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Falsche Diagnose

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Während des Weges stellte ich Vermutungen über die Funktion der Bauwerke an. Dabei nutzte ich eine mir besonders vertraute Methode. Mathematik hieß dieses Wissensgebiet. Es fühlte sich für mich gut und sicher an.

Das Gedächtnis von Alexander hatte dazu leider sehr wenig abgelegt. Ich musste dieses Interesse und die Fähigkeit irgendwoher mitgebracht und behalten haben. Nein, ich war nicht dieser Alex.

Bella lenkte mich jedoch ab. Immer wieder richtete sich mein Augenmerk ungewollt auf sie. Inzwischen erschien sie mir als äußerst ansehnlich. Ich genoss geradezu warme Sinneswandlungen bei ihrem Anblick und in ihrer Nähe.

Wir begegneten nun in gehäufter Anzahl anderen Menschen. Um normal zu erscheinen, setzte ich einen möglichst freundlichen Gesichtsausdruck auf. Die Mimik entglitt mir immer wieder, da mein altes Bewusstsein noch keine perfekte Kontrolle über den Körper hatte. Aber weder Bella noch die anderen Wesen schienen das zu bemerken.

Der neue Körper nervte mich. Er war mehr ein Gefängnis.

Bella blieb nach einiger Zeit vor einem mehrstöckigen Haus stehen. Zur Praxis des Doktors stiegen wir auf einer gewendelten Treppe nach oben. Sie war aus Marmor.

Bella betätigte einen runden Knopf, dann öffnete sich eine Tür. Ich beobachtete das sehr genau und speicherte alle neuen Eindrücke.

„Hallo!“, sagte Bella zu einer Frau, die ziemlich ruhig mit dem Rücken zu uns saß. Scheinbar hörte diese aber nicht so gut, denn sie reagierte erst, nachdem meine Retterin den Gruß nochmals etwas lauter wiederholte.

Die Angesprochene zuckte zusammen.

„Was schreist du denn gleich? Du siehst doch, dass ich beschäftigt bin. So ein Benehmen! Was wollt ihr?“, beschwerte sie sich.

Ich behielt meinen unverbindlich freundlichen Gesichtsausdruck bei und blickte zu meiner Begleiterin, damit sie die Kommunikation führte. Es galt, bloß nicht aufzufallen.

„Wir sind zwar nicht angemeldet“, begann meine Schulkameradin verunsichert, „aber uns ist ein ganz schlimmer Unfall passiert. Wir müssen unbedingt zum Doktor.“

„Ein Unfall, soso“, sagte die Frau mit einem schwer deutbaren Gesichtsausdruck.

„Dann füllt bitte dieses Formular aus und gebt mir eure Versichertenkarten.“

Bella wandte sich an mich.

„Hast du deine Karte dabei?“

Eine Karte wurde benötigt! So schnell ich nur konnte, suchte ich im Gedächtnis nach weiteren Hinweisen, aber so richtig fündig wurde ich nicht. Ich nickte einfach mal um Zeit zu gewinnen. Das war bisher immer gut angekommen.

Bella und die Frau blickten mich intensiv an. Einige Zeit verging. Warum schauten sie nur? Das fühlte sich unangenehm an.

„Du musst sie mir geben!“, sagte Bella. Ihre Stimme klang ungeduldig. Die Gesichtsfarbe meiner Klassenkameradin veränderte sich ein wenig ins Rötliche. Das sah gut aus.

Ich nickte nochmals und begann nun in den Öffnungen der Kleidung zu suchen. Dabei stieß meine Hand auf einen rechteckigen Gegenstand und holte diesen hervor.

„Da ist ja deine Geldbörse. Gib sie mal her!“ Meine Begleiterin nahm sie und begann diese zu untersuchen.

Bella schaute zu dem anderen Wesen und erklärte: „Er ist durch den Unfall noch etwas verwirrt, entschuldigen Sie das bitte.“

Das Gesicht der Frau wurde freundlicher. Sie begannn Bella zu glauben.

„Nicht so schlimm.“

Bella fand das Gesuchte. Es war eine Platte mit einem Bild. Das Gesicht darauf war wohl ich. Ein wenig erschreckte mich dieser ungewohnt fremde Anblick. So sah ich also aus. Ich war ein ziemlich junger Mann. Irgendwie hatte ich geglaubt älter zu sein.

