Читать книгу Anatomie des Handy-Menschen - Matthias Morgenroth - Страница 7
ОглавлениеBeipackzettel: Liebe macht blind
Du hast eine Anatomie des Handy-Menschen in der Hand. Ein kleines anatomisches Lehrbuch. Eine Momentaufnahme. Manches ist noch unscharf. Manches versteckt sich noch. Manches wird sich wieder verwachsen. Aber schon der erste Blick zeigt: Wir sind nicht mehr dieselben. Wir sind über uns hinausgewachsen.
Kopf hoch: Vom Display aufschauen
Wir haben einige neue Organe entwickelt, die unsere medizinischen Lehrbücher und Gesundheitslexika nicht kennen. Darum ist die bevorstehende Tomographie des smarten Menschen eine Entdeckungsreise. Ein echtes Forschungsgebiet. Mit Risiken und Nebenwirkungen. Wir sind mehr oder minder auf uns allein gestellt, aber wir müssen da durch, wenn wir uns weiterhin selbst verstehen wollen. Wenn wir freie Menschen bleiben wollen.
Einige Spezialisten haben wir natürlich bereits an unserer Seite. Ein wenig seelsorgerliche Begleitung aus den Fachbereichen Philosophie, Ethik, Soziologie, Medienkunde, Kommunikationswissenschaft, aus der Mathematik, der Hirnforschung und verschiedenen therapeutischen Disziplinen, dazu Wissenschaftsjournalisten und Feuilletonisten. Denn natürlich versuchen gegenwärtig viele, das Neue zu fassen, was uns umgibt, prägt und was wir mit unserem Handyleben wiederum mitprägen. „Fassen“ ist in diesem Zusammenhang das richtige Wort, denn irgendwie scheinen uns die Gedanken und Gefühle rings um das Neue sofort wieder zu entgleiten, weil die digitale Revolution keine Rücksicht auf menschliches Zeitempfinden nimmt. Sie ist „disruptiv“, sprengt mit großer Macht vieles auf, ohne Rücksicht auf Verluste. Wir sind nicht mehr dieselben – und diese Veränderung geht auf der einen Seite so rasend schnell, dass im Alltag kaum einer dazu kommt, darüber mit Sinn und Verstand zu reflektieren. Auf der anderen Seite geht sie so unbewusst und selbstverständlich vonstatten, dass wir oft gar kein klar umrissenes Bild davon haben, worüber denn zu reflektieren wäre, sollten wir doch einmal vom Display aufschauen und innehalten. Wir bemerken nur dieses diffuse Gefühl, dass wir uns verändert haben und uns ständig weiterverändern, gemeinsam mit der Zeit, in der wir leben. Und mit dem Smartphone in der Hand. Die Corona-Krise hat dabei die Entwicklung der vergangenen Jahre noch einmal radikalisiert – aber auch manches wieder neu in Frage gestellt.
Man kann die Folgen dessen, was Digitalisierung genannt wird, technisch, mathematisch, biologisch, psychologisch, wirtschaftswissenschaftlich, soziologisch, philosophisch, ethisch und sicher noch auf ein Dutzend andere Weisen beschreiben. Wir werden es in diesem etwas anderen Anatomie-Lehrbuch im umfassenden Sinne des Wortes menschlich angehen. Wir gehen nicht vom „User“ aus, sondern vom Menschen. Vom ganzen Menschen, den ich als lebendiges, vielschichtiges, prinzipiell weltoffenes Wesen verstehe. Es geht um uns. Um dich und mich.
Wie jede bahnbrechende kulturelle Errungenschaft ist auch das Smartphone sowohl Ausdruck als auch Motor des Neuen. Es ist Konzentrationspunkt und Symbol dessen, was sich schon lange angebahnt hat und für das die Zeit jetzt reif zu sein scheint. Und zugleich verstärkt und potenziert es das, was da geworden ist. Umfassend, in rasantem Tempo, umwerfend und umstürzend, disruptiv eben. Das, was wir weltweit erleben und was digitale Revolution genannt wird, hat im Smartphone seinen ganz konkreten Ausdruck für jeden Einzelnen gefunden. Und deswegen müssen wir dort ansetzen, um uns und die Macht des Digitalen zu verstehen.
• Denke dich in die Zeit vor Corona: Wann hattest du das letzte Mal dein Smartphone einen ganzen Tag lang aus?
