Читать книгу Piagnolia - Matthias von Arnim - Страница 6
ОглавлениеSamstag, 24. März 1934, noch 78 Tage bis zum Endspiel
Der Hahn auf Filottis Hof durchbrach mit seinem vertrauten, müden Krähen die Stille und eröffnete damit offiziell einen neuen Tag in Piagnolia. Noch gönnten sich der kleine Ort und fast alle seine Einwohner ihren unschuldigen, friedlichen Schlaf. Irgendwo in der Ferne konnte man ein Motorrad durch die langsam aufklarende Dunkelheit donnern hören. Vermutlich kam es aus Rom – wie alles andere auch, was laut war und die Ruhe auf dem Land unangenehm stören konnte. Aus dem Haus des Bürgermeisters Agostino drang das unüberhörbare Schnarchen der Gerechtigkeit, mischte sich mit dem Motorensurren aus der Ferne und suchte sein Echo an der Kirchmauer. Direkt vor deren Pforte schlief Benito, der Hund von Pater Corello, und bewachte so auf seine Weise den Schlaf des Gekreuzigten im Inneren der Kirche. Dahinter, direkt im Gebäude neben dem Pfarrhaus, brannte Licht im oberen Stockwerk. Am offenen Fenster stand Nick Soriano. Vor ihm auf dem Eichenholzschreibtisch lagen fein säuberlich geordnet mehrere Stapel Papiere mit Notizen und Statistiken. Der weitaus größere Teil seiner Habe türmte sich in wild durcheinander gepackten Kisten hinter ihm neben dem schmalen Bett. Der Sportjournalist der „New York Sports Tribune“ war vor etwa sechs Wochen aus Manhattan abgereist und seit vierzehn Tagen hier in Piagnolia. Nick schaute über seinen Schreibtisch hinweg auf die einzige gepflasterte Straße im Ort. In etwa einer halben Stunde würde die Sonne aufgehen. Dann wollte er damit fortfahren, seine Unterlagen und sein Gepäck für die kommenden Wochen zu sortieren. Er dachte an die Strapazen, die auf ihn zukommen würden, und atmete tief durch. Die Berichterstattung über die verschiedenen Vorrundenspiele der Fußballweltmeisterschaft war eine logistische Herausforderung. Die Qualifikationsspiele fanden weltweit statt, manchmal mehrere gleichzeitig an einem Tag an völlig unterschiedlichen Orten rund um den Globus. Auch die Reportagen über die Endrundenspiele in Italien mussten gut organisiert sein, denn die Begegnungen fanden in acht verschiedenen Fußballstadien statt, die über den ganzen Stiefel von Mailand bis Neapel verteilt waren. Nick hatte sich im Vorfeld der WM mit einigen Reportern vor Ort abgesprochen, sodass sein Team immer aktuell über die Geschehnisse berichten konnte, auch wenn er selbst nicht alle Spiele sah. Die Organisation der Berichterstattung war ihm bis jetzt gut gelungen. Trotzdem war der Vollblutjournalist zutiefst frustriert darüber, dass er über eine so langweilige Sportart schreiben musste. Ben Finnagan, sein Chefredakteur, hatte ihm das angetan. Er war Ende Januar vor Nicks Schreibtisch getreten, etwas schwerfällig und breitbeinig, wie es seine Art war, und hatte ihm diese Reportage als Strafe an den Hals gehängt. Nick hatte gerade an Hintergrundberichten zu den aktuellen Spielertransfers im Vorfeld der neuen Saison in der American Baseball League geschrieben. Das war es, was seine Leser interessierte, zum Beispiel Geschichten über die Vorbereitung der New York Yankees auf die kommende Saison.
„Wie läuft es so?“, hatte Ben zunächst in harmlosem Plauderton gefragt.
„Prima, wenn du mich fragst. Ich arbeite gerade an einem Artikel über die Yankees. Manager Joe McCarthy hat ein Spitzenteam beisammen. Vor allem über Johnny Allen lässt sich viel schreiben. Vor zwei Jahren hat er noch als Hotelboy gearbeitet. Heute ist er ein Klassespieler und vermutlich in der Form seines Lebens. Der Typ ist außerdem total verrückt. Aus seinen Eskapaden außerhalb des Spiel-felds kann ich eine nette Reportage machen. Ach ja, und die aktuellen Spielertransfers …“ Nick unterbrach sich selbst. Er sah Bens Gesicht an, dass dieser gar nicht richtig zugehört hatte.
„Nick“, sagte Ben, der den Plauderton unvermittelt aufgab, „du reist jetzt erst einmal nach Italien zu deiner Familie und berichtest über die Fußballweltmeisterschaft dort.“
„Meine Familie lebt in New York“ sagte Nick, dem der Gesprächsverlauf gar nicht gefiel.
