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Es geschah vor 25 Jahren

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An diesem eiskalten Morgen erschrak Elvira bei Brigadier Webers Worten: »Zuerst der Kesselwagen der Freunde.«

Diese Freunde, das waren die sowjetischen Besatzer. Das Brudervolk. Der große Lehrmeister.

Sie erinnerte sich an die Gruppe sowjetischer Soldaten, die sie am ersten Tag nach ihrer Degradierung in der Nähe des Werktores gesehen hatte, durch das sie fortan zu gehen hatte.

»Er steht schon in der Halle«, sagte Weber mit einer Handbewegung, die zur Eile trieb. Nur Willi Waschke, der wie zumeist neben ihr stand, murmelte leise vor sich hin: »Das grenzt an Wahnsinn.«

In der Brigade gab es außer Elvira keinen Anfänger oder Quereinsteiger. Alle kannten die Dienstvorschriften aus dem Effeff. Ob einer dasselbe ahnte, was Willi Waschke auf dem Weg zur Halle durch den Kopf ging, blieb unergründet.

Alle gingen an ihre Plätze mit denselben gleichgültigen Gesichtern wie jeden Morgen. Elvira — seit Langem an schweigendes Dulden gewöhnt — bestieg ihren Kran, ihre Kanzel, die Geborgenheit bot und Abstand von den Unbilden der Welt. Hier oben dachte sie daran, wie sie die Jahre mit ihrem Kind gestalten würde, wenn es erst einmal so weit sein würde, dass es mitentscheiden konnte. Sie würde sich auf alle Fälle mehr Mühe geben als ihre Mutter. Und sie würde keine Sekunde länger dem untreuen Mannsbild hinterher trauern. Vorfälle, wo auch ein pflichtvergessener Vater wieder stolz auf seinen Sohn blickte, gab es genügend. In Klein-Pepes Fall war es schlicht unwahrscheinlich, aber nicht gänzlich unmöglich.

Ihre eigene Konsequenz war es, mit der sie sich aus dem Schlamassel, den Martin Breuning angerichtet hatte, befreien konnte — ohne fremde Hilfe, wenn sie Willi Waschke mal außen vor ließ.

Hier in Webers Brigade war sie längst angekommen in relativ kurzer Zeit. Ein gutes Jahr war erst vergangen. Ein Jahr vollgestopft mit Veränderungen und Erkenntnissen. Ein Jahr, um Vertrauen füreinander zu schmieden. Hier würde ihr jetzt nichts mehr passieren — nicht in dem Sinne, wie es ihr passiert war.

Solange sie auf ein Kommando von den Kollegen tief unter ihr wartete, erinnerte sich Elvira merkwürdigerweise an ein paar Worte von Willi Waschke. Sie hatte ihm ehrlich anvertraut, sie sei jetzt angekommen in der Brigade, in die sie strafversetzt worden war. Jetzt könne ihr nichts mehr passieren.

»Dir kann überall etwas passieren. Bei dieser Schlamperei warte ich täglich auf ein Unglück.«

Unter ihr begannen die Kollegen am Kesselwagen der Freunde zu hantieren. Auf der anderen Hallenseite fuhr der Kollege der Che-Guevara-Brigade den zweiten Kran und bediente den Rest der Schicht.

Gerade dachte sie darüber nach, wie die Brigaden hier in der Produktion zu ihren Namen gekommen sein mögen, als eine furchtbare Helligkeit durch die Halle schoss und ein Druck alles erzittern ließ.

Ihre Ohren wurden taub, ihre Augen geblendet. Stichflammen reichten beinahe bis zur Kanzel. In Sekundenschnelle quoll dicker Qualm in Nase und Rachen, nahm ihr die Sicht und die Luft zum Atmen. Sie versuchte, den Abstieg zu erreichen. Es wäre blanker Mord. Durch diese Hölle bis nach unten? Das konnte sie nicht riskieren, ihr vaterloses Baby wartete in der Betriebs-Kinderkrippe auf ihren Feierabend…

Am Ende bleibt ein Zauber

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