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Die Begegnung

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Er war immer ein Naturmensch. Zu Hause in Vorpommern, im Treiben zwischen Wind und Wellen, und seit er hier war (nach dem Tod seiner Eltern und Inka zuliebe war er ins flache, dürre Land gekommen) verging kein freier Tag, wo sie nicht hinausfuhren in die Natur. Freilich ging es ihm dabei auch um den Unterricht, um das Sammeln von Pflanzen und Pflanzenteilen, um die Tiere der Region und um deren Lebensraum. Solange er denken konnte, spielte Inka sein Spiel mit und sie waren beide zufrieden. Zuweilen nur hörte er ihr Murren, wenn wieder einmal ein Wochenende anders verlief, als sie es sich erhofft hatte.

Denkt auch mal jemand an eure Familien? Dieser Satz lag abrufbereit auf ihren Lippen. Sie sprach ihn kaum noch bewusst und ebenso unbewusst zählte sie auf, was er selbst nicht mehr als außergewöhnlich betrachtete.

Klassenfahrten, Arbeitsgemeinschaften, Tage der offenen Tür. Aufnahmegespräche. Jugend forscht. Internationaler Schüleraustausch. Elterngespräche. Schulkonferenzen. Lernnetzwerk und Olympiaden. Merken die noch was?

Gestern führte sie die Chemie-Olympiade ins Feld. Die Dreizehnte. Keine gute Zahl.

Sein Rahmenprogramm am Rande der Wissensrunden in den Jahrgangsstufen konnte sich sehen lassen. Die Teilnahme an den Bildungsausflügen war verbindlich, aber wählbar. Er hatte gemeinsam mit Margot Scherz etliche Exkursionen organisieren können. Diese Stadt verfügte über das einzige Braunkohle-Heizkraftwerk auf der Basis von Kohlestaubverpuffung. Aber auch am Umland gab es Interesse; BASF Schwarzheide, man hatte es ja mit Chemikern zu tun. Schrimp konnte sogar einen Besuch am Lehrstuhl für Thermodynamik an der Technischen Universität organisieren. Dort erforschte man gerade Methoden der Lärmreduzierung von Flugzeugen anhand der Beschaffenheit von Eulenflügeln. Das hätte auch ihn brennend interessiert, aber es drängte ihn an einen anderen Ort.

Man wusste nicht, ob es am Wetter lag, dass die Exkursionen ins Umland von den meisten Schülern ignoriert wurden oder ob die Stadt erfreulicherweise selbst die Potenziale bot, die künftige Intellektuelle interessierten.

Am freien Vormittag fuhren zwei Gruppen zum Carl-Thiem-Klinikum. Der Himmel war graublau und die Wolken hingen gespenstisch tief. Vom Westen her zog ein Gewitter heran, das erste des Jahres. Der Kalender zeigte immerhin schon Monat Mai.

Margot Scherz war begeistert vom Interesse der Schüler, die mit ihr ins neue Herzzentrum gehen durften. Schrimp selbst begleitete ein mageres Grüppchen zum Umweltinstitut. Sein Interesse hatte einen Grund, den er für sich selbst als unaufschiebbar festschrieb.

Das Haus kannte er von früher unter dem weniger gewichtigen Namen Hygieneinstitut. Heute sah es heller und freundlicher aus als früher. Auf den Gängen die Gerätschaften waren unter schneeweißen Tüchern verhüllt. Die Glasscheiben der Zwischentüren blitzten wie Kristall und bei jedem Schritt quietschten die polierten Fußböden unter den feuchten Schuhen. Die Gruppe wurde schon erwartet und zuerst in den Bereich der Blutspendenzentrale geführt. Später, wenn es zu den Umweltlabors gehen sollte, wollte er sich ihnen wieder anschließen. Zuvor aber hatte er anderes im Sinn. Er wünschte sich, dass er in einer bestimmten Angelegenheit das Haus klüger verlasse konnte und wegen seines von Inka nett verpackten Mitbringsels auch noch in guter Erinnerung bliebe. Man musste das Eisen schmieden.

Den Chef wolle er sprechen, hatte er gesagt, und die Stimme am Telefon hatte geantwortet: »Die Diensthabende können Sie gerne sprechen. Das organisiere ich gerne für Sie.«

Namentlich benannt hatte man die Diensthabende nicht und Schrimp wollte nicht fragen. Vermutlich änderte sich der Dienstplan oft. Außerdem war er froh, nicht sofort vor den Kopf gestoßen zu werden.