„Du bist doch Italiener.“
„Ich bin New Yorker mit italienischen Wurzeln.“
„Das ist für mich dasselbe. Du sprichst Italienisch, und das ist eine hervorragende Qualifikation, um über die WM in Italien zu berichten.“
„Ich habe keine Ahnung von Fußball.“
„Das stimmt nicht.“
„Ich kenne Italien überhaupt nicht.“
„Du bist dort geboren und die ersten fünfzehn Jahre deines Lebens dort aufgewachsen. Außerdem weiß ich, dass du vor kurzem erst in einem kleinen Nest in der Nähe von Neapel warst, um deinen Vater zu beerdigen.“
„Das kleine Nest heißt Florenz. Florenz liegt nicht in der Nähe von Neapel. Und es ist zehn Jahre her. Ben, warum tust du das?“ fragte Nick.
Ben Finnagan sah seinem besten Sportreporter direkt in die Augen. „Nick, du bist wirklich gut. Aber ich muss dich mal eine Weile aus der Schusslinie nehmen.“
„Warum?“
„Weil du es ein wenig überzogen hast mit deinen Kontakten zur ,Familie‘.“
„Was kann ich dafür, dass Franco Postello mein Onkel ist?“
„Franco Postello ist nicht irgendein netter Onkel, sondern der Glücksspiel-Pate von New York. Er kontrolliert fast das komplette Buchmachergewerbe.“
„Und?“
„Und?“, äffte Ben seinen Angestellten nach. „Glaubst du, dass es unbemerkt bleibt, wenn du nach einem offensichtlich manipulierten Boxkampf, über den du im Vorfeld berichtet hast, plötzlich um einige Tausend Dollar reicher bist?“
Nick stutzte. „Wer hat dir das gesagt?“
„Nick, ich bin seit 20 Jahren Journalist in dieser kleinen Stadt hier am Hudson River.“
„Wenn du so sicher bist, dass ich mit dem manipulierten Kampf zu tun habe, warum feuerst du mich dann nicht?“
„Die Verlagsleitung wollte dich bereits abschießen. Aber ich habe gesagt, dass ich dich in meinem Team behalten will. Deine Quellen sind spitze, und deine Reportagen sind hervorragend geschrieben. Ich kenne keinen anderen Sportreporter, der so bildhaft und lebendig schreiben kann wie du. Das darfst du als Kompliment auffassen. Ich sage das nicht nur so dahin. Ich glaube an dich. Aber erst mal sollte ein wenig Gras über die Sache wachsen. Auch deshalb, weil die „New York Times“ bereits Nachforschungen angestellt hat. Die wollen uns ans Leder und mit einem Skandal aufmachen. Aber das könnte denen so passen. Fahr nach Italien, reise ein wenig um die Welt und schreib uns nette Geschichten über Fußball“, sagte Ben, klopfte Nick noch einmal auf die Schulter und ging in sein Büro, um kurz darauf noch einmal kurz vor seine Bürotür zu treten. „Ach ja, Nick, sagst du auf deinem Weg nach Europa Nicole vorne noch Bescheid, dass sie mir einen neuen, heißen Kaffee vorbeibringt? Danke.“
Das Klappen von Bens Bürotür in der New Yorker Redaktion hallte Nick auch in Piagnolia noch immer in den Ohren. Er war nicht zufällig in diesem kleinen Dorf hängengeblieben. Piagnolia lag nicht weit von Florenz entfernt, wo nicht nur das Grab seines Vaters lag, sondern auch das WM-Organisationskomitee tagte. Nicks Unterkunft in Piagnolia war preiswert. Die Witwe Garezza, eine weit entfernte Cousine seines Vaters, die allein mit ihrer Nichte Antonia ein großes Anwesen in Piagnolia bewohnte, hatte ihm für wenig Geld ein Zimmer vermietet. Das sparte einen Teil der Reisekosten, die er noch für die teuren Transatlantikflüge benötigen würde. Nick schichtete einen kleinen Stapel mit frischen Hemden aufeinander. Seine nächste Reportage sollte ihn nach Mailand führen. Morgen würde dort Italien gegen Griechenland spielen. Alles andere als ein deutlicher Sieg der italienischen Blauhemden über die griechische Fußballauswahl wäre eine Blamage für Italien. Nick klappte seinen Koffer zu und steckte sein Notizbuch in seine Jackentasche. Er schaute aus dem Fenster. Sein Blick wanderte zum Haus des Bürgermeisters, aus dem ein herzhafter Fluch zu hören war, der ihn aus seinen Gedanken riss.