• Und zu Corona-Zeiten: Wann und wo lebst du ohne Handy oder Tablet oder Laptop?
• Würdest du umkehren, wenn du auf dem Weg ins verlängerte Wochenende feststellst, dass du das Handy zu Hause liegen gelassen hast, auch auf die Gefahr hin, den Zug oder den Flieger zu verpassen?
• Schaust du auf die Wetter-App oder aus dem Fenster, wenn du wissen willst, wie das Wetter ist oder wie warm es ist? Und wem glaubst du mehr – der App oder deinem Blick?
• Wie lange hältst du es aus, dein Smartphone zu ignorieren, nachdem es vibriert, gepiepst, gezwitschert oder sonst einen Signalton von sich gegeben hat?
Ich: Homo Digitalis
Die digitale Revolution sei eine Medienrevolution, hieß es zuerst. Das klang ziemlich abstrakt und sehr weit weg. Das klang, als würde es Medien betreffen, nicht Menschen. Geräte und nicht Gefühle. Doch wie sich mittlerweile herausgestellt hat, stimmt das nicht. Es betrifft jeden von uns.
Was diese Medienrevolution mit uns macht, auch dafür haben wir noch gar keinen richtigen Namen. Was passiert mit uns? Und wer soll das schon sein, der Homo Digitalis? Der Mensch 4.0? Ich doch nicht! Oder doch? Konkret anschauen können wir all das, was mit uns geschieht – oder was wir mit uns machen lassen, was wir uns zumuten –, wenn wir zunächst einmal anerkennen, wie verwachsen wir mittlerweile mit dem Smartphone sind – neben dem Computer der tagtäglichen und für uns viel wichtigeren Schnittstelle zu „unserer“ digitalen Welt.
Der direkte, sichtbare Ausdruck für das, was Digitalisierung für uns bedeutet, ist das Smartphone geworden, mit dem wir eine ganze Welt mit uns herumtragen. Dieses flache Zauberkästchen ist unser Auge zum digitalen Jenseits. Es ist auch längst unser Kompass durch das analoge Diesseits. Es ist unsere Nabelschnur, mit der wir mit unserem digitalen „Zwilling“ oder „Schatten“ verbunden sind. Denn ohne dieses kleine Gerät fühlen wir uns mittlerweile mehr oder weniger amputiert. Und es ist noch nicht abzusehen, welchen Schub das social distancing der Digitalisierung bringen wird.
Online: Der verlängerte Geist
Das Handy war schon längst davor ein weiteres Körperglied. Wenn wir sagen, unsere Hand ist ein Teil von uns, dann sind wir auch Hand. Wenn wir sagen, das Handy ist ein Teil von uns, dann sind wir auch Handys. Das gilt es zu erspüren.
Seit Steve Jobs’ Präsentation des ersten iPhones im Januar 2007 mutieren wir zu Cyborgs, zu Mensch-Maschinen. Wir umklammern die Schnittstelle oft schon so fest, dass es bereits Kinder gibt, die der Meinung sind, das Wort Hand komme bestimmt von Handy, und wir verlagern unser Leben und Erleben Stück für Stück, Bit für Bit, dort hinein. Manche gehen sogar so weit, zu sagen, es wäre schon längst umgekehrt, und wir wären nur noch Hände und Füße für die Smartphones, die vielleicht schon die wahren Herrscher über unsere Körper und über unseren Geist sind. Und vielleicht war der Lockdown ganzer Gesellschaften zu Pandemie-Zeiten nur durchsetzbar und lebbar, weil wir den digitalen Teil unserer Selbst weiterleben durften.
Es geht in den folgenden Erkundungen der Anatomie des Handy-Menschen natürlich nicht um pro oder contra Smartphone, es geht ums Wie. Denn logisch, wer sich dem Smartphone und der digitalen Maschinerie dahinter komplett verweigert, würde sich schon heute mit einem Schlag so ziemlich von allem abkoppeln, was für die meisten von uns zählt. Es wäre ein Eremitendasein, und nur wenige halten es aus.1 Und es ist ja nur noch eine Frage der Zeit, bis nicht nur unsere Kommunikation, unser Büro und unsere Freunde, sondern die Dinge des alltäglichen Lebens in den digitalen Raum verlagert werden: Es war ja für viele spätestens durch Corona auch ein Aha-Erlebnis, wie konzentriert manche Treffen im virtuellen Raum über Zoom oder Teams oder Skype ablaufen können. Handy in die Tonne ist daher keine Alternative. Aber das Leben dem Smartphone zu überlassen ist auch keine.
