Читать книгу Methoden der Standortanalyse - Matthias Ottmann - Страница 8
Оглавление2 Entscheidungsorientierung als Kernelement der betrieblichen Standortanalyse
2.1 Begriffliche Abgrenzung
Standortanalyse, Begriff
In der Literatur und im allgemeinen Sprachgebrauch wird Standortanalyse meist als Oberbegriff für alle Studien aufgefasst, welche sich mit den räumlichen Rahmenbedingungen unternehmerischer Aktivitäten beschäftigen. Im außerwissenschaftlichen Bereich lassen sich hinsichtlich der analytischen Perspektive drei Hauptanwendungsbereiche abgrenzen.
Räumliche Strukturanalyse
Zum einen existieren Standortanalysen in der Form allgemeiner Strukturanalysen, welche die branchenspezifische oder gesamtwirtschaftliche Beschaffenheit von Raumeinheiten ohne unmittelbaren Entscheidungsbezug untersuchen. Dabei kann es sich um spezielle Marktberichte, allgemeine Studien einzelner Standorte oder auch vergleichende Rankings handeln. Kennzeichnend für diese Untersuchungsart ist die deskriptive Vorgehensweise, bei der die Standorteigenschaften in einheitlicher Weise aufgelistet bzw. besprochen werden, ohne dabei die konkreten Ziele der einzelnen Adressaten der Analyse zu berücksichtigen.
Räumliche Entscheidungsanalyse
Unternehmen nutzen Standortanalysen als zentrales Aktionsmittel der betrieblichen Standortplanung. Die betriebliche Standortanalyse stellt dabei die gedankliche Phase einer Standortentscheidung dar und bereitet ihre Umsetzung vor. Dieser entscheidungsorientierte Einsatzbereich – betriebliche Standortanalysen werden nicht zum Selbstzweck, sondern zum Lösen unternehmerischer Problemstellungen durchgeführt – stellt den Fokus des vorliegenden Lehrbuchs dar.
Räumliche Entwicklungsanalyse
Im Rahmen des zunehmenden Wettbewerbs um Unternehmensansiedlungen werden auch zunehmend Studien für das Standortmarketing einzelner Gebietskörperschaften erstellt. Dazu wird eine Bestandsaufnahme vorhandener Standorteigenschaften durchgeführt, um die Attraktivität für einzelne Branchen oder gesamtwirtschaftliche Stärken und Schwächen zu ermitteln. Hier sollen Standortanalysen also gezielte Maßnahmen für die Wirtschaftsförderung erarbeiten, um die Bindung und Ansiedlung von Unternehmen zu stützen. Diese Untersuchungsart stellt somit einen Mittelweg zwischen Strukturanalyse und Entscheidungshilfe dar: Aus einer deskriptiven Erfassung der Standortstruktur werden Handlungsempfehlungen generiert, um die kommunale Standortentwicklung an die Anforderungen von Unternehmen anzupassen.
Standortplanung, Abgrenzung
Die organisatorische und inhaltlich-konzeptionelle Ausrichtung von Standortanalysen wird in den Unternehmen unterschiedlich praktiziert. In einer erweiterten Sichtweise kann man die Standortplanung als zukunftsgerichtete Abstimmung aller betrieblichen Maßnahmen verstehen, deren Durchführung und Erfolg von räumlichen Wirkungen beeinflusst werden. Letztlich beinhalten alle unternehmerischen Investitionen den Beschluss, betriebliche Ressourcen einem bestimmten geographischen Ort zuzuweisen. Das Erreichen der Investitionsziele resultiert infolgedessen immer auch aus räumlich differenzierten Einnahmen und Kosten. In diesem Zusammenhang ist es zu sehen, wenn sich in Branchen wie der Immobilienwirtschaft, bei der Standortfragen beinahe zum Tagesgeschäft gehören, der gemeinsame Ausdruck der Standort- und Marktanalyse etabliert hat.
Marktforschung
Darin kommt zum Ausdruck, dass oft keine exakte Abgrenzung zwischen der Markt- und der Standortperspektive möglich ist, wenn es darum geht, strategische Unternehmensentscheidungen vorzubereiten: Der Standort definiert den Markt insofern, als dass Marktinformationen wie die Wettbewerbsintensität oder das Nachfragepotenzial in der Regel räumlich ungleich ausgeprägt sind; andernfalls wären sie nicht entscheidungsrelevant. Marktbedingungen sind also immer auch Standorteigenschaften, eine Unterscheidung ist in der Praxis unerheblich. Am ehesten wären die Markt- und Standortperspektiven der Unternehmensplanung nach der räumlichen Betrachtungsebene in Mikro- und Makroanalyse abzugrenzen: einerseits die (geographische) Mikroanalyse, die mit der Primärerhebung qualitativer Standortmerkmale verbunden ist und andererseits die Untersuchung größerer Raumeinheiten, die sich weiter in eine (betriebswirtschaftliche) Betrachtung quantitativer Marktfaktoren auf regionaler oder nationaler Ebene und in die (volkswirtschaftliche) ökonometrische Studie gesamtwirtschaftlicher Datenbestände unterteilen ließe.
