Читать книгу Tagträume: Die ersten Erzählungen - Matz Riga - Страница 5
ОглавлениеRocco
Roccos Vater schlug Roccos Mutter, Roccos Mutter schlug Roccos älteren Bruder, und dieser schlug Rocco. Da Rocco keine jüngeren Geschwister hatte, an denen er wiederum seinen Zorn freien Lauf lassen konnte, schlug er Jüngere und Schwächere, welche ihm auf der Straße und auf dem Pausenhof begegneten. Rocco wurde der Schrecken im Stadtviertel.
Bereits nach kurzer Zeit hatte er eine Gang mit treuen Vasallen um sich versammelt, welche hofften als seine Diener nicht zu seinen Opfern zu gehören. Doch diese Hoffnung war vergebens, denn sie mussten ihm jede Woche Tribut zollen. Wer keine Beute im Gesamtwert von mindestens 250,- Euro nach einer Woche ablieferte, bekam von ihm eine Tracht Prügel mit dem Baseballschläger.
Die Gang zockte viele Leute ab. Rocco organisierte die Ablenkungsmanöver, um im großen Stil Ladendiebstähle zu begehen. Am liebsten ging er in die Shoppingmalls, mit den Ladendetektiven lieferte er sich ein Katz-und-Maus-Spiel, er betrachtete es als Herausforderung. Die Gang lauerte Mitschülern auf und nahmen diesen Smartphones und Geld ab; später organisierte Rocco Straßenkämpfe in Hinterhöfen, um dort bei den Wetten abzusahnen. Manchmal trat er dabei sogar selbst an, er gewann immer.
All dies blieb dem Staat nicht verborgen. Was Jugendstrafen angeht, hatte Rocco beinahe alle durch. Seine Sozialstunden leistete er nur auf dem Papier ab, selbst seine Bewährungshelfer hatten Angst vor ihm. Den Gefängnisaufenthalt sah er als Urlaub von seiner gewalttätigen Familie an, außerdem brachte ihm die erste richtige Haft Respekt seiner Truppe ein. Von jetzt an war er ein echter Knacki, ein staatlich anerkannter schwerer Junge, dem nur mit wegsperren beizukommen ist. Da war er stolz drauf, eine Kopie des Haftbefehls hing an der Wand seines Büros, direkt neben der Tür im besten Licht. Im Jugendgefängnis hatte er auch erste Kontakte zu Drogen. Er sah schnell, dass sich damit gutes Geld machen ließ. „Ein guter Dealer bleibt immer clean.“ gab ihm sein Zellengenosse Hektor mit, „Du musst immer einen klaren Kopf behalten, sonst endest du im selben Dreck wie deine Kunden.“ Rocco war stark, und er war klug. Ihn faszinierte vor allem Chemie. Er beschloss, mit seinen Kenntnissen ein Christal-Meth-Labor zu eröffnen, die Gewinnspanne erschien ihm wegen der geringen Produktionskosten allzu verlockend.
Rocco organisierte illegale Raves in leeren Lagerhallen und auf ehemaligen Industriegeländen. Das Meth wurde durch seine Vasallen auf den Parties vertrieben, auch die weiterhin stattfindenden illegalen Kämpfe waren ein einträglicher Vertriebsweg. Es wäre wahrscheinlich noch jahrelang gut gegangen, wenn er nicht im September diesen einen Kampf verloren hätte. Er kam damit nicht klar, er machte sich Sorgen um sein Image. Seine Leute hatten ihn im Dreck liegen sehen, ausgeknockt! Das konnte er so nicht stehenlassen. Er missachtete den Rat seines Zellengenossen und konsumierte von nun an selber Chrystal. „Der andere hat nur gewonnen, weil er gepuscht war, der konsumiert auch. Gleiche Regeln für alle!“ Damit rechtfertigte er seinen Konsum vor sich selbst, es besiegelte seinen Niedergang.
Wirtschaftlich war Rocco weiterhin sehr erfolgreich, das zeigte er auch. Er fuhr einen alten Ford Mustang, trug viel Schmuck und edle Sonnenbrillen. Das hatte er sich von den US-amerikanischen Gangsterrappern abgeguckt. Jede Woche hatte er ein anderes Mädchen, die er meist bei den Raves abschleppte, indem er ihnen in seinem Büro eine Gratisprobe seiner Produkte gab.
Dann beging er einen Fehler, seinen zweiten. Er expandierte, und dabei kam er den Tschechen in die Quere. Diese wollten das nicht auf sich sitzenlassen und hätten beinahe einen Bandenkrieg vom Zaun gebrochen, das konnte Rocco jedoch vermeiden. Er machte ihnen ein Angbot, „Schickt euren besten Mann gegen mich in den Ring. Ein ganz einfacher, traditioneller Revierkampf.“ Die Tschechen nahmen an, und Anfang Dezember trafen sie sich in der alten Halle am Merzenplatz. Das Chrystal hatte die Adern in Roccos Kopf mittlerweile stark angegriffen, nach einem Kopftreffer seines Gegners brach er zusammen und verstarb noch vor Ort an einer Hirnblutung.
Rocco wurde 24 Jahre alt.
Was soll das? Damit hättest Du einen Roman schreiben können, zumindest eine Novelle. Die Wortdichte ist zu hoch. Ich bin enttäuscht von Dir.
„Wer spricht da?“
Mystisches Schweigen war die Antwort.