Androide: An der digitalen Leine
Schon von Anfang an war das iPhone oder Smartphone (ich verwende Handy, Smartphone, iPhone synonym) mehr als nur eine Art elektronisches Taschenmesser mit vielen tollen Funktionen. Schon die Konzeption beinhaltete die Absicht, uns, unsere Selbstwahrnehmung und unseren Alltag radikal zu verändern. Bereits die Namen verraten es. iPhone heißt auf Deutsch Ich-Phone. Und das weltweit meistgenutzte Betriebssystem trägt den Namen Android. Das altgriechische Wort Androide bezeichnet menschenähnliche Gestalten.
An diesem menschenähnlichen Ich-Begleiter hängen wir längst viel mehr, als wir glauben und zugeben. Allein schon die höchst emotional geführte Diskussion, wie süchtig wir denn schon seien – nie wir selbst natürlich, immer die anderen –, macht mehr als nachdenklich.
Das Gute ist: Wir haben nicht nur die Pflicht, wir haben auch die Chance, mitzudenken und mitzureden, wenn es darum geht, zu spüren, wie wir uns verändern und was uns guttut. Welche Aspekte der Digitalisierung uns stärken, welche schwächen, welche ängstigen und welche einen gesellschaftlichen und persönlichen Rückschritt bedeuten würden. Denn alle sind immer noch Anfänger. Es gibt in dem Forschungsgebiet, in das wir uns mit den folgenden Erkundungen begeben wollen, noch keine Erfahrungen, die sich über Generationen vermittelt haben, wenig Lehrbücher, Leitbilder und Anweisungen. Es gibt digitale Propheten. Es gibt viele sehr bemerkenswerte Momentaufnahmen aus unterschiedlichsten Perspektiven, auf die wir zurückgreifen können. Aber so richtig lange Erfahrung hat noch keiner mit dem Smartphone sammeln können. Wie auch. Davor und daneben gab es einige Vorläufer für Spezialisten (wer verwendet noch Blackberrys oder Palms …), doch diese technische Geburt im Jahre 2007 markiert den entscheidenden Wendepunkt für unseren Alltag und unser Erleben, und das ist eben noch nicht lange her.
Nur eine Dekade später gibt es nur noch einige wenige Menschen, die nicht ganz selbstverständlich mit einem Smartphone zusammenleben oder eben vielmehr mit ihm verwachsen sind. 2018 wurden weltweit 1,4 Milliarden Smartphones verkauft.2 Im selben Jahr besaßen einer Schätzung zufolge rund zwei Drittel der Menschheit ein Smartphone,3 in Deutschland waren es 81 Prozent der Menschen, die älter als dreizehn waren.4 Und diese Zahlen sind heute, wenn du dieses Buch liest, schon alt. Ob es ein paar Millionen Smartphones mehr oder weniger sind, ist auch völlig egal, diese Zahlen belegen nur, was wir alle sehen und wissen, wenn wir mit der U-Bahn fahren, auf den Bus warten, uns im Büro umschauen, zu Hause am Tisch sitzen, mit Freunden oder mit unseren Kindern oder Enkelkindern unterwegs sind: Die allermeisten Erdbewohner gehen wie an einer digitalen Leine durch die Welt. Und dazu dient ja nicht nur das Smartphone, sondern dazu dienen außerdem auch noch Tablets, PCs, Laptops, Smart-Watches, Datenbrillen und Co. Derzeit erleben wir – coronabedingt – noch eine potenzierte Verlagerung des Alltags ins Digiale.
• Aufgabe 1: Geh auf die Straße und zähle die Leute mit Handy, die dir begegnen.
• Aufgabe 2: Du hast die S-Bahn verpasst. Oder du hast zehn Minuten Mittagspause. Keiner will etwas von dir. Was könntest du noch tun, außer zum Handy zu greifen? Fällt dir nichts mehr ein?
Sichtprobleme: Keine Vergleichsgruppe ohne Handy
Alle sind Anfänger. Anfänger, die manchmal staunend und zukunftsfreudig, manchmal angstvoll und alarmiert beobachten, analysieren, fühlen und erfahren, welche Veränderungen innerhalb ganz weniger Jahre die digitalen Geräte in unseren Händen mit uns als Einzelne und mit uns als Gesellschaft verursacht haben. Und wo das hinführen könnte. Für alle Effekte gibt es sowohl eine utopische als auch eine dystopische Erzählung, und das macht die ganze Sache doppelt kompliziert. Wir fühlen uns unsicher.
