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Kapitel 2

Trotz größter Willensanstrengung und Mobilisierung der letzten Kräfte, brannte seine Lunge von der Beanspruchung und die Beine drohten den Dienst zu versagen. Moro fand ein provisorisches Versteck in einer seit Jahren vergessenen Hausruine und vergrub sich darin. Dort versuchte er, Körper und Geist zur Ruhe zu bringen.

Jetzt, da nicht alle Energie darauf verwendet wurde, möglichst schnell einen Fuß vor den anderen zu setzen, kamen die Gedanken zurück. Einzelne Bilder des vergangenen Vormittags blitzten in seinen Erinnerungen auf, setzten sich langsam zu kurzen Sequenzen zusammen. Eine jagte die nächste. Ohne Pause. Ohne Gnade. Die Dunkelheit des Bunkers. Die schweren Stiefel der Guardians auf dem Küchenboden über ihm. Das entsetzte Aufschreien Amelies, als er sie von der Leiter riss. Das Erschrecken in den Augen von Vedhes, als er mit dem erhobenen Prügel auf ihn zu rannte. Der dumpfe Aufprall des Körpers auf dem Kellerboden. Das Dröhnen der Falltür beim Zuschlagen. Und zu allem das schreckliche, unaufhörliche Pochen der Worte „Leibsklave des Herrn“, das ihn wie das Schlagen der Trommel bei einer der öffentlichen Hinrichtungen umhüllte.

Lange Zeit sehnte er sich danach, den Zweifeln an seiner eigenen Täterschaft nachzugeben. Das hatte nicht er getan, oder? Es war doch gänzlich unmöglich, dass er den beiden Menschen, die ihn als einzige neben seinen Eltern wie ein menschliches Wesen behandelt hatten, etwas Derartiges hatte antun können. Obendrein einem Paar, das zur C-Kaste gehörte, das demnach unantastbar war.

Seine verfluchte Aufrichtigkeit verurteilte ihn dazu, diesen Kampf zu verlieren. Er war ein Monster, gestand er sich im Innersten. Aber was, im Namen des Heiligen Kastenwesens, hätte er denn stattdessen tun sollen, um sich zu retten? Langsam stieg die Wut in ihm hoch. Er dachte an seinen Vater, der sich für ihn geopfert hatte, an all jenes unermessliche Leid während seiner Knechtschaft und der Flucht. Das durfte doch nicht umsonst gewesen sein!

Die zerstörerischen Bilder in seinem Kopf von dem grausamen Einsperren des älteren Paares ließen sich damit nicht verdrängen. Seine Gedanken wandten sich mehr und mehr ab von ihm und seinem eigenen Unglück, hin zur Besorgnis um das Wohlergehen von Amelie und Vedhes. Moro war klar, dass er den Mann verletzt hatte, er hatte nur keine Ahnung wie schwer. Würde er letztendlich sogar an ihnen zum Mörder werden, falls sie nicht rechtzeitig gefunden wurden? Gut, er hatte den Bodenbelag und die Einrichtung nicht in den Normalzustand zurückversetzt, jeder, der das Haus betrat, würde sehen, dass etwas ganz und gar nicht in Ordnung war. Trotzdem. Sie hatten in den Wochen, in denen er bei ihnen lebte, niemals Besuch gehabt. Wer sollte sie da finden? Die Bilder in seinem Kopf quälten ihn. Bald war er gar nicht mehr so sicher, ob er die Luke nicht vielleicht doch verdeckt hatte. So sehr er sich auch anstrengte, Moro erinnerte sich nicht. In diesem Fall konnte es Wochen oder sogar Monate dauern, bis man die beiden fand. Sie wären längst verhungert oder erstickt.