Bürgermeister Agostino hatte noch mit dem starken Kaffee zu kämpfen, den er morgens kurz nach dem Aufstehen als einziges Frühstück zu sich nahm. Sein Magen rumorte, und sein Darm schmerzte. Die Blähungen brachten ihn fast um. Aber das lag nicht allein am Kaffee. Es war vor allem eine gewisse Nervosität, die sich seit ein paar Tagen im ganzen Körper breitgemacht hatte und nun seine Gedärme fast platzen ließ. Was wollten die beamteten Querköpfe aus Rom nur von ihm? Warum war ihnen ausgerechnet jetzt eingefallen, jemanden nach Piagnolia zu schicken? Jahrelang hatte niemand in der Hauptstadt überhaupt Kenntnis genommen von dem kleinen Ort, und jetzt plötzlich sollte ein Schwarzhemd nach dem Rechten sehen. Verfluchte Schwarzhemden. Es hatte sich einiges geändert in den vergangenen Jahren. Seit mehr als einem Jahrzehnt in Italien und nun seit einem Jahr auch nördlich der Alpen regierten Männer in dunklen Uniformen – sowohl in den Amtsstuben als auch auf den Straßen. Immerhin: In Piagnolia wehte auf dem Rathaus nicht die Fahne der Faschisten. Hier gab es auch keine schwarz Uniformierten. Agostino, der Bürgermeister, war überzeugter Kommunist. Als junger Kämpfer des Proletariats war er noch 1907 zusammen mit Benito Mussolini nach Stuttgart gereist, um auf dem dort stattfindenden Sozialistenkongress in Gegenwart von August Bebel, Rosa Luxemburg, Lenin und Trotzki Kapitalismus und Krieg zu verurteilen. Den Gesinnungswandel seines einstigen Weggefährten, der nun als Duce von Rom aus das neue Römische Reich ausrief, hatte Agostino nicht nachvollziehen können. Diese modernen Ideen eines patriotischen Sozialismus in faschistischem Gewand waren ihm zu kompliziert. Er vertrat das Landproletariat in Piagnolia auf seine Weise und in sehr großzügiger Auslegung der Vorgaben aus Rom. Patriotismus bedeutete für ihn, stolz auf seinen Heimatort und seine Herkunft zu sein. Sozialismus bedeutete Unabhängigkeit von Rom. Auf diese Formel ließen sich Agostinos politische Überzeugungen reduzieren. Offizielle Wahlen hatte es hier seit 16 Jahren nicht mehr gegeben. Eine Opposition, die dagegen hätte protestieren können, existierte ohnehin nicht. Unabhängigkeit von Rom war ein gutes Prinzip, das niemand infrage stellte.
Und damit wurde auch Agostino nicht infrage gestellt, der sich hervorragend darauf verstand, auf seine ganz eigene Weise solide Infrastruktur- und Wirtschaftspolitik zu machen. Piagnolia versorgte sich selbst mit Wasser aus dem Fluss. Strom bezog man von einer Leitung, die eigentlich Florenz mit Energie versorgte. Agostinos Neffe, der vor einigen Jahren als Bauleiter eine Reparatur der Leitungen betreut hatte, sorgte damals unbürokratisch für eine Abzweigung nach Piagnolia. Auf den Bau einer Telegrafenleitung verzichtete man allerdings, um nicht das Aufsehen der Verwaltung auf sich zu ziehen. Einmal pro Woche kam Lorenzo, der Briefträger aus Florenz, und brachte die Post – wenn es welche gab. Aber er kam auch, wenn es keine gab. Für einen Wein und einen Plausch in der Trattoria am Marktplatz hatte er immer Zeit. Lorenzo hatte immer etwas zu erzählen über Florenz und über Rom, wo sein Bruder im Staatsdienst arbeitete. Lorenzo war ein begnadeter Geschichtenerzähler, und seine Berichte über Florenz, seine Familie und Rom waren fast immer spannend. Ansonsten aber ignorierten die Einwohner Piagnolias den Rest der Welt, also auch den Rest von Italien – und dessen Staatsapparat im Besonderen. Und sie genossen die Ignoranz des Staates ihnen gegenüber. Seit Generationen zahlte hier niemand Steuern nach Rom.
Doch der Brief, den er jetzt in den Händen hielt, beunruhigte Bürgermeister Agostino. Das Schreiben war vor zwei Wochen eingetroffen, von Fabrizio Rettolino, der heimlichen rechten Hand des Duce, persönlich unterschrieben. „Agostino!“, stand darin, „Wie Du weißt, blüht das italienische Imperium durch die weise Voraussicht und Kühnheit unseres Duce zu neuer Pracht und Größe auf. Von Mailand bis Sizilien wehen unsere Fahnen über den Städten, in Afrika erobern wir neue Kolonien …“ Agostino übersprang die nächsten fünf Absätze über die Huldigung der italienischen Größe und der Auferstehung des Römischen Reiches und las die entscheidenden Zeilen: „… werden wir in zwei Wochen Oberst Vittorio Briccone nach Piagnolia schicken, um die Kommunalverwaltung neu zu organisieren und sicherzustellen, dass die Ideale des Faschismus auch im Rückgrat des italienischen Heimatlandes fest verankert werden. Außerdem wird Oberst Briccone mit Dir über unsere neuen Steuerpläne reden.“ Steuerpläne. Agostinos Sodbrennen machte sich wieder bemerkbar. Warum kommandierte Oberst Briccone nicht irgendeine Garnison irgendwo in der neapolitanischen Diaspora, anstatt hier die friedliche Ordnung Piagnolias auf den Kopf zu stellen? Hier musste nichts neu organisiert werden. Alles sollte einfach nur beim Alten bleiben, dann war alles gut. Agostino hasste Veränderungen. Er würde Briccone vor die Tür setzen. Schrotkugeln würde er diesem eingebildeten Römer in sein verlängertes römisches Rückgrat schicken, damit er niemals vergaß, wer hier in Piagnolia für Ordnung und Gerechtigkeit sorgte. In diese Gedanken hinein mischten sich allmählich lauter werdende Motorengeräusche. Sie kamen eindeutig nicht von einem Traktor. Es war wohl ein Motorrad. Das konnte nur bedeuten, dass Rom sich näherte – auf zwei Rädern in Gestalt von Oberst Briccone! Angst und Wut stiegen in Agostino auf. Das Sodbrennen wurde heftiger. Der Magen krampfte. Agostino stürmte die Treppe hinunter und stolperte über den Hof zur Toilette.
