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IV.

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Am Sonnabend erhielt Sonter eine Depesche, dass seine Mutter verhindert sei und erst im Laufe der nächsten Woche nach Berlin kommen könne, was ihm, obwohl er in den Ereignissen des Lebens nur eine Reihe von Zufälligkeiten erblickte, diesmal wie eine Bestimmung erschien. Noch gestern abend hatte Frau Birkenheimer ihre Einladung zu „Krebsen und Bowle“ brieflich wiederholt, mit all den kleinen liebenswürdigen Lockungen, die eine lebenslustige Frau immer bereit hat, wenn sie einen Herrn für ihren Kreis kapern will. Ihr Mann würde sich sehr freuen, wenn der Herr Landgerichtsrat ihnen beiden die Ehre schenkte (zwischen den Zeilen stand eigentlich, dass diese Freude wohl mehr von ihrer Seite ausgehe), und ausserdem würde seiner noch ein ganzer Kreis schöner Frauen harren, und so weiter.

Frau Birkenheimer schien es eilig zu haben, das leuchtete ihm ein, und witterte sein gesunder Menschenverstand richtig, so steckte dahinter ihre Sehnsucht, das etwas aufdringliche Gespräch von neulich in der eigenen Häuslichkeit fortzusetzen.

Bevor Sonter Käthe davon unterrichten konnte, dass er am anderen Tage nachmittags in Gesellschaft sei und dass sie ihm daher alles Nötige zurechtlegen möge, wusste sie bereits von dem Ereignis. Er hatte die Briefkarte auf seinem Schreibtisch liegen lassen, und so war nichts einfacher, als dass sie ihre Neugierde daran befriedigte.

Lange stand sie davor, drehte das Büttenpapier von einer Seite zur anderen und begann immer wieder zu lesen. Solche Karten kamen ja genug ins Haus, die sie alle ziemlich gleichgültig gelassen hatten; diese hier aber brachte ihr Blut wieder in Wallung. Dahinter steckt doch etwas Besonderes, raunten ihr die Schläge des Herzens zu. Pass auf, sie wollen ihn dir wegfangen. Puck-puck, puck-puck ging das Herz immer stürmischer, und jeder Schlag lautete: Du — Schaf — du — Schaf.

Käthe lachte still vor sich hin. So leicht war das wirklich nicht, ihr den „Herrn“ wegzukapern, denn der sass fester, als sie alle glaubten! Dann erstarb plötzlich ihr Lachen, langsam, bis nur noch ein Zucken um die Lippen übrigblieb. Natürlich sollte er dort mit Frau Birkenheimers Schwester zusammentreffen, mit dieser Frau, über deren Aussehen sie sich schon allerlei Vorstellungen beim Lesen der Akten gemacht hatte, mit der sie sich aber die halben Nächte beschäftigen musste, bevor sie das brennende Gesicht in das einsame Kissen drückte, um endlich den Schlaf zu finden.

„Werden der Herr Rat den Smoking anziehen?“ fragte sie am Sonntag vormittag, als sich das Gespräch um diese Dinge drehte. „Und den hellen Paletot darf ich wohl auch herauslegen, es ist ganz kühl geworden.“

In der Nacht hatte es ein tüchtiges Gewitter gegeben; ein Dauerregen war gefolgt, so dass die Strassen in Nässe schwammen. Aber gerade dieses Wetter behagte Sonter, denn es erschien ihm mehr zu einer häuslichen Geselligkeit geeignet.

„Ich denke wohl, den Smoking, Käthe. Es ist zwar Sommer, aber ich bin zum erstenmal dort. Ausserdem habe ich keinen Besuch machen können, der Kürze der Zeit wegen nicht ... Was wirst du denn heute mit dem Sonntag machen, he?“

„Ich finde schon etwas, Herr Rat, um mit der Zeit auszukommen. Es muss doch auch jemand zu Hause bleiben.“

„Möchtest du nicht heute einmal ins Schillertheater gehen?“

Schon wiederholt hatte er sie auf diese Art auf andere Gedanken gebracht, weil es ihm manchmal leid tat, sie hier allein sitzen zu sehen.