Die Gehilfin machte etwas mit dieser Karte und wir mussten in eine andere Abteilung wechseln, die Wartezimmer hieß. Dort setzten wir uns zu einer kleinen Gruppe anderer Leute.

Bella beschäftigte sich mit einem Bleistift, den sie zwischen den Fingern hielt. Sie schrieb damit. Ob ich das auch konnte? Dabei murmelte sie etwas wie: „Was trage ich da bloß ein? Das ist doch schwer zu glauben …“

Die anderen Wartenden waren von unterschiedlicher Qualität und sahen sehr verschieden aus. Es gab kleine und große. Die Letzteren wiesen oft erhebliche Verunstaltungen auf. Ihre Haut war teilweise gelblich und fleckig sowie die Augen von auffälligen roten Linien durchzogen. Auch die Haare am Kopf fehlten bei einigen oder hatten eine unschöne graue Farbe. Bella wirkte im Vergleich zu ihnen unendlich schön. Sie roch auch am besten. Wieder fiel mir die flink pochende Ader am Hals auf. Hübsch.

Einige reagierten seltsam, wenn ich meine Augen voller Neugier etwas länger auf sie richtete. Die Älteren schüttelten zuweilen den Kopf, die Jüngeren steckten mir sogar ihre rötlich schleimige Zunge heraus und einer sagte sogar: „Glotz nicht so bescheuert!“

Ich bemerkte aber durchaus, dass meine neue Kameradin mich heimlich mit einem misstrauischen Gesichtsausdruck ansah.

Dann wurden endlich unseren Namen gerufen: „Bella und Lex bitte in Zimmer zwei!“, ertönte es asus einem Lautsprecher.

Meine Weggefährtin winkte mir zu. Ich sollte ihr scheinbar folgen.

Im neuen Raum saß der Doktor und bewegte unablässig seine Finger auf einem flachen technischen Gerät. Ich hatte so etwas noch niemals gesehen.

„Nun, was gibt es denn bei euch?“, fragte er mit einem recht neutralen Gesichtsausdruck und gab dabei wieder etwas in sein interessantes Gerät ein.

Ich überließ Bella das Sprechen, deren Gesicht sich dabei überaus süß verfärbte. Das war ein sicheres Anzeichen von Aufregung, wie ich inzwischen wusste.

„Also, das klingt vielleicht sehr ungewöhnlich, aber Lex hatte einen schwierigen Unfall, wenn man es so nennen kann!“, begann sie.

Der Doktor zeigte nun eine etwas interessiertere Mimik und fixierte mich ausgiebig. Anschließend gab er wieder etwas mit großer Fingerfertigkeit ein.

„So ungewöhnlich ist das natürlich nicht“, wiegelte er ab. „Man kann auf den ersten Blick aber keine äußerlichen Verletzungen erkennen, er sieht recht normal aus“, erwiderte er, ohne aufzublicken.

„Es ist trotzdem notwendig, dass Sie ihn genau untersuchen, sein Herz und auch die Temperatur!“, stieß Bella eindringlich hervor. Ihr Gesicht war noch farbiger geworden.

„Was war das denn für ein Unfall?“, fragte der Doktor misstrauisch aufsehend. Er fühlte sich bedrängt.

Meine Bekannte steigerte nochmals ihre Farbigkeit und verbreitete einen recht unsicheren Eindruck.

„Also, wir haben da so ein Ding gefunden“, stammelte sie.

„Ein Ding?“ Das Doktorwesen gab wieder etwas in die Maschine ein.

„Ja, man kann das schwer erklären. Jedenfalls hat Alex da ran gefasst und plötzlich ist er umgefallen. Das Ding ist dann irgendwie verschwunden.“

Der Fragende musterte nicht mich, sondern Bella, als wäre der Unfall ihr passiert. Sein Gesichtsausdruck veränderte sich unverständlich und seine Finger arbeiteten sehr schnell.

„Soso“, murmelte er irgendwie zweifelnd.

„Ja“, fuhr Bella sichtlich aufgeregt fort. Mir gefiel es sehr, sie zu beobachten, zu hören und auch zu riechen.