Er hielt die Enge zwischen den eingefallenen Wänden nicht länger aus. Zu aufgewühlt, um weiterhin in seinem Versteck zu bleiben und die Nacht abzuwarten, setzte er seine Flucht augenblicklich fort. Doch seine Gespenster ließen ihn nicht in Ruhe ziehen. Immer langsamer wurden seine Schritte, immer gebeugter seine Haltung. Schließlich blieb er stehen und verharrte einen Moment. Mit einem tiefen Seufzen kehrte er um und marschierte ohne Zögern zurück.

Je näher er dem Hof des Paares kam, desto schneller lief er, die letzten Meter bis zum Haus rannte er. Amelie und Vedhes mussten das Geräusch der sich öffnenden Haustür gehört haben, er hörte sie verzweifelt rufen. Erleichtert atmete er auf, als er beide Stimmen erkannte.

„Nur einen kleinen Augenblick“, murmelte er, „ich brauche nicht lange.“

Moro atmete noch einmal tief durch, bevor er die Falltür ein paar Minuten später hochzog. Die Hilferufe wurden erst lauter, dann brachen sie abrupt ab. Aus dem Dunkel des Kellers starrten ihn die bestürzten Augen der Frau und die wütend blitzenden des Mannes an. Er hockte am Rand der Luke, und ließ sofort den Kopf auf die Brust fallen. Vedhes fing nach einem Schreckmoment an, ihn anzuschreien und wild zu beschimpfen. Moro unterbrach ihn nicht.

„Du Lumpenhund! Hol uns raus! Sofort! Du wolltest uns hier elendig verrecken lassen. Nach allem, was wir für dich getan haben. Undankbares, niederträchtiges Stück Dreck!“

Unwirsch wehrte er Amelies Hand ab, die sie ihm auf den Arm legte, um ihn zu beruhigen. Aber er hielt kurz inne, um Luft zu holen. Diesen Moment nutzte Moro:

„Es ist in Ordnung, Madam, halten Sie den Master nicht zurück. Er hat ja recht. All das und weit Schlimmeres habe ich schon selbst zu mir gesagt. Mein schlechtes Gewissen brennt mir die Seele heraus. Ich stelle jetzt die Leiter an, aber, ich bitte Sie inständig, hören Sie mir nur einen Augenblick zu. Bitte.“

Amelie nickte. Vedhes brummte zwar, sagte jedoch nichts. Moro schluckte schwer und erklärt dann leise und beherrscht:

„Auf dem Tisch steht Wasser. Sie werden Durst haben. Ich werde zur gegenüberliegenden Seite der Küche gehen und mit dem Gesicht zur Wand und erhobenen Händen stehenbleiben. Oder ich lege mich auf den Boden, wenn Sie das wünschen. Rechts neben der Luke finden Sie einen Knüppel, es ist derselbe, mit dem ich Sie niedergeschlagen habe, Master, wofür ich mich unsagbar schäme. Schlagen Sie mich damit bewusstlos, wenn Sie wollen, Master, so wird sich niemand vor mir fürchten. Bei der Keule liegt ein Seil. Fesseln Sie mich, Sie werden sich dadurch sicherer fühlen. Dann zeigen Sie mich bei den Guardians an und sperren Sie mich ein, bis ich abgeholt werde.“

Fast unhörbar fügte er hinzu:

„Ich werde Sie nicht um Verzeihung bitten. Was ich Ihnen beiden angetan habe, kann man mir nicht vergeben. Die Strafe, die ich von den Behörden zu erwarten habe, wird Sie nicht zufrieden stellen, denn sie rächt nicht das eigentliche Verbrechen an Ihnen und sie sühnt nicht die Angst, die Sie durch meine Schuld ausstehen mussten. Es ist nur gerecht, wenn Sie selbst mich heute dafür büßen lassen. Tun Sie mit mir, was immer Ihnen richtig erscheint.“

In der sonst so gemütlichen Küche herrschte plötzlich Grabesstille.

Moro stand auf, ließ die Leiter hinunter und zog sich bis zur gegenüberliegenden Wand zurück, wo er sich so aufstellte, wie er es versprochen hatte. Er schloss die Augen und wartete.