Guido Ventura gab noch einmal Gas. Die Bianchi gab ein Surren von sich, und Guido beschleunigte aus der Kurve heraus. Steine sprangen zur Seite. Ein Huhn, das sich in die Nähe der Landstraße verirrt hatte, flog mit lautem Gegacker auf und suchte sein Heil vor dem lärmenden und Staub aufwirbelnden Motorrad in der Flucht. Die Straße nach Piagnolia war in keinem guten Zustand. Daran zumindest hatte sich nichts geändert, seit Guido sein Heimatdorf verlassen hatte. Er steuerte seine Maschine über den kleinen Hügel. Kurz darauf sah er die Spitze des Kirchturms. Ob Pater Corello noch lebte? Ob Agostino immer noch Bürgermeister war? Wie es wohl Adriana ging? Guido bremste scharf ab. Das Hinterrad blockierte. Die Bianchi stellte sich leicht quer und kam in einer hohen Staubwolke zum Stehen. Guido Ventura blickte durch den Partikelschleier, der nur sehr langsam vom schwach wehenden Wind aufgelöst wurde. Dann schob er seine Schutzbrille hoch und musterte das Dorf. Wollte er wirklich wieder dorthin? Jetzt war noch Zeit, umzukehren. Vielleicht hatte man ihn schon kommen hören. Aber niemand hatte ihn gesehen. War es wirklich eine gute Idee, nach Piagnolia zu fahren? Er fasste seitlich hinter sich. Die Packtaschen waren noch da. Er öffnete umständlich die Schnalle der rechten Tasche und griff hinein. Auch das Geld war noch in der Tasche. Hunderttausend Lire in bar. Gedankenverloren zog er einen kleinen 100-Lire-Stapel heraus und ließ ihn zwischen seinen Fingern aufblättern wie ein Daumenkino. Das Bild auf den Scheinen blieb stehen. Der hässliche, rote Adler, der, von einem Lorbeerkranz umrahmt, unter der Überschrift BANCA D’ITALIA seine Flügel ausbreitete, starrte stur nach links. Guido schaute auf, verstaute das Geldbündel wieder in der Pack-tasche und zog seine Motorradbrille wieder vor die Augen. Ein kurzer Dreh am Gasgriff, und die Bianchi schoss auf das Dorf zu.
In Florenz, knapp 15 Kilometer entfernt von Piagnolia, wartete in diesem Moment ein kleiner Mann vor einem Café. Olivio Mela fühlte sich nicht wohl in seiner Haut. Es war außergewöhnlich kühl an diesem Morgen. Aber ihm rann der Schweiß über die Stirn. Das Café, vor dem er stand, hatte noch nicht geöffnet. Seine kleine schwarze Nickelbrille rutschte ihm über den feuchten Nasenrücken, während er immer wieder nach rechts und links auf die nahezu menschenleere Straße schaute. Ab und zu huschten Männer mit hochgeschlagenem Mantelkragen auf dem Weg zu ihrer Arbeit an ihm vorbei. Mit seiner rechten Hand hielt Mela den Griff eines schwarzen Koffers fest umklammert. Es war nicht seine Idee. So viel Bargeld. Und so kurzfristig vor dem Spiel. Das hätte man diskreter lösen können. Morgen würde Italiens Fußballnationalmannschaft im Weltmeisterschafts-Qualifikationsspiel gegen Griechenland ohnehin gewinnen. Und ein Sieg beim Rückspiel in Athen wäre sicher auch kein Problem gewesen. Nur weil Italiens Nationaltrainer Pozzo seine Spieler kurz vor der ersten Weltmeisterschaft auf italienischem Boden nicht mehr auf eine so lange Reise quer durch Europa schicken wollte, hatten sich die Funktionäre darauf geeinigt, dass man mit den Griechen verhandeln solle. Sieg in Mailand. Und dann würden die Hellenen das Rückspiel absagen, weil sie angeblich nicht mehr glaubten, das Blatt wenden zu können. Das war die Abmachung. Das Geld, das Schmiermittel für den gekauften Gruppensieg, sollte mit dem Koffer, den Mela in seinen Händen hielt, heute in griechische Hände übergehen und das Geschäft besiegeln.