Layout-Planung
Von der betrieblichen Standortplanung sowohl inhaltlich als auch methodisch weitgehend zu unterscheiden ist dagegen die innerbetriebliche Standortplanung, oft auch als Layout- oder Fabrikplanung bezeichnet, bei der es um das Gestalten einzelner Grundstücke, d.h. um das Anordnen und Einrichten baulich-technischer Betriebs- und Produktionsanlagen, geht.
2.2 Standortentscheidungen als Untersuchungsgegenstand
Entscheidungsfeld
Betriebliche Standortanalysen sollen durch das gezielte Bereitstellen von Informationen Unsicherheiten beim Treffen von Entscheidungen reduzieren und durch das Verbessern des Entscheidungsfindungsprozesses auch zur Erhöhung der Ergebnisqualität beitragen. Eine effektive Handlungsempfehlung erfordert Informationen über das Entscheidungsfeld, d.h. die jeweilige Zielsetzung, die verfügbaren Alternativen und die Bewertungskriterien. Die folgenden Abschnitte skizzieren die typischen Eigenschaften dieser Entscheidungskomponenten, welche die Grundlage für die methodische Ausrichtung von Standortanalysen darstellen.
2.2.1 Standorte als unternehmerische Entscheidungsalternativen
Standortplanung, Aufgabe
Die allgemeine Aufgabe der betrieblichen Standortplanung besteht darin, die Differenz zwischen standortbedingten Vor- und Nachteilen – d.h. den Nutzen für das Unternehmen -auf lange Sicht zu maximieren. Auslöser von Standortentscheidungen ist die Motivation, die bestehende Standortstruktur oder -nutzung zu verändern. Es geht darum, Schwächen ab- und Stärken auszubauen, Chancen wahrzunehmen oder Risiken zu minimieren. Ein Entscheidungsproblem liegt also vor, wenn man vermutet, dass das Erreichen festgelegter Unternehmensziele gefährdet ist (Risikoproblem) oder gefördert werden kann (Chancenproblem) und zugleich keine Sicherheit bezüglich der Mittel der Zielerreichung besteht.
Handlungsempfehlung
Die Standortanalyse empfiehlt eine Problemlösung, indem sie aus mehreren Handlungsalternativen eine Auswahl vorschlägt. Alternativen repräsentieren folglich die verschiedenen Möglichkeiten, die zum Lösen eines Entscheidungsproblems zur Verfügung stehen. Nicht alle Standorte sind zum Erreichen der Unternehmensziele gleich gut geeignet, sonst könnte man eine beliebige Alternative auswählen. Dann bestünde zwar eine Auswahlsituation, aber kein Entscheidungsproblem und eine Analyse wäre überflüssig.
Standortentscheidung
Eine Standortentscheidung ist also eine mehr oder weniger bewusste Auswahl unter mehreren machbaren, aber nicht gleichzeitig zu verwirklichenden Alternativen (LAUX 2003). Nach der Art der Alternativen lassen sich die zwei im Folgenden beschriebenen Problemfelder unterscheiden.
Standortwahl
Klassischer Untersuchungsgegenstand der Standortanalyse – auch die vorliegende Arbeit konzentriert sich primär auf diesen Anwendungsbereich – ist die Frage der Standortwahl (site selection): Welcher (potenzielle) Unternehmensstandort eignet sich zum Erfüllen einer bestimmten Zielsetzung am besten? In der Regel handelt es sich dabei um die Suche nach neuen, zu Beginn der Analyse unbekannten Standorten, die für eine Unternehmensexpansion infrage kommen. Es kann aber auch darum gehen, aus den bestehenden Unternehmensstandorten eine Auswahl für die Erweiterung oder Aufgabe von Unternehmensaktivitäten zu treffen. In beiden Fällen soll eine Verbesserung der betrieblichen Standortstruktur erreicht werden: Die Standortanalyse prüft mehrere Standortalternativen hinsichtlich einer bestimmten Nutzung.
