Читать книгу Methoden der Standortanalyse - Matthias Ottmann - Страница 7
Оглавление1 Standortplanung als Herausforderung an die Unternehmensführung
1.1 Warum ein Buch über die Methoden der Standortanalyse?
Standort, Bedeutung
Standortentscheidungen bewirken meist eine langfristige Bindung erheblicher Ressourcen von Unternehmen und sind daher für deren Kostenstrukturen, aber auch – und immer mehr – für ihre Erfolgspotenziale von ausschlaggebender Bedeutung. Angesichts der zunehmenden Vernetzung der Weltwirtschaft bei geringer Stabilität der Märkte sehen sich viele Unternehmen immer öfter gezwungen, sich mit dem Standort als Managementobjekt auseinanderzusetzen. Gleichzeitig lassen sich die wirtschaftlichen Konsequenzen dieser Entscheidungen schwerer vorhersehen als jemals zuvor. Die gestiegene Unsicherheit bei der Entscheidungsfindung erfordert ein Erneuern der Steuerungspraxis von Unternehmen, um Entwicklungstendenzen rechtzeitig zu erkennen und sich an wandelnde Umweltbedingungen anzupassen. Einer systematischen Suche nach Risiken und Möglichkeiten, um die betriebliche Standortstruktur und -nutzung zu verbessern, kommt dabei eine Schlüsselrolle zu.
Standortplanung, Bedeutung
Mit dem Wandel vom Kostenfaktor zur strategischen Erfolgsressource und der erweiterten Bedeutung der Standortplanung als zentrale Steuerungsperspektive der strategischen Unternehmensführung gehen auch gestiegene Ansprüche an adäquat ausgerichtete Analysen einher. Dabei geht es nicht allein darum, Kosten zu senken, sondern vielmehr in einem weiter gefassten ganzheitlich-strategischen Ansatz zur positiven Unternehmensentwicklung beizutragen. Voraussetzungen dafür sind jedoch geeignete Arbeitsweisen und Werkzeuge, die auf die Merkmale standortbezogener Fragestellungen abgestimmt sind. Damit gewinnt das Wissen über geeignete Methoden, Standortentscheidungen effektiv zu steuern und das volle Potenzial der Standortplanung zu nutzen, an Bedeutung. Empirische Befunde und Fallstudien zeigen jedoch regelmäßig Defizite in der Unternehmenspraxis. Viele Unternehmen greifen auch bei Standortentscheidungen auf traditionelle Verfahren der Investitionsrechnung zurück. Eine eigenständige Standortplanung und der Gebrauch spezieller Methoden finden selten statt. Als Resultat sind nicht nur ungenutzte Möglichkeiten und fortdauernde Risiken zu beklagen, sondern auch erkannte Fehlentscheidungen, die sich nur schwer revidieren lassen.
Standortforschung
Wenn die gegenwärtig vorherrschende Unternehmenspraxis die Möglichkeiten einer systematischen Standortplanung bei Weitem nicht ausnutzt, lässt sich dies auch darauf zurückführen, dass ein mangelhafter Wissenstransfer von der akademischen Forschung in die Praxis stattfindet. So existieren nicht nur unterschiedliche Rahmenbedingungen für die Beschäftigung mit Standortfragen in Theorie und Praxis, man denke dabei an den Zeitdruck, sondern auch unterschiedliche Zielsetzungen. Oft konzentriert sich die Forschung – vielleicht unter dem Druck von „publish or perish“ – zu stark auf den „Mainstream“, im Falle der Wirtschaftswissenschaften auf die normative Theorie der Unternehmung. Somit besteht eine Distanz zwischen den „Modellwelten“ der Standortforschung, welche Standortentscheidungen in erster Linie als eine formale Kostenminimierungsaufgabe betrachten, und der faktischen Auseinandersetzung mit Standortproblemen in der betrieblichen Praxis, obwohl das Unterstützen unternehmerischer Aktivitäten zu den erklärten Aufgaben der angewandten Wirtschaftswissenschaft und insbesondere der Spezialdisziplin der Wirtschaftsgeographie gehört.