Nun stand er hier auf dem schmucklosen Flur und die Diensthabende ließ auf sich warten. Das Trommeln des Regens setzte ein. Von Blitz und Donner war nichts zu spüren. Nur über das Fenster, das zum Hof zeigte, strömten kleine Bäche und übergossen ihn, wie er hier untätig stand, mit rätselhafter Müdigkeit. Vielleicht sollte er sich sein ganzes Vorhaben noch einmal überlegen. Wie schafft man etwas dieser Art im Alleingang? Er kannte den Wert treuer Verbündeter. Aber aus dem Stegreif wusste er niemanden zu benennen, außer Aaron. Der aber stand nicht zur Verfügung und um jemand anderes umständlich zu überzeugen, dafür war es noch zu früh.

Sie kam leichtfüßig den Gang entlang, im Arm einen Stapel Akten. Eine große Welle ihres dunklen Haares fiel nach vorn auf die Schulter und hob sich ab vom Weiß ihres Kittels. Noch könnte er flugs eine Lüge auftischen. Aber der Blick in die hellgrünen Augen verwirrte ihn für diesen entscheidenden Moment. Schrimp fürchtete, dass in der nächsten Sekunde ein prasselndes Gewehrfeuer losbrechen würde. Doch dann sah er etwas um den Mund der Frau, das wie die Geburt eines Lächelns aussah.

»Ich habe mir schon gedacht, dass Sie es sind.« Simone Hamm schien locker, gelöst sogar.

»Tut mir leid«, sagte er, schob die Schultern nach hinten, reckte seinen Kopf gerade und gab sich kämpferisch, schwieg aber wie der allwissende Held.

»Wollen Sie gar nicht wissen warum …?«

Warum wollte er es nicht wissen? Die Welt war nicht mehr eingerichtet, um sich reinen Wein einzuschenken. Falsches Spiel, falsche Gesten, falsche Worte. Das waren die Spielregeln der Zeit, und diese Frau gehörte offenbar da hinein. Nur eine wie die konnte es fertig bringen, zum Direx zu rennen und einen Lehrer anzuschwärzen. Zu dumm, dass er nicht gewusst hat, wo sie beschäftigt war. Hätte er es gewusst, er wäre nie auf die Idee gekommen, hier eine Antwort auf sein Problem zu suchen, das eigentlich Aarons Problem meint.

»Ich weiß es«, log er geradeheraus. Er spielte mit seinen Worten, so wie sie mit ihren moosgrünen Augen zu spielen schien. »Erst haben Sie mich in einem sehr schönen Traum vergiftet, danach erschossen und zur Sicherheit noch ertränkt, damit ich Ihrem Sohn kein Leid mehr zufügen kann. Aber ich sage Ihnen nochmal: Bastie hatte – wie alle anderen - niemals direkten Kontakt mit dieser Pflanze.«

Er sah sie innerlich erstaunt, doch ihre Augen blieben merkwürdig direkt, aber irgendwie auch sanft, auf ihn gerichtet. Etwas war ihm entglitten, was er nie hatte sagen wollen. Nach diesem veränderten Blick wusste er nicht einmal mehr, was genau er nicht hatte sagen wollen. Ihm schien, als schaue er in das Gesicht eines Wesens, das auf wundersame Weise gezähmt worden war. Dann schob sie sogar wortlos ihren freien Arm durch den engen Spalt, den sein Arm mit der tief in die Taschen gepressten Hand zuließ. Sie zog ihn vom Gang und mit sich fort in den kleinen Raum. In diesem weißen Kittel sah sie noch erhabener aus als damals im lindgrünen Kostüm, und dennoch wich die Distanz zwischen ihnen gerade deshalb ein wenig.

»Für diese Worte könnte ich Sie …«, sie sprach nicht weiter, aber jetzt war es ihm wieder bewusst, was er nicht hätte sagen dürfen. Nicht einer seiner Schüler wurde mit dem mütterlichen oder irgendeinem anderen Kosenamen bedacht. Nicht einer. Bis jetzt.