Olivio schaute erneut die Straße hinunter. Der griechische Kontaktmann hätte schon längst da sein sollen. War etwas dazwischengekommen? Mela schielte auf die gegenüberliegende Straßenseite in das Schaufenster des Uhrmachers. Etwa fünfzig Chronometer unterschiedlicher Größe verrieten ihm die genaue Uhrzeit. Er war pünktlich. Von dem Griechen fehlte jede Spur. Plötzlich hörte Mela einen Knall hinter sich, gefolgt von einem lauten Rasseln wie von tausend Ankerketten. Der kleine Mann drehte sich blitzschnell um, riss die Tasche hoch und umklammerte sie schnell mit beiden Armen vor seiner Brust. Mit weit aufgerissenen Augen voller Entsetzen starrte er auf das Café, dem er eben noch den Rücken zugewandt hatte – und blickte nun durch das Fenster auf dessen Besitzer, der in diesem Augenblick den stählernen Rollladen hochzog. Ein letztes lautes Einrasten. Der Besitzer sah Mela an, lächelte freundlich und winkte ihm zu, er solle eintreten. Mit einer Geste der rechten Hand zum Mund empfahl er ihm einen Espresso, winkte noch einmal, schritt dann zur Tür und öffnete sie. „Bon giorno, Signore! Sie sehen aus, als ob Ihnen ein Espresso gut tun würde. Kommen Sie herein. Es ist kalt draußen.“ Mela atmete aus. Er ließ die Arme sinken. Heilige Mutter Gottes, das war kein Auftrag für ihn. Das nächste Mal sollte Pozzo gefälligst selbst sehen, wie er seine Spiele gewann. Mit zwei Schritten war Mela bei der Tür. Ein Espresso würde ihm jetzt wirklich gut tun. Er war noch nicht bei den Tischen angekommen, als er hörte, wie die Tür hinter ihm erneut aufging. „Signore Mela?“, fragte eine Stimme mit deutlichem Akzent. Er drehte sich um. Vor ihm stand ein hochgewachsener Mann mit schwarzen krausen Haaren und einem schmalen Oberlippenbart.
„Sind Sie Signore Mela?“ fragte der Mann erneut.
Mela nickte. „Ja, der bin ich. Und mit wem habe ich das Vergnügen?“
„Nennen Sie mich Costas. Ich bin hier wegen des … Geschäftes. Ich nehme an, in dem Koffer ist das Geld.“
Der Grieche legte offensichtlich keinen besonderen Wert auf übertriebene Begrüßungszeremonien. Mela zögerte. Weder er noch die anderen hatten darüber gesprochen, wie die Übergabe vonstatten gehen sollte. War Costas tatsächlich der richtige Ansprechpartner? Er fühlte sich wie eine Figur in einem schlechten Agentenroman. Nur dass er kein Kennwort parat hatte. Gerne hätte er jetzt gesagt: „Nennen Sie mir den Code.“ Der Grieche hätte geantwortet „Stichwort Feuersturm“. Mela hätte ihm dann noch einmal tief in die Augen geschaut und geraunt: „Sie wissen, was zu tun ist.“ Dann hätte er ihm den Koffer übergeben, dem Cafébesitzer einen Zehn-Lire-Schein in die Hand gedrückt, ihm zugezwinkert und aufrechten Ganges und mit hochgeschlagenem Lederkragen das Café verlassen. So aber stand er unbeholfen mit dem Koffer in seinen zittrigen Händen vor Costas dem Griechen, der ihn um einen Kopf überragte, und wusste nicht weiter.
„Und?“, stammelte Mela. Er wollte Zeit gewinnen. Seine Zunge lag trocken in seinem Mund und verweigerte den weiteren Dienst.
„Und was?“, antwortete Costas, der nun seinerseits sichtlich verwirrt war.
„Das Geld …“, ergänzte Mela. Dann kam ihm der rettende Gedanke. „Kennen Sie den Preis?“ Das war es. Wenn Costas nicht wusste, wie viel in dem Koffer war, dann war Costas nicht der richtige Ansprechpartner.