„Ich danke, Herr Rat. Heute möchte ich lieber zu Hause bleiben. Ich habe Briefe zu schreiben.“

„Wie du willst, Käthe ... Bist du nicht eigentlich froh, dass meine Mutter heute noch nicht gekommen ist? Mir fiel so ein kleiner Stein vom Herzen.“

„Aufgeschoben ist ja nicht aufgehoben, Herr Rat.“

Sonter stiess einen Seufzer aus. „Leider nicht. Vielleicht telegraphiert die gute Alte nochmals ab.“

Käthe, die den Smoking nach vorn gebracht hatte, um, weil es hier heller war, seine Tadellosigkeit zu prüfen, lachte kurz auf. „Das tut ja die gnädige Frau doch nicht. Die will gewiss sehen, wie es ihrem Herrn Sohne geht und dabei einmal gründlich Umschau halten.“

„Eben deswegen. Na, deshalb wollen wir uns die Laune heute nicht verderben.“

„Vielleicht ändert sich bis dahin noch manches, Herr Rat.“

„Du hast jetzt öfter solche Gedanken, Käthe“, sagte er und blickte sie prüfend an.

„Man kommt darauf, Herr Rat. Ewig können wir doch wohl nicht zusammenbleiben.“

Darauf schwieg der Landgerichtsrat, denn er wollte ihr diese Meinung nicht nehmen.

Als es nach dem eintönigen Mittagessen glücklich fünf Uhr geworden war und Sonter, in seinem Arbeitszimmer sitzend, beim Kaffee eine Zigarre rauchte und noch einmal die Zeitung überflog, bevor er sich in den Smoking werfen wollte, klingelte es an der Entreetür, so dass er einen leichten Schreck bekam bei dem Gedanken, es könnte ihn um diese Zeit ein unwillkommener Besuch stören. Er ging auf leisen Sohlen in den Korridor und blickte vorsichtig durch das Guckloch; dann, als er einen jungen, unbekannten, etwas „fremd“ aussehenden Mann beobachtete, öffnete er, entschlossen zur kurzen Abfertigung.

Es war Hermann Usen, ein Nachbarssohn aus Käthes Heimat, der vergangenen Herbst schon von den Soldaten losgekommen war, dann wieder zu den Eltern ging, und nun hier auftauchte, um sich nach der alten Freundin zu erkundigen. Alles das brachte er kurz und höflich hervor, immer den Hut in der Hand, so in geschulter Weise, die die militärische Dressur nicht verleugnen kann. Zugleich bat er um Entschuldigung für die Störung hier vorne; er sei bereits hinten gewesen, habe aber vergeblich geklingelt.

Sonter, der selbst nicht Soldat gewesen war, liebte diese Leute mit dem offenen, respektvollen Wesen, die niemals vergassen, vor Herren mit Ansehen Haltung anzunehmen; und da er überdies einen modisch gekleideten Mann erblickte, der auch im Gesicht nach etwas aussah, so rief er auch schon ins Zimmer hinein: „Käthe! Kommen Sie doch einmal her, hier ist jemand, der Sie sprechen will.“

Diesmal hatte er wirklich ganz vergessen, dass er eine Frau besass, weil ihn diese Szene an ähnliche, bereits früher erlebte, erinnerte, besonders zur Zeit der alten Köchin, die immer einen ganz ausgebreiteten Verwandtenbesuch zu erwarten hatte.

Käthe befand sich auf dem Balkon, wo sie die Blumentöpfe ins Trockene stellte. Sonter musste ins Speisezimmer gehen, um ihr das alles noch einmal zu sagen. Dann bekümmerte er sich nicht weiter darum und nahm wieder vor seiner Zeitung Platz. Als er aber Käthes Ausruf draussen hörte: „Hermann, Sie? Na, das is mal ’ne Überraschung!“ erhob er sich wieder, öffnete die Tür von hier aus, als er vernahm, dass der Besuch schon eingetreten war, und sprach im Gönnertone hinaus: „Hören Sie mal, Käthe — ich habe nichts dagegen, wenn Sie Ihren Besuch bewirten ... Lassen Sie sich nachher noch einmal sehen.“

„Schön, Herr Rat. Danke für die Freundlichkeit.“

Auch sie dachte in diesem Augenblicke gar nicht daran, dass sie von Rechts wegen Frau Sonter hiess. Glücklich darüber, ein liebes Gesicht aus der Heimat zu sehen, nickte sie Hermann Usen zu, ihr zu folgen und ging ihm voran nach der Küche, was Usen auch ganz selbstverständlich fand, denn wo ein Dienstmädchen ihr Reich hatte, da war auch der Aufenthalt von seinesgleichen.

Als nach einem Weilchen Sonter im Smoking dastand, schon den Zylinderhut auf, klingelte er nach Käthe.