Standortnutzung
Genau umgekehrt verhält es sich bei Standortanalysen, welche die Verbesserung der betrieblichen Standortnutzung bezwecken sollen: Hier werden mehrere Nutzungsalternativen für einen bestimmten Standort untersucht. Im weiteren Sinne beschäftigen sich Standortanalysen also auch mit dem Entwickeln raumwirksamer oder standortbezogener Maßnahmen: Wie kann der Standort genutzt werden, um das Erfüllen der Unternehmensziele zu verbessern? Eine entsprechende Studie soll standort- bzw. marktseitige Restriktionen und Potenziale aufdecken, um verschiedene Entwicklungsoptionen für einen bestimmten Standort zu bewerten und die bestmögliche Nutzung zu ermitteln. Eine wichtige Rolle im Zusammenhang mit der zukünftigen Standortentwicklung spielen insbesondere Einschätzungen über mögliche Umweltzustände, die sich aus unbeeinflussbaren Rahmenbedingungen ergeben können.
2.2.2 Unternehmensziele als Grundlage der Standortbewertung
Ziel, Begriff
In der Standortanalyse werden in Betracht kommende Entscheidungsmöglichkeiten hinsichtlich ihrer Zielerreichung bewertet. Ziele sind a priori festgelegte Richtwerte bzw. gewünschte Zustände eines Unternehmens, welche durch die Entscheidung maximiert werden sollen. Standortentscheidungen spielen aufgrund ihrer langfristigen Ausrichtung eine besondere Rolle im Hinblick auf die Unternehmensentwicklung: Sie beeinflussen die Konkurrenzfähigkeit und den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens dauerhaft und bestimmen somit über das Erreichen strategischer Unternehmensziele. Zwischen Standortplanung und Unternehmensstrategie besteht dabei ein wechselseitiges Verhältnis: Einerseits muss die Entscheidungsfindung den Vorgaben der strategischen Unternehmensplanung entsprechen, andererseits setzt das Erreichen strategischer Ziele systematisches Entscheiden voraus.
Unternehmensziele
Aufgrund ihres strategischen Charakters sollen räumliche Entscheidungen möglichst mit den allgemeinen Unternehmenszielen abgestimmt sein. Diese lassen sich in folgende funktionale Kategorien einteilen (BECKER 2005):
• Formalziele beschäftigen sich mit den angestrebten monetären Konsequenzen unternehmerischen Handelns. Betriebliche Standortplanung beinhaltet insofern immer ökonomische Aspekte, als es im Allgemeinen gilt, die Standortnutzung oder -struktur zu ermitteln, bei der die Differenz zwischen standortbedingten Erträgen und standortabhängigen Aufwendungen – und damit der Gewinn – einen maximalen oder vergleichsweise besten Wert erreicht.
• Leistungsziele verweisen dagegen auf die sachliche Aufgabenerfüllung von Unternehmen und beinhalten vorrangig technische Aspekte, wie etwa eine hohe Qualität der angebotenen Leistungen, welche in räumlicher Hinsicht z.B. durch den Zugang zu Arbeitsmärkten und Ausbildungsmöglichkeiten geprägt ist.
• Sozialziele beziehen sich wiederum auf Eigenschaften und Beziehungen von Individuen und Gruppen in und außerhalb von Unternehmen und beinhalten psychosoziale Aspekte unternehmerischen Handelns, wie z.B. die Sicherung des Personalbestands und die Imagepflege an einem bestehenden Standort.
Zielkonflikt
Bei Standortanalysen bestehen meist Zielkonflikte, weil es sich in der Regel um mehrdimensionale Entscheidungsprobleme handelt, die alle Unternehmensbereiche betreffen und sich somit gleichzeitig auf formale, leistungsbezogene und soziale Aspekte auswirken. Als Konsequenz greifen die allgemeinen Investitionsrechenverfahren wie auch die Ansätze der (neo-)klassischen Standorttheorie zu kurz. Diese leiten rein monetäre Größen wie Transportkosten, Kapitalwerte, interne Zinssätze, Vermögensendwerte oder Annuitäten ab und ziehen diese zur Entscheidungsfindung heran.
