Читать книгу Lustvolle Qualen - Melanie Weber-Tilse - Страница 10

Sarah

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Langsam kam sie zu sich. Eine Hand lag an ihrer Wange und eine andere streichelte über ihren Handrücken. Als sie die Augen aufschlug, schaute Peter sie mit einem verlegenen Grinsen an. »Guten Morgen mein Sonnenschein, du hast mir einen ganz schönen Schrecken eingejagt.«

Sie erschrak. »Fass mich nicht an«, fauchte sie ihn an und bei ihren Worten zuckte er leicht zusammen, nahm aber sofort seine Hand von ihrer Wange. Gleichzeitig riss sie ihre Hand aus seiner, setzte sich hastig auf und zog sich die Maske vom Gesicht.

»Langsam, Sarah«, versuchte er einen Vorstoß, doch sie konnte jetzt nicht anders reagieren. Jahre war es her, dass sie die letzte Panikattacke gehabt hatte und in solchen Momenten konnte sie nicht angefasst werden, geschweige denn ertrug sie Gesellschaft.

Sie befreite sich aus der Decke und immer noch saß Peter auf dem Bett und musterte sie besorgt.

»Hör auf, Peter«, fuhr sie ihn an. »Schau mich nicht so an. Ich brauche kein Mitleid. Lass mich einfach in Ruhe!«

Immer noch blieb er sitzen, reagiert gar nicht auf ihre Worte. »Bitte«, setzte sie leise nach. Ihre Kraft gegen ihn zu Kämpfen schwand. Aber sie konnte und wollte keine Schwäche zeigen.

Leicht schüttelte er den Kopf, stand dann aber vom Bett auf, half ihr schweigend die Decke zu lösen und trat dann beiseite, damit sie aufstehen konnte.

Stumm ließ er sie passieren, als sie fast schon fluchtartig an ihm vorbeieilte, den Gang entlang, um dann in der großen Halle das Bändchen von ihrem Arm zu reißen und im Vorbeihasten Patricia in die Hand zu drücken.

»Was? …«

Sarah rauschte weiter, ließ keine Fragen zu, sie musste hier einfach nur noch raus. Es war zu laut, zu eng, und der eben durchgemachte Anfall raubte ihr sämtliche Energien.

Den Weg, den sie noch vor kurzem freudig gegangen war, wurde nun mit dem Gefühl aus Angst und Verzweiflung beschritten.

Endlich stand sie draußen an der frischen Luft. Nervös nestelte sie an ihrer viel zu kleinen Handtasche, um ihr Handy herauszubekommen, als ein nur all zu bekanntes Geräusch sie innehalten ließ.

Und tatsächlich, Peter in seinem Camaro kam angefahren, hielt vor ihr an und öffnete ihr von innen die Tür. »Steig ein, ich fahre dich nach Hause«, sprach er in einem ruhigen Ton, der aber keinen Widerspruch duldete. Und komischerweise versetzte sie das nicht in Angst und Panik, sondern gab ihr jetzt hier in der Situation Sicherheit.

Das Verdeck war geöffnet, obwohl es mitten in der Nacht war. Ahnte er, dass sie in dem geschlossenen Wagen nie eingestiegen wäre?

Sie glitt auf den Beifahrersitz und Peter gab bedächtig Gas. Während der Fahrt ließ er sie komplett in Ruhe, drängte ihr kein Gespräch auf. Seine bloße Anwesenheit beruhigte sie und er brachte sie sicher nach Hause.

Vor ihrem Haus hielt er an, ließ aber den Motor laufen und signalisierte ihr, dass er sich nicht aufdrängen würde.

Verdammt, warum war er nur so hilfsbereit?

»Danke«, murmelte sie zum Abschied und er schickte nur ein »Immer!«, hinterher.

Sie hörte noch den Motor, als sie die Tür zum Wohnhaus aufschloss. Erst als die Treppenhausbeleuchtung aufflammte, fuhr er los.

Zittrig öffnete sie die Tür zu ihrer Wohnung. Fast wäre sie einfach an dieser hinabgesunken und hätte sich wieder wie vor Jahren in ein Loch fallen lassen. Aber nein, das würde sie jetzt nicht tun. Über den Punkt war sie hinweg!

Eiligen Schrittes ging sie ins Schlafzimmer, zog die Klamotten aus und warf sie achtlos auf den Boden. Dann schlüpfte sie in ihre Jogginghose und zog ein Shirt mit Kapuze an. Sie stöpselte die Kopfhörer in das Handy ein, zog im Flur die Turnschuhe an und steckte den Schlüssel ein.

Vor dem Haus verzichtete sie darauf, sich warm zu machen. Immer wenn sie früher einen Anfall gehabt hatte, war der Schmerz beim Laufen etwas, was sie wieder auf den Boden zurückgeholt hatte.

Die Musik trieb sie in einem schnellen Tempo durch die Straßen. Aus dem Augenwinkel erkannte sie einen Wagen, der ihr in einigem Abstand folgte: Peter.