„Ich will nun gehen, Käthe“, begann er, den Abglanz bester Laune auf den Zügen, weil seine Gedanken nun schon zu Frau Birkenheimer vorausgeeilt waren. „Es freut mich, dass du heute nicht so ganz allein bist und wenigstens jemand zum Plaudern hast. Der junge Mann wird dir gewiss viel aus deiner Heimat zu erzählen haben, wie?“

„Eigentlich spricht er ja nicht viel, aber sonst hat er es in sich“, sagte Käthe heiter und half ihm den Paletot anziehen.

Das brachte Sonters zerstreute Gedanken mit einem Rucke wieder zusammen. „Wie meinst du das, Käthe? Wie soll ich das verstehen? Doch nicht etwa so, dass er sich gegen dich etwas herausnehmen könnte, wie? Danach sah er mir eigentlich nicht aus.“

Käthe lächelte seltsam.

„Stille Wasser sind tief, Herr Rat.“

Sonter fasste unter den Paletot und zog mit einem festen Griffe den Smoking herunter, weil sein etwas kurzer Hals immer einen Kampf mit den Kragen der Kleidungsstücke führte. Dabei kam ihm zum Bewusstsein, dass es doch immerhin ein eigentümlicher Zustand sei, wenn er einen ihm unbekannten jungen Mann mit seiner Frau allein in der Wohnung lasse. Und so sagte er, plötzlich rot geworden, nicht bloss durch die körperliche Anstrengung: „Möchtest du ihn nicht doch lieber abschieben? Vielleicht war ich etwas voreilig mit der Einladung.“

„Herr Rat haben nichts zu befürchten, ich weiss schon, wie ich mich zu verhalten habe.“

Ärgerlich schwenkte sie durchs Zimmer, und aus der Art, wie sie einen Stuhl geraderückte, merkte er ihr an, dass sie sich gekränkt fühlte.

„So meinte ich das ja nicht“, lenkte er ein. „Aber sieh mal, — da er nicht weiss, dass wir verheiratet sind, so — du, mein Gott, ich brauche mich doch wirklich nicht erst näher darüber auszulassen.“

„Ich weiss schon. Herr Rat sehen in mir immer noch das Dienstmädchen.“

„Es wird mir eben schwer, Käthe, davon loszukommen. Du wirst doch nicht etwa denken, dass ich eifersüchtig bin, wie? Das wäre denn doch geradezu eine Beleidigung, die ich mir selbst zufügen würde. Meine Achtung vor dir bleibt immer dieselbe. Adieu, Käthe. Und mach mit deinem Besuch, was du für gut hältst.“

„Ich wünsche Herrn Rat viel Vergnügen.“

„Danke, Käthe.“

Zum Zeichen seines Wohlwollens gab er ihr die Hand und ging dann, nachdem er sich zuvor durch einen Blick in sein Arbeitszimmer überzeugt hatte, dass sämtliche Akten verschlossen waren.

Käthe begleitete ihn bis zur Korridortür, schloss sie ab, schob den Sicherheitsriegel vor und ging dann in das Speisezimmer zurück. Aber nicht wie sonst eilte sie auf den Balkon, um ihm nachzublicken; vielmehr blieb sie stehen, verschränkte die Hände über dem Leib und starrte zu Boden.

Noch niemals hatte sie so das Gefühl der Verlassenheit und Überflüssigkeit auf der Welt gehabt, wie jetzt; aber auch nie zuvor hatte sie Ähnliches in ihrem Herzen entdeckt: dass ihr nämlich trotz dieser ehelichen Missachtung und häuslichen Tyrannei Sonter viel mehr war, als es das ganze Verhältnis zwischen ihnen bedingte. Sie hatte sich schon in alles gefunden gehabt, wollte ihm Dienerin bleiben und weiter nichts, und nun litt sie unter einem ganz elenden Seelenzustande, den allein seine eben ihr bewiesene restlose Gleichgültigkeit geschaffen hatte.

Denn so deutlich war er noch nie gewesen, indem er ihr einfach wie zum Hohne zu verstehen gab, dass sie sich nicht etwa einbilden solle, sie könne ihn eifersüchtig machen. Und dass er ihr das gerade in einer Stunde gesagt hatte, da er einen neuen Lebensweg zu wandeln gedachte (dass es so sei, fühlte sie instinktiv), — das traf sie wie ein Backenstreich, der sie noch tiefer erniedrigte.

