Читать книгу Mich verlangt nach dir - Matthias Claudius - Страница 13
PHIDILE
ОглавлениеIch war erst sechzehn Sommer alt,
Unschuldig und nichts weiter,
Und kannte nichts als unsern Wald
Als Blumen, Gras, und Kräuter.
Da kam ein fremder Jüngling her;
Ich hatt’ ihn nicht verschrieben,
Und wußte nicht wohin noch her;
Der kam und sprach von Lieben.
Er hatte schönes langes Haar
Um seinen Nacken wehen;
Und einen Nacken, als das war,
Hab’ ich noch nie gesehen.
Sein Auge, himmelblau und klar!
Schien freundlich was zu flehen;
So blau und freundlich, als das war,
Hab’ ich noch keins gesehen.
Und sein Gesicht, wie Milch und Blut!
Ich hab’s nie so gesehen;
Auch was er sagte, war sehr gut,
Nur konnt’ ich’s nicht verstehen.
Er ging mir allenthalben nach,
Und drückte mir die Hände,
Und sagte immer O und Ach,
Und küßte sie behende.
Ich sah ihn einmal freundlich an,
Und fragt, was er meinte;
Da fiel der schöne junge Man
Mir um den Hals, und weinte.
Das hatte niemand noch getan;
Doch war’s mir nicht zuwider,
Und meine beiden Augen sahn
In meinen Busen nieder.
Ich sagt’ ihm nicht ein einzig Wort
Als ob ich’s übel nähme,
Kein einzigs, und – er flohe fort;
Wenn er doch wieder käme!