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01 Ich bin kein Krimineller
Оглавлениеgeschrieben am Sonntagabend, 23.11.2014
Ich bin kein Krimineller. Ich klaue nicht, ich betrüge nicht, ich bringe keine Leute um und sonst habe ich eigentlich auch nicht vor, irgendetwas zu tun, das gegen das Gesetz verstößt. Außer Drogen nehmen. Aber das ist nicht gegen die Gesetze, zumindest nicht gegen meine. Und die Gesetze vom Staat zum Thema Drogen sind halt einfach für den Arsch. Also, ich bin kein Krimineller, aber drauf wie ein Moped von der gestrigen Nacht.
Ich bin politisch inkorrekt und ich habe einen Scheiß-Humor. Ich nenne einen Schwarzen oft Neger, aber das ist nicht rassistisch, das ist einfach so. Als ich ein Kind war, wurde mir das so beigebracht, und da war es einfach nur eine sachliche Beschreibung eines schwarzen Menschen: Neger. Fertig, völlig wertfrei. Ich sage Neger und meine das nicht böse, der nächste sagt Schwarzer und denkt sich „Nigger“, da bin ich lieber politisch inkorrekt, aber mit innerer reiner Weste.
Schwule nenne ich Tunten, Frauen sind Bitches, Chinesen Reisfresser, Briten Inselaffen, Franzosen Froschfresser, Ossis sind Ossis, Österreicher und Schweizer Schluchtenscheißer, und wenn ich denn nur wüsste, was und wer ich eigentlich bin, dann würde ich mich selber wohl noch wesentlich schlimmer betiteln, als alle hier Aufgezählten. Das ist nicht rassistisch, sexistisch oder homophob, das ist einfach mein Scheiß-Humor. Die einen wissen ihn zu würdigen und sie verstehen ihn, die anderen halt nicht. Die Hauptsache ist doch, man lacht über sich selber noch lauter als über die anderen.
Diese ganze „Political Correctness“-Scheiße ist für mich eh das größte Übel der westlichen Zivilisation und der Ursprung aller Konflikte und Kämpfe, und Gewalt lehne ich grundsätzlich ab. Nicht zuletzt, weil ich einfach keine Lust auf physischen Schmerz habe, es sei denn, er ist Teil einer sexuellen Spielart, da kann das ganz geil sein.
Das ist natürlich alles sehr kurzgefasst, aber ich habe gar keine Lust, das differenzierter zu betrachten. Ich habe das lange mit mir ausdiskutiert und bin zu dem Schluss gekommen, recht zu haben.
Das andere große Übel dieser Welt sind die Religionen. Warum hat die eigentlich noch keiner verboten? Jeder, der eine Religion und den damit verbundenen Glauben in den Mittelpunkt seines täglichen Lebens stellt, hat für mich gelinde gesagt nicht alle Tassen im Schrank. Und da ist es mir ziemlich egal, ob diese Idioten ihren Kopf mit dem Schwachsinn aus der Bibel, dem Koran oder der Tora füllen. Es ist mir ein Rätsel, warum wir Kinder ab einem gewissen Alter dafür auslachen, an den Weihnachtsmann zu glauben, während wir den Glauben an einen Gott ernst nehmen, ihm Raum in der Politik lassen, Talkshows dazu veranstalten, Menschen, die diesen Irrsinn predigen, überhaupt seriös behandeln, warum wir dieser Idiotie ein eigenes Schulfach widmen und was weiß ich noch alles. Die Existenz des Weihnachtsmannes ist wahrscheinlich wahrscheinlicher als die irgendeines Gottes, also bitte liebe Welt, was soll das?
Aber darum geht es hier ja gar nicht. Eigentlich wollte ich nur festhalten, dass ich kein Krimineller bin, auch wenn ich diesen Ghettoblaster mitgenommen habe, der mir eigentlich nicht gehört. Also nicht nur eigentlich nicht, er gehört mir definitiv nicht, aber mittlerweile ist er mir eh schon wieder abhanden gekommen.