„Dann zitterte er, fiel um und war wie tot.“

Ich machte ein erstauntes Gesicht, so gut es mir eben gelang. Die Geschichte war ja auch mir nicht in allen Einzelheiten bekannt.

„Was hast du nun gemacht?“, wollte der Doktor von Bella wissen.

Ich nickte und lächelte einfach, um nicht aufzufallen.

„Ich war total schockiert und versuchte ihn sofort wieder zu beleben.“

„Mit Mund-zu-Mund-Beatmung?“

Bella warf mir einen sehr merkwürdigen Blick zu. Wieso reagierte sie auf diese Frage so eigenartig?

„Ja, so in etwa“, sagte sie unsicher.

„Die hat offensichtlich auch gut gewirkt! Er wirkt ja putzmunter.“ Der Mann grinste humorvoll. Er musterte mich.

„War das so?“

Ich zuckte mit den Schultern.

Die Finger des Doktors arbeiteten unablässig, sein Gesicht wirkte sehr zufrieden.

Bella warf erneut einen undefinierbaren Blick zu mir.

„Könnten Sie prüfen, ob er wirklich lebt?“ Bella machte eine Pause. „Ich meine mit Herzschlag und so!“, stammelte sie.

Der Doktor lachte laut auf und klapperte fröhlich etwas in seine Maschine. Ich wusste nun, dass es so etwas wie ein Schreib- und Rechengerät war, man nannte es PC. In Lex seinem Gedächtnis gab es viele solcher Begriffe, die mir unbekannt und neu erschienen.

„Das war doch sicher ein Spaß, Bella! Er sitzt doch quicklebendig vor mir! Das war wohl mehr eine rhetorische Frage, ha, ha … Ich werde ihn aber natürlich trotzdem kurz abhören.“

Er gab wieder etwas ein.

„Hat er irgendwelche anderen Verletzungen davongetragen?“

„Nein, eher nicht.“

Der Doktor stand auf und kam zu mir.

„Na, mach mal dein Shirt hoch!“

Ich zog das gewünschte Kleidungsstück nach oben und setzte einen bewusst gleichmütigen Gesichtsausdruck auf.

„Bisschen komisch guckt er schon“, meinte der Doktor mich genau musternd, „aber sein Herz schlägt und auch der Puls und die Temperatur sind ganz normal.“

Bella sprang erregt auf. Ihre Sitzgelegenheit kippte dabei fast um. Sie schien das Ergebnis anzuzweifeln.

„Kontrollieren Sie das bitte noch einmal, vielleicht haben Sie sich vertan!“

Nun schaute das Doktorlebewesen nicht mehr ganz so heiter. Er mochte es offensichtlich nicht, dass man ihn anzweifelte.

„Bella, ich sehe an deiner schwarzen Garderobe, dass du dich eventuell mit dem grassierenden Vampirfieber angesteckt hast. Spaß beiseite, das ist hier aber mit Sicherheit kein Untoter oder Geistwandler, wie unsere indianischen Freunde es in ihren Legenden erzählen, sondern ein ganz normaler vitaler Bursche. Nicht wahr, Lex?“

Ich nickte mit dem Kopf.

Bella wirkte verzweifelt. Sie schien ganz aus ihrem Konzept gebracht und sah irritiert von mir zum Doktor und umgekehrt.

„Ist wirklich nichts ungewöhnlich?“, hakte sie nochmals nach. Was wollte sie?

„Nein“, erklärte der Doktor bestimmt. Er wirkte mit jeder Frage von Bella genervter.

„Er krabbelte nach dem Unfall wie ein Käfer herum“, warf Bella ein weiteres Argument ein.

War das denn so schlimm?

„Bella ich glaube, du hast genug Tollheiten preisgegeben. Vielleicht war sein Kreislauf nicht stabil!“, erwiderte der Glatzkopf unwillig. „So ertwas kommt vor. Das war eine kurzzeitige Desorientierung.“ Es kränkte ihn, dass Bella an seiner Untersuchung zweifelte.

„Da stimmt irgendetwas aber nicht!“, stieß sie eindringlich hervor.

