Baurecht, Umweltrecht und Arbeitssicherheit. Der Bundesrat versprach, etwas zu unternehmen, kommt aber kaum vorwärts. Das Parlament – obwohl seit 2015 noch mehr als zuvor bürgerlich dominiert – bringt keine Kurskorrektur zustande und der Verwaltung fehlt der Anreiz, eine durchzuführen. Nicht selten ist es die Wirtschaft selber, die Regulierung befürwortet, um Wettbewerb zu unterbinden. Neuerdings befürworten insbesondere grosse Konzerne die Unterstellung der Schweiz unter die Regulierung der Europäischen Union, egal ob das der weltweiten Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz schadet oder nicht. Im Zeitalter der Globalisierung darf einer weltoffenen Exportnation wie der Schweiz der Regulierungsraum EU nicht genügen.
Im Verhältnis zu anderen Ländern stünden wir immer noch gut da, heisst es in Bundesbern gerne. Das mag in Teilen noch zutreffen, darf aber jenen nicht genügen, die Wirtschaftsfreiheit und Unternehmertum als Ideal einer ebenso innovativen wie gerechten Leistungsgesellschaft vor Augen haben. Die Lösung liegt in der Beschränkung des finanziellen und regulatorischen Handlungsspielraums des Staates und seiner Beamten. Dazu braucht es in positivem Sinne militante Politiker und Wirtschaftsverbände, die sich nicht an kurzfristigen Interessen und Bedürfnissen einzelner Branchen orientieren, sondern an der Banalität des Unternehmers: seine Wirtschaftsfreiheit bedeutet vor allem, in Ruhe gelassen zu werden. Und es braucht Unternehmer, die sich nicht scheuen, das zu sagen.