»Ich muss sowieso mit Ihnen reden«, sagte Sie leise und die Worte kamen wie Seufzer von ihren Lippen.

»Ich rede über nichts, was mich beschädigt.« Er hob die Stimme mit spöttischer Leichtigkeit, aber für die Frau schien der Vorfall einigermaßen eingerenkt, was nicht verhinderte, dass sie sich irgendwie wichtig vorkam. Jedenfalls leuchtete ihr Gesicht deutlich auf und ihr grüner Blick strahlte feucht.

»Dann können wir freilich nicht über Ihre Schulleitung reden?«

Ihrem Triumph zufolge war sie sich wohl des wichtigsten Tages ihres Lebens bewusst. Ihm ging es nicht so.

»In meinem Alter hat man die größten Fehler schon gemacht. Nur mit etwas Glück gelingen einem noch größere.«

»Es war zum Glück Ihr Direktor, in dessen Auftrag eine Abteilung unseres Hauses die Pflanzenteile zu untersuchen hatte. Und es war, bevor mir Sebastian die genauen Umstände erklärt hat.«

Obwohl ihm das alles nicht gleichgültig war, obwohl er viel lieber noch mehr erfahren hätte, er durfte sich auf kein Scharmützel einlassen. Es liefe eventuell auf eine Intrige hinaus, so beherrschend, wie er diese Frau erlebt hatte.

Seit er genau vor Augen hatte, wie er in der Angelegenheit um Aarons Krankheit weiter zu verfahren gedachte, durfte er nichts riskieren. Jetzt lag ihm zu viel daran, genau an dieser Schule zu bleiben, an der er war, bis zum bitteren Ende. Welches Ende es sein würde und für wen, das würde die Zeit mit sich bringen. Ob er zufrieden mit dem Ende sein würde oder nicht, darüber könne er später lamentieren. Jetzt hatte er Vorsicht zu üben, auch gegen noch so leuchtende Augen.

»Zum Glück also«, sagte er vorsichtshalber, um überhaupt eine Reaktion zu zeigen. »Glück hat für mich nicht damit zu tun, dass wir bekommen was wir wollen, sondern dass wir alles so wollen, wie wir es haben.«

Mal blickte aus den schönen Augen Besorgnis, mal die blanke Verzweiflung. Ihr Versuch einer Intervention hatte nicht viel genutzt. Eigentlich gar nichts. Nur dass Schrimp nicht mehr gar so schlecht auf Simone Hamm zu sprechen war. Für diesen Tag aber hatte er sich ganz plötzlich wieder um die Teilnehmer der Exkursion zu kümmern und die kamen gerade aus der Blutspendenzentrale zurück, wohin er sie nicht begleitet hatte, seiner Blut-Phobie wegen. Mit einigem Bedauern zog er die Schultern nach oben und schickte sich an zu gehen. Vielleicht sollte er rasch noch einlenken. Vielleicht aber war sie die Verkörperung des wirklich Schrecklichen am Menschen. Vielleicht war sie gerufen, das Schreckliche zu vermenschlichen. Und dazu zählte die schönste Hinterlist ebenso wie die zweckdienlichste Lüge.

Am Montag war seine Wut verraucht. Es war nicht schwer, so zu tun, als habe sich der Grund seines Anrufes erst jetzt ergeben.

»Fedder hier. Wir waren am Samstag zu etwas Wichtigem nicht mehr gekommen.«

»Gibt es für Sie überhaupt etwas Wichtiges?«

»Ob Sie es glauben oder nicht«, erwidert er erst einmal, um Zeit zu haben, seiner Stimme einen väterlichen Ton zu verleihen. »Wie geht es Sebastian?«

»Das ist jetzt nicht Ihr Ernst.«

Beinahe ging wieder alles schief. Beinahe hätte er wieder alles vermasselt. Jetzt half nur: Asche aufs Haupt.

»Ernsthaftigkeit ist manchmal nur verkappte Dummheit und manchmal unterrichtet dieselbe an einer Eliteschule.«

Er hörte kein Wort der Erwiderung. Wie so oft verfluchte er seine Art, die eigene Ungeschicktheit mit noch ungeschickteren Worten zu überdecken.