Die finanzielle Sicht ist zwar eine ausschlaggebende Komponente, aber keinesfalls ausreichend, um Handlungsempfehlungen abzuleiten. So kann eine Entscheidung zwar in monetärer Hinsicht isoliert betrachtet rational – d.h. rentabel – sein, aber gleichzeitig dem Erreichen anderer Unternehmensziele schaden. Selbst bei einer Kostenführerschaftsstrategie muss der billigste Standort keineswegs der beste sein. Er dient dem Ziel der Gewinnmaximierung nur auf kurze Sicht, denn andere Interessen wie etwa Reputation, Produktqualität, Marktanteil etc. werden dadurch eher beeinträchtigt. Das wirkt sich auf längere Sicht wiederum auf den finanziellen Unternehmenserfolg aus. Eine optimale Lösung – d.h. eine Alternative, welche die Maximalwerte aller Ziele zugleich erreicht – kann es bei konfliktären Zielen nicht geben. Eine Standortentscheidung ist daher nicht als Optimierungssondern kein Druck als Maximierungsproblem zu betrachten.
Nutzenorientierung
Standortanalysen müssen Entscheidungsalternativen hinsichtlich mehrerer Ziele untersuchen, um zu einer Handlungsempfehlung zu gelangen. Statt des monetären Markt- oder Barwerts, der die Güte eines Standorts in Geldeinheiten angibt, gilt es, eine Eignungs- oder Nutzengröße als zahlenmäßigen Ausdruck für das Erreichen vorgegebener Ziele hinsichtlich einer bestimmten Nutzung zu berechnen. Es geht dabei darum, Kompromisslösungen zu finden, welche bei allen Zielen am besten sind und die insgesamt maximale Zielerreichung aufweisen. Im Rahmen der Entscheidungsfindung sollte der Einsatz der Standortanalyse allerdings nicht isoliert, sondern im Zusammenspiel mit den monetären Wertermittlungs- oder Investitionsrechenverfahren als mehrdimensionale Wirtschaftlichkeitsberechnung erfolgen.
Kosten-Nutzen-Analyse
Zwar können Kosten in vorgelagerten Analysephasen durchaus als einer von mehreren Aspekten direkt in der Standortanalyse behandelt werden. Für die endgültige Problemlösung bietet es sich aber an, die finanziellen und die nicht monetären Zielerreichungsgrade von Entscheidungsmöglichkeiten getrennt zu bewerten. Damit ergibt sich als Endergebnis eine Handlungsempfehlung aus dem Verhältnis des Nutzens – abgeleitet aus der Standortanalyse – gegenüber den monetären Größen (Kosten, Gewinn etc.) der Investitionsrechnung: Es wird diejenige Entscheidungsalternative vorgeschlagen, bei welcher dieser Verhältniswert am günstigsten ausfällt.
2.2.3 Standortfaktoren als Bewertungsmaße
Standortfaktor, Begriff
Das Lösen von Standortentscheidungsproblemen erfordert ein zielgerichtetes, ganzheitliches Bewerten der möglichen Handlungsoptionen. Hierfür werden einheitliche Messgrößen benötigt, welche angeben, wie die Zielerreichung an einem bestimmten Standort in Erscheinung tritt. Diese Messkriterien geben bei der Entscheidung – und damit für das räumliche Verhalten – eines Unternehmens letztlich den Ausschlag und können daher auch als Standortfaktoren bezeichnet werden.
Standortfaktor, Relevanz
Die Relevanz von Standortfaktoren hängt von der jeweiligen Zielsetzung ab und kann sich zwischen Branchen und Unternehmen erheblich voneinander unterscheiden. Aber auch bei einer bestimmten Entscheidungssituation können unterschiedliche Prioritäten zwischen den beteiligten Interessengruppen innerhalb und außerhalb des Unternehmens bestehen. Folglich ist auch das Maß der Standortqualität stets inhärent subjektiv, es kann keinen allgemeingültigen Wert für die Beschaffenheit eines Standorts geben. Die Frage nach den entscheidungsrelevanten Standort- und Marktgegebenheiten, welche den Zielerreichungsgrad von Alternativen beschreiben sollen, kann daher ebenfalls nur kontextgebunden im Zusammenhang mit der jeweiligen Entscheidungssituation beantwortet werden. Auf eine Darstellung allgemeiner Standortfaktorenkataloge, welche in der Literatur in vielfältiger Form existieren, wird daher an dieser Stelle bewusst verzichtet. Die Zielfindung und das möglichst vollständige Ableiten aller entscheidungsrelevanten Standortfaktoren sind vielmehr Bestandteil einer Standortanalyse. Dies beinhaltet erstens das Identifizieren der für die Entscheidung relevanten Interessengruppen und zweitens eine zweckorientierte Auswahl von Bewertungsgrößen, um deren Ansprüche messbar zu machen. Drittens ist in den meisten Fällen eine Gewichtung erforderlich, um dem unterschiedlichen Stellenwert der Standortfaktoren Rechnung zu tragen.