Meine Drogen finanziere ich mit redlichen Mitteln. Ich gehe arbeiten, ich habe eine schönes, konsumgesteuertes, kapitalistisches Leben und eine stilvoll eingerichtete Wohnung und ich liebe es, auf der richtigen Seite dieser Welt geboren worden zu sein. Ich habe genug Mittel, meine Drogen mit ehrlich erarbeitetem Geld zu kaufen. Ich liebe den Vorzug, reich zu sein. Also reich gegenüber 95 % der restlichen Weltbevölkerung. Ich spende nicht und ich gucke mit Vorliebe die Breaking News von Katastrophen in der Live-Schalte. Und ich habe auch kein Mitgefühl, wenn wieder irgendwo auf der Welt irgendetwas Schlimmes passiert ist.
Empathie ist auch so etwas Schlimmes. Da nennt man sich empathisch, weil man sich selber natürlich nicht als oberflächlich beschreiben möchte, aber im Prinzip haben beide Adjektive die gleiche Bedeutung. Während manche dann auf Facebook und Twitter ihr Beileid und Entsetzen zu dem gerade Passierten bekunden, fange ich an, Popcorn zu machen. Dann lösche ich die Gutmenschen-Idioten aus meinen virtuellen Freundeslisten und gucke, auf welchem Kanal gerade am meisten Elend zu beobachten ist.
Am besten passiert so ein Unglück im Winter oder im Herbst, wenn es draußen stürmt und regnet und ich nicht das Gefühl habe, draußen etwas zu verpassen. So kann ich mich dem Elend zu 100 % hingeben. Herrlich. Die Berichterstattung zu Michael Jacksons Tod hatte mich damals genervt, denn die passierte sehr spät abends nach mitteleuropäischer Zeit und ich musste tags darauf arbeiten. 9/11 hingegen war perfekt getimt, da hatte ich gerade zwei Tage frei.
Aber da bin ich schon wieder vom eigentlichen Thema abgedriftet. Am Montag war so ein perfekter Tag, an dem zuvor Michael Jackson gerne hätte sterben dürfen, denn ich hatte frei. Ich war auf dem Weg zu Boritz.
Boritz ist mein bester Freund und ich wollte kurz auf einen Kaffee bei ihm vorbeischauen und ein paar Dinge bereden. Boritz ist selbständiger „Was-weiß-ich“; er macht Webseiten und plant Strategien für andere Selbständige. Deswegen hat er montagnachmittags Zeit genug, mich zu empfangen. Boritz heißt wirklich Boritz. Ich habe das nicht geglaubt und mir seinen Personalausweis zeigen lassen, als wir uns kennenlernten, und da steht es: Boritz Schultze, geboren am 27. Juni 1988.
Seine Mutter war ein riesengroßer Boris-Becker-Fan, kein Match ohne Mama Schultze. Bei den Australien Open wurde nachts TV geschaut und tagsüber vorgeschlafen, bei den French Open und Wimbledon wurden Freundinnen ausgeladen, die keine Lust auf Tennisglotzen hatten, und während der US Open gab es bereits um 17 Uhr Abendbrot, damit man in Ruhe danach loslegen konnte mit Tennis-Gucken.
Der Vater von Boritz hatte als Kind die Geschichten von Max und Moritz vergöttert. Nachdem man den erstgeborenen Sohn Max nannte, also den sechs Jahre älteren Bruder von Boritz, sollte der Nachzügler natürlich Moritz heißen. Aber da hatte Papa Schultze die Rechnung ohne den Tennis-Gott und Liebling von Mama Schultze gemacht. Nach langem Streit musste ein Namens-Kompromiss her und man einigte sich tatsächlich auf die absurde Idee, den zweiten Sohn Boritz zu nennen. Warum das zuständige Einwohnermeldeamt – oder wer auch immer dafür zuständig war – diesen Namen dann auch noch bewilligte, bleibt mir ein ewiges Rätsel und wäre sicher Stoff für ein ganzes Kapitel eines eigenen Buches.
Sei’s drum, Boritz Schultzes Loft war Ziel meines Sparzierganges am letzten Montagnachmittag, denn die Drogenbeschaffung für das kommenden Partywochenende plant sich besser zu zweit, und vor allem nicht von alleine.