Entscheidungstheoretischer Ansatz
In der Entscheidungstheorie, vor allem im Bereich des Operations Research, sind jedoch – vor allem im Auftrag der Praxis und teilweise gegen Widerstände im akademischen Bereich – in den letzten Jahrzehnten unter dem Oberbegriff der Entscheidungsanalyse (decision analysis) Ansätze geschaffen worden, die für ein Überwinden dieses Spannungsverhältnisses und die erforderliche methodische Neuausrichtung vielversprechend erscheinen. Der Grundgedanke der Entscheidungsanalyse besteht darin, dass Analyse- und Entscheidungsprozess miteinander verbunden sind: Einerseits gibt es ohne ein Entscheidungsproblem keine Analyse, andererseits sollen die Analyseergebnisse das Lösen des Entscheidungsproblems unterstützen. Dass diese Schule im deutschsprachigen Raum relativ unbekannt blieb, liegt unter anderem daran, dass ein allgemeines Berichterstatten über den Einsatz der Methoden in den Unternehmen nicht im Interesse der Auftraggeber oder – wenn die Ergebnisse einer Geheimhaltung unterliegen – sogar unerwünscht ist. Das vorliegende Buch nimmt sich dieser Problematik an, gibt eine Einführung in diese Forschungsrichtung speziell hinsichtlich des Bearbeitens räumlicher Entscheidungen und zeigt Möglichkeiten zum praktischen Umsetzen auf.
1.2 An wen richtet sich das Buch?
Das vorliegende Werk versteht sich als anwendungsorientiertes Lehrbuch, das dem Leser einen Ausgangspunkt für das Entdecken neuer methodischer Entwicklungen bietet und als Quelle für konkretes Handeln dient. Es arbeitet daher nicht nur die theoretischen Gesichtspunkte der Standortanalyse – die Entscheidungsanalyse gibt hier einen Unterbau – heraus, sondern verdeutlicht auch anhand vieler Beispiele die praktische Relevanz der Aussagen. Das Ziel dieses Lehrbuchs besteht darin, die konzeptionellen Grundlagen der betrieblichen Standortplanung zu vermitteln und darauf aufbauend Vorschläge zur erfolgreichen Umsetzung und Verankerung der Standortanalyse als Entscheidungshilfe in der Unternehmensplanung zu geben. Die empfohlene Vorgehensweise und ihre Instrumente sind branchenübergreifend konzipiert. Bei der Darstellung ergibt sich eine Verbindung von eher unbekannten Methoden aus der Wissenschaft und außerwissenschaftlichen Hilfsmitteln, die sich in der Praxis bewährt haben. Es richtet sich an eine Leserschaft sowohl aus Forschung und Lehre – in erster Linie der Geowissenschaften und Wirtschaftswissenschaften mit räumlichen Schwerpunkten an Universitäten und Fachhochschulen – als auch an Entscheider und Anwender in der Praxis.
Im Vorfeld einer Auseinandersetzung mit geeigneten Methoden ist zunächst zu klären, mit welchen Entscheidungsproblemen sich die Unternehmensführung im Rahmen der Standortplanung zu beschäftigen hat. Vor diesem Hintergrund sollen im zweiten Kapitel diese zentralen Komponenten der Standortanalyse erläutert und dabei eine Mindestmenge an Fachausdrücken der Standort- und Entscheidungstheorie vorgestellt werden. Dann bietet sich zunächst das Darstellen einer idealtypischen Vorgehensweise bei der Entscheidungshilfe an. Das dritte Kapitel befasst sich demzufolge mit der Frage, wie eine Standortanalyse ablaufen sollte. Es wird gezeigt, wie man die Untersuchung in Arbeitsschritte zerlegt, welche Grundsätze dabei jeweils zu beachten sind und welche instrumentellen Hilfsmittel hierfür zur Verfügung stehen. Nach der allgemeinen Auseinandersetzung mit den grundsätzlichen Schritten zur Lösung eines räumlichen Entscheidungsproblems präsentiert das vierte Kapitel gesondert Richtlinien zur Gewichtung von Standortfaktoren. Das fünfte Kapitel stellt schließlich Regeln zum Bewerten von Standorten und damit zum Ableiten von Handlungsempfehlungen vor. Dabei handelt es sich neben bewährten Praxiswerkzeugen um eine Auswahl an Instrumenten, die eine breite Zustimmung im akademischen Bereich erfahren haben und deren erfolgreicher Einsatz bei räumlichen Entscheidungen dokumentiert ist. Ihr Gebrauch ist, wie einfache Berechnungsbeispiele veranschaulichen, mathematisch nicht anspruchsvoll, und kann ohne Spezialsoftware mit einer Tabellenkalkulation wie Microsoft Excel problemlos vollzogen werden.