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Thesen des Buches

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Wir haben bereits festgestellt, dass sich die Sozialarbeit nicht mehr problemlos auf eine gegebene moralische Einheit der Gesellschaft beziehen kann, um von dort aus integrierende Normanpassungen ihrer vermeintlich devianten Klienten vorzunehmen. Vielmehr müssen nun, quasi losgelöst von jeder einheitlichen moralisch-gesellschaftlichen Verankerung, in – z. B. durch das Rechtssystem gerahmten – Ver- und Aushandlungsprozessen die Problem-, Reflexions-, Handlungs- und Zielbezüge sozialarbeiterischer Hilfen im Spannungsfeld sozialer (etwa politischer, wirtschaftlicher, familiärer etc.) und individueller Erwartungen immer wieder neu geschaffen, konstruiert werden. Das Soziale muss von der Sozialarbeit alltäglich neu hergestellt werden. Kaum etwas ist noch selbstverständlich. Fast alles ist hinterfragbar geworden, kann immer auch anders beschrieben, erklärt und bewertet werden. Unsere soziale Situation ist so ambi- oder polyvalent, so mehrdeutig wie vielleicht nie zuvor.

Trotz dieser postmodernen Situation sind wir der Ansicht, dass ein Bezug der Sozialarbeit weiterhin – womöglich sogar radikaler als je zuvor – erhalten bleiben wird und erhalten bleiben muss, nämlich der Klientenbezug.

Dieser Bezug wird gerne mit der Aussage umschrieben, dass die Klienten dort abgeholt werden müssen, wo sie stehen. Dieser Klientenbezug, der typisch ist für die Sozialarbeit, bildet auch die Basis für die These, die wir den folgenden Texten voranstellen wollen. Diese These lautet, dass es in konkreten Hilfeprozessen die Klienten Sozialer Arbeit selbst (und nicht die Helfer) sind, die am ehesten wissen, was gut für sie ist. Dieser Orientierung fühlen sich die Autorin und die Autoren dieses Buches verpflichtet. Insbesondere um diese Idee in die Praxis umzusetzen, bieten sich unserer Ansicht nach eben die beiden methodischen Richtungen an, die wir in diesem Buch kombinieren: die systemischkonstruktivistische Perspektive und das Case Management.

Unserer Ansicht nach sind systemisch-konstruktivistische Orientierungen und das Case Management sozialarbeiterische Ansätze, in denen zwei wesentliche Postulate, die aktuelle sozialarbeiterische Ansätze prägen sollten, aufgenommen werden: nämlich einerseits die Lebensweltorientierung und andererseits die Ökonomisierung.

Im Sinne der Lebensweltorientierung sind die beiden Methoden dialogisch orientiert. Mit Hilfe dieser Methoden können SozialarbeiterInnen zusammen mit den KlientInnen versuchen, in kommunikativen Aushandlungsprozessen Lösungen zu initiieren. Die Klienten werden dabei – ganz im Sinne unserer oben genannten These – als Experten für die Realisierung der Problemlösungen gesehen. Die SozialarbeiterInnen gehen also nicht normativ vor, sondern verstehen sich als Experten für die prozesshafte Konstruktion von Zielen und für das prozesshafte Anregen der Klienten hinsichtlich der Zielerreichung. In diesem Sinne sind die SozialarbeiterInnen Kommunikationsexperten, die das kommunikative, das dialogische Erschließen von Zielen und Lösungen, die in der Lebenswelt der Klienten sinnvoll und sinnhaft sind, anregen, ja ermöglichen.

Im Sinne der Ökonomisierung sind beide Methoden – mit den oben genannten Einschränkungen bezüglich der Grenzen des sozialarbeiterischen Handelns – an Effektivität und damit fast zwangsläufig an Effizienz orientiert. Sie sind auf Effektivität ausgerichtet, weil sie die Ergebnisse der Hilfe anhand der Ziele messen, die zuvor, d. h. während des Hilfeprozesses, zumeist immer wieder erneut ausgehandelt wurden. Nur wenn Ziele definiert wurden, kann zielwirksam, also effektiv gearbeitet werden, und nur wenn die Ergebnisse mit diesen Zielen verglichen werden, ist es möglich, die erreichte Effektivität zu messen.

Unabhängig von den konkreten Zielvereinbarungen in jeder Hilfe kann als das grundlegende Ziel jeder Sozialarbeit – im weitesten Sinne – die »Hilfe zur Selbsthilfe« angegeben werden. Mit anderen Worten soll sozialarbeiterische Hilfe bewirken, dass die Klienten in absehbarer Zeit sich wieder selber helfen können oder dass Personen aus dem lebensweltlichen Netzwerk (z. B. Familienangehörige, Nachbarn, Freunde, ehrenamtliche Helfer) unterstützend wirken, sodass die professionelle Hilfe überflüssig wird.

Um dieses Ziel zu erreichen, ist das »zentrale Hilfeparadoxon« (Wolff 1990, S. 22) zu reflektieren, das darin besteht, dass Hilfe immer auch zur Nicht-Hilfe im negativen Sinne führen kann, das heißt zur Abhängigkeit der Klienten von den Helfern. Beide Methoden – sowohl die systemische Beratung als auch das Case Management – versuchen, gerade diese Abhängigkeit zu verhindern, indem sie die Wahrscheinlichkeit, dass diese Abhängigkeit überhaupt erst entstehen kann, durch einen kritischen Einbezug des Faktors Zeit verringern.

Hilfen sollen so lange wie nötig, aber so kurz wie möglich dauern. Die These ist, dass Abhängigkeit mit der Verfestigung von Strukturen über einen längeren Zeitraum entsteht. Mit anderen Worten, je länger eine Hilfe dauert, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Klienten von dieser – wie auch immer – abhängig werden; und umso teurer werden die Hilfen dann, was dazu führt, dass Effizienz sinkt. Wir können sehen, dass sich die Beachtung des Zeitaspektes auf das bezieht, was wir Effizienz nennen, nämlich auf die Wirtschaftlichkeit. Hilfen, die (»nur«) so lange wie nötig und so kurz wie möglich durchgeführt werden, sind – so ist zumindest zu vermuten – kostengünstiger (wirtschaftlicher, effizienter) als Hilfen, die diesen Aspekt nicht beachten. Aus diesem Grund sollte in der Sozialen Arbeit verstärkt systemisch-lösungsorientiert im Sinne von Steve de Shazer (1988; 1991; 1996) gearbeitet werden. Dies würde dann vermutlich auch effiziente zeitsensible Hilfen ermöglichen, die innerhalb von Case-Management-Prozessen begleitet und evaluiert werden könnten.

Systemisches Case Management

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