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ОглавлениеGELEITWORT
von Kalle Schwensen
Als mich mein Facebook-Freund Matthias Matussek bat, ein paar Worte zu seinem neuen Buch zu schreiben, habe ich erst mal gestutzt. Sowas hatte ich noch nie gemacht. Ich spreche nicht vom Schreiben, sondern von Vorworten. Auf meinem FB-blog „Meine Meinung“ nehme ich durchaus Stellung zu tagesaktuellen Sachen wie der Corona-Hysterie und dem Schließen von Restaurants, Kinos und Striplokalen – man hätte denjenigen, der sowas vor einem Jahr prophezeit hätte, als ganz üblen Verschwörungstheoretiker gebrandmarkt. Matthias und ich, wir sind, was die Kritik am autoritären, ja undemokratischen Regierungsstil der Kanzlerin angeht, politisch einer Meinung.
Als er mir dann auch noch den Titel nannte und ein paar Kapitel schickte, dachte ich, ehrlich gesagt „Ach du Sch....“. Ein Selbsthilfebuch darüber, wie man mit dem Rauchen aufhört, das betrifft mich ja nun gar nicht, denn ich bin Nichtraucher. Allerdings war das nicht immer so.
Ich kam aus einem kleinen bayrischen Dorf in die Weltstadt Hamburg. Aus einer Schule mit drei Klassenzimmern in eine mit 18 Räumen. Da waren weit über 500 Kinder, und damit 500 potentielle Kunden.
Erst mal stellte ich klar, wer hier das Sagen hat, mit ganz „traditionellen“ Mitteln. Dann steckte ich mein Revier ab und erkannte gleich: Der Platz hinter der Turnhalle war der wertvollste, denn er war am weitesten vom Schulgebäude und den Lehrern entfernt. Und dort wurde gequalmt.
Heimlich Rauchen auf der Toilette war witzlos, denn Rauchen war eine Kunst. Die Kinder wollten zusammenstehen, Qualm-Ringe in die Luft stoßen, den Rauch durch die Nase ausatmen, die Zigarette lässig im Mundwinkel baumeln lassen und die Kippe dann genauso lässig mit Daumen und Mittelfinger wegschnippen.
All das durften und konnten sie bei mir hinter der Turnhalle, denn ich hatte jemanden an der Ecke postiert, der Alarm gab, wenn sich ein Lehrer näherte. Natürlich war mein Service nicht umsonst. Die Schüler und Schülerinnen hatten dafür eine Gebühr von 20 Pfennig zu errichten.
Damals bekam man für 20 Pfennig ein Eis und für 1 Mark eine ganze Schachtel Zigaretten. In den zwei Pausen am Tag habe ich wahrscheinlich mehr eingenommen als andere pro Woche an Taschengeld bekommen haben.
Ich lernte also nicht nur für die Schule, wie es die Lehrer von uns verlangten, sondern fürs Leben.
Mit 16 war für mich die Schulzeit vorbei, endlich durfte ich in einen Boxverein eintreten und dort galt selbstverständlich eisernes Rauchverbot. Aber da es mit 16 Jahren ohnehin erlaubt war, hatte es sowieso an Reize verloren.
Während also Matthias in die Hippieszene einstieg und sich volldröhnte, dröhnte ich meine Gegner im Ring weg, ich war beweglich, hatte einen guten linken Haken und wurde mit 17 Jahren Junioren-Meister .
Haschisch und dieses Zeug hatte mich nie interessiert.
Matthias hat ja keine Hemmungen, auch über seine Niederlagen zu schreiben, zum Beispiel diese verrückte Reise nach Indien, die im Knast landete. Aber wie er darüber schreibt, hat wiederum Klasse – ohne jedes Selbstmitleid, ohne jedes Pathos, er erlebt wirklich dramatische Sachen, die man wohl eher mir zuschreiben würde, und er schreibt darüber voller Selbstironie. Und selbst die banalsten Sachen klingen bei ihm wie Poesie.
Wir sind ja ungefähr gleich alt – und haben in völlig verschiedenen Welten gelebt. Sagen wir es so: Er mochte die Beatles, ich mochte die Stones.
Ich bin absolut gegen eine Legalisierung von Drogen, ich verstehe aber die Gründe, aus denen man dafür sein kann, denn, so argumentiert Matthias, der Kampf gegen die Drogen, das hat schon die Prohibition gezeigt, ist einfach nicht zu gewinnen.
Auf der anderen Seite kann bei mir jeder gerne soviel qualmen wie er will. Ich allerdings habe damit schon vor 35 Jahren nach einer schlimmen Erkältung aufgehört, und es war verblüffend einfach – man muss nur wollen.
Das Buch von Matthias handelt nicht nur vom Rauchen, sondern auch vom Straucheln und Einstecken und davon, wie man wieder auf die Beine kommt. Deshalb ist es eine lohnende Lektüre für alle.