Es dauerte nicht lange, bis das Paar aus dem Keller herauskam. Vedhes griff sofort nach dem Knüppel. Für alle deutlich hörbar legte er ihn auf dem Tisch ab, bevor er seiner Frau ein Glas Wasser eingoss.

„Hier, trink. Du brauchst dringend Flüssigkeit.“

Dann nahm er den Prügel wieder auf. Langsam ging er auf Moro zu, drohend schlug er damit fortgesetzt in seine hohle Hand. Mit aller Kraft versuchte Moro, sein heftiges Atmen und das Zucken der Muskeln zu unterdrücken. Es ist etwas anderes, ob man unvermutet niedergeschlagen wird, oder in selbstgewählter Ohnmacht darauf wartet. Er konnte nicht vermeiden, dass ihm der Schweiß ausbrach und in dicken Tropfen über das Gesicht rann.

Vedhes stand jetzt genau hinter ihm. Der Atem in seinem Nacken jagte ihm einen eisigen Schauer die Wirbelsäule hinunter.

„Die Hände auf den Rücken!“, befahl die Stimme neben seinem Ohr.

Moro gehorchte sofort.

„Umdrehen!“

Moro tat auch das.

„Sieh mich an!“

Der Befehl trieb Moro die Röte ins Gesicht. Es fiel ihm unsagbar schwer, dieser Anweisung Folge zu leisten.

„Du willst mich provozieren, nicht wahr? Du erhoffst dir einen schnellen Tod von meiner Hand statt der Tortur, die dir bevorstehen mag. Ist doch so, oder?“

Unfähig zu sprechen, schüttelte Moro nur mühsam den Kopf.

Bevor Vedhes weiterreden konnte, mischte sich Amelie energisch ein.

„Es reicht. Schluss jetzt. Ja, Moro hat einen Fehler gemacht, Unrecht begangen, aus unserer Sicht jedenfalls. Aber das hast du selbst auch schon mal. Das muss ich dir doch nicht unter die Nase reiben, oder? Setzen wir uns und essen etwas. Ich habe einen Bärenhunger und stehen mag ich momentan gar nicht.“

Vedhes wollte schon auffahren, besann sich aber rechtzeitig eines Besseren, denn zum einen wusste er zu seinem großen Kummer, dass ihr Vorwurf berechtigt war, und zum anderen setzte sie ohnehin nahezu jedes Mal durch, was ihr wichtig war. So biss er sich auf die Unterlippe und ließ sich, den Knüppel in der Hand, auf einen Stuhl am Küchentisch fallen.

Moro dagegen glaubte sich verhört zu haben. Wo immer sein Platz auch war, er war ganz bestimmt nicht am Tisch der Menschen, deren Tod er in Kauf genommen hatte. Das spottete jeder Verpflichtung zu Dankbarkeit Hohn, das verwischte die Grenzen von Opfer und Täter, das trat die unerschütterlichen Kastengesetze mit Füßen. Das größte Hindernis aber war er selbst. Als Sklave gehörte er nicht einmal mehr einer Kaste an, er war ein Arbeitstier, ein handelbares Objekt, bar jeder menschlichen Bestimmung. Einen Fehler gemacht? Es war abwegig, dass Madam Amelie das gesagt haben konnte. Einen Fehler beging man, wenn man Weißwein im Rotweinglas servierte. Und selbst dafür waren Peitschenhiebe im Haus des Herrn die gängige Währung. Er hatte genug Narben, die das bezeugten.

Moro blieb so angespannt stehen, dass die Muskeln schmerzten.