Der Grieche zögerte kurz und sagte dann: „Hundert. Es sollten hunderttausend Lire in diesem Koffer sein.“
Mela nickte. „Das ist richtig“, sagte er erleichtert, drückte Costas den Koffer in die Hand und schritt schnell zur Tür. „Ciao, Costas“, hörte er sich selbst noch sagen. Die Kofferübergabe war erfolgt. Mela seufzte innerlich vor Erleichterung. Das Spiel morgen würde laufen wie geplant. Italien würde gewinnen und sich für die Weltmeisterschaft qualifizieren. Im Hintergrund klackten die Schlösser des Koffers. Nur noch ein Schritt bis zur Tür. Mela streckte die Hand zum Türknauf, als Costas’ Stimme durch das Café dröhnte: „Alte Zeitungen!“, rief er. „In dem Koffer sind nur alte Zeitungen!“
Guido Ventura steuerte sein Motorrad vorsichtig durch die schmalen Gassen Piagnolias. Ab und zu rutschte das Vorderrad in den ausgefahrenen Spuren leicht zur Seite. Es waren nur noch wenige Meter, dann würde er auf den gepflasterten Teil der Hauptsraße gelangen, die zum Zentrum des kleinen Ortes führte. Er konnte bereits eine Ecke des Hauptplatzes sehen. In der Trattoria würde er sich nach einer Übernachtungsmöglichkeit erkundigen. Piagnolia hatte kein Hotel. Er war nicht sicher, ob einer der Einwohner ihn bei sich unterbringen wollte. Und direkt zu Adrianas Haus zu fahren, das traute er sich noch nicht. Er wollte wenigstens eine Nacht in Piagnolia verbringen, die einst vertraute Luft einatmen. Neuen Mut fassen. Sich erkundigen, was in den vergangenen siebzehn Jahren hier passiert war. Guido hoffte, dass seine ehemaligen Freunde noch lebten. Dass das Piagnolia, das er vorfinden würde, immer noch sein Piagnolia war, das er als junger Mann gegen seinen Willen verlassen hatte. Jetzt war er wieder hier und fühlte sich wie ein Zeitreisender. Die Häuser sahen von außen immer noch so aus wie zu dem Zeitpunkt, als er sich ein letztes Mal in Handschellen gefesselt aus dem Militärtransportwagen heraus nach ihnen umgedreht hatte. Diesen Tag würde er nie vergessen. Es war eigentlich sein Hochzeitstag gewesen. Aber die Militärpolizei hatte ihn, der den Militärdienst geschickt geschwänzt hatte, um in Florenz Ökonomie zu studieren, ausgerechnet an seinem Hochzeitstag ausfindig gemacht und abgeholt. Vor den Augen der geladenen Hochzeitsgäste, vor den Augen seiner geliebten Adriana, wurde er auf den Lieferwagen gehoben und weggefahren. Da konnte er noch nicht ahnen, was ihn erwartete. Siebzehn Lebensjahre hatten ihm dieses Land und seine kriminellen Herrscher gestohlen. Für nichts. Eine lange Zeit. Sie erschien ihm endlos. Jetzt war er wieder hier. Piagnolia wirkte auf ihn vertraut und doch fremd. Er spürte die Neugier in sich aufsteigen, zu erfahren, wie es jetzt hinter den Fassaden aussah. Wie die Menschen sich verändert hatten, ob er sie wiedererkennen würde nach all den Jahren – und ob sie ihn erkennen und wieder aufnehmen würden. Er blickte kurz nach rechts, zum Hoftor des Bürgermeisterhauses, bremste kurz ab und blieb dann stehen. Ob Agostino noch da war? Ob er ihn vielleicht sogar als Ersten besuchen sollte? Guido zögerte. Schließlich stieg er ab, stellte sein Motorrad vor das Tor und versuchte, das Tor zu öffnen. Es war verschlossen, also klopfte er – zunächst vorsichtig, weil er selbst gar nicht sicher war, ob er wollte, dass ihn jemand hörte. Dann klopfte er heftiger. Niemand öffnete. Er wollte schon gehen, als er Agostinos Bariton von innen rufen hörte. „Einen Moment noch! Ich komme gleich!“ Guido war sich nicht sicher, aber er meinte, noch hören zu können, wie Agostino leise vor sich hin fluchte. Sicher hatte er ihn bei einer wichtigen Arbeit gestört. Das war ihm peinlich. Vielleicht sollte er einfach wieder auf sein Motorrad steigen und weiterfahren. Noch hatte ihn niemand im Ort gesehen. Niemand würde erfahren, dass er noch lebte und dass er hier gewesen war. Er war bereits im Begriff, sich umzudrehen, als das Tor von innen aufgerissen wurde.
Agostino blickte auf den Mann vor seinem Tor. So hatte er sich Oberst Briccone nicht vorgestellt: mit verschmiertem Gesicht, das nur um die Augenpartie herum einen Blick auf die Haut freigab, mit dreckigen Stiefeln, Lederjacke, einer ledernen Mütze auf dem Kopf und einer Motorradbrille in der Hand. Offensichtlich beliebte es dem Oberst, inkognito zu reisen. Wie auch immer – Agostino fasste sich schnell, postierte sich breitbeinig in der Mitte der nun geöffneten beiden Torflügel und blaffte den Motorradfahrer an: „Was will Rom von mir?“
Guido zuckte zusammen. Der Mann, der sich dort breitbeinig vor ihm aufgebaut hatte, war zweifellos Bürgermeister Agostino. Doch warum war er so böse auf ihn? Und was hatte Rom damit zu tun? Guido war siebzehn Jahre lang weg gewesen und konnte sich nicht erinnern, Agostino Leid zugefügt zu haben. Er blickte dem Bürgermeister unsicher in die Augen. Die beiden Männer standen sich sekundenlang wortlos gegenüber, Guido mit fragendem, Agostino mit sturem, fast zornigem Blick. Je länger sie sich ansahen, desto peinlicher wurde die Pause dieses bislang sehr einseitigen und kurzen Gesprächs. Und mit jeder Sekunde begann Guido mehr daran zu zweifeln, dass Agostino ihn überhaupt erkannt hatte. Schließlich brach er als Erster das Schweigen.