Standortfaktor, Erfassung
Die Standortanalyse hat zur Aufgabe, alle relevanten Aspekte eines Entscheidungsproblems zu erfassen, um einen ausreichenden Gesamteindruck von den Entscheidungsalternativen zu ermöglichen. Dabei ist, wie bereits oben beschrieben, zu beachten, dass die Ziele neben monetären Größen üblicherweise eine Vielzahl anderer Gesichtspunkte, nicht nur kaufmännischer, sondern auch technisch-gestalterischer, psychosozialer und rechtlicher Art umfassen Auch in diesem Zusammenhang erweist sich die Anwendung traditioneller Verfahren der Investitions- und Standorttheorie als problematisch, weil diese voraussetzen, dass sich alle entscheidungsrelevanten Aspekte in Geldeinheiten ausdrücken lassen.
Standortfaktor, Art
Für den Grad der Messbarkeit lässt sich vielmehr eine Dreiteilung vornehmen in direkt und indirekt monetär erfassbare sowie nicht monetäre Standortfaktoren. Zu den indirekt monetär erfassbaren Faktoren zählen alle Standorteigenschaften, deren finanzielle Effekte sich durch Schätzwerte, wie etwa „Opportunitätskosten“ näherungsweise angeben lassen. Bei den meisten Standortentscheidungen spielen aber in der Mehrzahl qualitative, zum Teil immaterielle Nutzengrößen eine wichtige Rolle, die einer geldmäßigen Ausdrucksweise überhaupt nicht zugänglich sind: Bei diesen „weichen“ Standortfaktoren, liegen die Ausprägungen nicht in Zahlenform vor und ihre Quantifizierung gelingt nur eingeschränkt, sodass keine genaue Wertangabe, sondern nur ein plausibles Intervall angegeben werden kann. Dem entsprechend ist man bei Standortanalysen üblicherweise nicht in der Lage, alle erfolgsrelevanten Einflussfaktoren mit Ein- und Auszahlungen zu belegen, und die Entscheidungsfindung entzieht sich der Investitionsrechnung, die sich auf die Prognose von Zahlungsströmen konzentriert. Stattdessen ist eine qualitative Modellierung des Entscheidungsproblems erforderlich, um durch Gebrauch von Kennzahlen möglichst genaue Bewertungsmaßstäbe für Alternativen zu entwickeln.
Standortanalyse, Komplexität
Die bisherigen Ausführungen zeigen, dass Standortentscheidungen nicht nur zu den wichtigsten, sondern auch zu den schwierigsten unternehmerischen Problemstellungen gehören: Charakteristische Eigenschaften von Standortentscheidungen sind die Vielzahl und Verschiedenheit möglicher Alternativen, ihrer Merkmale sowie deren Beziehungen untereinander. Jeder Standort stellt folglich eine einzigartige Kombination zahlreicher entscheidungsrelevanter Elemente dar. Diese sind zum Teil von sehr unterschiedlicher Natur und oft nur schwer zu messen. Darüber hinaus stellen Unternehmensstandorte und -markte offene Systeme dar, deren Wirkungsbereiche sich meist nicht eindeutig von der Umwelt abgrenzen lassen.
Heuristik
Daher ist zu beachten, dass der Einsatz von Standortanalysen zu keiner zusätzlichen Erhöhung der Entscheidungskomplexität führt. So kann eine übermäßig komplizierte Analyse das Umsetzen der erzielten Ergebnisse verhindern, weil sie von den Empfängern nicht verstanden oder akzeptiert werden. Standortanalysen sollen deshalb erstens möglichst einfach durchzuführen und zweitens leicht verständlich sein. Ein einfaches Durchführen beinhaltet, dass alle notwendigen Hilfsmittel in gewohnter Arbeitsumgebung verfügbar und bekannt sind. Hierbei ist es sinnvoll, einen möglichst umfangreichen Teil der Informationsverarbeitung mithilfe von Computern durchzuführen. Gleichwohl sollte der Weg der Entscheidungsfindung allen Beteiligten auch ohne besondere Kenntnisse zugänglich sein und den Interessengruppen vermittelt werden können. Als Konsequenz ist beim Umgang mit Standortentscheidungsproblemen, für die eindeutige Lösungen entweder nicht möglich sind oder aufgrund des erforderlichen Aufwands nicht sinnvoll erscheinen, der planmäßige Einsatz von Heuristiken, d.h. vereinfachenden Vorgehensweisen und bewährten „Daumenregeln“, unerlässlich.