Sobald er realisiert hatte, dass Amelie tatsächlich Lebensmittel und Geschirr aus dem Küchenschrank holte, bat er um die Erlaubnis, das Tischdecken für sie übernehmen zu dürfen. Wenn er sich bewegen durfte, wurde er vielleicht etwas von dieser gnadenlosen Spannung los. Fassungslos starrte er auf die Teller, die sie bereitgestellt hatte. Es waren drei. Mit einiger Mühe brachte er seine Aufgabe zu Ende und nahm wie zuvor vor dem Tisch Aufstellung.

Amelie sah ihn an. Moro schüttelte kaum merklich den Kopf.

„Ich kann das nicht. Bitte, es ist doch verboten, mit Höherkastigen oder überhaupt mit Freien an einem Tisch zu sitzen. Verlangen Sie das nicht von mir.“

„Aber du hast vor dem heutigen Tag bereits mit uns zusammengesessen.“

„Das war unrecht von mir. Ich habe Sie damals belogen. Dass ich zu Ihrer Kaste gehöre, in die C-Kaste, dass mein Herr mir das Abzeichen weggenommen hätte. Alles nur Lügen“, gestand er flüsternd. „Aber jetzt wissen Sie, wer ich bin. Was ich bin, denn ich habe nicht einmal mehr einen Namen. Ich bin Nummer Zehn, Eigentum meines Herrn. Einem Sklaven ist es vom Morgen bis zum Abend nicht erlaubt sich zu setzen, nicht allein in einer Ecke, nicht mit anderen. So ist die Ordnung der Dinge.“

„Ja, glaubst du wirklich“, mischte Vedhes sich wieder ein, „wir hätten nichts gemerkt? Dein Verhalten, dein gefolterter Körper. Du hast uns sogar mehrfach versehentlich mit Master und Madam angesprochen, was kein Freier tun würde. Und Amelie, hat sie dir etwa nicht schon vor deiner Lügengeschichte geholfen, obwohl sie sah, dass dein Abzeichen fehlte? Wir wollten bisher deine Gesellschaft und wir wollen sie jetzt genauso. Amelie hat völlig recht. Ich war gerade etwas aufgebracht, wie du verstehen wirst. Wie auch immer, das Wort Sklave hat für uns keinerlei Bedeutung.“

„Aber dass ich Sie …“

„Eine Dummheit“, fiel Amelie ihm ins Wort, „die du korrigiert hast. Vergiss es jetzt. Und setz dich hin, verflixt nochmal. Ich brauche endlich etwas zu essen.“

Moro gab vorläufig auf. Vorsichtig ließ er sich auf der Kante des Stuhls nieder. Auch nur einen Bissen zu sich zu nehmen, brachte er jedoch nicht über sich. Er war sicher, er würde ihm im Hals steckenbleiben. Entgegen ihrer Behauptung aßen Amelie und Vedhes ebenfalls so gut wie nichts.

„Darf ich jetzt etwas sagen?“, bat er, nachdem alle geschwiegen hatten, bis der Tisch abgeräumt war.

Vedhes nickte.

„Sie müssen mich anzeigen. Bitte, Master Vedhes, daran führt kein Weg vorbei. Gleichgültig, ob Sie mir meine Schandtat vergeben können oder nicht. Ich bin noch viel schwächer, als ich glaubte. Das habe ich in den vergangenen Stunden gemerkt. Fliehen ist sinnlos. Aber selbst, wenn ich bleiben dürfte, bin ich verloren. Die Guardians waren heute nicht zum letzten Mal hier, sie werden wiederkommen. Beim nächsten oder meinetwegen beim übernächsten Mal werden sie mich entdecken. Für mich macht es keinen großen Unterschied, ob sie mich hier festnehmen oder auf der Flucht. Für Sie einen gewaltigen. Die Beamten werden vermuten, dass ich hier war, sie tun es ja bereits. Sie werden Beweise finden. Es ist ein Verbrechen, mir zu helfen oder mich zu unterstützen, das wissen Sie doch. Die Strafen sind fürchterlich hoch. Auch das habe ich Ihnen eingebrockt. Es gibt nur einen Weg, Master. Sie sperren mich nachher ein, am besten in den Zwinger an der Werkstatt. Damit demonstrieren Sie deutlich Ihre Verachtung für mich. Morgen in aller Frühe informieren Sie die Guardians, dass Sie mich gefangen haben, und lassen mich abholen. Ihre Treue zum Kastensystem ist nicht eindeutiger zu zeigen.“

„Unsinn!“

Vedhes bekämpfte den Kloß, der ihm im Hals steckte.