In diesem Zustande der Wehrlosigkeit kamen ihr wieder ein paar Tränen, die sie rasch wegwischte, weil sie sich entsann, dass in der Küche jemand sass, der auf ihre Rückkehr wartete.

Als sie wieder hinten auftauchte, waren Hermann Usens erste Worte: „Na, ist der Alte fort? So ein Junggeselle macht doch immer seine Sperenzen, ehe er geht.“

Sie hatte ihm Kaffee vorgesetzt, und so sass er am Küchentische, die langen Beine weit von sich gestreckt, kaute den Rest der geschmierten Schrippe und blickte sie dabei ganz vergnügt an, so mit einem Ausdruck, als wollte er die Bestätigung von ihr haben, dass sie nun, Gott sei Dank, allein seien und machen könnten, was sie wollten. Beim Militär hatte er verschiedene Liebschaften gehabt, und so bildete er sich etwas darauf ein, immer gleich den richtigen Ton den Mädels seines Umgangskreises gegenüber zu finden.

Käthe sagte vorerst nichts, weil sie überlegte, ob sie ihm nicht gleich eine Ohrfeige geben und ihn hinauswerfen solle. In der Stimmung dazu war sie, besonders wenn sie erwog, dass sie Frau Rat war. Dann aber siegte die Klugheit und so machte sie ihrem Groll in Worten Luft.

„So dürfen Sie vom Herrn Landgerichtsrat nicht reden, Hermann, das dulde ich nicht“, sagte sie und setzte ein paar Tassen hin, dass es klirrte. „Sie haben doch gleich gesehen, wie gut er es meint. Ein anderer hätte gesagt: Nehmen Sie hübsch wieder die Hintertreppe.“

Der frische Usen lachte auf. „Sie? Nanu, Käthe, seit wann denn Sie? Nanu wird’s Tag. Die würden ja brüllen vor Lachen zu Hause, wenn sie das hörten.“

Ihre Sauberkeit, ihr blühendes Wesen, das in der hellen Sonntagsbluse etwas ungemein Appetitliches hatte, waren ihm gleich beim ersten Anblick aufgefallen, und so hatte er sich zugerufen: Die oder keine andere in Berlin. Nun erst recht davon eingenommen, gereizt von diesem Widerstande, sprang er auf und versuchte, den Arm um ihre Taille zu legen. Da bekam er auch schon einen kleinen Stoss und sah im nächsten Augenblick eine Kelle in ihrer Hand.

„Damit kriegen Sie eins, wenn Sie sich nicht ruhig verhalten. Das lassen Sie sich gesagt sein, Hermann. Und wenn Sie wollen, können Sie gleich wieder gehen. Sie müssen nämlich wissen, dass ich hier etwas mehr bin, als Mädchen für alles.“

„Ach so, Sie sind was Feines geworden“, sagte nun Usen ganz verändert, aber doch so in einer Art, aus der sie die Spitze deutlich heraushörte. „Das wusste ich nicht, entschuldigen Sie nur. Unsereins kann so hoch nicht langen, uns fehlt das glatte Gesicht.“

Er griff nach Hut und Schirm, um kurzweg zu gehen, aber Käthe bat ihn, zu bleiben. Ihr gutes Herz siegte, und es tat ihr leid, weil ihr die ganze Jugendzeit, die sie mit diesem hübschen Burschen verlebt hatte, wieder vor Augen stand. Auch wollte sie nicht, dass er nun mit dem Gedanken wegginge, sie treibe etwas Schlechtes in diesem Hause, wodurch sie ihrer Familie und den Verwandten gegenüber in kein gutes Licht gerückt worden wäre.

„Was Sie denken, ist nicht“, beruhigte sie ihn. „Der Herr Landgerichtsrat ist ein hochanständiger Herr, das sollten Sie ihm doch gleich angesehen haben. Ich koche ihm und wirtschafte ihm, das ist alles. Übrigens, hören Sie mal, — von wegen ‚Alter‘, das lassen Sie nur. Der ist erst vierzig und ein hübscher Mann. Wenn der wollte, dann bekäme er an jedem Finger zehn, und darunter welche von achtzehn Jahren. Haben Sie ’ne Ahnung, wie es unter solchen Herrschaften zugeht.“

„Na ja, das glaub’ ich schon“, sagte Usen, nun leicht aufatmend, denn schnell war ihm das üble Misstrauen genommen. Er setzte sich wieder, hielt aber die Beine manierlicher, denn Käthes Aufmucken hatte ihm Respekt eingeflösst. Im Gegenteil befriedigte es ihn nun, sie als etwas Besseres wiedergesehen zu haben, was seinen Ehrgeiz sofort aufstachelte.