Irgendwie hatte sie geahnt, dass er nicht komplett weggefahren war und gewartet hatte, ob sie zu Bett ging, oder andere Dinge tun würde. Warum nur hatte er ihr nicht schon früher gezeigt, dass er sie wollte?

Sie schaltete alle Gedanken ab, jetzt war es egal. Sie bog den Weg in den kleinen Park ein und rannte einige Runden, bis ihre Beine schmerzten und sie das Seitenstechen zwang, anzuhalten. Heftig atmend stützte sie sich auf die Beine ab. Eine Bewegung an der Seite ließ sie den Kopf wenden. Peter stand dort und beobachtete sie. Sein Gesicht lag im Dunklen, aber seine Körperhaltung drückte nur zu deutlich aus, dass es ihm nicht gefiel, wie sie hier mitten in der Nacht im Park herumlief. Wenn er wüsste…

Keuchend raffte sie sich wieder auf und lief auf den Ausgang zu. Auch den Weg nach Hause begleitete sie der Wagen, bis sie die Haustür aufschloss und im Gebäude verschwand.

***

Mit viel zu wenig Schlaf quälte sie sich am Samstagmorgen aus dem Bett. Der Blick in den Spiegel ließ sie unwillig murren und trieb sie direkt in die Dusche. Die verschmierte Schminke und das Vogelnest auf ihrem Kopf mussten dringend beseitigt werden.

In einen Bademantel gewickelt und mit einem Handtuch auf dem Kopf, wollte sie sich gerade in die Küche begeben, als es an der Wohnungstür klingelte. Unsicher ging sie zum Türspion, nur um dann laut zu Seufzen.

Sie öffnete die Tür und sah sich Joyce gegenüber, die sie anstrahlte und eine Tüte mit offensichtlich frischen Brötchen entgegenhielt.

»Guten Morgen, Sweety. Frühstückservice.«

Joyce wollte sich an ihr vorbeischieben, aber sie versperrte ihr den Weg. »Egal warum und wer dich hierher geschickt hat. Nicht jetzt, bitte. Vielleicht habe ich irgendwann die Kraft, es dir zu erzählen, aber heute nicht.«

Joyce Lächeln erstarrte, sie wurde von ihr kurz gedrückt, bekam die Brötchentüte in die Hand gedrückt und ihre Freundin verschwand ohne Murren.

Mit der warmen Tüte im Arm war sie auf dem Weg in die Küche, als es erneut klingelte.

Diesmal riss sie einfach die Tür auf, »Ich sagte doch, jetzt …«, erstarrt hielt sie inne.

Diesmal stand Peter davor, und ohne ein Wort zu sagen, schob er sie beiseite, nahm ihr die Tüte ab und ging den Flur entlang.

»Schließ die Tür, außer du möchtest die Nachbarn zum Frühstück einladen«, rief er über die Schulter und bog in ihre Küche ab.

Überrumpelt schloss sie die Tür und betrat nur kurz darauf ebenfalls ihre Miniküche. Wie selbstverständlich hantierte er an der Kaffeemaschine herum, holte Teller und Tassen hervor und deckte den winzigen Tisch.

Kurz blickt er sie an, machte dann aber ruhig weiter. »Der Anblick ist zwar wirklich nett, aber möchtest du dir nichts anziehen?«

Scheiße, erst jetzt wurde sie sich ihrer Aufmachung bewusst und sie floh in ihr Schlafzimmer. Dort lagen noch ihre Klamotten verstreut auf dem Boden. Tief atmete sie ein, als sie an die Szene in der Nacht zurückdachte, dann straffte sie den Rücken, sammelte die Kleidung auf und zog sich schnell ein einfaches Sommerkleid über. Die Haare kämmte sie durch und ließ sie feucht, wie sie waren, an der Luft trocknen.

Kaffeeduft erfüllte die Küche, als sie wieder eintrat. Peter stand am Fenster mit einer Tasse in der Hand. Als er sie hörte, drehte er sich zu ihr um.

Um ihm nicht weiter in die Augen schauen zu müssen, nahm sie die bereitgestellte Tasse und trat zur Kaffeemaschine. Beim Befüllen zitterte ihre Hand und auch den Schuss Milch einzufüllen, war nur mit großer Anstrengung möglich.

Tief atmete sie ein, ballte die Hand zur Faust und schloss die Augen. Sie konzentrierte sich wieder, ruhig zu werden, bis die Hand, die sich auf ihre verkrampfte Faust legte, sie aus ihrer Konzentration riss.

Erschreckt schaute sie auf und direkt in Peters sanfte Augen. Ihn so nah bei sich zu haben, wo sie immer noch nicht den letzten Anfall richtig überwunden hatte, brachte sie wieder dazu, stockend zu atmen. »Geh jetzt«, presste sie hervor.

»Das werde ich ganz sicher nicht tun«, war nicht die Antwort, die sie jetzt hören wollte und ihr Körper fiel in die altbekannte Starre.

Lustvolle Qualen

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