„Die Beamten haben dich vor zwanzig Tagen genau hier aus den Augen verloren. Was werden die wohl denken, wo du die ganze Zeit gesteckt hast? Und warum wir dich erst jetzt anzeigen? Hm?“

„Ich habe Sie bedroht. Wie genau, muss noch abgesprochen werden. Heute haben Sie es geschafft, der Gefährdung zu entkommen und mich festzusetzen.“

„Das ist doch …“

„Die einzige Chance.“

„Nein!“

Amelie sprang so wütend von ihrem Stuhl auf, dass er polternd zu Boden fiel.

„Nein, bei sowas mache ich nicht mit. Ich werde niemandem wen auch immer ausliefern, der hier bei uns Zuflucht gesucht hat.“

„Bitte, Madam, Sie beide sind etwas ganz Besonderes, keinem außer Ihnen würde es leidtun, so zu handeln. Aber es muss sein. Ihretwegen und auch um meinetwillen.“

Fassungslos riss sie die Augen auf. Beide Hände fest auf den Tisch gestemmt, fuhr sie ihn an:

„Um deinetwillen? Ja, was glaubst du denn, was die Guardians mit dir machen werden, sobald sie dich in die Finger kriegen?“

„Sie werden mich meinem Besitzer ausliefern. Der wird sich an mir rächen und mich früher oder später töten.“

Amelie merkte, wie ihre Beine zu zittern begannen, und tastete sich mit der Hilfe ihres Mannes auf den Stuhl zurück.

„Aber das ist nicht wichtig“, fuhr Moro im gleichen sachlich-ruhigen Ton wie zuvor fort. „Wenn auch nur Gerüchte aufkommen, dass Sie mir geholfen haben, haben Sie nicht nur die Guardians und die Gerichte im Nacken, sondern Ihre Freunde, die Nachbarn und die Kastenoberen werden mit Ihnen abrechnen wollen. Aber am gefährlichsten wird mein Herr sein. Er ist reich und hat als Angehöriger der B-Kaste sehr viel Macht. Er lässt so ein ungebührliches, kastenschädigendes Verhalten, das die gegebene Ordnung auf den Kopf stellt, sicher nicht durchgehen.“

Auch Moro saß schon lange nicht mehr. Er holte tief Luft und sprach eindringlich weiter.

„Und für all dieses Leid würde ich die Verantwortung tragen, weil ich zu schwach war. Dass ich nicht weggelaufen bin, sondern umkehrte, wäre nichts mehr wert. Selbst das Opfer meines Vaters, der den Tod in Kauf nahm, um mir die Flucht zu ermöglichen, wäre sinnlos. Bitte, tun Sie mir das nicht an. Das wäre furchtbarer für mich, als alles, was mein Herr sich ausdenken könnte.“

Um das verdächtige Glitzern in seinen Augen zu verbergen, wandte Moro sich ab. Vedhes schloss die schluchzende Amelie in seine Arme und versuchte sie zu trösten. Leise flüsternd, stimmten sie sich miteinander ab.

„Wir haben eine Entscheidung getroffen, Moro“, verkündete er nach einer Weile. Dieser drehte sich langsam um, straffte sich und erwartete sein Urteil.

„Es gefällt uns nicht, was du von uns verlangst. Ganz und gar nicht.“

Moros Herzschlag setzte aus, alles Blut wich aus seinem Gesicht.