„Ich bin nicht Rom“, sagte er und blickte jetzt ebenfalls düster drein. Wieder erfüllte lautes Schweigen die Luft. Doch diesmal war es Agostino, dem plötzlich Zweifel kamen. Kannte er die Stimme nicht irgendwoher? Er forschte im Gesicht des Fremden. Dieser schien zunehmend amüsiert über die Situation. Ein leichtes Lächeln brach sich Bahn in dem schmutzigen Gesicht seines Gegenübers. War er Briccone schon einmal begegnet? Kannten sie sich? Vielleicht war Briccone ja auch dabei gewesen, vor 27 Jahren in Stuttgart. Vielleicht war er damals ja auch noch Kommunist gewesen. Aber daran konnte sich Agostino nicht erinnern. Außerdem war das Gesicht, das ihn da ansah, viel zu jung, als dass es damals in Stuttgart hätte dabei gewesen sein können. Er ließ seine Erinnerungen im Gedächtnis kreisen. Dabei wandelte sich sein mürrischer Blick langsam, zunächst in einen noch ernsten, dann nur noch fragenden Ausdruck. Er zog seine linke Augenbraue hoch, so, wie er es unwillkürlich immer machte, wenn er anfing, intensiv über etwas nachzudenken. Guido imitierte ihn nun, zog seine rechte Augenbraue hoch, und stemmte wie Agostino seine beiden Hände in die Hüften. Nun standen sie wie Spiegelbilder einander gegenüber. Guido entschloss sich, die mittlerweile fast sichtbaren Gedankenknoten des Bürgermeisters aufzulösen.
„Ich bin nicht Rom. Ich bin Guido Ventura!“ Agostino schien für einen Augenblick zu überlegen. Dann entspannten sich seine Gesichtszüge sehr plötzlich. Ein strahlendes Lachen erfüllte sein Gesicht, er breitete seine Arme aus und prustete heraus: „Guido!“ Ehrliche Freude erfüllte seinen ganzen Körper. Er umarmte den staunenden Motorradfahrer, nahm dessen dreckiges, ölverschmiertes Gesicht zwischen beide Hände und küsste es rechts und links auf die Wangen. „Nein!“, rief er. „Nein, du bist nicht Rom!“ Agostinos Gesichtszüge und auch sein Magen entspannten sich. Der Tag würde wohl doch nicht so schlimm werden, wie der Bürgermeister noch vor wenigen Minuten befürchtet hatte. Er drückte Guido fest an sich und rief immer wieder, nun wie in Trance: „Guido! Wie schön, dich zu sehen! Wie schön, dich zu sehen! Nein, du bist nicht Rom!“
Guido konnte sein Glück kaum fassen. Er hatte zwar gehofft, freundlich empfangen zu werden. Aber das übertraf seine Erwartungen. Agostino legte den Arm über Guidos Schulter und zog ihn ins Haus. „Maria!“, rief er hinein ins Haus seiner Frau zu, „Schau, wen ich mitbringe!“
Die anwesenden Herren waren nicht amüsiert. Giovanni Mauro, der Chef des WM-Organisationskomitees, Giorgio Vaccaro und Ottorino Barassi, der Präsident und der Generalsekretär des italienischen Fußballverbandes, Oberst Vittorio Briccone, Sonderbeauftragter für die Finanzierung der WM und Achille Starace, Sekretär der faschistischen Partei Italiens, hatten sich in dem noblen Stadthaus mit dem faschistischen Wappen über der Tür, mitten im Zentrum von Florenz, getroffen, um die aktuellen Ereignisse zu besprechen. Sie starrten Olivio Mela fassungslos an. „Alte Zeitungen?“, fragte Starace zum wiederholten Mal. Er hatte offensichtlich als Einziger in der Runde noch nicht verstanden, was passiert war. Jemand hatte ihren Plan durchkreuzt. Irgendjemand hatte das Geld irgendwann irgendwo gegen alte Zeitungen ausgetauscht. Und Staraces Verdacht fiel sofort auf Mela. Dessen Maßanzug schien ihm in diesem Augenblick drei Nummern zu groß zu sein. Er saß zusammengesunken auf seinem Stuhl und umklammerte mit seinen verschwitzten Händen ein mittlerweile durchtränktes Stofftaschentuch, das ihm seine Mutter erst vor wenigen Wochen geschenkt hatte. Ihm war elend. Er konnte sich nicht erklären, wie das Geld verschwunden war. Und er fühlte sich von Achille Starace bedroht. Mela spürte, dass der Sekretär, der für seine Unbeherrschtheit und Streitsucht bekannt war, einen Schuldigen für den Vorfall suchte. Und ihm war klar, wen Starace für diese Rolle favorisierte. „Ich kann es mir nicht erklären“, antwortete Mela.