»Frau Hamm, Sie müssen mir in einer Angelegenheit helfen.«

»Ein Hilfeschrei also?«

»Keiner, der schlafende Hunde wecken sollte, wenn Sie verstehen? Sie sind die Einzige, die mir helfen könnte, weil Sie dafür selbst einen triftigen Grund haben.«

»Sie wissen, dass ich Ihre Heuchelei erkenne.«

»Das ist ein hässliches Wort für eine so hübsche Frau. Ein ganz hässliches. Nennen wir es einfach Taktgefühl, obwohl es um mehr als um ein Gefühl geht.«

»Ich denke nicht, dass ein Mann wie Sie am Montagmorgen vor neun Uhr überhaupt Gefühle haben kann. Kommen Sie vielleicht schneller zur Sache?«

Dass es Missstimmungen geben würde, hatte er vermutet. Mit welcher Frau, die von einem Mann schnöde stehen gelassen wird, gab es die nicht. Er hätte früher erkennen müssen, dass sie an diesem Tage gewillt war, mit ihm zu reden. Ob das so blieb, würde sich in den nächsten Sekunden herausstellen.

»Verstehe«, sagte er mit sanfterem Ton, »aber fragen Sie mich nicht warum. Sagen Sie nur, was Sie wissen. Was versteht man unter Human-Biomonitoring?«

»Deshalb wollten Sie am Samstag einen Chef sprechen?«

»Sie halten sich nicht an die Abmachung.«

»Ich hatte auch keine Chance zuzustimmen. Aber wenn Sie schon fragen: Es sind komplexe Untersuchungsmethoden, bei denen Körperflüssigkeiten und Gewebe untersucht werden, um ihre Belastung mit Schadstoffen zu bestimmen. Blut und Urin zum Beispiel. Wir nennen es Belastungsmonitoring.«

»Danke. Und was sollten Befragungen von Patienten beinhalten, um die Notwendigkeit solcher Maßnahmen zu eruieren?«

Obwohl es seine eigenen Worte waren, kam ihm in diesem Moment kein anderes Wort fremder vor, als das Wort: eruieren. Geräuschvoll zog er Luft durch die Zähne wie stets, wenn er die eigene Unsicherheit überspielen musste. Der tiefe Atem am anderen Ende der Leitung verriet auch Hilflosigkeit bei der Frau. Es dauerte geraume Zeit, ehe Simone Hamm antwortete.

»Hören Sie. Ich bin diese Art Fragen zu beantworten nicht berechtigt. Wir nehmen Blut ab und füllen die Blutbank auf. Selbst wenn ich dürfte, könnte ich es Ihnen nicht so mir nichts dir nichts herunterbeten. Und überhaupt …«

»Und überhaupt?«

Wieder Stille. Er mochte es nicht, wenn er seine Chance nicht aus dem Gesicht ablesen konnte. Hatte er überhaupt eine Chance, in dieser Frau die richtige Hilfe für seinen Zweck gefunden zu haben?

»Denken Sie, ich unterstelle Ihnen Boshaftigkeiten?« Ihre Worte waren es nicht, ihre Stimme klang boshaft.

»Ich sehe es Ihren Augen an, dass Sie es tun.«

»Sind Sie vielleicht auch noch Hellseher?«

»Nein, ich versuche nur, hinter gewisse Kulissen …«

»Sehen Sie, genau damit will ich nichts zu tun haben …« unterbricht sie hart.

»Ist ein Halbwüchsiger mit untypischen Krankheiten und noch dazu aus eigenem Fleisch und Blut nichts?«

Warum hatte er jetzt das Gefühl, am anderen Ende der Leitung reiche die Luft nicht mehr zum Atmen. Zu hören war es nicht. Noch nicht. Doch dann wähnte er sich im Recht.

»Sie finden sich wohl verdammt souverän.« Ihr war offenbar zum Ersticken zu Mute, das war nicht zu überhören. Aber gerade das machte Schrimp klar, was er zu tun hatte.

»Das hoffe ich stark. Für eine Zecke ist sogar ein spuckender Fisch noch souverän. Ich will nichts, als die Zecken von ihrem hohen Ast zu spucken, die vielleicht am Zustand auch Ihres Sohnes verantwortlich sind.« Jetzt hatte er sie, da half keine noch so weibliche Ausflucht mehr. Stille. Vorerst schien sie ihre Zeit mit lautlosem Seufzen zu verbringen, ehe ihre Stimme mit grellen Tönen begann und zunehmend sanfter abglitt.