Und dann fällt es uns auch noch schwer, diese Effekte wirklich nach den gewohnten wissenschaftlichen Kriterien einzuordnen oder zu belegen. Denn erstens ist unser Beobachtungszeitraum noch sehr kurz, zweitens bräuchte man ja, um wirklich klar sagen zu können, welche Veränderungen ursächlich auf die Smartphone-Nutzung zurückzuführen sind, eine valide Vergleichsgruppe in selben gesellschaftlichen Bedingungen ohne Smartphone – und die gibt es definitiv nicht. Und drittens müssten die Bedingungen für eine solch aussagekräftige Studie einigermaßen stabil bleiben, aber das tun sie nicht, denn laufend verändern sich wesentliche Teile dessen, was wir beobachten wollen, die Gadgets, also unsere technischen Lebensbegleiter, wie auch die Widgets, also die Benutzeroberflächen, sowie auch die Apps, also die unterschiedlichen Anwendungsmöglichkeiten.5
Dementsprechend läuft eine breite und zum Teil aggressiv geführte Diskussion darüber, welche Studien wie zu deuten sind, was nur zufällig gleichzeitig auftaucht und was kausal zusammenhängt, zumal wohl die finanzkräftigsten Unternehmen der Welt, die „Big Five“ Apple, Amazon, Google, Facebook und Microsoft, versuchen, die Stimmung zu ihren Gunsten zu steuern und nichts Nachteiliges über die scheinbar alternativlose digitale Entwicklung zu sagen. Sie verstehen sich mit geradezu religiösem Gestus als Weltverbesserer zu verkaufen.6 Logisch. Es ist ja ihre schöne neue Welt, und dass sie profitorientierte Unternehmen sind, deren Strukturen und Geschäftsmodelle Teil des Problems sein können, wird dabei gern vergessen. Dass etwa Facebook seit Neuestem an der TU München einen Lehrstuhl für Medienethik finanziert, erscheint in diesem Zusammenhang vielen wie ein Feigenblatt.7
Nicht ohne mein Smartphone: Liebe macht blind
Und dann gibt es noch etwas, was einer nüchternen Betrachtung der Phänomene zuwiderläuft. Jede und jeder, du und ich, haben bestimmte Gefühle zu unseren digitalen Endgeräten entwickelt. Ja, Gefühle. Es muss ja nicht gleich Liebe sein, aber es geht schon in die Richtung. Es muss auch nicht gleich Sucht sein (die Diagnose Handysucht wurde 2018 von der WHO offiziell in den Kanon der anerkannten Krankheiten aufgenommen), aber auch das geht in die richtige Richtung, auch das Leugnen und Verstecken des Suchtmittels gehört ja schließlich zu den Symptomen von Sucht dazu. Was Verliebtheit und Sucht verbindet, ist, salopp gesagt, dieses: Beides macht blind, und das erschwert das Nachdenken und Erkennen von dem, was gerade mit uns und um uns passiert.
Möglicherweise kann deshalb gerade die Tatsache, dass wir alle Anfänger sind, Mut machen. Wir alle können, sollen, dürfen und müssen mitreden, unperfekt und tastend, vielleicht manchmal blind. Das heißt aber auch: Wir alle müssen nicht alles glauben, was uns Spezialisten erzählen oder uns verkaufen wollen oder unhinterfragt praktizieren. Nein, wir dürfen und wir müssen mitreden, weil es um uns selbst geht. Um uns und unser Leben.
• Wann hast du dein erstes Smartphone in der Hand gehalten? Was hast du gefühlt? Versuche, dich an eine Zeit vor dem Smartphone zu erinnern!
• Wäre dein Smartphone ein Tier, als welches würdest du es sehen?
• Welches sind die Lieblingseigenschaften deines digitalen Freundes in der Hand?
• Wo liegt dein Handy gerade? Willst du nicht mal kurz einen Blick darauf werfen?