Diesen Satz hatte er nun schon mehrere Male gesagt. Weder ihn noch die anderen in der Runde beruhigte diese Aussage. Und die Versuche, seine Stirn mit dem Taschentuch zu trocknen, schlugen erneut fehl. Starace setzte an, die Frage zu wiederholen, als Briccone ihn endlich unterbrach. „Das bringt uns jetzt nicht weiter, Achille. Wir sollten uns später auf jeden Fall sehr intensiv mit der Frage befassen, wie das passieren konnte. Aber jetzt müssen wir uns auf morgen konzentrieren. Wie bekommen wir 400.000 Drachmen bis spätestens zum Anpfiff morgen Nachmittag ins San-Siro-Stadion in Mailand?“ Die Griechen hatten ihre Forderung verändert und wollten jetzt 200.000 Lire in ihrer Heimatwährung. Das waren 700.000 Drachmen. Vierhunderttausend Drachmen verlangten sie sofort in bar und dreihunderttausend nach dem Sieg der Italiener. „Warum jetzt plötzlich in Drachmen? Das nächste Mal verlangen sie vielleicht noch, dass wir in Muscheln bezahlen!“ Starace kochte vor Wut. „Und warum lassen wir uns überhaupt noch auf das Geschäft ein? Warum fegt unsere ohnehin haushoch überlegene Fußballmannschaft diese griechischen Krummbeine nicht einfach vom Feld?“, fuhr er stehend fort, die rechte Faust in der Luft schwingend. Oberst Briccone legte ihm behutsam die Hand auf die Schulter, zog ihn langsam wieder auf seinen Stuhl und sagte in leisem, fast bedächtigem Ton: „Hör zu, Achille. Ich erkläre es dir noch einmal ganz langsam, damit sogar deine Uniformklappen es verstehen. Also: Unser Nationaltrainer Pozzo will seine Jungs so kurz vor der WM nicht noch einmal auf eine so beschwerliche Reise schicken. Das Rückspiel in Griechenland ist für Anfang Mai geplant. Am 27. Mai beginnt die Endrunde in Rom. Da kann er im letzten Augenblick keine Unterbrechung gebrauchen, geschweige denn verletzte oder erkrankte Spieler. Und deshalb wollen wir, dass die Griechen erstens dieses Spiel morgen nicht so ernst nehmen und zweitens zum Rückspiel gar nicht erst antreten.“ Starace blickte ihn unsicher an. Vittorio Briccones Vortrag war eine öffentliche Belehrung. Doch niemand in der Runde unterbrach ihn. Im Gegenteil. Mauro und Barassi fixierten Starace mit strengem Blick.
Briccone fuhr fort: „Und außerdem wird unser Verband gegen das Reglement verstoßen. Pozzo hat drei Spieler in der Mannschaft, die eigentlich keine Italiener sind. Jedenfalls leben sie noch keine drei Jahre in Italien. Einer von ihnen ist Brasilianer, zwei waren bis vor Kurzem argentinische Nationalspieler. Der argentinische Fußballverband ist darüber sogar so erbost, dass er die WM boykottieren will. Und die Griechen haben gedroht, uns zu verpfeifen.“ Er sah zu Giovanni Mauro hinüber. „Giovanni wird das für uns in den kommenden Wochen im Komitee schon regeln können.“ Der Chef des WM-Organisationskomitees nickte. Briccone wandte sich nun an Mela. „Und wenn unser Freund Mela, der demnächst den Präsidenten des italienischen Fußballverbandes, unseren lieben Freund Giorgio Vaccaro, auf seiner Freundschaftsmission nach Argentinien begleiten wird, nicht noch mehr Geldkoffer verschwinden lässt, dann werden auch die argentinischen Funktionäre über unseren kleinen taktischen Kniff hinwegsehen. Aber damit unsere Mannschaft unbeschadet und in stärkster Aufstellung überhaupt bei dieser Weltmeisterschaft antreten kann, müssen wir dafür sorgen, dass wir die Griechen ohne großen Aufwand ausschalten – und zwar sowohl die Fußballer als auch die verantwortlichen Manager.“ Briccone schaute Starace fest in die Augen. Giovanni Mauro lächelte Starace mild zu. „Und deshalb wird unser Freund Achille aus der Parteikasse noch einmal Geld organisieren müssen. Und dann in Drachmen tauschen. Und dann dafür sorgen, dass die Griechen sie rechtzeitig bekommen.“ Briccone fixierte Mela. Sein Lächeln blieb auf den Lippen. Aber Mela spürte eisigen Frost hinter der Fassade des Oberst. Er bekam also noch einmal eine Chance, und er wusste: Wenn ihm noch einmal ein Fehler passierte, dann würde Starace ihn persönlich zu Tagliatelle verarbeiten. Und Briccone würde ihm das passende Essbesteck dafür reichen.