»Wenn es Ihnen wirklich ernst ist, warum verpacken Sie dann alles in eine so grässliche Niedertracht.«

»Tu ich das?«

Es war ein so schöner Tag geworden nach dem Gewitter, das seit Samstag immer wieder herumgrollte und sich endlich verzogen hatte. Wie kam es, dass die Jahre schneller verflossen, je älter er wurde? Hatte er nicht geglaubt, das Alter ziehe sich schrecklich lang hin? Also war er noch nicht soweit. Aber warum konnte er den Mai nicht genießen, wie man einen Wonnemonat genießen sollte. Warum war die Zeit so rasch verflogen, das Schuljahr gar, das mit der Bitternis um Aaron begonnen hatte und die noch lange nicht enden sollte.

»Okay«, hörte er endlich die Frau sagen. Ihr Ton klang jetzt beinahe verständnisvoll. Und dann auch wieder nicht. »Ich habe wohl keine Wahl. Ich bemühe mich um eine Liste der wichtigsten Indikationen und wenn es Ihro Gnaden ausreicht, gebe ich sie Sebastian morgen oder Mittwoch mit. Er sollte heute wieder am Unterricht teilnehmen.«

Ihro Gnaden fand er witzig, beinahe sarkastisch.

»Sie sagten: Sollte. Wie kann ich das verstehen.«

»Pardon. Er nimmt heute wieder teil. Ich hoffe, es hält diesmal etwas länger an.«

»Das hoffe ich auch.« Er hätte noch sagen wollen, was er außerdem hoffte, doch der Herablassung war es längst genug. »Ich melde mich bei Ihnen, wenn ich Fragen habe. Sofern Sie nichts dagegen haben. «

Simone Hamm musste mit sich gerungen haben, die Verbindung so rasch zu beenden. Noch blieb er skeptisch. Diese Frau hat nicht nur äußerlich ein beachtliches Format.

Die Uhr stand kurz vor neun Uhr. Seit Langem musste er mal wieder das Auto nehmen.

Zum Glück, es war ihr Direktor …, dieser Satz, der nicht nur so daher gesagt klang (nichts, was Simone Hamm am Samstag von sich gegeben hatte, hatte nur so daher gesagt geklungen) bohrte sich während der Fahrt zur Schule in Schrimps ausgezehrtem Schädel fest. Woher wusste Mudrack von dem Experiment mit der Ambrosia und warum hat er ihn nicht selbst befragt, wie es unter vernünftigen Menschen Usus wäre. Steckte vielleicht Krüger dahinter? Krüger sah in letzter Zeit hinter jedem erfahrenen Lehrer ein Gefahrenpotenzial für seine Aufstiegsambitionen. Warum? Bei Schrimp konnte man davon ausgehen, dass ihm nichts an einer höheren Position lag. Er liebte sein Fach und er liebte es, mit Wissbegierigen zu arbeiten. Trotzdem fühlte er sich nicht einmal an diese Schule gekettet, nicht auf Gedeih und Verderb. Andererseits gab es nirgendwo in einem anderen Gymnasium der Stadt diesen außerordentlich anspruchsvollen Unterricht. Nur ganz für sich wusste er, dass es auch an der guten Disziplin der Schüler lag, die er nie mehr missen wollte und die für jeden anderen Lehrer der Stadt das Nonplusultra eines erstrebenswerten Lehrerlebens ausmachte. Wie konnte Krüger glauben, ihm würde ein Fünkchen daran liegen, die Arbeit eines Sesselfurzers zu übernehmen. Es gruselte ihn bei dem Gedanken, die schier unüberschaubaren Stundenpläne zu basteln, sich mit Vertretungsplänen herumzuschlagen oder gar Kontakte zum Schulamt zu pflegen. Er machte seit Jahren einen großen Bogen um die Obrigkeit jeder Couleur. Das Speichellecken überließ er gerne solchen Typen wie Karl Müller einer war, der Stellvertreter von Mudrack. Ein Glück für Krüger, dass Müller schon lange krank ist, dachte Schrimp gerade, als ihm mal wieder heiß wurde bei seinem Gedanken an die vielen Kranken. Hatte Aarons Phobie auch sein eigenes Denken infiziert?

GIFT geschädigt

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