„Aber du hast uns überzeugt“, fuhr Vedhes mit rauer Stimme fort. „Wir werden uns so verhalten, wie du es vorgeschlagen hast. Bist du nun zufrieden?“

Um ein Schwanken zu unterdrücken, bohrte Moro die Fingernägel in seine Handballen. Er nickte.

„Bis auf eines, Master. Erlauben Sie mir ein Wort zu Madam Amelie?“

„Was denn noch alles?“

Vedhes‘ Antwort klang schroff, nur das Zucken um die Mundwinkel verriet ihn. „Meinetwegen. Sprich mit ihr.“

Moro wandte sich Amelie zu, brachte es aber nicht fertig, sie anzusehen. Stattdessen starrte er hilfesuchend auf einen kleinen Fleck auf der Tischplatte. Zweimal musste er ansetzen, weil ihm die Stimme versagte. Dann riss er sich zusammen, schluckte die Kröte und räumte endlich stockend ein:

„Wenn die Guardians mich verhaften, werden sie das nicht rücksichtsvoll tun. Dazu haben sie gar keinen Grund. Ich flehe Sie an, Madam, achten Sie nicht darauf, wenn sie mich schlagen, oder was immer sie auch tun werden. Sie dürfen niemals Mitleid zeigen. Das könnte alles gefährden. Bitte, versprechen Sie mir … Nein, das geht nicht. Man kann einem Sklaven kein Versprechen geben, weil niemand da ist, der es einfordert. Schwören Sie Ihrem Mann, dass Sie einfach wegsehen werden. Bitte, nicht weinen. Ich … Ich halte das aus. Ich habe schon Schlimmeres durchgestanden.“

Amelie nickte und rannte weinend aus der Küche.

Die beiden Männer schauten ihr betreten nach, jeder mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt.

„Verzeihen Sie. Was haben Sie gesagt? Oh, ja, natürlich. Womit ich Sie bedroht haben könnte. Es tut mir leid, ich weiß nicht … Doch! Es ist im Prinzip ganz einfach. Erzählen Sie den Guardians, dass ich Ihnen, vor allem Ihrer Frau, große Angst eingejagte, weil meine Bande von Kastenlosen, die überall ausgestoßen sind, mich mit Mord und Feuer rächen würde. Erst nach der letzten Razzia habe ich mich verplappert, dass es keine solche Bande gibt, dass ich für immer auf der Farm bleiben will, weil ich es müde bin, ständig auf der Flucht zu sein. Darum haben Sie es gewagt, mir zu trotzen. Die Guardians kennen meine Herkunft, sie wissen, dass an der Drohung kein wahres Wort ist, und werden nicht weiter nachforschen. Sie müssen Ihre Angst vor mir nur glaubhaft darstellen, Master.“

Vedhes verzog zähneknirschend das Gesicht. Die Vorstellung gefiel ihm nicht. Aber er gab zu:

„Das könnte klappen. Mir ist es nur zuwider, wenn ich dich jetzt auch noch wegen eines Verbrechens anzeigen soll, dass du gar nicht begangen hast.“

Eine Weile herrschte Stille im Raum. Mit einem Blick auf die Uhr erhob er sich schwerfällig. Moro sprang sofort ebenfalls auf.

„Es ist spät geworden. In zwei Stunden geht die Sonne auf. Ich sehe erst mal nach Amelie. Du solltest auch versuchen, noch etwas zur Ruhe zu kommen, und nimm dir zum Essen, was du brauchst. Du bist gestern nicht dazu gekommen. Morgen wirst du für beides dankbar sein.“

Vedhes öffnete bereits die Tür, als Moro etwas einfiel.

„Master, das Versteck im Keller, ich meine diesen umgebauten Stapel Kisten, wenn der entdeckt würde … Erlauben Sie, dass ich ihn zerlege? Ruhe werde ich ohnehin nicht finden.“

Vedhes nickte wortlos und ging.

„Um zehn Jahre gealtert“, stellte Moro bekümmert fest.

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