Vernetzt: Wir sind über uns hinausgewachsen
Das Smartphone verändert unser Zeit-, Welt- und Selbstverständnis, mit oder ohne social distancing. Wir sind mitten drin in einer geistigen Metamorphose. Obwohl das, was passiert, auch ganz konkrete Auswirkungen auf unsere biologischen Körper haben kann, man denke an Kurzsichtigkeit durch Handynutzung, die neue Daumenkompetenz der digital natives oder nachweisbare Veränderungen im Gehirn.8 Oder, etwas kurioser, den Vormarsch der Läuse, weil wir die Köpfe über den Handys enger zusammenstecken,9 sowie die Lebensgefahr, in die sich die Leute beim Selfie-Schießen begeben, die Todesrate ist weltweit erfasst, in Deutschland ist allerdings bis 2017 nur ein Todesfall direkt aufs unachtsame Fotografieren mit dem Handy zurückzuführen.10 All das lassen wir beiseite.
Die „Organe“ oder „Sinne“, die wir im Folgenden untersuchen werden, sind anderer Natur. Sie sind so neu, dass wir ihnen sogar erst noch Namen geben müssen. Uns sind Flügel gewachsen, wir tragen Hornhaut auf der Seele, haben einen Wisch-Welt-Daumen und eine Dunkellinse bekommen, einen Möglichkeitssinn und ein Vertrauensseelchen und noch einiges mehr.
Zunächst müssen wir uns noch kurz über das Instrumentarium dieser Anamnese verständigen: Nach welchen Methoden müssen wir vorgehen, um uns zu scannen? Welche Kurzschlüsse im Denken gibt es, zu welchen Verwechslungen neigen wir, wenn wir ans Handy denken und mit ihm zusammenleben? Welche Kontrastmittel müssen wir daher spritzen?
Standpunkt: Woher wir kommen
Jeder von uns redet dabei von einem anderen Standpunkt aus mit. Hat andere Erfahrungen im Gepäck. Bei mir verhält es sich in Bezug auf diese Anatomie des Handy-Menschen so: Erstens erlebe ich in der tagtäglichen Arbeit als Reporter und Redakteur eines öffentlich-rechtlichen Senders, wenn ich mit dem Umsetzen von Nachrichten für Hörfunk, Fernsehen, Online und Social Media zu tun habe, wie sehr die Form den Inhalt bestimmt, wie sehr die neuen Rahmenbedingungen Inhalte verändern, Nachrichten neu formatieren und damit die Geschichten vorprogrammieren, mit denen wir versuchen, uns, die Welt und ihr aktuelles Geschehen zu erfassen. Zum Zweiten bin ich, anders als meine Kinder, ein Mensch, der beide Welten kennt, die vordigitale und die digitale. Meine Kinder können sich nicht vorstellen, dass es einmal eine Welt ohne WLAN-Hotspots und mobile Daten gegeben hat, so wie ich mir nur schlecht vorstellen kann, wie die Gesellschaft ausgesehen haben mag, als es noch keine Schrift und damit kein Überdauern von Sprache gegeben hat. Ich bin mir bewusst, dass ich daher Gefahr laufe, der Nostalgie des „früher war besser“ zu erliegen, glaube aber, dass darin auch gewisse Vorteile liegen können. Nämlich nicht alles allzu schnell als selbstverständlich oder gar als alternativlos hinzunehmen. Und drittens beobachte und beschreibe ich seit vielen Jahren das, was man mit dem Wort Spiritualität zu fassen sucht, den „gelebten Glauben“, das, wofür das Herz schlägt. Sendungen, Bücher und Aufsätze entstehen regelmäßig aus diesem Arbeitsbereich, und mit vielen der in diesem Buch zitierten Menschen habe ich durch meine Arbeit auch direkt diskutieren dürfen.
• Welches sind deine Kompetenzen? Aus welcher Perspektive kommst du aufs Handy zu?
• In welchen Momenten fühlst du dich abgehängt von anderen Usern, und um was beneidest du sie?
• Woran hängt dein Herz?
So. Nun können wir starten. Wichtige Vorbereitung: Bitte lege dein Smartphone nicht nur zur Seite, mache es am besten auch aus. Geht das? Kannst du das? Es ist wichtig, denn schon das neben uns gelegte oder im Raum befindliche Smartphone absorbiert, wie Experimente zeigen, unglaublich viel von unserer Aufmerksamkeit.11 Und das wäre schade. Zugegeben: Es ist beinah schon so etwas wie ein Abenteuer: Nicht googeln – selbst denken!