„Er stottert plötzlich nicht mehr“, ergänzte meine Schulkameradin weiter. „Das hat er sonst immer getan.“

Der Doktor sah zu mir. Ich lächelte unschuldig.

„Stimmt das, Lex?“

Ich nickte wieder.

„Kannst du auch sprechen? Ich habe noch nichts von dir gehört. Wie heißt du?“, fragte der Doktor.

„Alexander“, erklärte ich kurz und spürte, dass der Mann auf meiner Seite war.

Diese korrekte Antwort kam gut an, denn sowohl der Doktor als auch Bella setzten einen sehr zufriedenen Gesichtsausdruck auf.

„Sehen Sie! Sonst hat er sich bei allen immer selbst nur Lex genannt“, stellte meine Freundin fest.

Der Doktor nahm jedoch davon keine Notiz und führte seine Befragung fort.

„Wo wohnst du und wie heißt deine Mutter?“

Ich holte die Informationen aus dem Gedächtnis, beantwortete seine Frage.

„Bella, dieser Unfall war vielleicht für ihn ein Glücksfall. So etwas gibt es manchmal. Lex stottert nicht einmal mehr. Wahrscheinlich habt ihr vor irgendetwas einen ordentlichen Schrecken bekommen und zudem durch die hohe Sonnenstrahlung einen Hitzschlag erlitten. Es ist zwar schon Herbst, aber für die Jahreszeit auch ungewöhnlich heiß. Das ist eben eine Auswirkung des Klimawandels. Ich hatte heute schon einen solchen Patienten. Die Leute wollten nur ein Rezept holen und hatten ihren Vater unten im Auto gelassen. Das dauerte hier dann etwas länger. Als sie zurückkamen, war die Sonne ein wenig gewandert und hatte das vorher im Schatten stehende Auto aufgeheizt. Ihr hättet den Opa mal sehen sollen. Der redete genauso ein wirres Zeug daher wie du gerade.“

Meine Weggefährtin wirkte verzweifelt.

„Bella, jetzt komm mal her, ich will dich auch vorsichtshalber abhören. Schieb mal den Schmuck beiseite!“

Bella tat es und der Arzt machte sich an ihr zu schaffen. Sie hatte auf der Haut schwärzliche Zeichen. Der Anblick von der Haut und den Symbolen darauf fesselte meine Sinne und seltsame Gefühle begannen erneut in mir zu wirbeln. Was war das? Ich vermochte meine Augen gar nicht abzuwenden und fand ihren jugendlichen Körper faszinierend.

Der Doktor sah zu mir herüber, dann setzte er ein Lächeln auf.

„Da guckt aber einer!“

Bella wurde feuerrot.

„Ist da jemand verliebt?“, scherzte der Glatzkopf.

Bellas Gesicht behielt die starke Verfärbung. Auch mir schoss das Blut heiß ins Gesicht. Merkwürdig war das. Ich fühlte mich unsicher.

Der Arzt wandte sich erneut an Bella: „Du bringst deinen Freund unbedingt direkt nach Hause. Laufen kann er ja noch. Ich schreibe euch beide zwei Tage krank. Geht bitte keinesfalls in die Sonne, ruht euch schön aus und trinkt viel. Man sagt unter Laien Sonnenstich dazu.“

Bella nickte. Sie wirkte sehr irritiert.

„Sorgen mache ich mir eigentlich im Moment mehr um dich, Bella. Du vermischst deine Fantasien sehr stark mit den wirklichen Ereignissen und kannst beides gerade nicht voneinander unterscheiden. Das mag zwar am Hitzschlag liegen, aber es ist untypisch und deswegen schon sehr auffällig. Wenn du in einigen Tagen immer noch an deine seltsame Geschichte mit dem Wirbel glaubst, komm bitte vorbei. Ich zieh dann vielleicht noch einen Kollegen zurate. Fühlst du dich sonst wohl?“

„Ja!“, es klang unwirsch.

Er reichte seinen Arm herüber, schüttelte Bellas Hand. Dann stand er auf und klopfte mir auf die Schulter.

„Wird schon wieder!“

Bella brachte mich nach Hause. Auf dem Weg durchforstete ich das Gedächtnis. Was würde mich dort erwarten?

Eine unbekannte Frau erschien.

„Hallo Mama!“

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