„Weshalb heiratet denn der Herr nicht, Fräulein Käthe“, fragte er, nun sofort den besseren Ton findend. „Das habe ich übrigens schon zu Hause gehört, dass Sie es hier sehr gut haben sollen.“

„Na, sehn Sie, daran liegt es eben“, fand Käthe die nötige Ausrede, ohne ihn jedoch anzublicken, weil sie sich dieser Verlogenheit dem offenen Menschen da gegenüber ein wenig schämte. „Ich habe es hier so gut, weil ich unentbehrlich bin. Dadurch hat es auch der Herr Rat so gut, deshalb heiratet er nicht.“ Bei sich aber dachte sie: Ich werde mich schön hüten, ihn blosszustellen, eher sterbe ich ja.

Hermann Usen wagte nun nach Art seines Schlages einen kecken Vorstoss, was seiner Ansicht nach Käthe nur schmeicheln konnte. „Da muss eben jemand kommen und Sie hier wegheiraten, damit die Geschichte ein Ende nimmt“, sagte er lachend und zeigte dabei seine zwei Reihen kerniger Zähne, was er übrigens gerne tat, weil er wusste, dass ein solches Lachen ihm gut stand.

„Wenn das nur so einfach wäre“, ging Käthe auf diesen Ton unwillkürlich ein. „Aber sehn Sie, Hermann, ich habe einen längeren Vertrag, und den muss ich doch halten. Aus diesem Vertrage kann mich nur der Herr Landgerichtsrat entlassen.“

„Na, das würde er doch sicher tun, wenn er guten Ersatz bekäme“, sagte Usen und rührte schon in der zweiten Tasse Kaffee.

Käthe seufzte unmerklich. „Ja, das würde er wohl gerne tun“, erwiderte sie dann, wobei sie aber etwas ganz anderes im Sinne hatte als ihr Gast.

„Na also. Das wissen Sie doch wohl, Fräulein Käthe, dass jeder Dienst sofort ein Ende hat, wenn ein Mädchen heiraten will.“

„So? Na, darüber wollen wir uns heute nicht den Kopf zerbrechen. Es wäre auch wirklich schade darum, wenigstens um Ihren Kopf.“

Sie setzte sich nun zu ihm, goss sich ebenfalls Kaffee ein und liess ihn erzählen. Mit der gewöhnlichen Arbeiterei sei das nichts mehr gewesen, infolgedessen habe er sich in der Installation anlernen lassen, so dass er in einem Berliner Beleuchtungsgeschäft eine Probeanstellung gefunden habe. Er sei also, gerade wie sie, auch etwas Besseres geworden, nämlich Monteur. Wenn er noch Glück habe und von seinem Vater etwas Geld bekomme, dann könne er selbst einen kleinen Laden aufmachen. Viele fingen so an und beschlössen ihr Leben als wohlhabende Leute.

„Das ist nett von Ihnen, dass Sie so vernünftig denken“, sagte Käthe und betrachtete ihn nun beinahe mit anderen Augen. „Früher waren Sie nur als Sausewind bekannt, der den Mädchen die Köpfe verdrehte. Wenn Sie sich dann noch eine solide Frau nehmen, dann kann es Ihnen ja gar nicht fehlen.“

„Würden Sie nun so freundlich sein und mit mir ein Stündchen ausgehen?“ fragte Usen dann so unvermittelt, dass Käthe förmlich einen Schreck bekam. „Ihr Herr Rat wird Ihnen das sicher nicht übelnehmen, obendrein da wir Landsleute sind.“

Käthe zwang sich zu einem Lachen. „Da kennen Sie ihn schlecht. Er würde einfach toben, wenn er die Wohnung ohne Aufsicht fände. Sie können aber dreist hierbleiben und Abendbrot essen. Wir erzählen uns dann noch so manches aus der Heimat, nich?“

Eigentlich hatte sie sich vorgenommen, ihn bald wieder gehen zu lassen, aber gerade heute hatte sie Angst vor dem Alleinsein. Sie hielt es auch für richtiger, dem wiederholten Drängen Usens um einen Spaziergang auf diese Art zu begegnen. Nach dem Abendbrot entliess sie ihn mit dem Versprechen, nichts dagegen zu haben, wenn er sich wieder einmal nach ihrem Befinden erkundigen wolle; aber „hinten herum“, das müsse sie sich ausbitten.

Der irrende Richter

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