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5. Teil Einwohner und Bürger der Gemeinde › C. Übungsfall Nr. 1

C. Übungsfall Nr. 1[1]

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5. Teil Einwohner und Bürger der GemeindeC. Übungsfall Nr. 1 › „Das OWi-Mandat“

„Das OWi-Mandat“

R ist Mitglied des Gemeinderats der Gemeinde G. Im Rahmen ihrer Tätigkeit als Rechtsanwältin vertritt sie einen ihrer Mandanten in einem Ordnungswidrigkeitenverfahren gegen die Gemeinde. Die Mehrheit des Gemeinderats hält diese Vertretung für unzulässig und beschließt daher, R diese Tätigkeit zu untersagen. Das Bürgermeisteramt der Gemeinde erlässt daraufhin durch Bescheid ein Vertretungsverbot gegen die R. Begründet ist der Bescheid mit dem Hinweis, die Gemeindeverwaltung sei von allen Einflüssen freizuhalten, die eine objektive, unparteiische und einwandfreie Führung der Gemeindegeschäfte gefährden könne. § 17 Abs. 3 GemO lasse es nicht zu, dass eine Rechtsanwältin, die Gemeinderatsmitglied sei, ihre Mandanten in Ordnungswidrigkeitenverfahren gegen die Gemeinde vertrete.

R hält diesen Bescheid für rechtswidrig. Nach einem erfolglos durchgeführten Widerspruchsverfahren erhebt sie fristgemäß Klage zum zuständigen VG.

Wie wird das Gericht entscheiden?


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5. Teil Einwohner und Bürger der GemeindeC. Übungsfall Nr. 1 › Lösung

Lösung

A. Zulässigkeit der Klage

I. Verwaltungsrechtsweg – § 40 VwGO

Bei der Klage gegen den Bescheid der Gemeinde G handelt es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art i.S.d. § 40 VwGO.

II. Statthaftigkeit

Die statthafte Klageart richtet sich nach dem Klagebegehren. Die Klage richtet sich gegen einen belastenden VA (§ 35 LVwVfG) der Gemeinde, so dass die Anfechtungsklage gem. § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO statthaft ist.

III. Klagebefugnis – § 42 Abs. 2 VwGO

Als Adressatin des belastenden VAs ist R möglicherweise in eigenen Rechten (Art. 12 Abs. 1 GG) verletzt. Die Klagebefugnis ist demnach zu bejahen.

IV. Vorverfahren – § 68 VwGO

Ein Vorverfahren gem. § 68 VwGO wurde ordnungsgemäß durchgeführt.

V. Klagefrist – § 74 VwGO

Die einmonatige Klagefrist des § 74 VwGO wurde gewahrt.

VI. Zuständiges Gericht

Das VG ist in vorliegendem Fall gem. § 45 VwGO sachlich zuständig. Die örtliche Zuständigkeit ist laut Sachverhalt gegeben.

VII. Zwischenergebnis

Die Klage der R ist zulässig.

B. Begründetheit

Die Klage ist begründet, wenn sie sich gegen den richtigen Beklagten wendet (§ 78 VwGO), der angefochtene Verwaltungsakt rechtswidrig ist und die Klägerin in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).

I. Passivlegitimation

Die Klage ist gem. § 78 Nr. 1 VwGO gegen den Rechtsträger der den VA erlassenden Behörde zu richten.

Der angefochtene Bescheid wurde vom Bürgermeisteramt erlassen. Aus diesem Grunde ist die Gemeinde G die richtige Beklagte.

II. Rechtswidrigkeit des angefochtenen VAs

1. Ermächtigungsgrundlage

Mit Bescheid der Gemeinde G wurde gegen R ein Vertretungsverbot verhängt. Zutreffende Ermächtigungsgrundlage hierfür ist § 17 Abs. 3 GemO.

2. Formelle Rechtswidrigkeit

Anhaltspunkte dafür, dass der Bescheid der Gemeinde G formell rechtswidrig ist, sind im Sachverhalt nicht ersichtlich. Insbesondere wurde die Entscheidung über die Verhängung des Vertretungsverbots gemeindeintern von dem hierfür zuständigen Organ – dem Gemeinderat – getroffen (§ 17 Abs. 3 S. 3 GemO).

3. Materielle Rechtswidrigkeit

Der Bescheid der Gemeinde G wäre dann materiell rechtswidrig, wenn das gegen R verhängte Vertretungsverbot nicht von § 17 Abs. 3 GemO gedeckt wäre.

a)

§ 17 Abs. 3 GemO lässt die Verhängung eines Vertretungsverbots in den Fällen zu, in denen der ehrenamtlich tätige Bürger Ansprüche oder Interessen eines Dritten gegen die Gemeinde geltend macht.

b)

Vorliegend bestehen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des VA vor allem deshalb, weil fraglich ist, ob die Tätigkeit in einem Ordnungswidrigkeitenverfahren eine Geltendmachung von Ansprüchen oder Interessen i.S.d. § 17 Abs. 3 GemO ist.

aa)

Nach Ansicht des VGH Baden-Württemberg[2] ist die Vertretung in Bußgeldsachen durch einen dem Gemeinderat angehörenden Rechtsanwalt kein Geltendmachen von Ansprüchen oder Interessen eines anderen gegen die Gemeinde. Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass im Ordnungswidrigkeitenverfahren die Gemeinde die Befugnisse einer Strafverfolgungsbehörde im Rahmen eines strafrechtsähnlichen Verfahrens wahrnimmt. In diesem Verfahren tritt ihr der Rechtsanwalt des wegen einer Ordnungswidrigkeit verfolgten Bürgers nicht als Bevollmächtigter, der Ansprüche oder Interessen seines Mandanten gegen die Gemeinde geltend macht, gegenüber. Er hat vielmehr eine dem Strafverteidiger vergleichbare Rolle.

bb)

Beide – sowohl der Rechtsanwalt in seiner Funktion als Verteidiger als auch die Gemeinde in der ihr zugewiesenen Rolle der staatlichen Strafverfolgungsbehörde – haben die für das Verfahren nach dem Ordnungswidrigkeitengesetz maßgebende Aufgabe zu erfüllen, als Organe der Rechtspflege nach der Wahrheit zu suchen, d.h. sich mit objektiven Kriterien um die Richtigkeit des gegen den Bürger erhobenen Vorwurfs zu bemühen. In dieser Funktion kann der Interessenkonflikt, den der Gesetzgeber mit der im § 17 Abs. 3 S. 1 GemO getroffenen Regelung im Auge hat, nicht eintreten. Hieran ändert sich auch nichts vor dem Hintergrund, dass die verhängten Bußgelder in die Gemeindekasse fließen. Denn bei der Aufgabe, die den Gemeinden mit dem Ordnungswidrigkeitengesetz auferlegt worden ist, handelt es sich im Kern um eine solche der Strafverfolgung als staatliche Aufgabe und nicht um eine Aufbesserung des Gemeindehaushalts.

c)

Im Ergebnis hätte die Gemeinde G gegenüber der R kein Vertretungsverbot verhängen dürfen, da dieses nicht durch § 17 Abs. 3 S 1 GemO rechtlich gedeckt ist. Die dem Bescheid zu Grunde liegende Auslegung dieser Vorschrift sprengt den Rahmen der mit § 17 Abs. 3 S. 1 GemO bezweckten Regelung und ist deshalb mit den Grundrechten der Klägerin aus Art. 12 Abs. 1 GG nicht vereinbar.

C. Ergebnis

Da die R durch den rechtswidrigen VA in eigenen Rechten verletzt wird, ist die Klage begründet.

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